Die drei ??? und der Eisenmann (drei Fragezeichen) - Ben Nevis - E-Book

Die drei ??? und der Eisenmann (drei Fragezeichen) E-Book

Ben Nevis

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Beschreibung

Auf einer einsamen Insel stoßen die drei ??? auf den Künstler Drago Martinez. Der hat großen Erfolg mit seinem einzigartigen Werk "Eisenmann". Doch die Freude darüber ist kurz: Drago wird verfolgt und fürchtet um sein Leben! Steckt ein verrückter Kunstliebhaber dahinter? Offenbar sind die drei Freunde der Lösung zu nahe, denn jemand lockt sie in einen Hinterhalt ...

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und der Eisenmann

erzählt von Ben Nevis

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-14081-9

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Giftiges Geheimnis

Die Sonne stand tief über der geheimnisvollen Insel. Sie lag einige hundert Meter entfernt im offenen Meer, lang gestreckt wie ein dunkler Rücken. Das Glitzern des Lichts auf den Wellen blendete Peter. Er wandte sich ab und rieb sich fröstelnd die Arme. Ein leichter, aber frischer Wind war aufgekommen. Nach und nach waren die anderen Badegäste vom Strand verschwunden und hatten sich auf den Heimweg gemacht. Am Abend lief ein Play-off-Spiel im Fernsehen, das die meisten nicht verpassen wollten.

»Lasst uns endlich aufbrechen!«, schlug Peter vor und klatschte in die Hände. Auch er wollte das Basketballspiel unbedingt sehen. Und bis nach Rocky Beach war man eine Weile unterwegs, selbst wenn die Straßen frei waren. Doch ein Blick auf seinen Freund Justus reichte, um zu wissen, dass er so einfach damit nicht durchkam.

Regungslos lag der Erste Detektiv im noch von der Sonne warmen Sand. Sein Kopf ruhte auf dem zusammengefalteten Badetuch. Ohne die Augen zu öffnen, brummte Justus: »Jetzt, ohne die Leute, ist es doch erst richtig gemütlich hier! Außerdem wollte ich nachher noch mal ins Meer …«

»Nachher ist Nacht«, antwortete Peter und sah hoffnungsvoll auf Bob. Doch der blinzelte nur müde. »Wenn du mich in einer Sänfte zum Auto trägst, dann vielleicht. Ansonsten gehe ich garantiert nirgendwohin.« Wie in Zeitlupe drehte sich Bob zur Seite, grunzte und zog genüsslich das große, wärmende Badetuch über sich.

Enttäuscht wandte sich Peter ab. »Ich hab’s doch geahnt! Aber ich bin ja selbst schuld, dass ich mit solchen Faultieren wie euch meine Zeit verbringe!« Er stöhnte und starrte wieder zur Insel hinüber. Mora Island. Im Abendlicht sah sie aus wie ein verzerrter, düsterer Fleck. Tagsüber hatte sie vollkommen harmlos gewirkt: Baumlos, bewachsen nur mit niedrigem Buschwerk und von hellem Sand umgeben, sah sie aus wie eine nette Badeinsel, die mit einer Länge von einem knappen Kilometer den Pazifikwellen trotzte. Das tödliche Geheimnis, das sie bis vor Kurzem gehütet hatte, war für Menschen unsichtbar gewesen. Noch vor wenigen Monaten hatten unzählige Verbotsschilder die Strandbesucher vor dem Hinüberschwimmen gewarnt. Doch jetzt war die Gefahr angeblich vorüber. »Nie und nimmer würde ich einen Fuß auf Mora Island setzen!«, murmelte Peter. »Da können die sagen, was sie wollen!«

Justus blinzelte. »Inzwischen ist alles entseucht«, antwortete er knapp.

Energisch schüttelte Peter den Kopf. »Hör mal, wenn man da im Zweiten Weltkrieg einen Bioerreger ausprobiert hat, ist nicht alles entseucht! Da können sie die Erde abtragen, wie sie wollen! Wahrscheinlich leben dort Milliarden von kleinen, irren Killerbakterien, die dich bei lebendigem Leib verspeisen!«

»Seit einiger Zeit darf man Mora Island offiziell betreten«, erwiderte Justus genervt. »Wissenschaftler haben das untersucht.«

»Ach ja? Die haben jeden Kubikzentimeter geprüft?« Peter holte Luft. »Und warum heißt es dann immer noch Betreten auf eigene Gefahr? Wenn es so sicher ist, dann schwimm doch rüber!« Im selben Moment ahnte er, dass er das lieber nicht hätte sagen sollen.

Justus setzte sich auf. Plötzlich wirkte er hellwach. »Jetzt?«, fragte er herausfordernd. »Soll ich jetzt gleich losschwimmen?«

»Nein, nicht heute!«, ruderte Peter zurück. »Wir sollten wirklich langsam hier verschwinden! Es wird kühl und die Sonne geht bald unter. Du kannst uns deinen Mut doch ein andermal beweisen!«

Justus grinste. »Nein. Ich schaffe das! Ich schwimme zur Insel!«, sagte er entschlossen und stand auf. »Du hast es so gewollt!«

»Nein! Justus! Das habe ich nicht und das sind bestimmt drei Kilometer und es dämmert fast!«

»Die Entfernung beträgt exakt 760 Meter. Das habe ich schon vor Jahren auf der Karte nachgemessen. Du weißt, ich bin ein guter Schwimmer. In vierzig Minuten bin ich wieder da.«

Als er Justus so reden hörte, wurde auch Bob aktiv. »Ich weiß nicht, ob das ein so guter Plan ist, Just!«, mischte er sich ein. »Hast du bei deiner Zeitberechnung auch an die Meeresströmungen gedacht? Die gibt es im Schwimmbad nicht. Und auch keine Haie!«

»Alles im Blick«, gab Justus zurück. »Die Strömung zieht an der Außenseite der Insel vorbei. Und einen Hai habe ich hier noch nie gesehen.«

»So oft waren wir auch noch gar nicht da!«

Ungerührt rieb sich Justus den Sand vom Bauch und blickte aufs Meer. »Wenn wir noch länger diskutieren, kann ich es wirklich vergessen! Wartet mal, hier …« Er bückte sich und wühlte in seinem Rucksack herum. »… nehmt das Fernglas, dann könnt ihr kontrollieren, ob alles klargeht. Wenn ich Hilfe brauche, winke ich. Okay?«

Ohne dass Peter und Bob etwas entgegnen konnten, lief er mit einem siegessicheren Grinsen zum Wasser und sprintete in die auslaufende Brandung, dass das Wasser spritzte. Dann warf er sich in eine Welle und schwamm los.

Verblüfft starrten ihm seine beiden Freunde hinterher. »Der spinnt doch!«, sagte Peter.

Nach ein paar Sekunden bemerkte Bob: »Sag mal, Zweiter, was ist bloß los mit euch beiden? Ihr habt euch schon den ganzen Tag in den Haaren!«

»Ich glaube, Justus ärgert sich, weil er lieber zu diesem Computertreffen gegangen wäre statt zum Strand. Und jetzt tut er natürlich so, als genieße er jede Sekunde! – Mann, unser Erster legt sich ja ganz schön ins Zeug. Gib mir mal das Fernglas.«

Bob reichte es ihm und Peter entdeckte Justus schnell. Ihr Freund hatte inzwischen knapp ein Viertel der Strecke hinter sich gelassen.

»Was tun wir, wenn Justus in Schwierigkeiten kommt?«, fragte Bob. »Hier ist niemand, den wir um Hilfe bitten können. Zum Glück ist er ein guter Schwimmer!«

»Zumindest was das Brustschwimmen angeht«, sagte Peter. »Ich schau mal, ob nicht doch noch jemand in der Gegend ist.« Er suchte mit dem Fernglas die Landschaft ab. Oben an der Straße entdeckte er Bobs VW, den sie in einer der wenigen Parkbuchten an der hoch gelegenen Küstenstraße abgestellt hatten. Es war weit und breit das einzige Auto, das von hier aus zu sehen war.

»Hey, da ist was auf dem Meer!« Bob wies aufs Wasser.

Peter schwenkte das Glas ein Stück nach rechts. »Ein kleines Boot«, sagte er überrascht, »ein Außenborder, der ein Schlauchboot hinter sich herzieht. Ein Mann sitzt drin. Vielleicht ein Fischer. Scheint in unsere Richtung zu kommen.« Peter hielt wieder Ausschau nach Justus, konnte ihn aber nicht entdecken. Plötzlich tauchte sein Kopf hinter einer Welle auf. Zug um Zug kämpfte sich Justus weiter und sein Kopf verschwand immer wieder zwischen den wogenden Wassermassen.

»Hoffentlich geht das gut«, sagte Peter. »Es wird bald dunkel.«

Bob versuchte, sich Mut zu machen. »Justus wird schon wissen, was er tut! Er rechnet immer alle Möglichkeiten ein.«

»Nicht, wenn er gereizt ist.« Peter setzte das Fernglas wieder an. Im kreisförmigen Blickfeld erschien die Insel. Ein kleiner, nahezu quaderförmiger Gegenstand, der auf dem Rücken der Insel aufragte, weckte sein Interesse. Er hatte ihn schon mit bloßem Auge ausgemacht. Ob er etwas mit den Killerbakterien zu tun hatte? Auch bei genauem Hinschauen war nicht zu erkennen, was es war.

Peter setzte das Fernglas ab und reichte es Bob.

Abwechselnd beobachteten sie nun Justus, der zielstrebig zur anderen Seite schwamm, und das Meer. Auch das kleine Boot, das sich näherte, behielten sie im Blick.

So merkten sie nicht, wie sich langsam die Farbe des Sonnenlichts veränderte. Es wurde nicht erst orange-, dann dunkelrot und schwer, wie gewöhnlich, wenn die Sonne sich dem Horizont näherte. Vielmehr verlor das Licht an Strahlkraft, wurde bleich.

Peter hatte Justus fest im Blick, als er am oberen Rand eine Bewegung wahrnahm. Augenblicklich hob er das Glas an und nahm die Insel ins Visier. »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief er. »Da kommt Nebel! Der verdammte Küstennebel!«

Weiße Schwaden quollen über die Insel, als wollten sie von See her angreifen. Nun wurde auch der Wind schärfer. Innerhalb von Sekunden schob sich eine undurchdringliche Wand über die Insel, die schließlich die Sonne ganz unter sich begrub. Hastig suchte Peter nach Justus, der noch wenige hundert Meter vor sich hatte, und entdeckte ihn inmitten der grauen Wellenberge. Offenbar hatte er aufgehört, zur Insel zu schwimmen. Er streckte einen Arm aus dem Wasser. Justus brauchte Hilfe! Es dauerte nicht mal eine Minute, da hatte ihn der Nebel verschluckt.

Aufgebracht ruderte Peter mit dem Fernglas herum. »Justus ist nicht mehr zu sehen!«, rief er mit einem Anflug von Panik in der Stimme. »Was sollen wir tun? Im Nebel ist er doch vollkommen orientierungslos! Er wird ertrinken!«

»Ich hoffe, er schafft es bis zur Insel.« Bob versuchte, die Ruhe zu bewahren.

»Aber wie?« Peter wurde lauter. Die ersten größeren Nebelfetzen erreichten ihren Strand. Schlagartig konnte man nur noch wenige Meter weit sehen. Unweit von den beiden Detektiven ertönte ein scharrendes Geräusch. Schemenhaft konnten sie erkennen, dass der Mann mit dem Boot am Ufer angekommen war und an Land kletterte.

Gefahr im Nebel

Kalter Wind schlug ihnen ins Gesicht. Bob schlang sich das Handtuch um den Körper. »Wir müssen Justus helfen. Ihn zurückholen. Selbst wenn er es bis zur Insel geschafft hat, erfriert er doch. Er hat ja nichts als seine Badehose an!«

»Der Mann mit dem Boot!«, rief Peter und rannte schon los. »Vielleicht kann er uns rüberfahren!«

Bob lief hinter ihm her. Kurze Zeit später hatten sie die Stelle erreicht. Der Mann hatte gerade sein Boot an Land gezogen. Das angehängte Schlauchboot trudelte noch in den Wellen.

Als er die beiden Jungen hörte, richtete er sich auf.

»Was wollt ihr?«, fragte er barsch. Er musste um die fünfzig sein und trug eine Baseballkappe. Auf seiner abgewetzten Windjacke hatten die Spritzer der Wellen schon deutliche Wasserflecke hinterlassen. Als wollte er sich verteidigen, hielt er seine Angel wie ein Schwert vor sich.

»Unser Freund … ist in Not!«, stammelte Bob.

»Justus«, ergänzte Peter atemlos.

»Er schwamm gerade zur Insel, dann kam der Nebel!«

»Er ertrinkt!«, rief Peter. »Wir müssen ihm helfen!«

»Auf die Insel? Ist der verrückt?« Der Mann ließ die Angel sinken. »Euer Freund ist auf die Insel geschwommen? Nein, tut mir leid. Blödheit muss bestraft werden!«

»Aber … Sie können … uns doch nicht …«

»Ich kann nicht was? Was habe ich damit zu tun, Jungs?! Soll ich etwa Kopf und Kragen riskieren und bei dem Nebel da rüberschippern?«

»Ja«, sagte Bob.

»Bitte«, ergänzte Peter. »Oder holen Sie schnell die Polizei! Unser Handy hat hier keinen Empfang!«

Entnervt schüttelte der Mann den Kopf. »Also, gut! Schnappt euch euer Zeug und helft mir, das Boot wieder ins Wasser zu schieben«, sagte er mürrisch. »Aber auf der Insel hat er nichts zu suchen! Die ist verboten!«

»Ich denke, man darf sie wieder betreten?«, fragte Peter erschrocken.

»Kann schon sein. Ich jedenfalls würde es nicht tun. Los, an die Arbeit!«

Mit ein paar kräftigen Rucken war das Holzboot wieder im Meer. Das Schlauchboot schaukelte auf den Wellen. Peter und Bob holten ihr Gepäck und kletterten hinein. Der Mann schob das Boot ein Stück weiter hinaus und ging ebenfalls an Bord. Dann schwang er den Außenbordmotor ins Wasser, hielt die Leine zur Seite, an der das Schlauchboot hing und startete den Motor. »Am besten, ihr setzt euch da vorn hin und haltet nach eurem Freund Ausschau«, schlug er vor. »Aber passt auf, dass ihr mir nichts kaputt macht!«

Die beiden gehorchten. Vorsichtig stiegen sie über die Utensilien, die in dem Boot lagen. Ein starkes Fernglas, zwei Angeln und ein Kescher, ein in eine rotkarierte Decke gewickelter länglicher Gegenstand, ein Eimer mit Wasser, aber keine Fische.

»Kein Glück gehabt heute«, sagte der Mann, der Peters Blick gesehen hatte. Er gab Gas und lenkte das Schiff vom Strand weg in die Richtung, in der die Insel liegen musste. Nach ein paar Minuten drosselte er das Tempo und stellte den Motor ab. Fast lautlos glitten sie durch den dichten Nebel. »Ruft nach ihm!«, forderte er Peter und Bob auf. »Vielleicht habt ihr Glück!«

»Justus!«, rief Peter. »Justus! Antworte doch! Wo bist du?«

Unheimliche Stille folgte. Leise klatschte das Wasser an die Bootswand. Von Justus war nichts zu hören.

»Justus!«

Keine Reaktion.

Der Mann ließ den Motor wieder an und fuhr weiter.

»Stimmt denn die Richtung?«, fragte Bob zweifelnd. Weder von der Küste noch von der Insel war etwas zu sehen, und der Wind schien ständig die Richtung zu wechseln.

»Ich hoffe es für uns«, sagte der Mann.

Wieder stellte er den Motor ab.

Peter formte seine Hände vor den Mund: »Justus! Ich bin’s, Peter! Hörst du uns? Justus!«

Nichts. Nur das Schwappen der Wellen.

»Wird wohl untergegangen sein, euer Verrückter«, mutmaßte der Angler. »Oder von der Strömung weggetrieben.«

»Gibt es hier starke Strömungen?« Peter wurde bleich.

»Wenn das Wasser zurückgeht«, gab der Mann zurück. »Und es geht zurück. Ebbe und Flut, wisst ihr?«

Bob und Peter schluckten.

»Wieso haben Sie eigentlich das Schlauchboot dabei?«, fragte Bob.

»Ganz schön neugierig, ihr beiden!« Der Mann hustete. »Es trieb im Wasser. Da habe ich es eingefangen.«

Bob sah auf das Boot, das wenige Meter hinter ihnen wie eine kleine Nussschale hin und her schaukelte. Jemand hatte mit roter Farbe die Buchstaben D und M auf die Seitenfläche gemalt.

Angestrengt starrte Peter in den Nebel.

Nach einigen Metern stoppte der Mann das Boot erneut und sie riefen wieder nach Justus.

Ohne Erfolg. Doch nun ließ der Mann den Motor nicht mehr an. Bewegungslos saß er am Heck, den Kopf zur Seite geneigt.

»Was ist?«, fragte Bob.

»Klappe!«, zischte der Mann und verharrte. »Da! Da hinten muss die Insel liegen, ich kann es am Wasser hören. Außerdem passt es von der Richtung der Wellen her.«

Nun warf er den Motor an und fuhr langsam los. »Gleich sind wir da«, sagte er.

Plötzlich tauchten wie aus dem Nichts einige Felsen auf, deren Spitzen knapp aus dem Wasser ragten. Geschickt steuerte der Angler das Boot an den Hindernissen vorbei, bis sie seichteres Gewässer erreichten. Dann schaltete er den Motor aus. »Vielleicht hat es euer Freund geschafft«, sagte er, klappte den Motor hoch und ließ das Boot auf den flachen Sandstrand auflaufen. »Los, sucht schon den Strand ab!«

»Kommen Sie nicht mit?«

»Ich betrete diese Insel nicht«, entgegnete der Mann barsch. »Auf keinen Fall! Das Gift. Und der Eisenmann! Hütet euch vor dem Eisenmann!«

Peter wurde hellhörig. »Was für ein –«

»Wenn ihr euren Freund gefunden habt, fahrt am besten gleich zurück!«, unterbrach ihn der Angler.

»Aber wie sollen wir wieder auf die andere Seite kommen?«

»Ich lass euch das Schlauchboot da. Weiß eh nicht, wem es gehört. Falls ihr es zurück zum Festland schafft, dann zieht es einfach auf den Strand.«

»Könnten Sie wenigstens Hilfe holen?«, fragte Bob. »Vermissen wird uns nämlich niemand. Meine Eltern sind unterwegs und wir wollten zu dritt bei mir übernachten.«

»Klar. Ich sage der Küstenwache Bescheid. Aber das kann dauern, bis die kommen! Dieser Nebel …«

»Wie ist denn Ihre Handynummer, Mister …?«

Der Mann lachte. »Handy? Das könnt ihr auch auf Mora Island vergessen!«

Ein wenig konfus stiegen Peter und Bob aus dem Boot und trugen ihre Sachen an Land. Kaum hatten sie festen Boden unter den Füßen, band der Mann das Schlauchboot los und warf Bob die Leine zu. Dann schob er sein Boot zurück ins Wasser und fuhr davon. Wenige Augenblicke später war er im Nebel verschwunden. Sie waren allein.

»Und nun?«, fragte Peter und stierte misstrauisch in den kühlen Nebel.

»Weitersuchen. Was sollen wir sonst tun?« Bob zerrte das Schlauchboot auf den Strand und schlang das Seil um einen festen Stein.

»Und wenn Justus abgetrieben worden ist?«

Bob wagte nicht, daran zu denken. »Er muss einfach hier sein. Bestimmt! Wenn er die Nerven behalten hat, hat er sicher auch auf die Wellen geachtet und die richtige Richtung gewählt. So weit war es ja nicht mehr bis zur Insel.«

Peter nickte. Inständig hoffte er, dass Bob recht behielt. »Traust du dem Mann?«, fragte er.

»Dem Bootsbesitzer?«

»Oder Angler oder Tourist oder sonst was. Wie er heißt, hat er uns auch nicht verraten. Wieso fährt der so spät noch hier in der Gegend herum?«

»Wieso nicht? Vielleicht ist er wirklich ein Angler. Aber ein wenig seltsam fand ich ihn auch. Vor allem: Was meinte er mit diesem Eisenmann?«

»Wir hätten ihn noch mal fragen sollen!«

»Ach«, sagte Bob mit einer wegwerfenden Handbewegung, »ich bin froh, dass wir den Typen los sind!« Er schulterte Justus’ Rucksack, in den er am Strand eilig dessen Sachen gestopft hatte. »Also, gehen wir!«

»Welche Richtung?«

»Erst mal den Strand entlang.« Er lief ein paar Schritte und rief: »Justus? Bist du hier? Justuuus!«

Keine Antwort. Sie stapften weiter, blieben aber immer wieder stehen, um nach Justus zu rufen und zu lauschen. Doch sie hörten nur den Wind und in der Ferne das allmählich leiser werdende Brummen des Außenbordmotors.

Die Sandbucht war nicht groß. Schnell erreichten sie ein Felsstück. Dahinter ging die Landschaft in Buschland über. Über Gräsern und kleinen Kakteenpflanzen waren erste knorrige Büsche gewachsen, aber es war noch kein undurchdringliches Dickicht. Als man die vergiftete Erde der Insel abgetragen und dann neu aufgeschüttet hatte, war alles wieder aufgeblüht.

»Müssen wir wirklich in das Inselinnere?«, fragte Peter skeptisch.

»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben. Mir ist auch nicht wohl bei der Sache, Peter. Aber ich gehe davon aus, dass man bei der Dekontamination zumindest die wesentlichen Bereiche gereinigt hat. Sonst würden die das doch nie freigeben.«

»Dekonterdings heißt Entgiftung, oder?«, fragte Peter.

»So ähnlich, ja. Sieh mal, da vorn geht ein Pfad durch die Büsche.«

Peter betrachtete ihn prüfend. Er schien in das Innere der Insel zu führen. Mitten auf Mora Island thronte eine kleine Erhebung, vielleicht war es klug, dorthin zu gehen. Vielleicht aber auch nicht. Wie hätte sich Justus wohl entschieden?

»Am Ufer kommen wir nicht weiter«, nahm ihm Bob die Entscheidung ab.

Sie liefen los.

»Justus?«

Der Nebel schien dichter zu werden. Auch das Licht wurde spürbar matter und schwächer. Der Abend kam, und sie wussten beide, dass hier unten in Kalifornien darauf schnell die Nacht folgte.

»Justus?«

Wieder keine Antwort. Gerade als sie weitergehen wollten, hörten sie ein Geräusch. Es klang, als würde ein Fuß auf Geröll abrutschen.

»Justus? Bist du das?« Peter und Bob versuchten, im Nebel etwas – oder jemanden – auszumachen.

Stille. Plötzlich wieder das Geräusch. Ein paarmal hintereinander, als ob es näher käme. Ein lang ausgedehnter Atem. Dann wieder Stille.

»Da ist jemand«, flüsterte Peter. Er spürte, wie sich ihm die Haare sträubten. »Aber das ist nicht … Justus!«

»Hallo?«, rief Bob heiser.

Sie verharrten einen Moment.

»Lass uns weitergehen«, sagte Bob unsicher.

»Ich … ich …«, stotterte Peter, »der Eisenmann …«

Ein schepperndes, quietschendes Geräusch, wie aneinanderreibendes Metall, erklang. Langsam dröhnte eine Stimme: »Was … wollt ihr, ihr … Schattenwesen?«

Da hielt es Peter nicht mehr aus, er stürzte los, stolperte den Weg hinauf. Auch Bob setzte sich in Bewegung, halb vor Schreck, halb, weil er seinen Freund nicht aus den Augen verlieren wollte. Was immer das für ein Wesen war, es war besser, wenn sie zusammenblieben.