Die Ehre meiner Seele - Bridget Sabeth - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Ehre meiner Seele E-Book

Bridget Sabeth

0,0
1,49 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zweites Buch: Sara und Thomas treffen sich heimlich, auf der Hütte erleben sie wundervolle Stunden der Zweisamkeit. Leider werden diese gestohlenen Momente des Glücks getrübt, als ihnen Marie auf die Schliche kommt und Sara von ihr erpresst wird. Alle gemeinsamen Zukunftspläne brechen wie ein Kartenhaus zusammen. Sara sieht nur die eine Möglichkeit, sich von Thomas zu trennen, um ihre Familie zu schützen. Sie kümmert sich weiter liebevoll um das Mädchen ihrer Schwester Alma. Aber im Hintergrund lauern Lug und Trug. Werden Sara und Thomas es schaffen, trotz all der Intrigen doch noch einen Weg zueinander zu finden?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 272

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bridget Sabeth

Die Ehre meiner Seele

Historischer Roman

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Geheimnisse

Melancholie

Heimtücke oder Hoffnung

Wagnisse

Kristina, mein Mädchen

Die Rückkehr

Zwei Schicksalsschläge

Die Beerdigung

Aussprache

Die wahre Identität

Kristinas Mörder

Eine ehrbare Frau

Epilog

Glossar

Impressum neobooks

Prolog

Fortsetzung:

Die Ehre meiner Seele

Zweites Buch

August 1882

Es war ein herrlicher Sommertag. Zahlreiche Gäste hatten sich zum Gartenfest auf dem Böhmer-Hof eingefunden. Heinrich galt als großzügiger Gastgeber und viele kamen gerne seinen Einladungen nach. Die Tische bogen sich unter den aufgetragenen Köstlichkeiten: diversen Pasteten, frisch gebackenem Brot und Obst aus der Region. Ringsum standen Blumenarrangements. Auf der eigens aufgebauten Tanzfläche befanden sich am höhergelegenen Podest Musikanten, die mit ihrem Spiel beginnen würden, sobald der Gastgeber das Zeichen erteilte. Die Stimmung war ausgelassen und zeigte sich in heiteren Gesichtern, angeregtem Austausch und fröhlichem Lachen.

Heinrich Böhmer hatte sich vor Jahren von einem einfachen Mann emporgearbeitet. Die Offene Handelsgesellschaft florierte. Als er vom Ableben des Besitzers dieses Anwesen vernahm, zögerte er keinen Augenblick und konnte nun ein Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert sein Eigen nennen. Hinzu kamen ein angrenzender Stall, in dem Heu lagerte, etwas Wald und eine entlegene Hütte. Der Besitz brachte es auf ein Gesamtausmaß von zweihundert Morgen Land.

Es ertönte ein helles Klingen, als Heinrich mit einem Löffel gegen ein halbgefülltes Weinglas schlug. Die Gäste unterbrachen ihre Gespräche und starrten gebannt zum Hausherrn, der sich von seinem Platze erhoben hatte und alle willkommen hieß.

»Schön, dass so viele meiner Einladung gefolgt sind. Heute haben wir wahrlich Grund zur Freude, nicht nur, weil sich das Wetter von der schönsten Seite zeigt, sondern ich möchte diesen Zeitpunkt nicht ungenutzt verstreichen lassen und darf euch allen meine künftige Braut präsentieren.«

Erstaunen breitete sich unter den Besuchern aus und ein zufriedenes Grinsen offenbarte sich auf Heinrichs Antlitz. Er genoss die Verwunderung der anderen, immerhin war er eher dafür bekannt, seine Gunst keiner speziellen, sondern allen willigen Frauen zu schenken. Doch diese Zeiten waren vorbei. Er sehnte sich nach einem Erben. Heinrich reichte seine Hand einem jungen Mädchen mit blondem Haar.

»Darf ich euch Teresa vorstellen, mein zukünftiges Weib.«

Das Mädchen erhob sich folgsam, hielt den Kopf gesenkt und starrte auf den Boden.

Bin ich eine Kuh auf einem Viehmarkt? Teresa spürte all die prüfenden Blicke auf ihrem Leib, als würde sie gerade feilgeboten werden. Sengende Hitze stieg ihr ins Gesicht.

Heinrich hielt ihre zarten Finger mit seiner fleischigen, schweißnassen Hand. Er war ein halbes Jahrhundert älter als sie. Es graute ihr vor den ehelichen Pflichten, die in absehbarer Zeit auf sie zukommen würden. Ihr zukünftiger Gemahl humpelte stark und litt an einer schweren Form der Gicht. Der Gedanke an den massigen Körper, seine großen Pranken und die verlebte Haut, ließ sie vor Ekel erschauern. Sie hatte keine Wahl. Ihre Eltern sahen in Heinrich eine hervorragende Partie, der sie aus dem Elend führte. Ihr wurde übel.

Ohne zu zögern, verkaufen sie meinen Leib und meine Seele.

Teresa sah direkt in Heinrichs Augen. Sein Blick glitt lüstern über ihren Körper. Sie zählte die Tage, bis die Gnadenfrist abgelaufen war: Zwanzig. Dann würde sie mit diesem Greis vor dem Traualtar stehen und durch ihn zur Frau werden.

Ihre Kehle verengte sich. Dass sie ihre Jungfräulichkeit an Heinrich verlor, war widerlich genug, doch noch schlimmer war die Gewissheit, diesem herrischen Mann schutzlos ausgeliefert zu sein.

Heinrich führte vor aller Augen ihre Finger an seine Lippen und drückte einen besitzergreifenden Kuss in die Handinnenfläche. »Die unschuldige, körperliche und geistige Reinheit hat mich von Anbeginn verzaubert«, fuhr er enthusiastisch fort, »und in absehbarer Zeit, meine lieben Gäste, wird mich dieses Wesen nicht nur mit ihren herrlichen Rundungen in meinen Nächten wärmen, sondern mir auch einen Erben schenken.«

Teresas Knie zitterten, sie schwankte. Von hinten griff stützend ihre Mutter ein und zog sie auf den Stuhl, ehe die Beine völlig den Dienst versagten. Es erklang allgemeines Gelächter, was Teresa zusehends beschämte.

»Wie kannst du so ein Bündnis befürworten?«, zischte sie fassungslos der Mutter zu.

»Schweig still! Das ist deine Pflicht!«

Teresa drehte sich von ihrer Mutter weg, Tränen rannen über das Gesicht hinab und der Kehle entflohen gequälte Seufzer. Musik erklang. Während sich die anderen vergnügten, blieb Teresa allein auf ihrem Platz zurück.

»So traurig mein Kind?« Jemand reichte ihr ein Tuch. Sie wischte damit rasch die Tränen fort.

»Du heißt Teresa, wie ich vernommen habe. Ein schöner Name. Darf ich mich vorstellen: Mathias Krüger.«

Sie schüttelte die gereichte Hand, ehe sie sich umsah. Ihr Zukünftiger stand inmitten seiner Gäste, die Eltern entdeckte sie nicht.

»Keine Sorge, ich habe Heinrichs Erlaubnis, mit dir ein Tänzchen zu wagen.«

Erstaunt blickte sie empor in seine grünen Augen. Er sah stattlich aus, mit dem vollen braunen Haar und einem gepflegten Vollbart. Welch ein Kontrast zu Heinrich. Sie ergriff den dargebotenen Arm und ließ sich von Mathias auf die Tanzfläche führen.

»Bist du immer so schweigsam?«

»Verzeiht.« Teresa räusperte sich, damit ihre Stimme fester klang. »Für alle ist heute ein Freudentag, nur für mich ist es der grausamste meines Lebens. Da finde ich kaum Worte.«

»Dann ist die Wahl des Bräutigams ein Diktat deiner Eltern?«

»Seht Euch den alten Bock an, den sie gewählt haben. Wie könnte ich … jemals … Allein beim Gedanken, ihm nah zu sein …«

Sie spürte selbst, wie ihre Rundungen an seinem Leib vibrierten.

»Komm! Folge mir!« Ohne auf eine Entgegnung zu warten, zog Mathias sie an der Hinterseite vom Tanzparkett herunter.

»Wohin …?«, fragte Teresa atemlos, während sie sich von der ausgelassenen Stimmung entfernten. Sie lief neben ihm her.

»Dorthin, wo du die künftige Gräuel mit einer wahrhaft schönen Erinnerung überdecken kannst.«

Beide eilten zum nahegelegenen Stadel. Kaum hatte Mathias die große Holztür verschlossen, spürte Teresa seine Lippen auf dem Mund. Sie stieß angenehme, lustvolle Laute aus.

Mathias nestelte an ihrem ecrufarbenen Baumwollkleid, das mit Volants, Spitzen und Seiden-Schleifen verziert war und legte ihre Brüste frei, deren Spitzen sich ihm knospenartig entgegenstreckten.

»Schon der erste Blick, den ich auf dich werfen durfte, zeigte mir, dass sich in dir ein Juwel verbirgt. Deine Süße ist herrlich.«

»Ich … Ihr …«

»Vertrau mir. Ich schmecke, dass du reif bist und ich werde dich pflücken. Ganz zart, aber unwiederbringlich, sodass ich ewiglich in dir eingebrannt bleibe.«

Teresa nickte. Zwar hatte sie keine genaue Vorstellung, was Mathias damit meinte, nichtsdestotrotz würde sie stillhalten und sich ihm bedeutend lieber schenken als ihrem künftigen, ältlichen Gemahl, der selbst in ihren Gedankengängen nur Widerwillen hervorrief. Sie schloss die Augen und ließ Mathias gewähren, wie es ihm beliebte. Beide sanken ins Heu.

April 1883

Eine Droschke hielt direkt vor dem Schloss des Freiherrn Carl Königshofer von Eichstätt. Hastig stürzte eine junge Frau mit gerundetem Bauch, der auf eine baldige Niederkunft hinwies, heraus. So schnell es ihr möglich war, schritt sie die Steinstufen zum Eingangsprotal hinauf. Ohne anzuklopfen trat sie ein, sah sich suchend in der Empfangshalle um, als sich vom Ostflügel die Hofmeisterin näherte.

»Magdalena!«, rief die Frau. Sie atmete schwer. »Was ist mit Carl? So sag doch! Wo befindet er sich?«

»Frau Böhmer, macht Euch keine Sorgen. Doktor Huber ist gerade bei ihm und untersucht ihn.«

»Ist er in seinem Schlafgemach?«

Magdalena nickte.

»Ich muss zu ihm! Auch wenn es unschicklich wirkt.«

»Natürlich. Ihr kennt den Weg.«

Über die Haupttreppe gelangte Teresa Böhmer ins Dachgeschoss. Sie hielt kurz inne, schnappte nach Luft, da die Aufregung und Schwangerschaft ihr sichtlich zusetzten.

Plötzlich öffnete sich eine Tür.

»Doktor Huber!« Sie eilte zu ihm hin.

»Pst! Der Freiherr ist soeben eingeschlafen. Ich habe ihm ein Schmerzmittel gegeben.«

»Dann bitte ich Euch um ein kurzes Gespräch im Weißen Salon. Wenn Ihr mir folgen würdet.« Teresa wartete keine Erwiderung ab, sondern wendete sich um und schritt voraus.

Der Arzt kam ihrer Aufforderung nach. Sie gelangten in den Salon. Die heitere Ausstrahlung des Zimmers durch das helle Interieur im Verbund mit den Teilvergoldungen wirkte auf Teresa wie blanker Hohn. An Wänden und der Zimmerdecke befand sich Stuck. Im Konsolenspiegel entdeckte sie ihre vor Angst geweiteten Augen.

»Nehmt bitte Platz!« Sie deutete auf den mit Seidendamast bespannten Stuhl. »Kann ich Euch etwas zum Trinken anbieten?«

»Nein. Danke. Meine Zeit drängt.«

Teresa blieb ebenfalls stehen.

»Euch ist allerdings bewusst, dass ich ohne die Billigung Eures Verlobten nicht über die Einzelheiten seiner Verletzung sprechen darf.«

»In wenigen Wochen bin ich seine Gemahlin! Ich denke, dass Carl diese Zustimmung keineswegs verweigern würde.«

»Wie Ihr meint.«

»Also, gibt es Grund zur Besorgnis?«

»Wie soll ich sagen … Der Freiherr hatte Glück im Unglück.«

»Damit wollt Ihr was zum Ausdruck bringen?«

»Der heftige Hufschlag des Rosses hat die Hoden Eures Verlobten sehr in Mitleidenschaft gezogen.«

»Oh mein Gott!«, hauchte sie. »Was bedeutet das?«

»Das ist eine Verletzung, die ich keinem Mann wünsche. Aber seid unbesorgt, sein Leben ist in keiner Weise in Gefahr. Allerdings gehe ich aufgrund der massiven Schwellung davon aus, dass der Baron dadurch seine Zeugungsfähigkeit verlieren wird.«

Entsetzt sank Teresa auf einem Stuhl nieder. »Was erzählt Ihr da? Das darf Carl niemals erfahren! Oder habt Ihr es ihm schon gesagt?«

»Nein. Dennoch möchte ich dem Freiherrn das nicht verschweigen, sondern mich ihm offenbaren, sobald die heftigen Schmerzen abgeklungen sind und seine Aufnahmefähigkeit besser ist.«

»Weshalb die Pferde scheu machen, wenn vielleicht eine minimale Chance besteht, es könnte anders sein?«

Doktor Huber kratzte sich nachdenklich am Kinn.

»Dieses Wissen möchte ich meinem künftigen Gemahl nicht zumuten. Was kann ich tun, damit Ihr den entsetzlichen Verdacht für Euch behaltet? Vor allem wird die Zeit zeigen, ob Ihr richtig liegt.«

»Ihr bringt mich tatsächlich ins Wanken. Ich verstehe Eure Besorgnis, natürlich auch die Hoffnung, dass der Freiherr eines Tages einen Nachfolger zeugt. Dass Ihr fruchtbar seid, habt Ihr ja schon bewiesen.« Doktor Huber wies auf den gerundeten Bauch.

Teresa erhob sich. »Raubt uns diese Hoffnung nicht! Ich bitte Euch. Aufs Innigste!« Sie griff an ihr Collier und öffnete den Verschluss. »Hier, nehmt das. Eure Verschwiegenheit soll keineswegs unbelohnt bleiben.«

»Nein, das kann ich niemals annehmen.«

»Ihr müsst! Es ist sehr wertvoll mit den Diamanten und Smaragden. Tauscht es ein bei einem Händler und sucht Euch stattdessen etwas Schönes für Eure Frau. Wie ich gehört habe, wollt Ihr demnächst ebenfalls den Ehebund eingehen.«

»Ist diese Kette ein Geschenk von Eurem Verlobten?«

»Es ist für mich nur ein Stück unter vielen. In Wahrheit ist all der Schmuck im Vergleich zu Carls Seelenwohl bedeutungslos.«

»Damit kann ich Eurer Ansinnen immer weniger ablehnen.«

»Tut es nicht!« Teresa ließ ihre Kette in die offene Hand des Arztes gleiten.

»Ich werde meine Vermutung auf ewige Zeiten bewahren.« Er verbarg das Schmuckstück in seiner Arzttasche. »Am Abend sehe ich nochmals nach dem Baron. Wichtig ist im Augenblick eine gute Kühlung und absolute Schonung. Sollte er in den nächsten Tagen fiebern, so ist das eine natürliche Reaktion des Körpers.«

Teresa legte die Hand auf ihren Bauch und stöhnte leise auf.

»Ihr seid ganz blass. Ich hoffe, es ist nur die Aufregung, oder möchte das Kind schon kommen?«

»Nein. Es sind noch ein paar Tage Zeit.«

»Seid Ihr sicher? Es würde mich nicht wundern …«

»Mein Körper bereitet sich nur auf die Geburt vor, aber es sind keine regelmäßigen Wehen.«

»Woher nimmt eine junge Frau diese Sicherheit und das Wissen?«

»Ich habe schon viel gesehen und erlebt. Wichtig ist im Augenblick nur, dass es meinem Mann bald besser geht, und wenn wir in einigen Monaten unsere Hochzeit feiern, ihn keine Beschwerden mehr plagen.«

»Bis dahin ist er wiederhergestellt. Ich bin mir allerdings sicher, dass er sogar auf allen Vieren zum Altar kriechen würde, um Euch zur Gemahlin zu nehmen.«

Teresa errötete. »Mir bleibt im Augenblick nur mein verbindlichster Dank!«

Sie reichte ihm die Hand.

Geheimnisse

Juni 1902

Stephan Krüger hielt eine Feder in der Hand und konnte dem Drang, seine wehmutsvolle Stimmung niederzuschreiben, nicht länger widerstehen. Das Haar trug er lang. Das Gesicht war mit einem dichten Bart bedeckt und der Blick der Augen ließ einen reifen Mann erkennen, der bereits viel erlebt und gesehen hatte. Der Körper wirkte sehnig und zeugte von harter Arbeit. Zimperlichkeit war hier fehl am Platze, denn es gab nur zwei Optionen: überleben oder sterben.

Dem voran stand die Bereitschaft, über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Er war Teil einer Mannschaft mit dem Ziel, bisher unentdeckte Gebiete zu erforschen. Stephan atmete hörbar aus und entließ seine Gedanken sichtbar auf dem Blatt.

Meine liebe Alma,

ich will mich Dir erklären und könnte es verstehen, falls Du diesen Brief – sofern Du ihn jemals erhalten solltest – zerreißt, ehe Du nur eine Zeile gelesen hast.

Solltest Du Dich anders besinnen und meinen Worten auf dem Stück Papier folgen, möchte ich danke sagen, dafür, dass ich Dich kennen und lieben durfte. Der Gedanke an Dich hält mich am Leben und lässt mich die Bürden des Daseins ertragen.

Heute auf den Tag genau ist es ein Jahr her, als ich Dich das letzte Mal sehen durfte. Ich erinnere mich an deine blonden Locken, die hellgrünen Augen, doch statt mir diese liebevollen Blicke zu schicken, standen darin Zorn, Wut und Enttäuschung.

Ich frage mich, ob Du mittlerweile ein Kind geboren hast. Wenn ja, wie es aussieht, ob es ein Junge oder Mädchen ist.

Sicherlich denkst Du, ich hätte Dich deshalb verlassen. Aber du irrst!

Jetzt und hier, wo ich mich an einem der entlegensten Orte befinde und es ungewiss ist, ob ich jemals in die heimischen Gefilde zurückkehren werde, möchte ich mir die Last von der Seele schreiben.

Meine Gefühle für Dich, liebste Alma, waren stets ehrlicher Natur und dennoch unrecht. Nicht, weil sich der Baron und die Baronin oder mein Herr Vater dagegen stellten, sondern deshalb, da uns beide ein verwandtschaftliches Verhältnis bindet. Ich hör Dich beinahe in meinem Ohr vehement widersprechen. Du wirst mir wahrscheinlich keinen Glauben schenken, es nur für eine Fantasterei meinerseits halten, wenn ich Dir offenbare, dass mein Vater auch der Deine ist.

Vielleicht verstehst Du jetzt, weshalb ich nicht bleiben konnte. Ich ertrug und ertrage nach wie vor nicht den Gedanken, mit meiner Schwester ein intimes Verhältnis unterhalten zu haben. Wir hätten auf die Mahnungen hören sollen, doch sie forderten uns eher heraus. Ich sehe noch immer Vaters Blick vor mir, als er mich ins Vertrauen zog – in der Nacht des Sommerballs – und wie er von Teresa schwärmte und ihrem Muttermal auf der linken Gesäßbacke.

Deshalb bin ich gegangen, habe eine neue Identität angenommen und nenne mich Kelian Aubert. Stephan ist in jener Nacht gestorben, unwiederbringlich.

Ich kann nur mutmaßen, mit welchen Fragen ich euch einst zurückließ. Du wirst mich sicherlich für meine Feigheit hassen, aber glaub mir, die Verachtung, die ich für mich selbst empfinde, ist ungleich größer.

Obwohl es Sommer ist, blicke ich hier auf meterdickes Eis und ebenso zugefroren fühlt sich mein Innerstes an …

Bei der Überfahrt von England nach Amerika traf ich auf den Großindustriellen William Ziegler, dem ich – vielleicht hörtest Du vom Zusammenstoß des Oceanic-Dampfers mit der Kincora – das Leben rettete. Er ist der Sponsor einer Nordpol-Expedition.

Mister Ziegler stellte einen Kontakt mit Evelyn Baldwin her, dessen Mannschaft ich mich angeschlossen habe. Im vorigen Sommer brachen wir mit dem Schiff America ins Franz-Josef-Land auf, das sich bereits auf russischem Gebiet befindet und eine Inselgruppe im Nordpolarmeer ist. Wir waren insgesamt zweiundvierzig Mann. An Bord wurde Verpflegung eingelagert, die für drei Jahre ausreichend sein sollte.

Es tummelten sich vierhundert Schlittenhunde sowie fünfzehn Ponys. Zudem wurden zwei Fesselballons, die jeweils einen Beobachter tragen können, mitgenommen, gemeinsam mit einer eigenen Anlage zur Herstellung von Wasserstoff, die man braucht, um diese Ballons zu betreiben.

Geplant war, mit der America bis zur Rudolf-Insel vorzudringen. Das ist der nördlichste Punkt des Archipels. Allerdings scheiterten wir angesichts der ungünstigen Eisverhältnisse und mussten unser Winterlager auf der Alger-Insel aufschlagen. Wir errichteten zwei miteinander verbundene Hütten, Stallungen für die Ponys und Zwinger für die Hunde. Des Weiteren bauten wir eine Wetterstation auf und die dazugehörigen Anlagen, die zum Befüllen und Starten der Wetterballons dienten. Davon etwas entfernt entstand ein Observatorium, mit dem wir Temperatur, Luftdruck und -feuchtigkeit sowie die Veränderung des Erdmagnetfeldes aufzuzeichnen vermochten.

Den gesamten Winter verharrten wir im Lager, waren teils entsetzlicher Kälte ausgesetzt, in der sich meine Finger stets klamm anfühlten, und es erscheint mir wie ein Wunder, dass alle Gliedmaßen vollzählig sind. Manchmal tobte ein eisiger Wind und drohte uns zu verschlingen, riss die Gesichter auf. Diese Tage saßen wir eng aneinander gedrängt, manchmal wie erstarrt. Einige Männer ließen ihr Leben. Der steinharte Boden verweigerte ihnen die letzte Ruhestätte. Deshalb bedeckten wir die Leichname mit ihrer Landesflagge, trugen sie zum Meer, wo wir sie nach Seemannsart dem Wasser übergaben. Es war eine lange, triste Zeit, die ich wohl niemals überstanden hätte, wenn nicht Du stets in meinen Gedanken bei mir gewesen wärst.

Im Frühjahr errichteten wir Depots, die uns für die Expedition dienlich sein sollten. Doch anstatt endlich das Wagnis Nordpol in Angriff zu nehmen, entschloss sich Mister Baldwin um und wir suchten stattdessen das Lager auf der Jackson-Insel. Noch immer sind wir ein gutes Stück vom einst geplanten Ausgangsort entfernt.

Nun sitze ich hier und warte mit meinen Kameraden auf die nächste Order. Unsere Kohlevorräte gehen langsam dem Ende zu. Wir haben bereits über vierhundert Ballonbojen abgeschickt, in der Hoffnung, diese würden gefunden werden und uns könnte jemand Nachschub bringen.

Wir ernähren uns von dünnem Tee mit einem Schuss Alkohol darin und versuchen, jagdbares Wild in der Umgebung zu fangen. Dabei gibt es gute und weniger gute Tage, sodass auch vom eigenen Getier bereits etliche weniger geworden sind, um unser Überleben zu sichern.

Noch kann ich Dir nicht sagen, ob es weitergeht oder eine Rückkehr ansteht. Ich weiß nur, dass ich im Herzen kein Abenteurer bin, sondern in den Nächten von meiner Heimat träume, die ich sehr vermisse. Ich gebe ehrlich zu, mir fehlt der Mut, Dir gegenüberzutreten, denn ich habe Dich enttäuscht und schmählich im Stich gelassen.

Den Stephan von einst gibt es längst nicht mehr. Verzeih, auch wenn Du diese Worte erst nach meinem Tode lesen wirst. Ich notiere auf dem Kuvert Deine Adresse, ohne diese Zeilen jemals selbst abzuschicken, sondern vertraue darauf, dass einer meiner Kameraden der Bote meiner Gedanken und Worte sein wird.

Meine liebe Alma, zum Schluss möchte ich Dir sagen, dass Du jederzeit in meinem Herzen einen wichtigen Platz einnahmst. Die Liebe zu Dir hat sich mittlerweile in das Gefühl einer geschwisterlichen Verbindung gewandelt. Es wäre schön gewesen, wir hätten die Möglichkeit gehabt, mit diesem Wissen aufzuwachsen. Ich hatte mich stets nach einer kleinen Schwester oder einem Bruder gesehnt.

Es sollte nicht sein, da unsere Eltern ihre Liaison verborgen hielten. Ich fühle mich, als hätten sie mich meines Seins beraubt und ich mutmaße, dass es Dir aufgrund meines Verschwindens wohl kaum besser ergeht. Nur bin in diesem Fall, ich Dein Lebensräuber …

Ich beschließe nun diesen Brief in der Hoffnung, dass zumindest bei Dir das Sprichwort: »Die Zeit heilt alle Wunden«, zutreffen mag.

Es grüßt Dich Dein Bruder

Mai 1903

Aus der geschnitzten Holztruhe war bereits ein Schatzkästchen geworden, in denen die Mitbringsel von Thomas ihren Platz fanden: getrocknete Rosen und Blätter, kleine Moosstücke und Baumrinden, glitzernde Steine und persönliche Zeilen auf einem Stück Papier, gefüllt mit Worten seiner Liebe.

Meine Aufregung konnte ich schon Tage zuvor kaum unterdrücken, in der Hoffnung, ihn an unserem geheimen Platz am zweiten Sonntag im Monat vorzufinden. Ich hatte Sorge, ein verräterisches Funkeln in den Augen könnte mich und mein Vorhaben innerhalb der Familie verraten. Aber sie waren allesamt mit sich selbst beschäftigt und scherten sich nicht um mich.

Anfangs musste Thomas häufiger auf Kristinas und meine Anwesenheit verzichten, da ich mich nicht immer mit dem Mädchen wegzustehlen vermochte. Aber jedes vorgefundene Präsent ließ unsere Verbindung inniger werden. Bald tauschten wir Küsse sowie sanfte Berührungen aus, und genossen die Momente des gestohlenen Glücks.

Mittlerweile war meine Ziehtochter fast eineinhalb Jahr alt, wirkte deutlich robuster und machte erste Schritte an der Hand. Sie unterschied sich in der Entwicklung zu einem gleichaltrigen Kind, das nicht mit einer Behinderung leben musste, und tat sich mit der Körperkoordination sowie der Sprache deutlich schwerer. In ihr schlummerte trotzdem ein starkes Temperament, das sie offenbarte, sobald wir uns hinter dem Gebüsch beim geheimen Treffpunkt einfanden. Dann lebte Kristina auf, brabbelte wild durcheinander und streckte jedes Mal ihre Händchen nach Thomas aus, der die Kleine liebevoll in seine Arme schloss. Es war, als würde sie stets aufs Neue protestieren, dass sie solange auf ihn verzichten musste. Das konnte ich sehr gut nachempfinden.

Er wäre ein wundervoller Vater, stellte ich insgeheim fest. Offiziell galten weiterhin Carl und Teresa als Eltern. Dass Stephan der Erzeuger war, plauderten wir nicht aus. Für Thomas und mich spielte es keine Rolle, denn wir liebten Kristina auch so.

Gerne spazierten wir Drei über den Steg, verweilten im angrenzenden Wald, genossen die Natur mit ihren Stimmen und konnten uns kaum aneinander sattsehen. Thomas‘ Küsse hinterließen noch Stunden danach ein kribbelndes Gefühl auf den Lippen und mein Herz war ausgefüllt mit inniger Liebe.

Die Tage wurden spürbar länger und wärmer. Mit dem beginnenden Frühling war im Tal der letzte Schnee geschmolzen, nur die Bergspitzen lagen noch verborgen unter einer weißen Decke. In mir reifte der Entschluss, nicht nur meiner Hütte einen Besuch abzustatten, sondern ich wollte dort mit Kristina nächtigen.

Ich packte ein paar Dinge, wie Wechselkleidung, Windeln und eine Jause im Rucksack ein. Das offizielle Verbot meines Stiefvaters, mich mit Kristina im Dorf zu zeigen, bestand nach wie vor. Doch an der Nordseite lag es eine seichte Stelle, an der ich mit Herkules durch das Wasser waten konnte. Deshalb gab es weder von Carl Widerworte noch von meiner Mutter, die sogar eher froh wirkte, uns einmal nicht in unmittelbarer Umgebung zu wissen.

Kristina und ich hatten auf Herkules schon einige kleine Ausritte am Anwesen gemacht. Mein Ross wirkte achtsamer, wenn wir zu zweit auf seinem Rücken unsere Plätze eingenommen hatten. Gerne hielt sich mein Mädchen in der Mähne von Herkules fest und schmiegte sich an den langen, weichen Hals. Beide verharrten oftmals minutenlang in dieser Position und genossen sichtlich die gegenseitige Nähe.

Nun hatte ich mein Mädchen direkt vor mir platziert und sie gluckste erfreut auf, als wir uns im gemächlichen, wiegenden Schritt auf Herkules in Bewegung setzten.

Kristinas Laute waren für andere schwer verständlich, aber ich las in ihr längst wie in einem offenen Buch. Das lag an unserem innigen Umgang. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an ihrer Seite wachte, und sie besänftigte, falls sie aus einem Traum aufschreckte. Als Blähungen sie plagten, trug ich sie unermüdlich umher. Mit meinem Zeigefinger massierte ich die geschwollenen Bereiche im Innenraum des Mundes und linderte somit den Schmerz, als Kristinas erste Zähnchen durchbrachen. Ich tröstete sie, wenn sie Kummer hatte, und verband so manche Wunde. Vom Gefühl her war sie längst mein Kind und ich ihre Mutter.

Die anderen empfanden Kristina hingegen als Belastung. Die Kleine tat ihnen nicht den Gefallen, sich aus dieser Welt zu stehlen, worüber ich sehr froh und dankbar war. Ihre Wangenbäckchen schimmerten rosig, da wir uns häufig an der frischen Luft aufhielten und sie hatte einen gesegneten Appetit, der ihr kleine, durchaus entzückende Röllchen am Körper schenkte.

Mutter bewohnte seit der Rückkehr aus Völs eines der Gästezimmer. Sowohl meine Schwester als auch Kristina und ich lebten weiterhin im westlichen Trakt. Dennoch bekamen wir Alma nur selten zu Gesicht, da sie ihr Leben in vollen Zügen genoss. Der Baron nahm auf die Männerbekanntschaften meiner Schwester keinen Einfluss mehr. Ich spürte, dass in seinem Inneren ein tiefer Gram schlummerte, ohne ihm helfen zu können. Sein Gesicht wirkte verhärmt, der Blick dumpf und schon lange war sein Lachen nicht mehr durch die Gemäuer erschollen.

Teresa wich uns meist aus, weshalb sogar Erna und Jonas kaum ihr Argwöhnen zu verhehlen vermochten, da sie die Baronin für Kristinas Mutter hielten. All meine leidigen Gedanken wollte ich endlich hintanstellen. Ich schüttelte den Kopf.

»Heute gibt es für dich ein Abenteuer, und wir werden Thomas sehen«, wisperte ich Kristina zu, die erfreut aufjauchzte. Endlich konnten wir beide dem Anwesen und den dicken Schlossmauern entfliehen.

Mit meiner Ziehtochter im Arm glitt ich aus dem Sattel auf den Boden. Ich setzte Kristina vor dem Holzbrunnen ab, indem unermüdlich frisches Quellwasser floss. Staunend sank das Mädchen auf die Wiese. Ihre Augen und der kleine Mund waren weit geöffnet.

»Frisches Wasser«, sprach ich erklärend und trat heran. Ich ließ etwas vom kühlen Nass in meine Handfläche laufen, die ich wie zu einer kleinen Schüssel geformt hatte, und trank daraus.

»Komm her«, forderte ich Kristina auf. Das Kind blieb sitzen, unternahm keinen Versuch sich zu erheben, wie sie es sonst stets tat. Stattdessen starrte mein Mädchen auf den Wasserstrahl, indem sich das Sonnenlicht reflektierte und einen kleinen Regenbogen präsentierte.

»Das schmeckt herrlich.« Ich ließ mich an ihrer Seite nieder und reichte der Kleinen meine kühle, nasse Hand.

Kristina ließ sich nicht beirren, blickte fasziniert geradeaus. Wir wurden vom Plätschern des Wassers umschlossen und verloren uns in diesem Augenblick, indem die Zeit für uns stillstand.

Die Hütte war sehr geräumig. Gegenüber dem Eingangsbereich befand sich eine Kochmaschine mit integriertem Wasserschiff. Ich hatte bereits Feuer entfacht, um die Innenräume etwas aufzuwärmen. Rechts stand ein quadratischer Tisch, an der Wandseite war eine Holzbank, auf der drei Leute Platz fanden, und es gab vier Stühle als weitere Sitzgelegenheit.

Linkseitig schlummerte bereits Kristina friedlich im Doppelbett. Eine einfache Holztreppe führte hinauf in den Dachboden, dort waren Schlafplätze für sechs Leute untergebracht.

Wartend setzte ich mich auf die steinerne Eingangsstiege vor der Hütte. Die Sonne lugte hinter den Bergspitzen hervor, warf feine, rötliche Schimmer über das Firmament, die sich gewiss noch im Farbton intensivieren würden. Um meine Schultern lag eine Decke, die mich vor der abendlichen Kühle schützte.

Kristina hatte schon beim Abendessen heftig die Äugelein gerieben. Sie war müde von der Höhenluft und dem ungewohnten Ausflug. Heute würde sie Thomas‘ Ankunft verpassen.

Plötzlich erhoben sich über den Bäumen ein paar Vögel. Irgendetwas musste sie aufgeschreckt haben. Mein Herz beschleunigte spürbar seinen Takt. Ich vernahm erste Geräusche, und kaum später kam Thomas auf einem Don-Pferd in meine Richtung herangetrabt. Er sprang ab, band sein Ross neben Herkules und wir eilten aufeinander zu.

»Wir haben eine ganze Nacht und einen Morgen nur für uns«, sprach Thomas.

Ich nickte erfreut. »Danach sehne ich mich seit Ewigkeiten.«

Wir küssten uns. »Kristina schläft.« Ich fühlte mich ganz atemlos. »Wir müssen leise sein.«

Hand in Hand betraten wir den Innenbereich der Hütte. Thomas blickte auf das schlummernde Kind, das den Daumen im Mund verborgen hielt. »Sie ist so entzückend.«

Ich entfachte eine Petroleumlampe und stellte sie am Tisch ab. Der Schein erhellte den Raum. Sollte Kristina erwachen, würde das Licht ihr etwas Angst vor der Dunkelheit und der fremden Umgebung nehmen. Ich verriegelte die Eingangstür, und wandte ich mich Thomas zu, der dem kleinen Mädchen einen sanften Kuss auf das blonde Haar hauchte.

»Hast du Hunger oder Durst?«, fragte ich.

Thomas drehte sich mir zu. »Mir dürstet nur nach dir. Aber du sollst dich nicht verpflichtet fühlen …«

»…mich dir hinzugeben?« In meinem Bauch breitete sich ein warmes Kribbeln aus. »Hab keine Sorge. Im Moment spüre ich nur ein heißes Verlangen, das ich nicht mehr länger unterdrücken möchte.« Ich trat an ihn heran und wurde von fordernden Küssen in Empfang genommen.

Thomas hob mich hoch, was ich ohne Protest geschehen ließ, und trug mich über die Treppen hinweg in die obere Schlafstätte. Dort stellte er mich vor sich ab. Durch das Dachflächenfenster drang die letzte Helle des Tages herein. Thomas‘ Atem ging schwerer. Ich legte seine Hände auf die Verschnürung meines Gewandes, das er geschickt öffnete. Er schob mir das Kleid über die Schultern, bis es von ganz allein zu Boden glitt. Ohne die Blicke voneinander abzuwenden, öffnete ich sein Hemd. Thomas entfernte seine Hose und als er nackt vor mir stand, zog ich mein Unterhemd über den Kopf.

»Du bist so wunderschön.«

»Du auch«, hauchte ich und es trieb mir die Hitze ins Gesicht, als ich seinen sehnigen Körper betrachtete. Sein Glied ragte stolz empor. Ich schlüpfte schutzsuchend unter die kühlen Laken. Es fehlte mir an Erfahrung, weshalb ich mich eingeschüchtert fühlte. Doch in mir war auch ein drängendes Verlangen, das endlich gestillt werden wollte.

Thomas legte sich an meine Seite und berührte mich sanft. Ich rutschte näher an ihn heran. Seine Hand glitt über den straffen Busen, den Bauch, zu meiner Weiblichkeit und eine süße Qual nahm mich gefangen. Ich ließ ihn gewähren. Kein Traum hatte bisher annähernd diese Intensität vermittelt. Ich wollte ihn endlich spüren, und die Nässe zwischen meinen Beinen bewies mir, dass ich längst dazu bereit war.

»Ich habe etwas zur Verhütung besorgt, ein Kondom.«

»Dann komm endlich zu mir.« Bereitwillig öffnete ich meine Schenkel. Ich wollte endlich zur Frau werden, zu seiner Frau!

Thomas‘ Männlichkeit drängte mir entgegen und ich legte die Beine um seine Hüften. »Sara.« Mein Name klang wie eine zärtliche Liebkosung. »Bist du dir sicher, ich meine …«

Der Penis pochte mir entgegen. Sein Zögern erfüllte mein Herz mit noch größerer Zuneigung. »Ja.« Ich schlang die Arme um seinen Hals und hob mein Becken empor.

»Ich will dich. Nur dich.«

»Ich weiß!« Fordernd zog ich ihn zu mir, und mit einem tiefen Stoß drang Thomas in mich ein. Er hielt kurz inne. Trotz des vernehmbaren Brennens behielt ich meine Umklammerung bei und der Schmerz verwandelte sich in ein süßes Begehren. Wie von selbst fanden die Körper denselben Rhythmus und wir gaben uns einander dem Rausch der Leidenschaft hin.

Ein leises Wimmern drang an mein Ohr. »Kristina!« Ich hastete auf.

»Pst«, ertönte es neben mir.

Es brannte ein kleines Licht und ich entdeckte Thomas mit der Kleinen im Arm. Kristina gähnte.

»Wie schön, du hast sie nach oben geholt.«

Neugierig schaute das Mädchen zwischen uns beiden hin und her. Sie brabbelte, aber es klang noch sehr verschlafen.

»Bestimmt ist sie bald wieder im Land der Träume«, sprach Thomas leise.

»Ihre Augen sind dunkelbraun.«

»Unser kleines Rehäugelein.« Er lächelte.

»Ich meine …«

»Ich weiß, was du sagen willst. Stephans Augen hatten dieselbe Farbe, nicht wahr?«

Ich nickte.

Thomas bettete das Mädchen in die Mitte, über dem Kopf des Kindes führten wir unsere Hände zusammen. Obgleich wir einander schon lange kannten, war diese unumwundene Intimität neu für uns, und flutete in jede Pore meines Körpers.

»Am liebsten würde ich diesen Moment einfrieren«, sprach ich versonnen.

»Eine schöne Idee, aber ich wäre auch mit einer Wiederholung einverstanden.«

»Das ist machbar, solange die Tage warm und schön sind. Sobald ich über meinen Besitz frei verfügen kann, muss ich mich nicht mehr länger Vaters Diktat fügen, oder bin dem Wohlwollen von Mutter ausgesetzt.«

»Am liebsten würde ich dich sofort heiraten und zu einer ehrbaren Frau machen.«

»Ich bin glücklich, dich in diesen wenigen Stunden um mich zu wissen. Aber vor uns liegt noch ein langes Jahr. Ich hoffe, dass uns niemand auf die Schliche kommt.«

»Was ist schon ein Jahr, gegen den Rest des Lebens? Dennoch, vielleicht sollte ich es wagen, auf Carl und Teresa zuzugehen, mit der Bitte, dich offen umwerben zu dürfen. Dann hätte unsere Geheimniskrämerei ein Ende. Sie lassen Alma jegliche Freiheiten. Vielleicht lenken sie ein, wenn sie merken, dass wir uns lieben.«

»Das wäre schön, aber die beiden haben sich so verändert. Carl ist für keine romantischen Gefühlsanwandlungen mehr zugänglich, es zählt nur die Arbeit, hinter der er sich verkriecht. Anteilnahme und Feinsinn scheinen mittlerweile Fremdwörter für ihn zu sein. Und Teresa meidet mich, aber vor allem Kristina. Sicher war sie die treibende Kraft, weshalb du damals nach Ingolstadt gehen musstest.«

»Sie sehen Kristina als Belastung. Demnach würden sie wohl eher erfreut sein, wenn wir uns um die Kleine kümmern.«

»Aber du vergisst: Ich bin nur ihre Tante und außerhalb der Gemäuer dürfte ich mich nicht rechtmäßig um die Kleine kümmern. Niemals wäre ich bereit, sie zurücklassen.«

»Das verstehe ich. Sofern wir im Ehebund leben würden, könnten wir Kristina adoptieren, falls wir das Einverständnis der Eltern erhalten. Dann müssten wir nicht bis zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag warten.«

»Du meinst …?«

»Ach Sara.« Thomas seufzte. »Ich möchte Nacht für Nacht an deiner Seite weilen, tagsüber in deiner Nähe sein. All die Tage, an denen wir nicht zusammen sind, frage ich mich, wie es dir und Kristina ergehen mag. Da ist die Sehnsucht schier unermesslich, alles in geordnete Bahnen zu lenken.«

»Ich würde gerne mit dir zusammenleben wie Mann und Frau, eine Familie sein.«

»Denk darüber nach. Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, in der wir ausloten könnten, ob der Baron und Teresa mittlerweile aufgeschlossener sind. Dabei bekomme ich einen absurden Gedanken nicht aus meinem Kopf, den ich nicht mehr länger vor dir verheimlichen will.«

»Wovon sprichst du?«

»Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Da es mich selbst erschreckt.«

»Nun sag schon.« Ich setzte mich auf. Kurz blickte ich auf Kristina, die schlummerte.

»Ich frage mich …« Thomas atmete tief durch und setzte erneut an. »Ich frage mich, ob der Baron mein Vater sein könnte?«

Irritiert schaute ich ihn an. »Carl?«