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Zehn der deutschen Soldaten (und Soldatinnen), die während des Zweiten Weltkriegs in Norwegen starben, waren Adam Rutkowski († 29), Dr. Fritz Dietert († 29), Christian Börnsen († 37), Hubertus Sapia († 23), Ernst Schönfuss († 62), Klemens Kellinghaus († 30), Gustav Paprotta († 37), Erna Voigt († 28), Matthias Glasmacher († 19) und Martin Schmidl († 38). Diese Fragen stellen sich: Was war ihre Motivation nach Norwegen zu kommen? Woher kamen sie? Ihre Schicksale hingen mit dramatischen Ereignissen zusammen, wie dem Untergang des schweren Kreuzers Blücher in Oslofjord am 9. April 1940, den Kämpfen bei der Fossum Brücke am 12. April 1940, und dem Angriff auf die Ölraffinerie in Vallø bei der Stadt Tønsberg am 25. April 1945. In Norwegen gibt es 11.500 deutsche Kriegsgräber. Mehr als 3.000 Soldaten ruhen auf dem Oslo-Alfaset Kriegsfriedhof, die meisten davon junge Männer, aber auch einige Frauen. Durch die Geschichten von zehn deutschen Soldaten gibt das Buch Einblicke in die Besetzung Norwegens und gleichzeitig in die deutsche Geschichte. "Die deutschen Soldaten auf Alfaset" zeigt die zerstörerische Natur des Krieges, aber auch die Kraft der Versöhnung als Grundlage für eine bessere Welt.
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Seitenzahl: 281
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorwort
Einleitung zu den Soldatengräbern auf dem Friedhof Alfaset
Die deutsche Besetzung Norwegens
Adam Rutkowski (24.12.1910 – 9.4.1940)
Dr. Fritz Dietert (23.4.1910–12.4.1940)
Christian Börnsen (30.5.1906–16.1.1944)
Hubertus Sapia (24.7.1920–23.2.1944)
Ernst Schönfuss (22.12.1881 – 26.7.1944)
Klemens Kellinghaus (1.12.1913–11.9.1944)
Gustav Paprotta (19.2.1907–26.9.1944)
Erna Voigt (22.1.1916–6.1.1945)
Matthias Glasmacher (19.7.1925–17.2.1945)
Martin Schmidl (22.9.1906–25.4.1945)
Die deutsche Soldatengräber – von Heldenverehrung bis Versöhnung
Die Soldaten auf Alfaset und der große Zusammenhang
Die Kraft der Versöhnung für eine bessere Welt
Epilog
Literatur und Dokumentation
Literaturverzeichnis
Meine Beziehung zu Deutschland begann durch Fußball. Später lernte ich die deutsche Sprache, studierte Rechtswissenschaft in Trier und in Bremen und fand gute deutsche Freunde. Die Weltmeisterschaft 1982 ist die erste Erinnerung, die ich an Deutschland habe. Die Europameisterschaft im Jahr 1996 habe ich in Deutschland verfolgt, ebenso wie die Weltmeisterschaften 2002 und 2014. Die Weltmeisterschaft 1990 war etwas Besonderes, weil sie kurz nach dem Fall der Berliner Mauer stattfand, einem symbolischen politischen Ereignis, das am 9. November 1989 begann. Hinter den Kulissen des Sports fand ein anspruchsvoller politischer Machtkampf zwischen den Großmächten statt. Es ging darum, das Land wieder zu vereinen oder die Vereinigung zu verhindern.
Diese Weltmeisterschaft von 1990 wurde im fußballbegeisterten Italien mit Napoli und dem argentinischen Star Diego Maradona in der Hauptrolle ausgetragen, aber es war Deutschland, das gewann. Der Sieg hatte wahrscheinlich eine größere Dimension als die Trophäe und der Titel. Eine Dimension, die Italien und Maradona übertraf. Verteidiger Andreas Brehme, der ursprünglich gelernte Metallarbeiter, hat wahrscheinlich mehr getan, als er damals selbst verstanden hatte, als er im Finale gegen Argentinien den entscheidenden Elfmeter setzte. Vielen gefiel das, was sie sahen, einschließlich der Kritiker, die den deutschen Fußball als zynischen Maschinenfußball angesehen hatten. Es fühlte sich verdient an, und man gönnte Deutschland den Sieg, vielleicht zum ersten Mal. Für Deutschland würde ich annehmen, dass es fast eine Frage der Existenzberechtigung war. Trainer Franz Beckenbauer, selbst Legende und ehemaliger Weltmeister, brauchte eine längere Auszeit, um das ganze Erlebnis zu verdauen. Die Bilder, auf denen der »Kaiser« ganz allein auf dem Rasen herumläuft, anstatt mit dem Team zu jubeln, sind sehr berührend gewesen.
Das Finale der Europameisterschaft 1996 war Oliver Bierhoffs große Nacht. In der kleinen Stadt Homburg im Saarland, wo ich meine Schwester besuchte, die dort Medizin studierte, schauten wir das Spiel mit einigen ihrer deutschen Freunde. Die ganze Stadt jubelte – überall waren Fahnen zu sehen. Autos hupten und Horden feiernder Deutscher gingen auf die Straße. Es machte einen großen Eindruck, und es war schön zu sehen. Mir wurde gesagt, dass es selten vorkam. Denn die Deutschen zeigten ihre Fahne im Allgemeinen nicht gern. Es war leicht zu verstehen, warum. Trotzdem war es schön, eine so spontane Freude über etwas so Triviales wie Fußball zu sehen. Gerade so etwas kann für die Identität eines Landes und die Emotionen der Bürger so wichtig sein. Es dauerte lange, bis die Deutschen ihre Fahne zeigen oder nationale Gefühle ausdrücken konnten.
Daraufh in nahm mein Interesse an Deutschland zu. Ich habe eine Art Anziehungskraft auf dieses besondere Land empfunden und es fast schon geliebt. Es war mein Zuhause und ich habe mich wirklich zu Hause gefühlt.
Als ich im Jahr 2000 in Bremen studierte, traf ich einen Kurden, der in einer Anwaltskanzlei arbeitete. Er lud mich in ein kurdisches Café ein, wo Demonstrationen gegen türkische Unterdrückung geplant wurden. Es verlief alles friedlich, ohne dass Polizeischutz notwendig war. Deutschland war zu einer toleranten und multikulturellen Gesellschaft geworden, so weit von den 1930er Jahren entfernt.
Meine Beziehung zu Deutschland hat wahrscheinlich auch einen klaren Zusammenhang mit dem Interesse an der jüngeren Geschichte und dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Buch wurde daher nicht zufällig geschrieben. Ich habe keinen Grund, die Geschichte Deutschlands und des Zweiten Weltkriegs, eine tragische und grausame Geschichte, zu verschönen. Wir dürfen niemals vergessen, was passiert ist. Gleichzeitig halte ich es für wichtig, auf Frieden und Versöhnung aufzubauen. Dies ist meine stärkste Motivation, dieses Buch zu schreiben.
Kristian Ilner, Oslo, 1. Oktober 2021
Matchsieger Andreas Brehme und seine Teamkollegen feiern 1990 im WM-Finale gegen Argentinien das 1:0, ein Sieg, der in einer wichtigen Zeit zum Wandel der deutschen Identität beigetragen hat. Foto: FIFA.
Frieden ist die Fortsetzung des Krieges auf andere Weise.
Oswald Spengler (1880–1936)
Alfaset ist ein öffentlicher Friedhof, der im Stadtteil Alna liegt, im östlichen Teil von Oslo. Hier ist eine große Anzahl von Menschen aus der ganzen Welt zusammen mit Norwegern begraben. Alfaset ist mit der Zeit zu einem natürlichen Teil von Oslo und Norwegen geworden. In der Umgebung befinden sich eine Reihe von Gewerbeimmobilien, Terminals und einem wichtigen Knotenpunkt für den Stadtverkehr.
Ein Teil der Gräber des Friedhofs Alfaset ist gefallenen deutschen Soldaten gewidmet. Sie fielen während des Zweiten Weltkriegs auf norwegischem Boden oder kamen in norwegischen Meeren ums Leben. Es waren insgesamt mehr als 3.000 Soldaten. Allein zwischen 1940 und 1945 fielen 12.000 deutsche Soldaten in Norwegen. Es gibt tatsächlich so viele tote Deutsche, dass auf jedem Grabstein mehrere Namen geschrieben stehen, damit sie alle auf dem Friedhof Platz finden. Und trotzdem sind die Reihen sehr lang. Dies mag vielleicht im Vergleich zu den großen Schlachten während des Krieges an den Ostfronten eine geringe Zahl sein, aber es ist immer noch eine hohe Zahl, die Anlass zur Reflexion gibt. Es zeigt außerdem, dass es ein Risiko war, als Besetzungssoldat nach Norwegen zu kommen.
Auf dem Friedhof Alfaset finden wir heute Soldatengräber mit Namen, die uns an berühmte deutsche Fußballspieler wie Möller, Augenthaler und Werner erinnern. Deutschland ist, wie die Vereinigten Staaten, ein Land mit einer Geschichte vieler Kriege, an denen große Teile der Bevölkerung beteiligt waren. In den 20 Jahren nach Kriegsende hatte die überwiegende Mehrheit der Deutschen eine familiäre Beziehung zum Zweiten Weltkrieg. Der Krieg wurde für Deutschland ein Teil seiner Geschichte, aber mit den Jahren entwickelte das Land sich zu einer der weltweit führenden Friedensnationen. Die Vereinigten Staaten hingegen bewahrten sich den Stolz auf ihre Streitkräfte.
Wenn man die Namen auf den Alfaset-Kriegsfriedhof liest, ist es natürlich, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Wer waren all diese Jungen, Männer und sogar einige Frauen? Welche Schicksale haben sie durchlebt? Wie sind sie nach Norwegen gekommen? Was hielten sie von Hitler, dem Krieg und der Operation in Norwegen?
Am 9. April 1940 wurde Norwegen unter dem Codenamen Weserübung Nord von deutschen Streitkräften angegriffen. Obwohl es viele Warnungen gab, waren die Norweger überrascht. Dies galt für die meisten der Bevölkerung, aber auch für die Regierung und das norwegische Parlament, Stortinget. Die Größe der norwegischen Streitkräfte war bescheiden, aber die Topografie des Landes mit tiefen Wäldern, Bergen und Fjorden machte es nicht so einfach, das Volk zu bekämpfen und kontrollieren. Sowohl ausgebildete Soldaten als auch freiwillige Norweger wurden an strategisch wichtigen Orten rekrutiert, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Die norwegischen Streitkräfte erhielten ebenfalls Unterstützung von den Alliierten. Der Feldzug dauerte bis zum 10. Juni und war von einer Reihe von Kämpfen und Aktionen geprägt, die auf beiden Seiten Verluste verursachten, bevor Norwegen als Ganzes besetzt wurde. Die deutsche Invasion war umfangreich und gut organisiert, mit Anstrengungen aller Waffenzweige. Der Angriff war eine Invasion. Die Umstände der Neutralität Norwegens und die Beziehung zu Großbritannien und Deutschland, war aber unklar. Wie Schweden hatte Norwegen sich bei Ausbruch des Krieges im Jahr 1931 zum neutralen Staat erklärt.
Aus deutscher Sicht wurde Norwegen zunächst als Verbündeter angesehen. Die Besetzung Norwegens ist auch nicht zu vergleichen mit der deutschen Kriegführung in Osteuropa, dem Angriff auf Sowjetunion mit dem enormen Verlust an militärischem und zivilem Leben, der Großteil davon auf russischer Seite. Im Osten gingen die Kriegsparteien unvorstellbar brutal vor. Dort fand auch der umfangreichste und systematischste Völkermord an den Juden statt. Die Kämpfe an der Ostfront haben verständlicherweise das größte Trauma unter den Deutschen verursacht. Millionen von Träumen gingen auf dem Schlachtfeld mit den Wehrmachtssoldaten verloren, die einen noch hoffnungsloseren und unmenschlicheren Kampf führten als ihre Vorfahren an der Westfront während des Ersten Weltkriegs.
Es wäre falsch, ein Bild ausschließlich von gezwungenen deutschen Soldaten zu zeichnen. Sehr viele waren motiviert, für den Führer und das Vaterland zu kämpfen und zu sterben. Es wird geschätzt, dass etwa 5,3 Millionen deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg starben, von denen mehr als eine Million noch vermisst werden. Die Gesamtzahl ist damit fast so groß wie die heutige Bevölkerung von Norwegen.
Insgesamt führten die deutsche Invasion und die fünfjährige Besetzungszeit in Norwegen zu relativ wenigen getöteten Menschen, deren Anzahl im Vergleich zu den Verlusten, insbesondere in Polen, Russland und anderen östlichen Gebieten, nahezu marginal waren. Trotzdem darf man die norwegische Besetzungsgeschichte nicht trivialisieren. Die Brutalität des Krieges fand auch in Norwegen Einzug, und die Widerstandsbewegung wurde unter äußerst anspruchsvollen Umständen aufgebaut. Tausende Bücher sind über den Zweiten Weltkrieg geschrieben worden – in Norwegen und in anderen Ländern – sowohl von überlebenden Zeugen, von Historikern und anderen, die ein besonderes Interesse an diesem Krieg hatten, der die Identität mehrerer Nationen geformt hat.
In Norwegen sind Gedenkfeiern, die an den Zweiten Weltkrieg erinnern ebenso symbolisch wie der Nationalfeiertag am 17. Mai, wenn die Unabhängigkeit von Schweden gefeiert wird. Das sind die Tage mit der wichtigsten Bedeutung für unsere demokratische Gemeinschaft. Das moderne Norwegen wurde in mehrfacher Hinsicht auf den Erfahrungen mit dem Krieg aufgebaut. Der Krieg hatte eine einigende Wirkung, und die wichtigsten Kriegsereignisse mobilisierten den Wiederaufbau und die Entwicklung des modernen Staates. Viele Personen aus der norwegischen Widerstandsbewegung erhielten nach 1945 Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Gleichzeitig durfte nicht jeder von dieser Gemeinschaft erfahren. Viele herausfordernde Aspekte des Krieges wurden vereinfacht oder verborgen.
Das Interesse, mehr über den Krieg zu erfahren, ist immer noch groß. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass junge Menschen mit der Kenntnis über die Geschehnisse des Krieges aufwachsen, damit sie die Gesellschaft weiter in Richtung Frieden, Demokratie, Gleichheit und Menschlichkeit entwickeln können. Hoffentlich können wir von dieser Kriegsvergangenheit lernen, gerade wenn wir an die vielen Fakten denken und mit Empathie das Schicksal der Kriegsopfer reflektieren.
Die moderne Weltordnung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel entwickelt, die Länder durch Frieden und Solidarität miteinander zu verbinden. Die alten Kolonien wurden immer unabhängiger, und die Staaten der Welt konnten mehrere internationale Menschenrechtsverträge ratifizieren.
Krieg ist immer falsch und grausam, aber Frieden ist auch nicht einfach. Der Kampf um die guten Werte geht weiter, ein anspruchsvoller, aber notwendiger Kampf.
Norwegen hat kürzlich auch traumatische Ereignisse unter der Flagge einer unmenschlichen Ideologie erlebt, die von Hass und Gedanken vieler Nazis inspiriert war. Am 22. Juli 2011 wurde das Regierungsviertel in die Luft gesprengt, gefolgt von Massenerschießungen von Dutzenden unschuldiger sozialdemokratischer Jugendlicher auf der Inseln Utøya. Die Tat ist von einem norwegischen Täter (Anders Behring Breivik) mit faschistischer Gesinnung gründlich und eiskalt geplant und durchgeführt. Leider ist es immer noch notwendig, die Menschheit an die Geschichte zu erinnern und die Botschaft zu verbreiten: Nie wieder!
Deutschland ist heute neben Russland der bevölkerungsreichste Staat Europas. Man könnte daher denken, dass das Land auch eine große geografische Größe hat. Dem ist aber nicht so. Länder wie Frankreich, Spanien und Schweden haben eine größere Fläche. Jetzt kann man sagen, dass dies nicht so wichtig ist. Deutschland, bekannt für seine effiziente industrielle Produktion und für seine gut organisierte Gesellschaft, aufgeteilt in 16 weitreichend unabhängige Bundesländer, ist heute wieder eine Großmacht geworden, auch wenn die Deutschen es vielleicht nicht wirklich wollen. Ein starkes Europa hängt von der EU ab, und die EU hängt von Deutschland als der reichen Industrienation und der Brücke zwischen Ost und West ab, historisch gesehen zum Guten oder Schlechten.
Der frühere Bundeskanzler Westdeutschlands, Willy Brandt (* 1913 als Herbert Ernst Karl Frahm, † 1992), reflektierte in seinen Memoiren über Deutschlands Stellung während des Kalten Krieges. Während andere Nationen die Bundesrepublik als Großmacht betrachteten, glaubte Brandt, dass die Bedeutung des Landes übertrieben wurde. Er nannte Deutschland einen »Riesenzwerg.«1
Deutschland war nie so groß wie etwa Russland, aber als Otto von Bismarck im Jahr 1871 das Reich vereinigte, umfasste das Bündnis kleiner und mittlerer Staaten eine geografische Ausdehnung, die in alle Richtungen weiter ging als heute. Lange vor dieser Zeit bestand das Land aus vielen kleineren Staaten und Fürstentümern. Was früher als das Heilige Römische Reich deutscher Nation bezeichnet wurde, war in der Tat ein fragmentarischer Bund, der während des Zeitalters der Absolutismus in Europa allmählich vereinigt wurde. Aber auch dieser Allianz war noch weit entfernt von einer einheitlichen Nation.
Adolf Hitlers Traum von einem Tausendjährigen Reich mit der Hauptstadt Germania war eine ferne Fantasie. Nach dem Krieg ist Hitlers sogenannte Weltanschauung Gegenstand von gründlichen Analysen geworden. Der deutsche Historiker Eberhard Jäckel (1929–2017) glaubte, dass die Visionen des Führers im Manifest »Mein Kampf« nachvollzogen werden können. Hier unterstreicht er sowohl das Ziel, das Reich zu erweitern, insbesondere nach Osten, als auch den Wunsch, die Juden vom Erdboden zu entfernen. Aus dem Manifest geht ebenfalls hervor, dass der Kommunismus der große ideologische Feind war.
Die beiden schmerzhaften Weltkriege haben das deutsche Grundflache erheblich reduziert. Während die Nationalsozialisten im Dritten Reich darauf abzielten, verlorene deutsche Gebiete im Rahmen des Vertrags von Versailles zurückzuerobern, befasste sich die Bundesrepublik nach der Kapitulation im Jahr 1945 mehr mit der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft (EG), später der EU.
Norwegen ist heute emotionaler an England gebunden als an Deutschland. Wir haben Respekt für die Briten, der möglicherweise nicht erwidert wird, aus dem einfachen Grund, weil Norwegen keine Großmacht ist. Bei Deutschland ist das anders. Einige Norweger haben wahrscheinlich immer noch ein etwas angespanntes Verhältnis zu dem Land, obwohl die Relation im Laufe der Jahre bestimmt harmonischer geworden ist. Einige Norweger weisen darauf hin, dass wir erst im Jahr 2006, als die Bundesrepublik die Fußball-Weltmeisterschaft arrangierte, unsere Augen für ein Land geöffnet haben, das für viele nur als ein Transitland zu anderen europäischen Zielen weiter südlich galt. Während des »Sommermärchens« lernten die Norweger ein modernes Deutschland zu kennen, nette und gastfreundliche Menschen, keine sauren und launischen Roboter. Einige Norweger hielten auch, während ihrer Überfahrt auf den Kontinent, in Deutschland etwas länger an. Sie besuchten die wunderschönen Landschaften des Moseltals mit seinen Weinbergen und den mittelalterlichen Burgen. Außerdem schauten sie sich alte Hansestädte wie Hamburg und Bremen sowie traditionelle Universitätsstädte wie Freiburg und Münster an, um unter anderem den gemütlichen Weihnachtsmärkten einen Besuch abzustatten. Norwegische Künstler und Intellektuelle ließen sich in Berlin nieder, um ihre Arbeit auszuführen.
Die Geschichte des anglophilen Norwegen reicht weiter zurück als der Zweite Weltkrieg. Der Krieg als identitätsbildende Faktor hat für Norweger dazu die Beziehungen weiter beigetragen. Wir waren gegen die bösen Nazis. Selbst die Bemühungen des norwegischen Freundes, Willy Brandt, um ein freies Deutschland und Europa, reichten nicht aus, die deutsche Invasion und die grausamen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Krieges ganz zu vergessen.
Brandts Bemühungen als Brückenbauer sind dennoch kaum zu unterschätzen, zusammen mit dem Präsenz der großen norwegischen Deutschland-Brigade (Tysklandsbrigaden) in Deutschland zwischen 1947 und 1953. Damals arbeiteten norwegischen Soldaten für Friedenskonsolidierung und Stabilität in Deutschland zum gegenseitigen Verständnis und zur Versöhnung. In der Nachkriegszeit empfing Norwegen darüber hinaus deutsche Kinder zu Ferienaufenthalten. Weiterhin ermöglichte Deutschland norwegische Studenten Studienplätze an den Universitäten des Landes. Im Jahr 1971 erhielt Brandt den Friedensnobelpreis. Während der Zeremonie im Universitätssaal in Oslo am 10. Dezember, saß der norwegische Premierminister, Trygve Bratteli, direkt hinter ihm. Bratteli war einer, der den Nationalsozialismus als Gefangener in »Nacht und Nebel« (Natzweiler) erlebt hatte.
Auch in Norwegen hat sich die Erinnerung an dem Zweiten Weltkrieg mit der Zeit gemindert. Es scheint nun, dass die Norweger auch in größerem Maße sehen, dass der Krieg viele Schichten und Nuancen hat, wie zum Beispiel die Geschichten über die Schicksale viele deutschen Soldaten, die sich widersetzten, die als Gefangene endeten, sich das Leben nahmen und von denen nie wieder etwas gehört wurde. Viele haben nicht einmal ein Grab.
Vielleicht können wir inzwischen besser verstehen, dass auch viele Deutsche Opfer des Nationalsozialismus waren, nicht nur Täter. Wir lernten mehr über die Unterdrückung der deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten durch die Nazis. Weiter erfuhren wir Einzelheiten über die Opposition vieler Deutscher gegen das Naziregime. Als Beispiel wäre hier die wenig bekannte »Wollweber-gruppe« oder die mehr bekannte »Kreisau Kreis«, der es leider nur beinahe geschafft hat, das Leid zu lindern und im Jahr 1944 gegen Hitler vorzugehen.2 In norwegischen Geschichtsbüchern wurde traditionell wenig darüber berichtet. Es wurde auch nicht viel über die Bombardierung deutscher Städte durch alliierte Truppen kurz vor Kriegsende geschrieben, oder über die vertriebenen Deutschen aus den Ostgebieten. Und nicht zuletzt hat man oftmals verschwiegen, dass die Nazis in anderen Ländern als Deutschland viel Unterstützung hatten, auch in Norwegen. Es ist daher gut, dass in letzter Zeit eher über die Nazis als nur über die Deutschen gesprochen wird.
Auch außerhalb Norwegens werden noch heute neue Fakten und Perspektiven über den Krieg entdeckt und analysiert. Zahlreiche englisch- und deutschsprachige Bücher und akademische Dokumente sind veröffentlicht worden, die auch für die Besetzung Norwegens relevant sind. Ein Beispiel ist die Arbeit des deutschen Historikers Robert Bohn über die norwegische Kriegswirtschaft während der Besetzung: »Reichskommissariat Norwegen: Nationalsozialistische Neuordnung und Kriegswirtschaft«, die das Gleichgewicht zwischen norwegischem Widerstand und Pragmatismus, und zwischen wirtschaftlichem Gewinn und starker Entwicklung in Norwegen während der deutschen Okkupation hervorhebt.
Viele Norweger haben auch Anekdoten aus der deutschen Widerstandsarbeit zu erzählen, einschließlich des Autors dieses Buches. Meine Großeltern in der Industriestadt Raufoss, etwa 2,5 Stunden nördlich von Oslo entfernt, halfen einem deutschen Soldaten nach Schweden zu gelangen, der desertieren wollte (Fahnenflucht). Sie versuchten vergeblich, ihn nach dem Krieg aufzuspüren. Ich erinnere mich, dass dies Eindruck gemacht hat. Meine Großmutter und mein Großvater lehrten mich, dass nicht alle deutschen Nazis waren, obwohl mein Großvater selbst eine Weile in Arbeitslager Grini als Gefangener eingesperrt war.3
In diesem Buch habe ich versucht, Fakten und Hintergrunde für zehn gefallenen deutschen Soldaten zu sammeln, die auf dem Soldatenfriedhof von Alfaset in Oslo begraben sind. Ich wollte mir ein Bild davon machen, wer sie waren. Es gibt mittlerweile eine große Menge von Kirchenbüchern, Adressenbüchern und endlose Genealogieaufzeichnungen im Internet. Sie erleichtern die scheinbar hoffnungslose Suchsituation nach Puzzleteilen, und liefern Antworten über menschliches Leben. Das norwegische Nationalarchiv hat große Mengen von Dokumenten aus der Besetzung gesammelt, darunter Militärkorrespondenz, Berichte, Richtlinien und zivile Verwaltungsfälle. Auch in Deutschland gibt es auch zahlreiche Dokumente in zentralen Archiven. Sie können Informationen über Wehrmachtssoldaten liefern.
Das Thema der deutschen Okkupation in Norwegen ist überwältigend und komplex. Dieses Buch ist doch kein Forschungsprojekt eines professionellen Historikers. Es erforderte eine einfühlsame Vorgehensweise. Ich musste Entscheidungen treffen und die Substanz verfeinern. Es mag mutig erscheinen, sich auf ein solches Buchprojekt über den Zweiten Weltkrieg einzulassen. Viel ist schon gesagt und geschrieben worden, und viele Menschen noch über die Ereignisse nach und wollen mehr wissen. Trotzdem hoffe ich, dass das Buch für einige Leser interessant sein wird. Diese Soldaten lebten ein kurzes und relativ anonymes Leben. Es war anspruchsvoll, Informationen über sie zu sammeln. Ich fing bei null an, ohne Briefkorrespondenz und andere Quellen, mit denen ich arbeiten konnte. Nur einer der zehn Soldaten war Akademiker, und er hinterlief leider kein Brief vor seinem Tod. Manchmal fand ich Fakten über die Soldaten, in anderen Fällen werde ich nur Möglichkeiten aufzeichnen, die Bewegungsmustern und Umständen Inhalt und Zusammenhang gegeben haben konnten.
Die zehn deutschen Soldaten habe ich nicht ganz zufällig ausgewählt. Ich habe versucht, eine Vielfalt zu beschreiben, gegeben durch Geburtsort, Geschlecht, Alter, Religion, Beruf, Familiensituation und möglicher Motivation für die Kriegsbeteiligung. Ihre Geschichten folgen in chronologischer Reihenfolge zu dem Todeszeitpunkt. Die Soldaten starben entweder früh oder relativ spät während der Besetzung. Die zehn ausgewählten deutschen Soldaten sind nur einige von Millionen gefallener und vermisster Deutscher. Ich hätte vielleicht mehr Informationen gefunden, wenn ich andere Soldaten ausgewählt hätte, öffentlich bekannte Offiziere zum Beispiel. Trotzdem oder genau deswegen möchte ich, dass diese eher unbekannten ausgewählten Soldaten, egal wie anonym und verborgen sie erscheinen, die »Stimmen« in dieser Geschichte sein sollen.
Bevor ich zu den einzelnen Biografien komme, habe ich ein Kapitel über die deutsche Besetzung Norwegens geschrieben, weil ich das Leben und Schicksal der Soldaten in einem größeren historischen Kontext sehe. Nach den zehn Lebensläufen der Soldaten schreibe ich über den Soldatenfriedhof in Alfaset, die Verlegung der Gräber vom ehemaligen Ehrenfriedhof auf Ekeberg in Oslo, und welche Bedeutung die deutschen Kriegsfriedhöfe heute haben. Ich beende das Buch, indem ich ausführlicher meine Ansicht darlege, wie Deutschland seine traumatische Geschichte verarbeitet und seine Position im heutigen Europa und in der Welt gefunden hat.
1 Brandt, Begegnungen und Einsichten 1960–1975, Hoffmann und Campe, Hamburg 1976.
2 Borgersrud, die Wollweber-Organisation und Norwegen, Karl Dietz Verlag, Berlin 2001.
3 Grini war ein Polizeihäftlingslager in Bærum, in der Nähe von Oslo. Insgesamt gab es knapp 20.000 Häftlinger auf Grini während der deutschen Besetzung Norwegens, 1940–45.
Die meisten deutschen Soldaten, die in den Jahren 1940–45 auf norwegischem Boden oder in norwegischen Meeren fielen, befanden sich weit unten in der militärischen Hierarchie. Die Mehrheit hatte bereits zivile Berufe. Die Kriegsgeschichte ist voll von Büchern und Unterlagen der vielen Offiziere, die die gut organisierten deutschen Streitkräfte anführten. Viele von ihnen waren überzeugte Nazis, während andere Berufssoldaten waren, die ihren Beruf vielleicht hauptsächlich als Soldaten ausübten. Die Kriegsidentität Deutschlands half, die Bürger des Landes zu mobilisieren. Viele hatten ihre eigenen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und anderen kriegsähnlichen Konflikten, persönlich oder durch ihre eigene Familie.
Besonders unter den eingezogenen Soldaten gab es wahrscheinlich einige, die den Umfang ihrer Beteiligung nicht verstanden hatten. In jedem Fall ist es einfacher, das Ausmaß im Nachhinein zu erkennen. Aus dem zeitgenössischen Kontext – zum Zeitpunkt der Besetzung selbst – ist das Bild weitaus komplexer. Die Heldenverehrung, der Eid an das Vaterland und an den Führer war obligatorisch. Das Dritte Reich wurde auf einer gezielten Lüge aufgebaut. Die meisten Soldaten hatten vor dem Krieg ein normales Leben. Sie kamen sowohl aus großen Städten als auch aus kleinen Dörfern aus dem ganzen Reich, und die Alterszusammensetzung der Soldaten konnte variieren. Während des Krieges wurden sie immer jünger und älter, da die man an den Fronten schwere Verluste erlitt, und diese durch neue Rekruten ersetzen werden musste.
Einige der Soldaten waren sicherlich Abenteurer, die es spannend fanden, an fremde Orte zu kommen und neue Leute kennenzulernen, zu einer Zeit, als es nicht so üblich war, zu reisen. Viele derjenigen, die in Norwegen gedient haben, hatten wahrscheinlich das Glück, in ein meistens friedliches und landschaftlich reizvolles Land zu kommen. Die meisten in Norwegen stationierten Soldaten überlebten. Für einige war diese Zeit eine glückliche Zeit mit einem Gefühl der Gemeinschaft mit Mitsoldaten, in der die Uniform die Klassenunterschiede aufhob und den Querschnitt deutscher Männer zu etwas Gemeinsamem zusammenführte. Viele Norweger entwickelten eine pragmatische und gut funktionierende Beziehung zu diesem Feind, und einige der Soldaten fanden auch dauerhafte Liebe zu norwegischen Frauen.
Niemand weiß genau, welche Motivation jeder Soldat hatte, am Krieg teilzunehmen. Viele Zeugen und die Briefkorrespondenz zeichnen oft ein differenziertes Bild. Es gab wahrscheinlich mehrere, die keinen Krieg wollten, aber in den Krieg ziehen mussten. Die Zahl der hingerichteten Deserteure war gering (etwa 23.000) im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kombattanten in den deutschen Streitkräften, zu denen mehr als 17 Millionen gehörten. Von 1940 bis 1945 befanden sich durchschnittlich 350.000 Soldaten in Norwegen. Viele waren wahrscheinlich von Angst getrieben, und hatte keine andere Wahl. Trotzdem waren manche offensichtlich auch persönlich motiviert und von der Ideologie des Nationalsozialismus überzeugt, an der Mission für den Führer teilzunehmen, der das Großdeutsche Reich für das deutsche Volk aufbauen wollte.
Gleichzeitig wurde die militärische Organisation von professionellen militärischen Einsatzkräften mit dem Ziel durchdrungen, Loyalität und Kampffähigkeit aufrechtzuerhalten. Verstöße gegen die Militärjustiz konnten zum Tod führen, oder man konnte zu einer besonders fortgeschrittenen und riskanten Position an die Ostfront befohlen werden. Es gab auch einen großen Unterschied, wo man sich in der Hierarchie befand. Die Soldaten weit unten in den Reihen erlebten von ihrem Vorgesetzten oft harte Behandlung. Manchmal war der Hass gegen die eigenen Offiziere größer als der gegen die Feinde.
Während die Soldaten der niedrigsten Ränge oft aus dem zivilen Leben stammten, waren viele der Offiziere als professionelle Militärs für die Mission und die zugrunde liegende Ideologie motiviert. In der militärischen Aktivität kam es sowohl zu Machtmissbrauch als zum Ausdruck von eigenen oft psychopathischen Eigenschaften. Hier waren Unterschieden zu beobachten zwischen Waffenzweigen und den verschiedenen Teilen der Kriegsmaschine zu denen auch obere Nazioffiziere, zivile Akademiker und Adlige gehörten.
Der Naziführer Heinrich Himmler (1900–1945) baute eine eigene Armee sogenannter Elitesoldaten auf, die schließlich zur umfangreichen Organisation SS (Schutzstaffel) wurde. Dies wirkte sich ausschließlich auf die Seite der Wehrmacht aus und zog wahrscheinlich die motiviertesten Nazis an, darunter viele Menschen, die dem arischen Idol weitgehend ähnelten. Die SS gewann immer mehr Handlungsspielraum, sowohl in Bezug auf Geheimdienstarbeit, militärische Operationen, Rüstungsindustrie als während der Ausübung von Polizeibefugnissen in besetzten Gebieten. Die SS hatte eine Reihe von Abteilungen, die besonders brutale Methoden anwendete, was eindeutig gegen das internationale Kriegsrecht verstieß. Gleichzeitig haben historische Quellen gezeigt, dass es zu leicht ist, nur die SS für den humanistischen Verfall der Nazis verantwortlich zu machen. Die Wehrmacht war das wichtigste Stück in Hitlers Großprojekt und verübte viele Angriffe, selbst in einer Organisation, die auf dem militärischen Ehrenkodex aufbaute. Die Luftwaffe zum Beispiel unterschied nicht immer zwischen zivilen und militärischen Zielen und achtete nicht besonders auf das Völkerrecht während des Krieges.
Der Zweite Weltkrieg enthält viele Nuancen. Die Quellen sind überwältigend, selbst wenn Zeitzeugen allmählich aussterben. Unter den deutschen Streitkräften gab es auch unter Hitler erheblichen Widerstand gegen das Reich und das Regime. Aber auf dem militärischen »Boden« war es eine Herausforderung, aktiven und wirksamen Widerstand zu mobilisieren und zu organisieren. Unter mehreren Spitzenoffizieren und Leitern in wichtigen zivilen Positionen herrschte weit verbreitete Skepsis und aktive Opposition gegen Hitler und das Naziprojekt. Einige hatten so hohe Positionen in der Wehrmacht oder in der Zivilverwaltung, sodass sie etwas bewirken konnten. Unter anderem wurden umfangreiche Bücher über den sogenannten Kreisau-Kreis geschrieben, benannt nach dem Gut Kreisau des Netzwerkführers, des Adligen Helmuth James von Moltke (1907–1945). Das ausführliche Werk des Historikers Martin Hoffmann, »Geschichte des deutschen Widerstands 1933–1945«, hat großes akademisches Gewicht zu diesem Thema und wurde häufig im Zusammenhang mit Analysen der Nürnberger Interviews zitiert.4 Wenn dem Offizier und Nazi-gegner Claus von Stauffenberg sowie von Moltke und den anderen in diesem Kreis im Jahr 1944 das Attentat auf Hitler gelungen wäre (das »Attentat vom 20. Juli«), hätte Vieles anders ausgesehen. Vielen wäre das Leid am Ende des Krieges auf beiden Seiten erspart geblieben.
Wenn die deutsche Widerstandsbewegung aus dem Ausland wie Norwegen wirksamer unterstützt worden wäre, hätten möglicherweise unschuldige Leben gerettet werden können, insbesondere jüdische Leben. Dies ist auch ein Gesichtspunkt, der sich aus den Quellen ergibt, der jedoch in der umfangreichen norwegische Kriegsliteratur in geringem Maße betont wird. Es kann wahrscheinlich auch argumentiert werden, dass viele Deutsche aus den ehemaligen westlichen Bundesländern der Bundesrepublik ihr Wissen der Widerstandsbewegung genutzt haben, eher als Kriegsopfer als Täter aufzutreten. In jedem Fall gibt es hier keine klaren Schlussfolgerungen. Im deutschen Diskurs unter Historikern und Intellektuellen gab es auch Meinungsverschiedenheiten darüber, wie ehrenwert die Mitglieder des Kreisau-Kreises aus der Oberschicht wirklich waren. Haben sie sich einfach um 180 Grad gedreht, als sie sahen, dass Hitler verlieren würde?
Die Teilung Deutschlands nach dem Krieg machte die zwischenmenschliche Rehabilitation und Versöhnung weitaus anspruchsvoller und komplizierter als es in einem ungeteilten Land gewesen wäre.
Als der Angriff auf Norwegen zum erfolgte, gab es kein Zweifel, worum es ging. Der Angriff ist in einer Reihe von Büchern und Forschungsberichten beschrieben worden, sowohl in norwegischer als auch in deutscher und englischer Sprache. Die Wehrmacht umfasste alle Waffenzweige. Das deutsche Oberkommando sollte ein großes geografisches Gebiet abdecken. Ab Juni 1941 sollten die Streitmächte auch über die Grenzen Nord-Norwegens hinaus verantwortlich sein, für den Angriff auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa). Dies könnte das große Ausmaß der in Norwegen stationierten Streitkräfte erklären während des Angriffs selbst und später während der Besetzung Norwegens.5
Der Angriff auf Norwegen am 9. April 1940 wurde von der Gruppe XXI in der Wehrmacht unter dem Kommando von Generaloberst Nikolaus von Falkenhorst angeführt. Teile dieser Einheit waren 1939 am Angriff auf Polen beteiligt gewesen. Später, 1940, wurde die Einheit in das Armeekommando Norwegen (AOK Norwegen) umgewandelt. Josef Terboven wurde Reichskommissar für das Reichskommissariat Norwegen, das nicht direkt mit der Wehrmacht der Streitkräfte zu tun hatte, aber eng mit ihr zusammenarbeitete.
Deutsche Infanteristen sind in Norwegen angekommen, um an der »Operation Weserübung« teilzunehmen. Die Mimik ist nicht eindeutig. Foto: krigsbilder.net (Tore Greiner Eggan).
Die Operation Weserübung begann einige Tage vor dem 9. April 1940. Sie bestand aus 25 zivilen Transportschiffen, die beladen mit Waffen, Proviant und verschiedenen Materialien zu norwegischen Häfen fuhren. Der Angriff selbst sollte von einer Truppe durchgeführt werden, die fast 9.000 Mann zählte und in sechs Gruppen aufgeteilt war, die Narvik, Trondheim, Bergen, Egersund, Kristiansand und Oslo besetzen sollten. Die Gruppen befanden sich auf Hochgeschwindigkeitskriegsschiffen. Der Plan war, einen koordinierten Blitzangriff durchzuführen. Der nächste Schritt sah vor, eine Streitmacht von über 100.000 Mann mit Frachtschiffen, Fischereifahrzeugen und Flugzeugen zu etablieren. Es wurde mehrere Fahrten, um das alles zu transportieren, was für die militärische Ausrüstung wie Panzer und Artillerie benötigt wurde. Unter anderem verwendeten die Deutschen viele Pferde, sodass sie nicht auf Treibstoff angewiesen waren.
Die Okkupation von Dänemark, Weserübung Süd, sollte als Sprungbrett für die Invasion Norwegens dienen und außerdem als Landungsplatz für die Luftwaffe genutzt werden, die die englische Flotte bedrohen sollte. Alles wurde unter größter Geheimhaltung geplant und durchgeführt. Nur Falkenhorst und einige seiner engsten Unteroffiziere wussten davon. Jedoch haben Britische und alliierte Agenten schon früh Verdacht über das ungewöhnlichen deutsche Transport- und Bewegungsmuster im Norden. Aber das reichte nicht aus, um die norwegischen Behörden zum Handeln zu bewegen.
Die deutsche Luftwaffe sollte eine wichtige Rolle beim Angriff auf Norwegen haben. Während der Invasion waren weit über 1.000 Kampfjets beteiligt. Diese Unterstützung war ein wichtiger Grund dafür, dass die Wehrmacht, trotz mehrerer Hindernisse und Herausforderungen, schon am 9. April 16.000 deutsche Soldaten auf norwegischen Boden setzen konnten.
Die Operation Weserübung war die erste größere Operation, bei der sowohl die Landarmee als auch die Marine und die Luftstreitkräfte koordiniert und gleichzeitig eingesetzt wurden, angeführt von der Oberkommando der Wehrmacht unter Hitlers eigenem Befehlen. Insbesondere die Marine war von größter Bedeutung. Der Angriff sollte schnell und effizient durchgeführt werden, damit Norwegen keine Zeit zu reagieren hatte, und ausreichende Unterstützung der Alliierten ausblieb. Die Deutschen hatte keinen vollständigen Überblick über die Bereitschaft und Fähigkeit der Alliierten, Norwegen zu verteidigen.
An der Verteidigung Norwegens nahmen sowohl britische als auch französische und polnische Soldaten teil, was den norwegischen Streitkräften unter der Führung von General Otto Ruge (1882–1961) Mut machte. Seine Strategie war es, den deutschen Feldzug zwischen Oslo und Trondheim zu verzögern, bis die Alliierten den Norwegern zu Hilfe kommen konnten. Der Plan war es, danach Trondheim zurückzuerobern. Dieser Plan musste aufgeben werden, weil man sich darauf konzentrieren musste, die Norweger in den Tälern im Süden zu unterstützen.
Schwerkreuzer Blücher war die Angriffsspitze die Invasion. Blücher war das zweite von fünf Schiffen der sogenannten Admiral Hipper-Klasse. Das Schiff führte die Invasionstruppe an, die in der Nacht des 9. April die Kontrolle über Oslo übernehmen sollte. Es war ein brandneuer Kreuzer, der am 8. Juni 1937 für Ausrüstung und Tests der Deutschen Werke Kiel auf den Markt gebracht wurde, aber erst 1939 nach größeren Verzögerungen einsatzbereit war. Das Schiff war mit acht Kanonen, zwölf Flugabwehrgeschützen und zwölf Torpedorohren ausgestattet.
Blücher war der große Stolz der deutschen Marine, benannt nach einem preußischen Feldmarschall. Blücher hatte jedoch kaum genügend Erfahrung um im Rahmen der Operation Weserübung in den nördlichen Gewässern dienen sollte. Die Hauptbatterie war noch nicht in einer Kampfsituation getestet. Aber die Zeit war knapp und die Marine hatte nicht viele große Schlachtschiffe zur Verfügung. Die britische Marine hatte sich bemüht, das Seegebiet um Dänemark und die Südküste Norwegens vor der Mündung des Oslofjords zu schützen, sowohl durch Patrouillenschiffe als auch durch das Minenlegen.
Am 6. April wurden etwa 800 Soldaten in Swinemünde in Norddeutschland am Bord genommen. Sie gehörten alle zur 163. Infanteriedivision. Am nächsten Tag verließ das Schiff Swinemünde in Begleitung von zwei kleineren Kreuzern, »Emden« und »Lützow«, und den Torpedobooten »Möwe«, »Albatros« und »Kondor«. Diese kleineren Kriegsschiffe bewachten seit dem 4. und 5. April den Hafen von Stettin. Die Kapitäne hatten versiegelte Befehle erhalten. Sie wussten so wenig wie die Soldaten, die in Swinemünde ankamen, über die Mission und wohin sie ging. Insgesamt zählte die Truppe über 2.000 Soldaten, jedoch mit unterschiedlichen Hintergründen und Zielen. Blücher hatte etwa 1.300 Männer an Bord. Während einige als Elitesoldaten Kampferfahrung aus dem Einmarsch in Polen im Jahr 1939 hatten, waren andere Soldaten Amateure, die nur am Truppenübungsplatz Jüterbog bei Berlin eine kürzere Ausbildung erhalten hatten. Die Jahrezeit wurde nicht zufällig gewählt. Der Kommandär der deutschen Marine, Admiral Erich Raeder, wählte eine Kombination aus Frühling und Morgendämmerung, solange es nachts noch dunkel war.
Bereits am 8. April hatte es auf norwegischem Seegebiet Kämpfe zwischen Deutschland und England gegeben. Unter anderem war der deutsche Tanker »Posidonia« aus Hamburg vom englischen U-Boot »Trident« versenkt worden. Die Besatzung wurde verhaftet und mit einem norwegischen Minensuchboot und einem Torpedoboot zur norwegischen Marinebasis in Stavern gebracht.
Gleichzeitig war der norwegischen und britischen Seite noch nicht bewusst, dass sich auf dem Weg zum Oslofjord auch größere deutsche Marineschiffe befanden. Nur wenig später, vor dem Kattegat, entdeckten die Soldaten des englischen U-Boots HMS »Triton« den Kreuzer Blücher und die anderen Begleitboote. Sie reagierten mit neun Torpedos, ohne jedoch zu treffen.