Die digitale Kommunikationsstrategie - Dominik Ruisinger - E-Book

Die digitale Kommunikationsstrategie E-Book

Dominik Ruisinger

0,0

Beschreibung

Die digitalen Medien haben die Unternehmenskommunikation in hohem Maße erfasst. Sie stellen Kommunikationsmanager vor die vermutlich größte Herausforderung, seit die strategische Kommunikation als elementarer Baustein erfolgreicher Führung erkannt wurde. Diese stehen vor Aufgaben, die sie mit rein klassischen Kommunikationsinstrumenten und -prozessen nicht oder nur schwer bewältigen können. Gleichzeitig bieten sich ihnen neue Chancen in der Ansprache und im Austausch mit relevanten Stakeholdern. Bei der Suche nach einer gelungenen Symbiose aus klassischer und digitaler Kommunikation ist die Strategie entscheidend. Wie aber ist eine integrierte Kommunikation im digitalen Wandel zu gestalten? Wie müssen Unternehmen und Institutionen konkret vorgehen? Was sind die zentralen Schritte und entscheidenden Kriterien bei einer Strategie, die erfolgreich mit der Kommunikation zu einem neuen Ganzen zusammenwächst? Das Buch ist als strategisch-konzeptioneller Leitfaden angelegt, der Organisationen bei der Entwicklung ihrer digitalen Strategie begleitet, ihnen die Vorgehensweise erläutert, die Erfolgskriterien benennt und den Weg anhand vieler Case Studys und Praxisbeiträge aufzeigt. Schritt für Schritt wird beschrieben, wie integrierte Kommunikationsstrategien im digitalen Zeitalter funktionieren. Dabei blickt die 2. Auflage verstärkt auch auf aktuelle Entwicklungen - Markenbotschafter, Influencer-Kommunikation, Diversifizierung von Kanälen und Zielgruppen -, welche Kommunikationsstrategien heute stark beeinflussen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 657

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumTeil I Digitale Kommunikation1 Intro: Ein strategischer Leitfaden für die Praxis2 Das digitale Zeitalter2.1 Willkommen im digitalen Wandel 2.1.1 Das Cluetrain Manifest2.1.2 Die Emanzipation der Nutzer2.2 Die digitale Gesellschaft2.2.1 Der digitale Gap 2.2.2 Die technologischen Hindernisse2.3 Digitale Unternehmenswelten2.3.1 Digitale Transformation2.3.2 Langsamer Wandel2.3.3 ChefsacheProf. Dr. Dieter Georg Adlmaier-Herbst: Digital Leadership: Führen in Zeiten der Digitalisierung3 Kommunikation im digitalen Zeitalter3.1 Der Paradigmenwechsel3.2 Was ist digitale Kommunikation?3.3 Auf dem Weg zum Digital Communication Manager3.4 Integrierte Kommunikation in digitalen ZeitenChristian Achilles: Integrierte Kommunikation im digitalen Zeitalter am Beispiel der Sparkassen4 Digitale Change-Prozesse4.1 Change-Prozesse auf Führungsebene4.1.1 Digitale Kommunikation als Chefsache4.1.2 CEO als Chief Engagement Officer 4.1.3 Führungskultur und PersonenmarkePeter Diekmann: Vom Relaunch zum Organisationswandel. Digitale Kommunikation in der Bertelsmann Stiftung4.2 Change-Prozesse im Inneren4.2.1 Kulturwandel4.2.2 Einbindung der Mitarbeiter4.2.3 Botschafter des UnternehmensAngelica Bergmann: Corporate »Sinnfluencer« bei der BKK ProVita4.2.4 Open Leadership als FührungsansatzAntje Neubauer: Digitale Interne Kommunikation: Social Collaboration4.3 Change-Prozesse in der Kommunikation4.3.1 Sichtbarkeit4.3.2 Push vs. pull 4.3.3 Machtverschiebung4.3.4 Influencer-Kommunikation4.3.5 Community Building4.4 Zwischenfazit: Notwendige ProzesseAndré Karkalis: Strategische Influencer-Kommunikation5 Die digitale Strategie5.1 Eine Definition des Strategiebegriffs 5.2 Strategien in digitalen ZeitenProfessoren Thomas Pleil und Pia Sue Helferich: Strategieentwicklung mit dem Triple-Diamond-Modell5.3 Erst die Strategie, dann die Instrumente5.4 Vorlage: Das Modell der POST-Strategie5.4.1 Das Phänomen Groundswell 5.4.2 People. Objectives. Strategy. Technology: POSTMagnus Hüttenberend: Das Erfinden einer globalen Marke. Ansatz für eine digitale Kommunikationsstrategie bei der TUI Group Teil II Das Strategie-Rezept6 Die Zutaten7 Status-quo-Analyse: Wo stehen wir heute?7.1 Ist-Analyse als Basis7.2 Analyse der Organisation7.3 Analyse von Zielgruppen7.4 Analyse der Kommunikation7.5 Analyse der Sichtbarkeit7.6 Analyse von Wettbewerb und Branche7.7 SWOT: Das Fazit zur Analyse8 Die Zielbestimmung: Was wollen wir erreichen?8.1 Ziele statt Blindflüge8.2 Qualitativ-strategische Ziele8.3 Quantitativ-smarte ZieleJan Westerbarkey: Social Media Zoo9 Die Zielgruppenbestimmung: Wen wollen wir erreichen?9.1 Der Köder, der Fisch und der Angler9.2 Zielgruppen identifizieren9.3 Zielgruppen segmentieren 9.4 Zielgruppen priorisieren 9.5 Personae: Zielpersonen mit realem Gesicht9.5.1 Zielpersonen statt Zielgruppen9.5.2 Schritte zur Persona-Entwicklung9.5.3 Quellen für die Fakten-RechercheMaja Roedenbeck Schäfer: SOZIALE BERUFE kann nicht jeder. Digitale Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung bei der Diakonie10 Strategische Positionierung: Wie wollen wir dies erreichen?10.1 Der strategische Ansatz10.2 Die Positionierung10.3 Kommunikative Botschaften und kreative Leitideen10.4 Strategische Umsetzung11 Content-Strategie: Mit welchen Inhalten wollen wir es schaffen?11.1 Content-Marketing vs. Content-Strategie11.2 Strategie-Modelle11.2.1 Content-Strategy Quad von Kristina Halvorson11.2.2 Story Circle 2.0 von Mirko Lange11.3 Die Meilensteine zur Content-Strategie11.3.1 Content-Audit11.3.2 Content-Planung11.3.3 Content-Produktion11.3.4 Content-ManagementUwe Knaus und Sven Sattler: »Auch wenn du keine Ahnung von Autos und der Automobilindustrie hast: Das Stück hier solltest du gelesen haben.« Über das Daimler-Magazin als Bestandteil der Content-Strategie12 Evaluation: Wie können wir Erfolge auswerten?12.1 Warum ein Monitoring? 12.2 Messmodelle für Kommunikationsprozesse12.2.1 Der DPRG/ICV-Bezugsrahmen12.2.2 Die Logical Framework Matrix12.2.3 Die Wirkungstreppe12.3 Aufbau einer Evaluation12.4 Identifizierung relevanter Key-Performance-Indikatoren12.5 Auswahl der Instrumente und ToolsSusanne Heinrich und Thorsten Vennebusch: Der Blog der Minjob-Zentrale: Von null auf 3,5 Millionen Aufrufe13 Ressourcenplanung: Was müssen wir einsetzen?13.1 Die Ressource Mensch13.2 Die Ressource Zeit13.3 Die Ressource Geld14 Fazit: 12 Zutaten für die digitale ZukunftLiteraturStichwortverzeichnisAutoren
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4817-8

Bestell-Nr. 10157-0002

ePub:

ISBN 978-3-7910-4818-5

Bestell-Nr. 10157-0101

ePDF:

ISBN 978-3-7910-4819-2

Bestell-Nr. 10157-0151

Dominik Ruisinger

Die digitale Kommunikationsstrategie

2., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Juli 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © solarseven, shutterstock

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[9]Teil I Digitale Kommunikation

[11]1Intro: Ein strategischer Leitfaden für die Praxis

Rückblick: Wir befinden uns im Jahre 2010. Die SMS kostet 19 Cents – für maximal 160 Zeichen. Anrufe aus dem Festnetz ins Mobilfunknetz vermeiden wir – aus Kostengründen. Allein die Telefonauskunft kostet 1,79 Euro – im Inland. Sonderrufnummern und Call-by-Call-Angebote sind oft die einzige Rettung. Von WhatsApp & Co. noch keine Spur. Facebook, YouTube, Twitter gibt es seit einigen Jahren. Und sie werden genutzt, vor allem privat und vor allem in den USA. Unsere digitale Kommunikation – auch wenn der Begriff in dieser Form noch nicht existiert – steuern wir via E-Mail, via Newsletter, via Webseite, via Foren und teils sogar via StudiVZ. Social Media Relations? Messenger-Kommunikation?Chatbots? Influencer? All diese Begriffe sind noch weit weg. Denn wir befinden uns – aus digitaler Sicht – in einem etwas anderen, prä-digitalen Leben.

Selbst wenn dieser kleine Rückblick nur zehn Jahre zurückgeht: Allein die wenigen Beispiele erzählen schon viel über das Thema Veränderung. Sie verdeutlichen, dass wir uns inmitten eines enormen Medienwandels befinden, der schon vor Jahren begonnen hat und dessen Ende nicht absehbar ist. Dieser mediale Change-Prozess stellt uns Kommunikatoren sowie die Unternehmen und Institutionen beständig vor neue Herausforderungen: Moderne Technologien, verändertes Medienkonsumverhalten, mobile Revolutionen, fragmentierte Zielgruppen, wechselnde Instrumente und Plattformen, verbunden mit Apps, Messengern, Chatbots, Live-Videos, visuelle Kommunikation, Storys inklusive der passenden Ad-Strategien prägen die Kommunikation von heute. Aber nicht für alle. Auch wenn das Leben in Zeiten der COVID-19-Pandemie bei vielen zum Umdenken geführt hat und sich beispielsweise Videokonferenzen zum festen Bestandteil des Geschäftslebens wie auch des persönlichen Miteinanders und privaten Austauschs entwickelt haben: Für eine beträchtliche Anzahl an Menschen, Unternehmen wie Institutionen bleiben Internet, Social Media und digitale Kommunikation weiterhin »Neuland«. Bricht also bei uns gerade eine Kommunikation entzwei?

Zudem haben digitale Transformation, disruptive Geschäftsmodelle und digitale Kommunikation enorme Auswirkungen auf das Business vieler Organisationen. Digitale Geschäftsmodelle werden zu einem Erfolgs- und gerade auch in Zeiten der Coronavirus-Krise zum wirklichen Überlebens- und Zukunftsfaktor. Wer die Digitalisierung dagegen nicht als grundlegenden erfolgskritischen Wettbewerbsfaktor und als Chance begreift, setzt häufig die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens aufs Spiel. Und wer die digitale Transformation nicht auch als einen wichtigen internen Prozess versteht, der verliert sein Team. Doch sind die Unternehmen und Institutionen in Deutschland auf solch einen Wandel vorbereitet, auch wenn die Corona-Krise bei vielen zu einem verstärkten Umdenken [12]und deutlichen Umsteuern geführt hat? Und wie können sie die digitale Kommunikation zum Teil ihrer Unternehmensstrategie machen?

Alt und neu – eng umschlungen

Parallel haben die digitalen Medien die Unternehmenskommunikation in hohem Maße erfasst. Sie stellen Kommunikationsmanager vor die »vermutlich größte Herausforderung, seit die strategische Kommunikation als elementarer Baustein erfolgreicher Führung in modernen Gesellschaften erkannt wurde«1. Diese stehen vor Aufgaben, die sie mit rein klassischen Kommunikationsinstrumenten und -prozessen nicht oder nur schwer bewältigen können. Gleichzeitig bieten sich ihnen neue Chancen in der Ansprache und im Austausch mit relevanten Stakeholdern. Neue Kommunikationskulturen und Technologien sind jedoch kein Garant dafür, dass Unternehmen und Institutionen die Beziehungen mit den Interessengruppen künftig konstruktiver gestalten. Jahrzehntelang sind sie den Spielregeln der traditionellen Mediengesellschaft gefolgt und haben einen großen Teil ihrer Bemühungen in Massenmedien und Journalisten als Gatekeeper – also als Vermittler, Entscheider, Verbreiter – gesteckt. Wie lässt sich in einer immer stärker digitalisierten Welt einerseits die weiterhin starke Rolle traditioneller Kommunikationswege berücksichtigen, andererseits die neuen Dialoginstrumente in Kombination mit den verfügbaren Daten – Stichwort Big Data – nutzen, um eine immer disruptivere Öffentlichkeit anzusprechen?

Schließlich haben sich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommunikation keineswegs grundlegend verändert. So kann es nicht darum gehen, die bisherige Kommunikation komplett zu revolutionieren. Auch die Gegenüberstellung von »klassischer«, herkömmlicher Kommunikation und »moderner«, digitaler Kommunikation als Gegensätze bringt uns nicht weiter. Vielmehr gilt es, die Kommunikation den veränderten Chancen und Risiken im digitalen Zeitalter anzupassen und mit den bisherigen gerade auch analogen Aktivitäten in harmonischen Einklang zu bringen. Dazu sind bisheriges Wissen und vorhandene Erfahrungen auf die neuen Gegebenheiten systematisch zu übertragen, neu Erlerntes und Erlebtes hinzuzufügen und alle Bausteine miteinander zu verzahnen – nicht als Gegensätze, sondern als eng umschlungene Partner. Doch wie genau lassen sich die neuen Formen und veränderten Verhaltensweisen in die bisherige Kommunikation integrieren?

Bei der Suche nach einer gelungenen kommunikativen Symbiose ist die Strategie entscheidend. Wie aber ist eine integrierte Kommunikation im digitalen Wandel zu gestalten? Wie müssen Unternehmen und Institutionen konkret vorgehen? Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen und welche Haltungen zu verinnerlichen, damit eine integrierte Kommunikation in digitalen Zeiten gelingen kann? Was muss insbesondere innerhalb einer Organisation geschehen, damit Führung und Team diesen wirklichen Change-Prozess [13]anerkennen, mittragen und mitgestalten? Was sind also die zentralen Schritte und entscheidenden Kriterien bei einer Strategie, die erfolgreich mit der Kommunikation zu einem neuen Ganzen zusammenwächst?

Ein Buch als Wegweiser

Auch in seiner 2. Auflage geht dieses Buch auf die Suche nach passenden Antworten auf all diese Fragen. Die digitale Kommunikationsstrategie ist dazu als Praxis-Leitfaden für eine strategische Kommunikation in digitalen Zeiten konzipiert. Er soll Unternehmen und Institutionen – kurz Organisationen – sowie ihren betreuenden Agenturen dabei helfen, ihren eigenen Weg in die neue, digitale Kommunikationswelt zu finden, eine ganzheitliche Strategie zu entwickeln und diese mit ihren bisherigen Aktivitäten zu vernetzen. Nur so können sie sich erfolgreich im digitalen Zeitalter positionieren.

Dieses Buch klärt darüber auf, wie integrierte Kommunikationsstrategien im digitalen Zeitalter funktionieren. Dabei geht es weniger um Social Media, um einzelne digitale Medien oder gar um ausgewählte Plattformen. Vielmehr setzt sich Die digitale Kommunikationsstrategie mit der Frage auseinander, wie man in Zeiten des digitalen Wandels seine bisherige Kommunikation mittels neuer Denk- und Verhaltensweisen, erweiterter Instrumente und Tools, neuer Zielgruppen und Mittler, integrierter Strategien den neuen Gegebenheiten anpassen muss. Dabei blickt die 2. Auflage verstärkt auch auf aktuelle Entwicklungen – Markenbotschafter, Influencer-Kommunikation, Diversifizierung von Kanälen und Zielgruppen –, welche Kommunikationsstrategien heute stark beeinflussen. Der Leitfaden zeigt damit auf, wie Unternehmenskommunikation ins Digitale ausgeweitet wird, was sich dafür innerhalb von Unternehmen und Institutionen gerade auf Führungsebene verändern muss, wie sich klassische und digitale Kommunikation vernetzen müssen und welche Auswirkungen dieser Strukturwandel für originäre Kommunikationsstrukturen wie für die internen Prozesse insgesamt hat. Schließlich ist jede digitale Unternehmenskommunikation Teil einer integrierten Unternehmensstrategie, die sich ebenfalls im digitalen Wandel neu auszurichten hat.

Ein Leitfaden, der an die Hand nimmt

Das Buch ist als strategisch-konzeptioneller Leitfaden angelegt, der Organisationen bei der Entwicklung ihrer digitalen Strategie begleitet, ihnen die Vorgehensweise erläutert, die Erfolgskriterien benennt und den Weg anhand vieler Case Studys und Praxisbeiträge aufzeigt. Schritt für Schritt wird beschrieben, wie integrierte Kommunikationsstrategien im digitalen Zeitalter funktionieren. Dazu werden die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren benannt, die existierenden Widerstände und möglichen Hindernisse verständlich gemacht und an Beispielen unterschiedlicher Branchen und Größenordnungen aufgezeigt.

Das Buch ist dazu in zwei Teile aufgeteilt. In Teil I findet eine Bestandsaufnahme der digitalen Transformation und der digitalen Kommunikation speziell in Deutschland statt. [14]So wirft das 2. Kapitel einen Blick auf den digitalen Wandel, auf die digitale Gesellschaft sowie auf den Stand des digitalen Transformationsprozesses in der Unternehmenswelt. Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit dem Paradigmenwechsel, der gerade durch das Social Web stark veränderten Kommunikation sowie mit dem Begriff der integrierten Kommunikation in digitalen Zeiten. Während das 4. Kapitel die notwendigen Change Prozesse definiert – auf Führungsebene, unternehmensintern und in der Kommunikation selbst –, bildet das 5. Kapitel den Übergang zum Strategiepart. Dazu stellt es das POST-Modell als strategisches Muster vor.

Teil II dieses Leitfadens widmet sich ausschließlich der Entwicklung der digitalen Kommunikationsstrategie. Dazu beschreiben die Kapitel 6. bis 13. den genauen Fahrplan zu einer eigenen Strategie – von der Analyse bis zur Evaluation. Schritt für Schritt werden die dazu notwendigen Stufen und wesentlichen Bestandteile detailliert und nachvollziehbar dargestellt, um die Erstellung einer eigenen integrierten Kommunikationsstrategie im digitalen Zeitalter zu erleichtern.

Nutzwertcharakter im Vordergrund

Das Buch ist von Anfang bis Ende als Leitfaden konzipiert, der Unternehmen und Institutionen bei der Erarbeitung ihrer Strategie an die Hand nimmt. Infokästen mit hilfreichen Tipps, Links und Handlungsempfehlungen, Querverweise auf nützliche Tools und Erklärungen sowie Ausflüge mit konkreten Beispielen, Vertiefungen und Case Studys erleichtern die Umsetzung in die Praxis. Den Nutzwert unterstreichen zudem zwölf praxisorientierte Gastbeiträge von Vertretern aus Unternehmen, aus Institutionen und aus der Wissenschaft.

Antje Neubauer (früher Deutsche Bahn), Peter Diekmann (Bertelsmann Stiftung), Magnus Hüttenberend (TUI) und Jan Westerbarkey (Westaflex) widmen sich den besonderen internen Herausforderungen innerhalb ihrer Organisationen. Dazu stellen sie digitale Ansätze, den Mehrwert von Social-Collaboration-Plattformen sowie ihren jeweiligen Weg hin zu einer integrierten Strategie vor. Ebenfalls in ihr Unternehmen blickt Angelica Bergmann (BKK ProVita) beim aktuellen Thema Markenbotschafter. Sie beschreibt, wie sie bei der Krankenkasse schrittweise Corporate »Sinnfluencer« aufbaut. Um das Thema Einführung geht es ebenfalls im Praxisbeispiel von Susanne Heinrich und Thorsten Vennebusch (Knappschaft-Bahn-See). Sie schildern sehr detailliert, wie sie trotz anfänglicher Hindernisse Social-Media-Aktivitäten gestartet und insbesondere innerhalb weniger Jahre den heute extrem erfolgreichen Blog der Minijob-Zentrale aufgebaut haben.

Früher prämiertes Blog, heute ein anspruchsvolles Magazin für Mobilität und Gesellschaft: Diesen Change-Prozess haben Uwe Knaus und Sven Sattler (Daimler) vollzogen. Dazu geben sie im Interview einen differenzierten Einblick in die Beweggründe und die neue Ausrichtung hin zu stärker gesellschaftsrelevanten Themen. Schließlich schaffe eine [15]glaubwürdige und transparente Haltung Orientierung gerade auch für die professionell Interessierten.

Um wirkliche Change-Prozesse geht es in zwei weiteren Beiträgen: Mit den Köpfen beschäftigt sich Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst. In seinem Beitrag »Digital Leadership« macht er deutlich, was genau systematisches, gezieltes und langfristiges Führen in digitalen Zeiten bedeutet und welche Führungsqualitäten digitale Leader benötigen. Besondere Anforderungen bei solchen Veränderungsprozessen gelten ebenfalls für die Kommunikation. Damit sie eine konsistente Markenwahrnehmung sicherstellen können, müssen auch Kommunikationswege neu aufgestellt werden, hat Christian Achilles (DSGV) erfahren und vor diesem Hintergrund die Kommunikation in einem Newsroom neu aufgestellt.

Was lässt sich mit dem strategischen Einsatz digitaler Kommunikation konkret erreichen? Maja Roedenbeck Schäfer (Diakonie) widmet sich in ihrer Fallstudie dem Thema Employer Branding und zeigt auf, wie Organisationen digitale Medien nutzen könne, um Nachwuchs und Fachkräfte zu gewinnen. Und wie gehe ich professionell mit externen Multiplikatoren um, die innerhalb von Kommunikationsstrategien eine immer wichtigere Rolle spielen? André Karkalis (Karkalis Communications) hat zu dieser Frage eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellt, wie eine Influencer-Kommunikation heute strategisch zu planen ist.

Apropos Strategie: Welche Auswirkungen hat die digitale Revolution eigentlich auf die Strategieentwicklung selbst? Gerade in einem Buch über digitale Kommunikationsstrategien liegt solch eine Frage in der Luft. Die Prof. Dr. Pia Sue Helferich und Prof. Dr. Thomas Pleil (beide Hochschule Darmstadt) haben sich dazu ihre Gedanken gemacht und daraus ihr spannendes Triple-Diamond-Modell entwickelt, das sich in Form eines Design Sprints2 innerhalb einer Woche umsetzen lässt.

Nachdenken, Mut haben, selbst Ausprobieren

Diese Praxisbeiträge machen deutlich, vor welchen Herausforderungen Unternehmen und Institutionen stehen und mit welchen kreativen Ansätzen und Strategien sie ihnen begegnen können. Sie sollen helfen, die Komplexität des digitalen Wandels zu verstehen, konkrete Handlungsempfehlungen zu erhalten und Mut zur Entwicklung der eigenen Kommunikationsstrategie zu entwickeln. In Kombination mit den zahlreichen Beispielen innerhalb der Kapitel zeigen die Expertenbeiträge den hohen Praxisbezug des Buches auf: Sie beschreiben Herausforderungen, hinterfragen Ansätze, diskutieren Lösungen, schildern die Umsetzung und regen dabei zum Nachdenken, zum Mut haben und zum selbst Ausprobieren an.

[16]Selbstverständlich können nicht alle Aspekte im adäquaten Umfang und in der vollständigen Tiefe dargestellt werden. Dies hätte den Rahmen des Leitfadens deutlich gesprengt. Abgesehen von einem ausführlichen Literaturverzeichnis finden sich stattdessen innerhalb der Kapitel immer wieder Hinweise auf weiterführende Literatur und nützliche Links, zu Wissenswertem, zu Tools und zu Case Studys, über die sich Interessierte noch eingehender mit den einzelnen Thematiken auseinandersetzen können. Mit über 60 Abbildungen, über 30 Video-, Link-, Tool- und Lese-Tipps sowie über 30 zusätzlichen Kurz-Infos, Case Studys und thematischen Ausflügen bietet das Buch damit auch seinen Wert als Leitfaden.

Gleichzeitig wurden die Inhalte für diesen Leitfaden ganz bewusst ausgewählt, um einerseits vielfältige Denkanstöße zu geben, andererseits den Lesern strategische Werkzeuge an die Hand zu geben. Ob dies gelingt, das dürfen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nach Ende der Lektüre selbst entscheiden. Dazu wünsche ich Ihnen jetzt viel Vergnügen, neue Erkenntnisse und spannende Anregungen auf Ihrem weiteren strategischen Weg in das digitale Zeitalter.

Kleiner Dank an großartige Menschen

Last, but not least möchte ich den Weggefährten dieses Buches meinen großen Dank ausdrücken: Meinen grandiosen fünfzehn Gastautoren, die trotz rappelvoll gepackter Terminkalender und eines drängelnden Autors die Zeit gefunden haben, dem Buch mit ihren spannenden, die unterschiedlichen Aspekte digitaler Kommunikation beleuchtenden Fachbeiträgen eine kräftige Würze und viel Praxisbezug zu verleihen. Mein Dank gilt ebenfalls Frank Baumgärtner vom Schäffer-Poeschel Verlag für die entspannte, freundschaftliche Atmosphäre in der Zusammenarbeit. Außerdem bedanke ich mich insbesondere bei meinem persönlichen Netzwerk – real wie virtuell –, bei den zahllosen Blog-, Studien- und Buchautoren, den Analysten und Kommentatoren im Social Web sowie meinen Workshop- und Coaching-Teilnehmern, die mir beim Lesen und Diskutieren, in Trainings und Seminaren ständig neue Anregungen für dieses Buch verpasst haben. Ohne sie alle wäre das vorliegende Buch niemals entstanden.

Frei nach Apple-Gründer Steve Jobs: »Two more things«

Im Buch wird zur besseren Lesbarkeit auf die weibliche Schreibweise verzichtet. Die ausschließliche Verwendung der männlichen Form soll explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden – gerade in einer Kommunikationsbranche, die seit vielen Jahren stark weiblich dominiert ist.

Viele längere Links zu Artikeln, YouTube-Videos, Social-Media-Posts, Blog-Beiträgen etc. wurden mit dem Link-Verkürzer bitly.com bewusst komprimiert, um die Nutzung und Nachverfolgung zu erleichtern. Zusätzlich sind viele dieser Informationen und Links auf der Webseite des Autors zum Buch (https://bit.ly/dks_ruisinger_dks) sowie beim Social-Bookmarking-Dienst Diigo (https://www.diigo.com/user/druisinger) zu finden.

1 Zerfaß/Pleil (2016), S. 9.

2 Lese-Tipp: Lesenswert dazu ist das Buch von Jake Knapp (2016), der diesen Sprint-Prozess innerhalb von fünf Tagen durchspielt; dabei betont er schon zu Anfang, wie wichtig für ein später positives Ergebnis die Faktoren Zeit, Team und Räumlichkeiten sind.

[17]2Das digitale Zeitalter

2.1Willkommen im digitalen Wandel

2.1.1Das Cluetrain Manifest

Es war das Jahr 1999: David Weinberger – Redner, Philosoph und Forscher an der Universität Harvard – saß mit weiteren Vordenkern der Netzgemeinde wie Doc Searls, Rick Levine und Chris Locke zusammen. Sie diskutierten die künftige Entwicklung der Medien, der Kommunikation und des Marketings. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Überlegungen waren 95 Thesen – überschrieben als Cluetrain Manifest.3 Die Hauptlosung und These 1 lautete »Märkte sind Gespräche«: Darin betonten die Initiatoren die Emanzipation des Verbrauchers im Zeitalter des Internets, den Kontrollverlust auf Organisationsseite und dessen Folgen. »Seit etwa einhundert Jahren gehen Unternehmen – zurecht – davon aus, ihre Märkte kontrollieren zu können, indem sie nur ausgewählte Informationen veröffentlichen«, beschrieb Weinberger die frühere Situation vor Erfindung des Internets. Während man auf diese Weise nur gefiltertes Wissen erhielt, seien im Zeitalter des Internets die Märkte stattdessen vernetzt. Die Folge: »Auf einmal stellt sich heraus – vielleicht ein wenig überraschend –, dass vernetzte Kunden mehr über Produkte wissen, als die Unternehmen selbst.«4

In diesem Kontext sei der Grundgedanke des Cluetrain Manifests zu verstehen, schrieb Weinberger 2006. Damals hätten sie zu verdeutlichen versucht, dass das Internet ein Ort sei, an dem Menschen mit ihren eigenen Stimmen sprechen könnten, und zwar über alle Themen, die für sie persönlich von Bedeutung seien: »Dies ist unsere Chance, dies ist unser Raum, in dem wir uns unterhalten und miteinander vernetzen können.« Vor diesem Hintergrund hätten sie als Initiatoren die Unternehmen und die Institutionen aufgefordert, sich den veränderten Bedingungen anzupassen und mit ihren Kunden »echte« Gespräche zu führen, abseits einer »gesichtslosen« Marketingkommunikation.

So sei es wichtig, sich von der reinen Marketing- und PR-Denkweise zu verabschieden, die Internetnutzer besser zu verstehen und ihnen intensiver zuzuhören, wenn man als Organisation die Chancen in einer veränderten Kommunikationslandschaft nutzen wolle. Denn, so schreibt Weinberger weiter: »Wir Internet-Nutzer haben keine Eigeninteressen und sagen einander die Wahrheit. (…) Daher sind die alten Techniken von Marketing, inklusive [18]PR, wirkungslos geworden, Märkte zu kontrollieren, indem man versucht, Wissen zu beschränken. Das funktioniert schlichtweg nicht mehr.«5 Echte Gespräche, aktives Zuhören, Dialog, Offenheit und Transparenz – die Verwendung dieser Begriffe verdeutlicht, dass der Beitrag von Weinberger und das Cluetrain Manifest bis heute kaum an Relevanz verloren haben, sondern noch immer eine der zentralen Basen für eine Kommunikation im digitalen Zeitalter darstellen, wie in diesem Buch noch mehrfach zu lesen sein wird.

2.1.2Die Emanzipation der Nutzer

Über zwanzig Jahre später ist die Losung des Cluetrain Manifests6 Realität geworden. Die Internetnutzer haben sich emanzipiert und ihr Medienkonsumverhalten verändert. Sie haben ihre bisherige passive Rolle verlassen und reichern das Netz mit eigenen Beiträgen an. Sie verbreiten persönliche Ansichten und individuelle Perspektiven und verbinden sich mit anderen über Netzwerke. Sie zeigen Fotos, spielen Videos, bewerten Inhalte und Produkte. Sie haben sich von der Einwegkommunikation verabschiedet und suchen den Dialog, die Interaktion und die Reaktion – bei anderen Nutzern oder Unternehmen, ob diese es wollen oder nicht. Sie haben sich dazu von einseitigen Informationsplattformen verabschiedet und sich stattdessen verstärkt dynamischen Mitmach-Plattformen zugewendet.

Gerade das seit 2006 verstärkt diskutierte Thema Social Web symbolisiert die rasante Weiterentwicklung. Schrittweise dehnte sich die passive Nutzung auf interaktive Plattformen aus, für die der amerikanische Verleger Tim O’Reilly 2004 den Begriff »Web 2.0«7 miterfunden hatte – als Titel einer Konferenz über Veränderungen im Internet. Diese Plattformen eröffneten Usern die Chance, sich selbst kostenlos, ohne größeres Wissen oder technische Kenntnisse eine eigene Stimme im Netz zu verschaffen und sich mit anderen auszutauschen. Dazu steht eine ständig wachsende Zahl an Instrumenten zur Verfügung, die der US-amerikanische Digital-Business-Vordenker Brian Solis in seinem regelmäßig aktualisierten Conversation Prism (s. Abb. 1) aufführt.

[19]

Abb. 1: Conversation Prism von Brian Solis; Quelle: https://www.conversationprism.com

[20]Unter dem heutigen Schlagwort »Social Web« begreifen die Nutzer dabei das Internet als sozialen Raum und als Medienwirklichkeit, in dem sie sich frei bewegen und sich mit anderen Personen – bekannt oder unbekannt –, einmalig oder regelmäßig, beruflich und/oder privat, unabhängig von Alter, von Herkunft oder von sozialer Stellung austauschen. Bereits 2010 sprach der Psychologe und Internet-Vordenker Peter Kruse im Zusammenhang mit dem Social Web von der ersten großen »Völkerwanderung des digitalen Zeitalters«: »Wir befinden uns mitten in der nächsten Runde der Veränderungen der Gesellschaft durch das Internet. Ich würde mich nicht scheuen, sogar von einer Revolution 2.0 zu reden.«8

Der Verlust der Kontrolle

Waren Mediennutzer zuvor als Leser, Zuhörer, Zuseher reine Konsumenten von Informationen, beteiligten sich viele von nun an aktiv an den Inhalten, was wiederum den allmählichen Abschied vom One-to-Many- oder Few-to-Many-Prinzip als Basis klassischer Medien bedeutete. Aus den bislang passiven Nutzern waren aufgeklärte »Prosumer« geworden, ein Kunst- und Kofferwort aus Produzenten und Konsumenten, welches der US-amerikanische Futurologe Alvin Toffler im Jahre 1980 in seinem Buch Die dritte Welt eingeführt hatte. Mit dem Begriff kennzeichnete er Akteure, die gleichzeitig als souveräne Informationsproduzenten sowie als Konsumenten, also Verbraucher und Rezipienten fungieren, wobei die Grenzen zwischen Konsumenten und Produzenten verschwimmen.9

Die Prosumer-Bewegung hat massive Auswirkungen auf das Wirken von Organisationen: Das Internet sei auf dem Weg zum eigenständigen Kommunikations- und Kulturraum, der aus ehemals reinen Internet-Besuchern handelnde Akteure macht, die sich äußern, einmischen, mitmachen, so Peter Kruse. Damit verschiebe sich Macht immer stärker vom Anbieter zum Nachfrager. Aus Sicht von Organisationen bedeuten die neuen Machtverhältnisse das Ende der bisherigen Kontrolle von Inhalten, schreibt der Professor und Autor Keith Quesenberry: »With the rise of social media the power of the consumer’s voice is now equal or even more powerful than the brand’s voice.« Unternehmen müssten mutig den nächsten Schritt gehen und das Internet als Dialogmedium begreifen: »If we truly want to control brand communication today, we must be willing to give up control. (...) Many marketers get so focused on creating more content that they forget social media is a two-way medium.«10

Neues Denken gefordert

»Die Social Software des Web 2.0 ist ein Angriff auf die etablierten Regeln der Macht und erzwingt ein grundlegendes Umdenken«11, so der erwähnte und Mitte 2015 verstorbene Peter Kruse auf dem Branchentreffen re:publica im Jahre 2010. Seine damalige Aussage [21]lässt sich in Bezug auf das Cluetrain Manifest lesen: Sowohl Unternehmen als auch Institutionen müssen sich gegen die Gespräche behaupten, die ihre gut informierten Kunden, Partner, Multiplikatoren, Mitarbeiter miteinander über sie führen, die sich online mit Gleichgesinnten austauschen, in Social-Commerce-Plattformen Preise von Waren vergleichen, in Kollaborationsplattformen Produkte gemeinsam (weiter-)entwickeln, in Foren und Netzwerken unabhängige Meinungen einholen, den Empfehlungen des eigenen Netzwerkes und der eigenen Community folgen und die Produkte mitsamt verlinktem Zubehör gleich online bestellen oder ersteigern – weil sie ihnen vertrauen.

Schließlich sind uns persönliche Empfehlungen mehr wert als die Filterung durch eine anonyme Marke. Dazu hat beigetragen, dass sich die Zahl der Plattformen, auf denen sich Nutzer äußern, ihre Gedanken mitteilen und ihre Einschätzungen abgeben können, ständig erhöht. Gerade in ihnen erkennt der Journalist Chris Anderson eine der Besonderheiten der Entwicklungen, wie er in seinem Buch Makers feststellt: »Der Aufstieg von Facebook, Tumblr, Pinterest und ähnlicher Websites bedeutet eine gewaltige Verschiebung der Aufmerksamkeit von den kommerziellen Informationslieferanten des 20. Jahrhunderts hin zu den privaten Inhaltslieferanten des 21. Jahrhunderts.«12

VIDEO-TIPP

Peter Kruse und die »Revolution«Auf die kontinuierlich zunehmende Zahl an Kommunikations- und Netzwerkaktivitäten, das damit verbundene ansteigende Datenvolumen und die dazu notwendige Infrastruktur hatte Professor Peter Kruse in einem Kurzvortrag vor der Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« Ende des Jahres 2011 im Deutschen Bundestag hingewiesen. Zur Frage »Wie beeinflusst das Internet die Gesellschaft« stellte er die These auf, dass wir von einer »Revolution« sprechen müssen, bei der eine grundlegende Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager zu beobachten sei. Er führte dies auf die Systemarchitektur zurück, auf eine Kombination »erhöhter Vernetzungsdichte«, »verstärkter Spontan-Aktivitäten« und »kreisender Erregungen«. Diese ließen die Systeme sowie die Menschen durch Zusammenschluss in Bewegungen mächtig werden, sodass die Gesellschaft schlussendlich »einen extrem starken Kunden, einen extrem starken Mitarbeiter, einen extrem starken Bürger« bekommen würde. Noch heute ist sein drei Minuten langes Plädoyer für »Intelligente Netze« beziehungsweise »Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegung« ein Lehrstück und Muss für jeden Digitalexperten und alle an der digitalen Kommunikation interessierten Menschen. Wer beispielsweise einen Blick auf die Bürgerbewegungen und Initiativen im Internet – wie zum Beispiel Bewegungen wie Fridays [22]for Future oder #MeToo – oder auf die Macht von Bewertungsportalen wirft, erkennt schnell, dass die Voraussagen aus dem Jahr 2011 inzwischen wahr geworden sind. Auch die Parallelen zum Cluetrain Manifest sind unübersehbar.Zum Vortrag:https://bit.ly/dks_PeterKruseBundestag

The new KISS: Keep it significant and shareable

Diese privaten Kommunikatoren beteiligen sich jedoch nur dann, wenn die Inhalte für sie bedeutsam, relevant und mitteilbar sind, wie es in der angepassten und heute hochrelevanten KISS-Formel »Keep it significant and shareable« passend heißt. Übersetzt bedeutet dies: Ist ein Beitrag nicht einfach teilbar und relevant aus Sicht meiner Zielgruppe, wird er keine Sichtbarkeit erhalten und zu keiner Interaktion führen.

Dies zeigt: Das Internet und das Social Web haben die Kommunikationslandschaft kräftig durcheinandergewirbelt. Jeder Internetnutzer kann Inhalte nicht nur konsumieren, sondern auch bewerten, selbst gestalten und sich mit anderen vernetzen – unabhängig von Alter, Bildung, Vermögen und Technikaffinität. Unternehmen haben damit die alleinige Macht über die Information, die dominierende Einflussnahme auf bestehende und potenzielle Kunden, auf Mitarbeiter, Zulieferer, Partner und Multiplikatoren verloren. Sie sind nur noch ein – wenn auch bedeutsamer – Mitgestalter des gesellschaftlichen Diskurses.13

Kaum eine Organisation kann sich der neuen kommunikativen Herausforderung entziehen, schließlich gilt: »Every Company is a Media Company«. Oder wie es Schauspieler und Social Media Influencer Ashton Kutcher in Brian Solis’ Bestseller Engage! ausdrückte: »New media is creating a new generation of influencers and it is resetting the hierarchy of authority.«14 Die aus der Marketinglehre bekannten vier »P«s – Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik – haben damit ein weiteres »P« erhalten: People.

Eine eigene Stimme im Dialog mit Zielgruppen

Transparenz, Interaktion und Partizipation heißen die Kennzeichen, welche das Social Web und die digitale Kommunikation heute prägen. Nutzer können sich über diverse Plattformen äußern, ihren Wünschen und ihren Ärgernissen direkt Ausdruck verleihen, wobei deren Verbreitung sichtbar und nachvollziehbar bleibt. Kaum eine Organisation kann vor dieser Entwicklung die Augen verschließen, denn früher oder später wird alles in den digitalen Medien erwähnt – positiv wie negativ. Parallel haben die Entwicklungen in der digitalen Kommunikation zu einer verstärkten Transparenz geführt. Unternehmen können viel schwerer Fehler und Ungereimtheiten verbergen; vielmehr werden diese schneller sichtbar, was wiederum das Vertrauen in Organisationen beschädigen oder zumindest gefährden kann.

[23]Heute ist die Online-Welt eine Meinungsplattform, die sich durch eine Verknüpfung der Nutzer untereinander auszeichnet. Diese bietet Unternehmen enorme Chancen, sich im Austausch mit ihren Zielgruppen eine Stimme zu verschaffen. Darauf haben professionelle Kommunikationsstrategen reagiert. Immer mehr Unternehmen und Institutionen nutzen das Internet, die Plattformen des Social Web und die digitalen Formate, um die Kommunikation mit ihren Stakeholdern aufzubauen, zu pflegen und zu intensivieren. Vor allem müssen sie eigene themenspezifische Communitys aufbauen, pflegen und richtig bedienen, betont Paul Adams, damals Senior User Experience Researcher bei Google, heute VP bei Intercom: »It’s not about sales, or ads, or click-through rates. It’s about pursuing relationships and fostering communities of consumers. It’s about rethinking how you make plans when your customers are in the center and in control.«15

Hinzu kommt: Unternehmen und Institutionen haben es nicht mit einem gefestigten, abgeschlossenen Kommunikationsraum zu tun, sondern vielmehr mit einer Struktur, die einem ständigen, teils dramatischen Wandel unterliegt. Die Online-Welt verändert sich so schnell, dass die immer gleichen Instrumente und Methoden kaum zum Ziel führen können. Die Aussage »Was morgen ist, war gestern« zeigt vielmehr, wie stark es darauf ankommt, die passenden Instrumentarien zu recherchieren und auszuwählen – ohne wirkliche Garantie auf eine gleichbleibend hohe Trefferquote.

AUSFLUG

Der Stakeholder-Begriff16

Der Stakeholder-Ansatz ist ein Modell zur Zielgruppendefinition. Während sich der Begriff der Zielgruppe aus der Marketinglehre ableitet, wird der Stakeholder-Ansatz stärker in der PR-Branche eingesetzt. Mit dem Begriff »Stakeholder« werden diejenigen Gruppen bezeichnet, die Ansprüche an ein Unternehmen stellen oder künftig stellen könnten. Darum werden sie auch als Anspruchsgruppen bezeichnet. Darunter können ebenfalls Gruppen fallen, die nur indirekt mit dem Unternehmen oder der Institution verbunden sind – wie Bürgerinitiativen, Umwelt- und Verbraucherorganisationen –, die jedoch das Meinungs- und Handlungsumfeld empfindlich beeinflussen können. Folgende Stakeholder mit ihren jeweiligen Ansprüchen lassen sich grundsätzlich unterscheiden:17

Eigentümer und Shareholder: Anspruch auf Rendite, Dividende, Umsätze sowie auf regelmäßige Information;Kapitalgeber: Anspruch auf Zinsen und Kreditrückzahlung, auf einen sorgfältigen Umgang mit dem bereitgestellten Kapital sowie auf kontinuierliche Informationsweitergabe;[24]Mitarbeiter: Anspruch auf Beschäftigung, auf sichere Arbeitsbedingungen, auf regelmäßige Entlohnung, auf interne Information;Kunden: Anspruch auf Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Rückgabe und Umtausch, richtige Information;Händler: Anspruch auf Qualität, Aus- und Belieferung, Unterstützung bei Produktvermarktung, Einhaltung von Verträgen, korrekte Information;Lieferanten: Anspruch auf Produktabnahme, pünktliche Bezahlung, Vertragseinhaltung;Staat und öffentliche Institutionen: Anspruch auf Steuerzahlung, Einhaltung von Gesetzen;Medien und Multiplikatoren: Anspruch auf Bereitstellung korrekter Informationen;Allgemeine Öffentlichkeit (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine, Verbände): Anspruch auf gesellschaftliches Engagement, Unterstützung, Mitgliederbeiträge sowie auf Informationen.

Auf dem Weg zum Content-Shock?

Dass heute das Internet sowie die sozialen Medien zu den festen Bestandteilen des täglichen Lebens zählen, dafür spielt die mobile Kommunikation die zentrale Rolle. Der Siegeszug von Smartphones und Tablets, die Chancen der Wearables und des Internets der Dinge, die Verbreitung von Internet-Flatrates, die – bald hoffentlich – ubique Verfügbarkeit von WLAN, selbst in Fahrzeugen, in Bahnen oder in Flugzeugen, die einen Zugriff jederzeit und von überall erlauben: Der mobile Fortschritt hat den Weg zu einem digitalen Zeitalter gewiesen, in dem jede Zielgruppe jedes Thema, jede Meinung ihre eigene Plattform, ihre Community und ihren gewünschten Content findet.

Die mobile Verfügbarkeit jeglicher Arten von Informationen und Formaten, wie Texten, Bildern, Videos, Dialogen, von neuen Instrumenten oder schnelllebigen Inhalten wie Ephemeral Media via Storys, wenn publizierte Inhalte nur für einen bestimmten Zeitraum zugänglich bleiben und dann verschwinden, sorgen dafür, dass der Umfang und die Vielfalt an Informationen kontinuierlich steigen. Dazu tragen die vielen Messenger-Angebote (WhatsApp, Facebook Messenger, WeChat, Snapchat, Skype, Telegram, Threema, Line etc.), die für individuelle Dialoge oder für Dialoge in kleineren oder größeren, privaten wie halböffentlichen Gruppen bestimmt sind, in Kombination mit einer kontinuierlich gesteigerten Anzahl an Nutzeraktivitäten bei. Kein Wunder also, dass einige bereits den Content-Shock18 ausrufen und sich fragen, wie Nutzer die ständig wachsende Anzahl an Inhalten unterschiedlicher Art überhaupt noch wahrnehmen sollen.

[25]Rückzug ins Private

Eine Reaktion ist ein Phänomen, das mit dem Begriff »Dark Social«19 überschrieben wird: Der Rückzug ins Private. Das heißt, Nutzer ziehen sich aus den öffentlichen Dialogen via Social Media verstärkt zurück. Dies lässt sich gut am Rückgang der Interaktionsraten auf Facebook & Co. ablesen, wodurch die Nutzer als bisherige Multiplikatoren der Inhalte im Social Web wegfallen. Stattdessen kommunizieren sie in privaten Räumen über Messenger und E-Mails oder bewegen sich in geschlossenen Foren und Gruppen, in denen sie sich fern der Öffentlichkeit mit einzelnen Personen austauschen können. Selbst Marktführer Facebook hat dies erkannt und proklamiert klar: »The future is private.«20

In dieser Thematik spiegelt sich gleichzeitig der schwierige Umgang vieler Menschen mit der Vielfalt an vorhandenen, angebotenen und zu verarbeitenden Informationen wider: Sie haben Probleme, daraus die für sie relevanten gezielt auszuwählen beziehungsweise andere bewusst auszusortieren. Um ihren persönlichen Content-Shock zu vermeiden, müssen sie jedoch aktiv werden, damit künftig ausschließlich die Informationen in ihr Sicht- und Wahrnehmungsfeld gelangen, die inhaltlich klar auf sie zugeschnitten sind, ihnen einen wirklichen Mehrwert bieten, genau die von ihnen bevorzugten Kanäle bespielen und für sie zudem einfach zu finden und zugänglich sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie eines Tages vor ihrem persönlichen Digitalen Burnout21 stehen.

Vielen ist bewusst, dass ihnen die schier endlosen Kanäle, der Information Overload, ein selbst verursachter innerer Druck (FOMO22), nichts verpassen zu wollen, extrem zusetzt. Sie müssen lernen, ihren eigenen Weg und Umgang zu finden. Für Unternehmen und Institutionen bedeutet dies auf der anderen Seite: Klare Zielgruppenbestimmung, stark individualisierter, personalisierter Content, hohe Sichtbarkeit und eine regelmäßig überprüfte und optimierte Kanalstrategie zählen künftig zu den zentralen Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Kommunikation im digitalen Zeitalter. Doch wie digital affin ist unsere Gesellschaft eigentlich heute?

[26]2.2Die digitale Gesellschaft

Wer einen Blick auf die deutsche digitale Gesellschaft wirft, dem fällt auf, dass die Digitalisierung in den Köpfen langsam aber kontinuierlich voranschreitet. Selbst wenn laut ARD-ZDF-Onlinestudie23 rund 90 Prozent der Deutschen im Internet sind, wirklich in der digitalen Gesellschaft sind sie erst zum Teil angekommen. Woran das liegt? Ein Blick auf einige Zahlen und Studien macht die weiterhin herrschende digitale Kluft deutlich.

2.2.1Der digitale Gap

Der digitale Gap beginnt schon bei der falschen Interpretation von Zahlen und Studien. Auch wenn die obige Zahl – rund 90 Prozent der Deutschen sind im Internet – überall verbreitet ist, so ist sie mit Vorsicht zu genießen. Denn dies bedeutet einzig und allein, dass im Jahre 2019 rund 90 Prozent das Internet zumindest gelegentlich genutzt haben. Korrekt dagegen ist die Aussage in derselben Studie: »50 Millionen Menschen in Deutschland sind täglich online.« Das bedeutet: Bezogen auf die tägliche Nutzung des Internets haben genau 71 Prozent der Befragten angegeben, an einem normalen Tag online gewesen zu sein – mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den Altersstufen. Und dies heißt auch, dass 29 Prozent und damit fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung täglich nicht das Internet nutzen und damit für digitale Kommunikationsmaßnahmen nur begrenzt erreichbar sind. Warum diese notwendige Unterscheidung: Falsch interpretierte Aussagen könnten dazu führen, dass Organisationen ihr komplettes Budget in den digitalen Bereich umschichten, da ja heute »jeder online ist« und sie ihre Zielgruppen nur noch dort erreichen können. Dies wäre eine Interpretation, die mit Sicherheit nicht für alle Zielgruppen zutreffend ist.24

Die erwähnten beträchtlichen Unterschiede verdeutlicht der »D21-Digital-Index – Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft«25, eine der zentralen Studien in Deutschland rund um Digitalisierung und die Wahrnehmung digitaler Inhalte. Die Studie der Initiative D21 wird jährlich von Kantar TNS durchgeführt und misst die Entwicklung des Digitalisierungsgrads der deutschen Bevölkerung bezogen auf Internetzugang, Kompetenz und Nutzungsvielfalt digitaler Medien. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, wie die hiesige Gesellschaft den digitalen Wandel mit all seinen Vorteilen und Herausforderungen erlebt – also Zugang, Nutzungsverhalten, Kom[27]petenz, Offenheit. Das heißt: Wie gut sind die Menschen auf den digitalen Wandel eingestellt? Wie nutzen sie das Internet? Wie kompetent gehen sie mit den vielen Anwendungen um? Und wie aufgeschlossen steht die deutsche Gesellschaft der Digitalisierung und den damit verbundenen Entwicklungen gegenüber? Dabei teilt die Studie die Bevölkerung in drei zentrale Gruppen ein: Digitale Abseitsstehende, Digitale Mithaltende und Digitale Vorreiter.

Abb. 2: Initiative D21: D21-Digital-Index 2019/2020; 7 Nutzertypen im Vergleich; Quelle: https://www.flickr.com/photos/initiatived21/

Der D21-Digital-Index 2019/2020 zeigt auf, dass der Digitalisierungsgrad im Vergleich zu den Vorjahren weiter leicht gestiegen ist. »Die Digitalisierung in Deutschland gewinnt an Geschwindigkeit«, so die Autoren der Studie. Damit partizipiert eine wachsende Zahl an Deutschen an der digitalen Welt. Immer mehr Menschen zählen sich zur Gruppe der Digitalen Vorreiter oder zumindest zu den Digital Mithaltenden. Auch der Blick auf die Digitalisierung ist positiv: So erwarte die deutsche Bevölkerung »einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf viele Herausforderungen an die Berufswelt, insbesondere beim Ausbildungssystem und lebenslangem Lernen«.26

Gleichzeitig bestehen weiterhin große Unterschiede beim Umgang mit der Digitalisierung und den digitalen Kommunikationsinstrumenten. Abb. 2 macht deutlich, dass es auf der einen Seite einen weiterhin großen Anteil an Bürgern gibt, die als Offliner und Minimal-Onliner (18 Prozent) abseits der Digitalisierung stehen. Vor allem mangelndes Interesse, aber auch fehlender Nutzen und zu hohe Komplexität der digitalen Welt halten die Digital [28]Abseitsstehenden davon ab, sich ins Internet zu wagen oder ein Smartphone zu nutzen. Klassische Medien werden als ausreichend empfunden. Auf der anderen Seite gibt es rund 44 Prozent Digitale Vorreiter, die sich offen mit den neuen Technologien auseinandersetzen und bereit sind, sich tiefer dort einzubringen. Sie können sich ein Leben ohne Internet gar nicht mehr vorstellen.

Während also knapp ein Fünftel der deutschen Bevölkerung praktisch nicht an der digitalen Gesellschaft partizipiert, verfügt ein gutes Drittel über einen hohen Digitalisierungsgrad: Diesen stark auseinandergehenden Gap verdeutlichen weitere Zahlen:

Ohne Zugang: Noch immer sind knapp 10 Millionen Bundesbürger nicht im Internet und damit offline.Bildungsarm: Die niedrige Bildungsschicht hinkt nicht nur bei der Internetnutzung hinterher; niedrig Gebildete sind in vielen Kompetenzbereichen abgehängt.Große Unterschiede: Die Internetnutzung ist stark abhängig von Alter, Geschlecht oder Bildung. In der niedrigsten Bildungsschicht ist gut die Hälfte der Personen älter als 60 Jahre und weiblich.Stadt-Land-Gefälle: Die Schere zwischen Stadt und Land geht weiter auf. Generell gilt: Je urbaner die Umgebung ist, desto eher werden das Internet und digitale Anwendungen genutzt.

Die Spaltung beziehungsweise den Rückstand gerade bei der Landbevölkerung erklären die Studienautoren mit der fehlenden digitalen Infrastruktur. Diese sei eine »wesentliche Grundvoraussetzung, damit Menschen in Deutschland Zugang zu digitalen Innovationen wie Kommunikationsdiensten, Telemedizin oder Streaming erhalten und davon profitieren können«. Ihre Forderung: »Die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur sollte daher ein hohes strategisches Ziel für die Zukunftsfähigkeit des Landes sein.«27

[29]

Abb. 3: Initiative D21: D 21-Digital-Index 2019/2020; zentrale Ergebnisse; Quelle: https://www.flickr.com/photos/initiatived21

[30]Die Ergebnisse aus Studien wie dem D21-Digital-Index helfen Kommunikationsexperten bei der Entwicklung von Strategien zu erkennen, wie stark die digitalen Medien von welcher Bevölkerungsgruppe genutzt werden und auf welche Weise sie ihre Zielgruppen gezielt ansprechen können – ob über klassische analoge Maßnahmen oder über vielfältige digitale Anwendungen. Selbst wenn Prognosen in einer digitalen Zeit immer schwer zu erstellen sind, so ist davon auszugehen, dass sich die Diskrepanzen zwischen Menschen mit niedrigem und denen mit hohem Digitalisierungsgrad in den kommenden Jahren nicht aufheben, sondern dass sich stattdessen der ausgeprägte Gap weiter verschärfen wird. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Internetnutzer im Zuge der COVID-19-Krise mit Sicherheit deutlich erhöht. Nur so hatten die Menschen die Chance, Waren einfach und gefahrlos zu bestellen und sich privat oder beruflich, mit den Liebsten oder dem eigenen Team zumindest virtuell zu treffen. Aus Kommunikationssicht bedeutet dies: In den meisten Fällen muss in digitalen Zeiten der Fokus auf einer integrierten Kommunikationsstrategie liegen, die traditionelle mit digitalen Kommunikationskanälen kombiniert, um die heterogenen Zielgruppen zu erreichen.

Gap bei der Social-Media-Nutzung

Der digitale Gap lässt sich auch bei der Nutzung sozialer Medien beobachten. Von den vielfältigen digitalen Technologien und speziell den sozialen Medien haben es in den vergangenen Jahren nur wenige Plattformen tief ins Bewusstsein der Deutschen geschafft, sodass sie nicht nur wahrgenommen, sondern von der Mehrheit auch regelmäßig genutzt werden. In vielen Köpfen hat sich festgemacht: Bei Facebook unterhalte ich mich mit meinen Freunden, bei Instagram poste ich Bilder und Videos von Momenten, die ich gerade erlebt habe, auf YouTube sehe ich mir Videos zu allen Themen an. Selbst Snapchat und TikTok sowie Twitch haben gerade bei Teens und Twens hohe Beliebtheit erreicht. Und WhatsApp thront als Marktführer für die direkte Kommunikation und als Marktführer bei den Messengern über allen. Andere Instrumente bleiben dagegen weitgehend den digitalen Eliten, den Influencern, den Kommunikations- und Marketing-Profis vorenthalten. Was mache ich beispielsweise auf Twitter, mit der visuellen Inspirationsplattform Pinterest, mit den Blogging-Plattformen Medium und Tumblr, mit dem Social-News-Aggregator Reddit, mit den sicheren Messengern Threema und Signal oder mit den vielen Blogs – ob von privaten Absendern oder von Unternehmen?

Trotz aller medialen Präsenz schafft es beispielsweise Twitter bis heute nicht, nicht nur netz-, kommunikations- und technikaffine Nutzer anzuziehen und längerfristig zu binden. Laut ARD-ZDF-Onlinestudie sind es in Deutschland gerade einmal zwei Prozent, die Twitter täglich nutzen28 (im Vergleich: WhatsApp 63 Prozent, Facebook 21 Prozent, Instagram 13 Prozent). Dabei handelt es sich vorwiegend um Kommunikations- und Marketingfachleute, um Journalisten und andere Multiplikatoren, um Verbände, Netzwerke und [31]Politiker für ihre Public-Affairs-Aktivitäten sowie um Prominente aus dem Show-, TV- und Sport-Business. Diese erkennen für sich den Sinn, eigene Themen zu lancieren, die aktuellen Entwicklungen zu beobachten, sich mit ihren Kollegen und Fans auszutauschen oder sich selbst darzustellen. Die Suche nach dem Sinn spiegelt sich in der hohen Anzahl an Menschen wider, die Twitter zwar begonnen haben zu nutzen, es aber nach kurzer Zeit aufgegeben haben. Sie haben für sich keinen erkennbaren Mehrwert erkannt und es wieder aufgegeben; oder sie nutzen Twitter ausschließlich passiv zum Lesen.

2.2.2Die technologischen Hindernisse

Damit sich die deutsche Bevölkerung stärker auf die digitale Transformation, auf Digitalisierung und auf die digitalen Kommunikationsinstrumente einlassen kann, müssen die technologischen Voraussetzungen vorhanden sein, wie bereits die Autoren des D21-Digital-Indexes gefordert hatten. Schließlich bilden schnelle und überall verfügbare Internetverbindungen die Grundlage für eine intensive Nutzung von Medien digitaler Kommunikation. Nur so kann sie jeder von überallher nutzen – und auch darin die Chancen für sich begreifen. Genau beim Thema technologischer Infrastruktur hängt Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin zurück. Wie Abb. 4 zeigt, belegt Deutschland unter den aufgelisteten Ländern gerade einmal Platz 25, wenn es um schnelle Internetverbindungen geht.29 Und daran hat sich seit 2017 wenig verändert. Auch beim Thema Glasfaser bleibt Deutschland ein Entwicklungsland.30

Dies bedeutet: Für viele Menschen existiert die Infrastruktur nicht, um kontinuierlich die digitalen Kommunikationsinstrumente zu nutzen und mit anderen Personen oder Organisationen in einen fortdauernden und ortsunabhängigen Dialog zu treten. Dass dies einer intensiveren Nutzung digitaler Kommunikationsmedien hinderlich ist, ist nachvollziehbar: Je besser und schneller jemand auf seine Instrumente zugreifen kann – und dies mit hoher Geschwindigkeit und überall verfügbar –, desto eher wird er sie nutzen – und zwar regelmäßig.

[32]

Abb. 4: Deutsches Web zu langsam für die Weltspitze; Quelle: statista (2017), https://bit.ly/dks_statista_internetzugang

Die mobile (Ohn-)Macht

Zu diesen grundlegenden Problemen zählt die nur langsam ansteigende WLAN-Abdeckung, die sich meist auf die deutschen Großstädte und damit Technologiemetropolen beschränkt. Während beispielsweise in den nordeuropäischen Ländern oder in den baltischen Staaten fast an jedem Ort freier und kostenloser Internetzugang vorhanden ist, hat Deutschland Nachholbedarf: Schlechte Verbindungen wie in öffentlichen Verkehrseinrichtungen oder langwierige Diskussionen über städtische WLAN-Angebote sind Beispiele für diesen Rückstand. Solche Hindernisse betreffen insbesondere die mobile Nutzung in Deutschland.

»Hochleistungsfähige Breitbandnetze sind Basis und Treiber der Digitalisierung und damit für die digitale Zukunftsfähigkeit Deutschlands unverzichtbar«31, forderte Ralph Dommermuth, CEO der United Internet AG, bereits im Jahre 2015 mit Blick auf die künftigen Entwicklungen. Ohne die richtigen Datenautobahnen habe Deutschland keine Chance, die immer schneller voranschreitende Digitalisierung erfolgreich zu bewältigen. Vielmehr müsse eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur geschaffen werden, um der »dreifachen Anforderung von hoher Kapazität, breiter Verfügbarkeit und geringer Latenz« zu genügen.

[33]Erste Zeichen der Hoffnung

Positiv ist anzumerken, dass die Bundesregierung das Problem und den dringenden Nachholbedarf erkannt zu haben scheint. Sie will die infrastrukturellen Grundlagen für eine bessere Nutzung der Informationstechnologien stärken. Um Deutschland fit für das digitale Zeitalter zu machen, hat sie am 15. November 2018 die Umsetzungsstrategie »Digitalisierung gestalten«32 verabschiedet und im März 2019 aktualisiert. Sie soll als klares politisches Leitbild zur Gestaltung des digitalen Wandels dienen. Ziel sei es, »die Lebensqualität für alle Menschen in Deutschland weiter zu steigern, die wirtschaftlichen und ökologischen Potenziale zu entfalten und den sozialen Zusammenhalt zu sichern«.

Gleichzeitig muss das Thema Digitalisierung und digitale Transformation als Bildungsaufgabe verstanden werden, die möglichst früh zu beginnen hat – bereits in der Schule. Zu diesem Standpunkt gibt es mehrere Forderungen und Anregungen gerade aus der Wirtschaft, Digitalkunde, Programmierung etc. zu einem Unterrichtsfach ab der ersten Klasse zu machen.33 Schließlich werden Kinder, die heute eingeschult werden, in etwa zwanzig Jahren in einen Arbeitsmarkt eintreten, der deutlich anders als der heutige aussehen und völlig andere Kompetenzen verlangen wird.

Bei diesen grundsätzlich richtigen Ansätzen stellt sich die entscheidende Frage, wie schnell und wie umfassend die Politik in Verbindung mit der Wirtschaft, der Wissenschaft und mit verantwortlichen Institutionen die Initiative aufgreifen und umsetzen wird. Personen wie Dorothea Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, sind sich bewusst, dass frühzeitig noch stärker in digitale Bildung sowie in Weiterbildung investiert werden muss: »Das muss schon in der Schule beginnen. Jedes Kind sollte Programmieren lernen. Jeder Mitarbeiter braucht Angebote für digitale Weiterbildung und sollte diese nutzen.«34 Doch wann wird dies umgesetzt?

Bisher nur Durchschnitt

So ist zu befürchten, dass es etwas länger dauern wird, bis es zu solchen zukunftsweisenden wie notwendigen Veränderungen in der Bildungspolitik kommen wird. Zudem ist kritisch zu hinterfragen, ob die Zielsetzung »bis zum Jahre 2025« nicht viel zu langfristig gewählt ist – gerade angesichts der rasanten Entwicklungen bei der digitalen Transformation und den Veränderungen insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, wie sich in Corona-Zeiten verstärkt gezeigt hat.

[34]Bislang bleibt Deutschland beim Thema Digitalisierung selbst in Europa nur Durchschnitt. Dies ergab zumindest eine Untersuchung der EU-Kommission nach dem DESI-Index, wobei die Bereiche Konnektivität, Humankapital, Internetnutzung, Digitale Technologien und öffentliche Hand berücksichtigt wurden.35 Und wenn man sich die aktuelle Entwicklung genauer betrachtet – Stichwort WLAN-Verbreitung, Surf-Geschwindigkeit, politisches Unwissen36 – dann wird dies wohl leider noch eine Weile so bleiben.

VIDEO-TIPP

Film zur digitalen TransformationWie schnell Technologien derzeit dafür sorgen, dass Science-Fiction zu Fakten wird, wie stark digitale Technologien gerade unser Leben verändern, welche Skills wir benötigen, um diesen Veränderungsprozess aktiv mitsteuern zu können und nicht passiv vorgeführt zu werden, dies zeigt der spannende Kurzfilm des Futuristen und Autoren Gerd Leonhard über die digitale Transformation. Zum Film:https://bit.ly/dks_leonard_digitaletransformation

2.3Digitale Unternehmenswelten

2.3.1Digitale Transformation

Ob Großunternehmen, Mittelständler oder gesellschaftspolitische Institution: Alle Organisationen stellt die digitale Transformation vor enorme Herausforderungen, stellt sie bestehende Organisations- und Planungsprozesse sowie gewohnte Denkweisen gründlich auf den Kopf. Dieser Veränderungsprozess betrifft – fast – jeden Unternehmensbereich. »Viele Unternehmer meinen immer noch, digitale Transformation bedeute die Umstellung auf neue IT oder gar nur die Einführung von Social Media im Unternehmen«, so Kommunikationsexperte Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst in seinem Gastbeitrag (s. S. 51). Dabei sei die Transformation viel weitreichender und komplexer, beschreibe sie doch eine »Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch Technologien«, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt mit dem Unternehmen zu verbessern«.

Auch eine Studie von YouGov37 fand heraus, dass 57 Prozent der Angestellten entweder die Bedeutung von digitaler Transformation nicht verstehen oder aber sie falsch interpretieren. Wenn mehr als die Hälfte dieser befragten 500 britischen kleinen und mittelständischen [35]Unternehmen verwirrt ist, gibt es dann wirklich ein Erfolgsrezept? Laut einer McKinsey-Studie38 würden 70 Prozent der Versuche, eine digitale Transformation umzusetzen, scheitern. Liegt dies an diesem verwirrenden Begriff?

TOOL-TIPP

Der Test zum Stand der digitalen TransformationDas Forschungs- und Beratungsunternehmen Kaleido Insights aus San Francisco hat mit »Digital Directive« ein gut verständliches Scoring-Tool entwickelt. Dieses hilft, den eigenen Stand und die eigene Reife bei der digitalen Transformation zu überprüfen. Dazu hat Kaleido die einzelnen Herausforderungen in sieben Hauptmodule und insgesamt 60 unterschiedliche Kriterien aufgeteilt, die Organisationen schrittweise durchgehen und so den Status ihrer eigenen Anstrengungen überprüfen können. Anhand der sieben Kategorien – Strategie, Daten, Kundenerfahrung, Organisationsanpassung, Analytics und Künstliche Intelligenz, Menschen und Kultur, Innovation – lässt sich gut erkennen, dass digitale Transformation deutlich mehr als ein technischer Vorgang ist. So heißt es passend in der Tool-Beschreibung: »Many companies talk about ›Digital Transformation‹ but use it in a limited fashion, such as: just turning paper into PDFs or using web tools to communicate to customers, but in the end, the core culture, and even business model has changed.«39Zum Tool:https://www.kaleidoinsights.com/digital-directive/

»Digital transformation is the evolving pursuit of innovative and agile business and operational models – fueled by evolving technologies, processes, analytics, and talent capabilities – to create new value and experiences for customers, employees, and stakeholders«, so definiert die Altimeter Group den Begriff in ihrer Studie »State of Digital Transformation«40. Die Schaffung neuer Werte und Erfahrungen für Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder – allein diese Definition macht deutlich, dass digitale Transformation damit einen grundlegenden Wandel der gesamten Unternehmenswelt bedeutet.

Mittels entwickelter Informations- und Kommunikationstechnologien wird versucht, die analoge und die digitale Ebene miteinander zu verschmelzen und die Performance von Unternehmen wie Institutionen auf diese Weise schrittweise zu verbessern. Sven Ruoss, Projektmanager Business Development bei der Ringier AG, spricht von einer »Reise ins [36]digitale Zeitalter«41. In seiner Präsentation bezeichnet er die digitale Transformation sogar als die höchste Ebene digitalen Wissens. Sie baue auf der digitalen Kompetenz und der digitalen Nutzung auf, um Unternehmensprozesse und Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, also zu transformieren. Auf dieser Reise werden Prozesse, Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle etappenweise an den Bedingungen einer vollständig vernetzten digitalen Welt ausgerichtet.

Auch wenn der Begriff der digitalen Transformation in erster Linie einen ökonomischen Wandlungsprozess beschreibt, so ist der Vorgang weniger eine technische denn vor allem eine gesellschaftliche und kulturelle Aufgabe, beschreibt Lars M. Heitmüller, Leiter Marketing und Kommunikation bei S-Kreditpartner, das Wesen der digitalen Transformation. Ähnlich wie Herbst betont er, wie die Transformation unsere Arbeit grundlegend verändere: »Während viele bei Digitalisierung zunächst an Technik denken, geht es doch vielmehr um kulturelle Herausforderungen.«42 Jene könnten aber nur bewältigt werden, wenn ein Unternehmen hierfür die Voraussetzungen schaffe. Dabei spielten vor allem Sozial- und Lernkompetenz, also die Kooperation mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Kompetenzen, offene und eigenverantwortliche Partizipation sowie eine Kultur der Transparenz entscheidende Rollen.

Ein digitaler Transformationsprozess greift damit auf viele Bereiche zu, die in der folgenden Abbildung verdeutlicht werden. Er betrifft:

die Rolle der Führung innerhalb des Change-Prozesses (siehe Kapitel 2.3.3), auch verantwortlich für die interne Kultur sowie für flexible, agile Arbeitsformen;die strategische digitale Kommunikation als Dialog- und Interaktionsinstrument für die interne wie externe Zielgruppenansprache;die unmittelbaren Auswirkungen der technologischen Entwicklungen auf das Unternehmen und sein Geschäftsmodell;sowie die notwendigen Instrumente, Geschäftsmodelle an die digitale Wirklichkeit anzupassen beziehungsweise bestehende infrage zu stellen.
[37]

Abb. 5: Die Säulen einer digitalen Transformation; Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Disselkamp/Heinemann (2018), S. 3

»Die Digitale Transformation hat schon längst begonnen. Und sie ist nicht mehr aufzuhalten«, schreiben die Autoren Disselkamp/Heinemann. »Man muss sich an ihr beteiligen und sie für sich zu nutzen wissen. Wer dies als Unternehmen nicht erkennt und viel zu spät oder zu schwach einsteigt, kann nur verlieren.«43 Auch wenn jede Organisation vor ganz individuellen Herausforderungen steht, beeinflusst die digitale Transformation fast überall Wertschöpfungsketten, Geschäftsbeziehungen, Kundenbedürfnisse. Gerade die Erwartungshaltung von Kunden, Partnern, Medien, Mitarbeitern und weiteren Stakeholdern hat sich durch digitale Technologien, neue Geschäftsmodelle und die einhergehende Vielfalt an Kommunikationskanälen nachhaltig verändert.

Für Organisationen bedeutet die digitale Transformation deshalb vielfach Veränderung, teils fundamentale Erneuerung, teils die Infragestellung etablierter und lange währender Geschäfts- und Kommunikationsmodelle – meist also einen wirklichen tief reichenden Kulturwandel. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass dies kein einmalig durchgeführter und danach auf Dauer abgeschlossener Vorgang ist. Vielmehr erfordert es Kontinuität bei der Planung, der Implementierung und der weiteren Verfolgung mit offenem Ende.

AUSFLUG

Der Hype Cycle und die digitale Affinitätsanalyse

Waren früher technologische Veränderungsprozesse oft generationsübergreifende Vorgänge, so hat sich die Entwicklung digitaler Technologien deutlich beschleunigt. Von dem Experiment und der Betaversion zum marktreifen Massenprodukt ist es heute oft nur eine Sache von wenigen Jahren oder gar Monaten. Dabei durchlaufen viele Technologien bei ihrer Implementierungsphase – ob Betaversion mit eingeschränkten Nutzerzahlen oder direkter Start [38]als Massenprodukt – verschiedene Phasen in der öffentlichen Wahrnehmung. In diesem Kontext lohnt sich ein Blick auf den sogenannten Hype Cycle. Der Begriff »Hype Cycle« wurde im Jahre 1999 durch Jackie Fenn vom Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. geprägt. Er zeichnet den zeitlichen Verlauf nach, welche Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit eine neue Technologie nach ihrer Einführung durchläuft (s. Abb. 6). Während auf der y-Achse Daten bezüglich Aufmerksamkeit und Erwartungen an eine neue Technologie aufgetragen sind, verläuft auf der x-Achse der Faktor Zeit seit erstmaliger Bekanntgabe der neuen Technologie. Insgesamt sind fünf Phasen zu beobachten, deren zeitlicher Verlauf sich wie folgt charakterisieren lässt:

Abb. 6: Hype Cycle nach Gartner Inc.; Quelle: Jeremy Kemp für English Wikipedia44; von Idotter – http://en.wikipedia.org/wiki/File:Gartner_Hype_Cycle.svg, CC BY-SA 3.0; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7560534

Die erste Phase definiert Gartner als »Technologischen Auslöser«. Sie bezeichnet den Moment, in dem eine neue Technologie öffentlich sichtbar wird und nach dem Durchbruch schnell auf hohes Interesse stößt. Stufenweise nimmt ihre Verbreitung zu, was zu einer intensiveren Nutzung führt. Daraus resultieren oftmals übertriebene und unrealistische Einschätzungen. Nicht erfüllte Erwartungen an die neue Technologie führen wiederum dazu, dass die Kurve vom »Gipfel der überzogenen Erwartungen« in das »Tal der Enttäuschungen« hinabstürzt. Der Kurvenverlauf verdeutlicht, dass die Technologie so schnell sie öffentliche Sichtbarkeit erhalten hat, so rasch auch wieder an Aufmerksamkeit verliert. Als [39]Konsequenz nehmen beispielsweise die Berichterstattung in den Medien und die Nutzung der Technologie gerade auf die Masse der Menschen bezogen wieder ab. Am Tiefpunkt ist der Moment gekommen, so der Verlauf des Hype Cycle, dass sich die Unternehmen, die Institutionen und die einzelnen Nutzer stärker mit der neuen Technologie auseinandersetzen und die wirklichen Möglichkeiten der Neuerung zu erkennen suchen. Das Wissen, verbunden mit jetzt deutlich realistischeren Erwartungen bezüglich der Vorteile wie der Grenzen der Technologie, führt auf einen »Pfad der Erleuchtung«. Wird die positive Einschätzung der Vorteile und Chancen von anderen geteilt, kann die Entwicklung auf ein »Plateau der Produktivität« gelangen. In diesem Moment kann nicht mehr von einem Hype gesprochen werden. Die Technologie ist stattdessen etabliert, wobei die finale Höhe des Plateaus davon abhängt, ob sie sich auf dem Massenmarkt behaupten oder nur von Nischenmärkten übernommen wird.

Der Zyklus hilft insbesondere Unternehmens- und Technologieberatern, die Einführung einer neuen Technologie einschätzen und final bewerten zu können. Gleichzeitig lässt sich der Zyklus gut auf die digitale Kommunikation übertragen. Ohne sich von Hypes anstecken zu lassen, hilft er, die wirklichen Potenziale digitaler Technologien und Kommunikationsmedien für das eigene Umfeld zu erkennen. Gerade Kommunikationsexperten dient er deshalb als Vorlage, um die Einführung neuer Technologien, Tools oder Trends zu bewerten. Schließlich müssen sie in ihrer Funktion als Berater in der Lage sein, frühzeitig die Chancen neuer Plattformen, Dienste und Anwendungen zu beurteilen sowie gegebenenfalls deren kommunikatives Risikopotenzial zu identifizieren. Letztlich sollten Kommunikationsmanager die Aufgabe einer Themenanalyse und -bewertung – so Thomas Pleil und Ansgar Zerfaß – »als Teil des Issues-Managements sehen, das in diesem Fall der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung der Online-Kommunikation selbst dient«45.

2.3.2Langsamer Wandel

Jedes Jahr publiziert das Forschungsunternehmen Altimeter Group seinen bereits erwähnten Bericht »State of Digital Transformation«. Dieser zeigt, wie sich Unternehmen in Zeiten der Digitalisierung weiterentwickeln und welchen Auswirkungen disruptive Technologien auf sie haben. Schließlich soll eine digitale Transformation Unternehmen helfen, in einer heutigen Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu werden und weiter zu wachsen. Auch wenn – so die Ausgabe 2018/2019 – viele Unternehmen auf einem guten Weg seien, fokussieren sich viele noch zu stark auf die technologische Ebene, schreibt Principal Analyst Brian Solis: »What’s also evident is that there is still much work to do as companies are, by [40]and large, prioritizing technology over grasping the disruptive trends that are influencing markets and, more specifically, customer and employee behaviors and expectations.« Und weiter: »the purpose of digital transformation is not to become more digital. It’s to generate growth.«46 Für ihn sei offensichtlich, »that digital transformation is maturing into an enterprise-wide movement. Digital transformation is modernizing how companies work and compete and helping them effectively adapt and grow in an evolving digital economy.« Schon diese Einschätzung verdeutlicht nochmals die Bedeutung einer digitalen Transformation für das gesamte Unternehmen – mit enormen Langfristfolgen.

Wenn man sich die Kernbegriffe aus Solis’ Bewertung herauspickt – also größere Wettbewerbsfähigkeit, stärkeres Wachstum, neue Zielgruppen, unternehmensweite Bewegung – dann wird deutlich, dass sich kaum ein Unternehmen oder eine Institution diesem Wandel entziehen kann. Nur diejenigen werden die digitale Revolution überstehen, die ihre traditionellen Geschäftsmodelle und Portfolios auf eine zunehmend digitale, individualisierte und unabhängige Kundschaft ausrichten. Ansonsten kommt es zum Aussterben, wenn sich Technologie und Gesellschaft schneller verändern als Organisationen in der Lage sind, sich darauf einzustellen. »Auf längere Sicht kann ich mir nicht vorstellen, dass Unternehmen ohne Digitalisierungsmaßnahmen wettbewerbsfähig sein können, egal in welchem Industriezweig«47, meint auch Hermann Bach, Head of Innovation Management & Commercial Services beim Werkstoffhersteller Covestro. Genau dies zeigte sich deutlich in der Corona-Krise, in der viele Unternehmen versuchten, in aller Schnelle bisher versäumte Digitalisierungsmaßnahmen nachzuholen, um wettbewerbsfähig zu bleiben beziehungsweise zu überleben.

Boom-Phase als Hindernis für Veränderungen?

Zum vierten Mal hat die Digitalberatung etventure ihre Studie »Digitale Transformation« über die Zukunftsfähigkeit der deutschen Unternehmen publiziert.48 Mit Unterstützung der GfK wurden dazu die Entscheidungsträger von rund 2.000 Großunternehmen mit Mindestumsatz von 250 Millionen Euro zum Thema Digitalisierung befragt. Über die vergangenen Jahre hatte sich ein langsamer Wandel erkennen lassen. Doch 2019 nahm die strategische Bedeutung der digitalen Transformation in deutschen Chefetagen erstmals wieder ab. Nur gut die Hälfte der Unternehmenslenker nannte sie als eines ihrer Top-3-Themen. Zudem gaben gut zwei Drittel der Großunternehmen erstmals an, dass sie weniger als zehn Prozent ihrer Gesamtinvestitionen in die digitale Transformation lenken. Haben die [41]Unternehmen mit der digitalen Transformation schon abgeschlossen oder noch gar nicht richtig angefangen?

etventure-Geschäftsführer Philipp Depiereux schiebt diesen Rückgang auf die lange konjunkturelle Boom-Phase: »Die deutschen Unternehmen sind saturiert, arbeiteten in der Vergangenheit ihre vollen Auftragsbücher ab und spürten kaum Druck, ins digitale Neuland aufzubrechen.« Zudem hakt es an fehlenden Mitarbeitern mit Digital-Know-how. So sehen drei Viertel aller Großunternehmen fehlende qualifizierte Mitarbeiter als größte Hürde – neben der fehlenden Zeit.

Die guten alten Zeiten nutzen

In der vorherigen Boom-Phase als erfolgreiches Industrieland sieht auch Zukunftsforscher Tristan Horx einen der Gründe für das zögerliche Verhalten: »Deutschland ist vergleichsweise noch relativ undigitalisiert, da es seine Stellung als Industrieland noch nicht abgelegt hat.« Deutschland hänge im Industriezeitalter fest und sei im Digitalzeitalter noch nicht so richtig angekommen, der Aufholbedarf sei demnach groß. Der Zukunftsforscher sieht dies positiv: »Der große Vorteil ist der Wohlstand, der noch aus dem Industriezeitalter rührt, hier hat Deutschland die große Chance, auf den Zug der Digitalisierung aufzuspringen.« Seine Devise lautet also: »Die guten Zeiten nutzen, um sich für die Zukunft vorzubereiten.«49

Auch wenn 60 Prozent der Unternehmen davon überzeugt sind, dass der digitale Wandel sich aktiv gestalten lässt, sieht Philipp Depiereux deutlichen Nachholbedarf: »Der Übergang vom analogen zum innovativen, digitalen Wirtschaftsstandort vollzieht sich mühsam. Ich glaube durchaus daran, dass die Dringlichkeit des Themas erkannt ist. Es ist über die vergangenen Jahre etwas in Gang gekommen. Die Unternehmen haben teilweise begonnen, bestehende Prozesse und ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren. Dennoch hat man den Eindruck, im Sinne echter digitaler Innovation, im Sinner neuer Geschäftsmodelle, neuer digitaler Services und nachhaltiger Digitalumsätze, hat sich kaum etwas geändert.«50

Fehlendes notwendiges Change-Management

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Trendstudie des Beratungsunternehmens Tata Consultancy Services Deutschland (TCS).51 In Kooperation mit Bitkom Research stellten sie Führungskräften, die in ihren Unternehmen ab 100 Mitarbeitern für das Thema Digitalisierung verantwortlich sind, die Frage: Wie digital ist die deutsche Wirtschaft?

Laut Studie sind 78 Prozent der befragten Unternehmen offen für die Digitalisierung. Sie zeigen sich aufgeschlossen für den technologischen Wandel und investieren wachsende [42]Beträge