Die Epigenetik des Hundes - Peter Spork - E-Book

Die Epigenetik des Hundes E-Book

Peter Spork

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Beschreibung

Gene sind Schicksal, lautete lange die landläufige Meinung. Inzwischen weiß man: Das genetische Erbe ist nicht gänzlich in Stein gemeißelt – wir können genetische Anlagen modifizieren – auch bei unseren Hunden. Doch was ist an den Genen dran, was um sie herum und wie werden sie reguliert? Hier kommt die Epigenetik ins Spiel: Sie sagt der Zelle, wie sie ihre Gene nutzen soll oder auch nicht. Und nun ist vor allem der Mensch gefragt! Mit unserer Beziehung zum Hund, mit der Art, wie wir ihn behandeln und ernähren, aber auch über das Umfeld, das wir ihm bieten, verändern wir ihn in seinem tiefsten Inneren. Unsere Anleitung ist es, die dabei hilft, dass die Genetik und Epigenetik des Hundes bestmöglich zusammenarbeiten. Natürlich hat jeder Hund ein genetisches Erbe – es ist also nicht alles möglich. Aber viel mehr, als man bis jetzt dachte. Dr. Peter Spork führt Sie in die Welt der Epigenetik, die Ihnen einen völlig neuen Blick auf die Prägung des Hunde-Wesens ermöglicht. Es ist eine Welt, von der die Hundezucht, das Hundetraining und die Hundehaltung noch sehr viel lernen können.

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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Titel

Die Epigenetik des Hundes

Wie Umwelt, Training und Zuchtumfeld die Gene prägen

Dr. Peter Spork

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © Shutterstock/Aarachchige Don (Hun­desilhouette), Shutterstock/TanyaJoy (Hintergrund Doppelhelix).

© 2025, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

kosmos.de/servicecenter

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-51165-7

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Hauptteil

Ihr Hund ist mehr als die Summe seiner Gene

Bedeutung der Genregulation

Wandel in der Kynologie

Der erste und der zweite Code

Vom Zeitalter der Genetik

Die eigentliche Aufgabe der Gene

Epigenetik schenkt den Zellen ein Gedächtnis

Schalter und Dimmer an den Genen

Hunderassen haben eine Kultur

Das Humangenomprojekt

Das Zeitalter der Epigenetik

Was bringt Hundezucht wirklich?

Die Kultur macht den Unterschied

Wie Hunde werden, wie sie sind

Wenn Zellen das Programm wechseln

Epigenetik verändert unsere Sicht auf das Leben

Epigenetische Prägung von Persönlichkeit

Bildung beginnt im Mutterleib

Warum wir Macht über das Erbgut haben

Wochen vor und nach der Geburt

Aufwachsen der Welpen

Bildung für Hunde

Wie gesund ist Ihr Hund?

Die epigenetische Uhr

Vergleich des Alters von Mensch und Hund

Epigenetische Tests des biologischen Alters

Gentests heute und epigenetische Tests der Zukunft

Das vererbte Trauma

Ein Blick auf die Vorfahren

Transgenerationelle epigenetische Effekte

Umdenken in der Rassehundezucht

Die geheime Macht

Verhalten resultiert nicht allein aus Genen

Menschen unterschiedlicher Herkunft

Biologie des Verhaltens

Epigenetik braucht Genetik und umgekehrt

Was ist gut für den Hund?

Die Persönlichkeit des Hundes

Nur das Beste für den Hund

Service

Quellen

VORWORT

IHR HUND IST MEHR ALS DIE SUMME SEINER GENE

Als ich vor 34 Jahren meine mündliche Diplomprüfung im Nebenfach Psychologie ablegte, ging es um die Psychologie des Hundes. Mein Prüfer dachte zu Recht, mich als Biologen würde dieses Thema besonders interessieren. Ich war gut vorbereitet, denn ich hatte Eberhard Trumlers Buch „Mit dem Hund auf Du“ (Trumler, 1989) gelesen.

Damals sprach noch niemand von Epigenetik. Und doch war offensichtlich, dass Welpen „fürs Leben geprägt werden“, wie Trumler schrieb. Er ging wie die meisten Verhaltensforschenden seiner Zeit davon aus, dass es angeborene, genetisch fixierte Voraussetzungen für bestimmte Verhaltensweisen des Hundes gibt – sogenannte Dispositionen. Und er meinte, dass diese Voraussetzungen aber erst dann wirksam werden, wenn die Tiere im Laufe ihres Lebens entsprechende Erfahrungen machen, wenn sie also geprägt werden.

Diese Prägungen stellten sich Trumler und Co. als weitgehend neurobiologische Prozesse vor, als Dinge also, die gelernt und im Gehirn abgespeichert werden.

Bedeutung der Genregulation

Heute sind wir weiter. Wir wissen, dass „angeboren“ und „genetisch fixiert“ nicht das Gleiche ist. Unsere Hunde erben von ihren Vorfahren nicht nur deren Erbgutmolekül DNA. Zudem findet ein bedeutender Teil der Prägung schon im Mutterleib statt. Wenn Hunde geboren werden, sind sie also bereits sehr viel mehr als die Summe ihrer Gene. Und je älter sie werden, desto mehr prägende Erfahrungen kommen hinzu. Was damals noch kaum jemand ahnte, ist die große Bedeutung der Genregulation.

Wesensmerkmale sind komplex. Sie werden nicht nur von den Nervenzellen und den Genen gesteuert, sondern auch von der Art, wie die zahllosen Zellen im Körper ihre Gene ablesen. Auf diese Art kommunizieren die Gene mit der Umwelt, sie beeinflussen sich gegenseitig und stehen untereinander in Beziehung.

Mit dieser Genregulation, deren Analyse in der Biologie eine immer größere Bedeutung gewinnt, beschäftigt sich die junge Wissenschaft der Epigenetik. Ihr verdanken wir die Erkenntnis, dass die Zellen praktisch eines jeden Lebewesens ein Gedächtnis haben. Dieses Gedächtnis der Zelle ist der Ort, an dem wir unsere Hunde prägen.

Derzeit erforscht die Wissenschaft intensiv die Epigenetik von Säugetieren – auch die des Hundes. Schon bald werden wir viel besser wissen, wie wir mithilfe der Zucht, des Trainings und der Haltung Einfluss nehmen können auf das Wesen und die Gesundheit der Vierbeiner. Denn die entscheidende, schon heute unbestrittene Erkenntnis der Epigenetik lautet: Mit unserer Beziehung zum Hund, mit der Art, wie wir ihn behandeln und ernähren, aber auch über das Umfeld, das wir ihm bieten, verändern wir den Vierbeiner in seinem tiefsten Inneren.

Wir prägen seine Molekularbiologie und sorgen so im besten Fall dafür, dass er zu dem einzigartigen Tier wird, als das wir ihn uns wünschen. Doch damit nicht genug: Teile seiner epigenetischen Prägung gibt der Hund auch an die Nachkommen weiter.

All das sind Erkenntnisse, die die Art, wie wir unsere Hunde sehen und wie wir mit ihnen umgehen, dramatisch verändern werden. In der „Hundeszene“ hat sich das noch kaum herumgesprochen. Aber längst ist klar: Sie wird umdenken müssen.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Buch gelesen haben, gehören Sie zu den ersten Hundefreundinnen und Hundefachkräften, die sich mit Epigenetik auskennen. Sie sind dann gut vorbereitet auf die dramatischen Umwälzungen, die die neuen Erkenntnisse zur Vererbung komplexer Eigenschaften auslösen werden.

Und mehr noch: Sie werden früher und besser als andere wissen, was die optimalen Voraussetzungen für ausgeglichene, glückliche und gesunde Hunde sind. Ihre vierbeinigen Gefährten werden es Ihnen danken.

EINFLUSS JA, ALLGEMEINREZEPT NEIN

Ich werde Ihnen in diesem Buch allerdings nicht erklären, wie sie aus Ihrem Hund gezielt einen noch besseren, liebenswürdigeren oder gesünderen Hund machen oder mit welchen Kniffen Sie Ihre Zucht oder das Training optimieren können. Solche Ratschläge gibt die Wissenschaft der Epigenetik noch lange nicht her. Dieses Buch ist kein Ratgeber!

Noch weiß niemand, wie man die nebengenetischen Strukturen von Hunden gezielt beeinflussen kann. Außerdem sind Hunde viel zu verschieden und ihre wichtigen Eigenschaften viel zu komplex geregelt, um sie mit allgemeingültigen Regeln über einen Kamm zu scheren.

Immerhin: Die zugrunde liegende Wissenschaft verrät Ihnen schon heute, dass Sie Einfluss nehmen können. Wie Sie am besten Einfluss auf Ihre persönlichen, hochindividuellen Hunde nehmen, müssen Sie im empathischen, offenen und fragenden Zusammenspiel mit diesen Tieren und auf der Basis der vermutlich großen allgemeinen Kenntnis von Hunden, die Sie längst besitzen, selbst herausfinden.

Mein Buch wird Sie auf diesem Weg unterstützen und motivieren. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

Ihr Hund ist nicht die Summe seiner Gene. Er ist also auch nicht das Produkt seiner Rasse oder der Rassehundezucht. Er ist unendlich viel mehr.

Wie er Sie empathisch anschaut, sich von Ihnen mehr oder weniger gut trainieren oder erziehen lässt – so ist er nicht geworden, weil er all das genetisch von den Elterntieren geerbt hat. Vieles davon hat er von Ihnen. Denn Ihre Anleitung ist es, die dabei hilft, dass die Genetik und Epigenetik des Hundes bestmöglich zusammenarbeiten.

Ihr Hund ist ein hochkomplexes, manchmal leicht, oft aber auch sehr schwer zu durchschauendes und zu beeinflussendes Wesen. Dieses Wesen lässt sich weder auf seine Rasse, noch auf den Code seiner Gene reduzieren. Es ist ein Wunder! Und Sie sollten es entsprechend behandeln.

Wandel in der Kynologie

Folgen Sie mir in die Welt der Epigenetik, denn sie wird Ihnen einen völlig neuen Blick auf die Prägung des Hunde-Wesens ermöglichen. Es ist eine Welt, von der die Hundezucht, das Hundetraining und die Hundehaltung noch sehr viel lernen können.

Die Wissenschaft von Hund und Hundezucht – Kynologie genannt – bekommt das erst allmählich mit. Letztlich werden die Hunde und ihre Haltenden von den neuen Erkenntnissen profitieren, also auch Sie als Lesende ganz persönlich.

Mit diesem Buch möchte ich erreichen, dass Sie auf verständliche, anschauliche und auch ein wenig unterhaltsame Weise das nötige Wissen gewinnen, um den Wandel in der Kynologie aktiv zu begleiten. Ich möchte Ihnen zudem helfen, Ihre Hunde besser zu verstehen und fördernd zu begleiten. Ganz nebenbei werden Sie sogar eine Menge Neues über sich selbst erfahren.

Seit 17 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Epigenetik. Ich habe zwei Bestseller geschrieben, in denen ich die Epigenetik des Menschen erkläre. Und seit gut zehn Jahren halte ich vermehrt Vorträge und gebe Workshops zum Thema, speziell für Hundefachleute. Das Interesse an dieser neuen Sicht des Lebens wird auch in der Hundefachwelt immer größer.

Als Kind hatte ich einen wunderbaren Hund. Er hieß Wussel und stammte von der Langhaardackelin meiner Großmutter und einem Zwergschnauzer. Leider war er nicht immer einfach. Und ich fürchte, ich selbst hatte meinen Anteil daran.

Ich habe Wussel geliebt, aber große Teile seines Wesens blieben mir verschlossen. Heute, im Lichte der Epigenetik, beginne ich endlich zu begreifen, was seine Biologie, seine Gesundheit, seine Persönlichkeit ausmachten. Dieses Buch ist ihm gewidmet.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen,

Ihr Dr. Peter Spork

PS: Fast nirgends in der Biologie gibt es simple, streng voneinander abgrenzbare Verteilungen auf nur zwei Erscheinungsformen. Egal ob Mensch, Hund oder irgendein anderes Säugetier: Es wird immer Organismen geben, die sich nicht klar einem Geschlecht zuordnen lassen oder vom Verhalten und Empfinden zu einem anderen Geschlecht gehören, als es äußerlich den Anschein hat. Solche Phänomene sind letztlich eine biologische Notwendigkeit.

Weil ich niemanden von Ihnen, liebe Lesende, ausgrenzen möchte, formuliere ich deshalb stets so integrativ wie möglich. Manchmal greife ich auch zum sogenannten Genderstern. Sollte das Ihren Lesefluss stören, bitte ich es zu entschuldigen. Sie werden sich bestimmt daran gewöhnen. Im Gegenzug hilft es dabei, dass sich weniger Menschen durch die Sprache ausgegrenzt fühlen.

KAPITEL 1

DER ERSTE UND DER ZWEITE CODE

Die Einführung in die Genetik und Epigenetik

Die Genetik ist eine der wichtigsten Forschungsrichtungen der Biologie. Auch für die Hundezucht ist sie von herausragender Bedeutung. Die Vielfalt der modernen Hunderassen zeigt, was passieren kann, wenn man gezielt nach Merkmalen wie Körperbau und -größe oder Fellfarbe selektiert. Aber mit Genetik alleine lassen sich viele biologische Phänomene nicht erklären.

Dieses Kapitel zeigt, dass Genetik sehr viel mehr ist als die Weitergabe biologischer Informationen an folgende Generationen. Gene enthalten die Baupläne für alle Biomoleküle. Kein Hund oder Mensch wäre lebensfähig, wenn die Zellen nicht permanent entscheiden würden, ob, wann und wo ein Gen abgelesen wird. Das gelingt auch dank nebengenetischer Markierungen, die bestimmen, welche Gene eine Zelle überhaupt benutzen kann und welche nicht. Mit diesen Markierungen beschäftigt sich die Wissenschaft der Epigenetik.

Vom Zeitalter der Genetik

Im Jahr 1953 publizierten die Biologen James Watson und Francis Crick als erste das berühmte Modell einer DNA. So lautet die auch hierzulande gebräuchliche englische Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure. Was damals eine Sensation war, kennt heute jedes Kind: Das zentrale und mit Abstand wichtigste Molekül des Erbguts sieht aus wie eine Doppelhelix.

Der Stoff, der den Code für alle wichtigen Proteine enthält, die ein Organismus aus sich selbst heraus erzeugen kann, besteht aus zwei umeinander spiralig gewundenen Strängen. Die beiden Stränge verbinden in regelmäßigen Abständen Paare von Nukleinbasen. Sie halten das Molekül zusammen, sind sozusagen die Sprossen einer um ihre eigene Längsachse gedrehten Leiter.

Im Jahr 1962 erhielten Watson und Crick gemeinsam mit dem Kollegen Maurice Wilkins, der ihnen die entscheidenden Röntgenbilder einst gezeigt hatte, auf denen die Form der DNA erstmals erkennbar geworden war, den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Die eigentliche Entdeckerin der DNA war aber die Röntgenstrukturanalystin Rosalind Franklin. Sie hatte diese ersten Aufnahmen der DNA Anfang der 1950er Jahre gemacht. Leider war sie vier Jahre vor der Verleihung des Nobelpreises an Krebs gestorben. Sie hätte ihn als Allererste verdient gehabt.

Doch warum beeinflusst diese Entdeckung unser Leben noch heute? Warum ist sie für die Entwicklung neuer Medikamente, den Kampf gegen Krebs, für das Verständnis von Vererbung, das allgemeine Funktionieren des Lebens und nicht zuletzt für die Hundezucht von so herausragender Bedeutung? Weil es erst mit der Entdeckung der Struktur der DNA gelang, den Code des Lebens und die Mechanismen der Vererbung zu entschlüsseln und schließlich auch zu lesen.

Die vollständige Aufklärung der DNA und ihrer Eigenschaften war fraglos eine der wichtigsten Entdeckungen der vergangenen hundert Jahre. Aber die Wissenschaft zieht weiter.

Heute geht es um sehr viel mehr als den ersten, den genetischen Code: Es geht um die Frage, wie es den Zellen – unter anderem von Mensch und Hund – gelingt, ein Gedächtnis für Umwelteinflüsse zu entwickeln und dadurch im Zusammenspiel mit zahllosen anderen Faktoren die Komplexität des Lebens zu erschaffen.

Im Jahr 1953 begann also das Zeitalter der Genetik. Und dieses Zeitalter sollte genau fünf Jahrzehnte andauern, bis im Jahr 2003 das erste menschliche Genom, der erste annähernd vollständige DNA-Text, wie er sich so ähnlich in jeder unserer Körperzellen findet, gelesen worden war.

ERSTES GENOM EINES HUNDES

Das erste Genom eines Hundes entzifferten Forschende nur kurze Zeit später, im Jahr 2005 (Lange, 2005). Es gehörte der Boxerhündin Tasha und bestand wie bei allen Hunden aus etwa 2,4 Milliarden aneinandergereihten Nukleinbausteinen. Zum Vergleich: Beim Menschen sind es etwa 3,3 Milliarden.

Der Text der DNA enthält dabei nur vier Buchstaben: C, G, T und A. Sie stehen für die Basen – also jene Bestandteile, die die Sprossen der Doppelhelix bilden – Cytosin, Guanin, Thymin und Adenin. Ihre Abfolge kann letztlich den Bauplan eines jeden denkbaren Proteins kodieren, das wiederum aus vielen aneinandergereihten Aminosäuren besteht. Solche Proteine werden permanent in riesengroßer Zahl von unseren Zellen oder auch den Zellen unserer Hunde produziert.

© National Human Genome Research I

Links: Die Desoxyribonukleinsäure (DNA) besteht aus einem Doppelstrang von aneinandergereihten Nukleinbausteinen, die so ineinander verdreht sind, dass sie eine Doppelhelix bilden (hier ein Strukturmodell). Rechts: Schematische Zeichnung der Desoxyribonukleinsäure (DNA), die die vier Nukleinbasen zeigt: Adenin (A) paart sich immer mit Thymin (T), Cytosin (C) mit Guanin (G).

Die DNA befindet sich im Kern der Zelle. Dort existiert auch eine Menge wichtiger Arten von Proteinen. Eines davon kann über die DNA hinweggleiten und liest dabei den Nukleinbasen-Text jeweils eines Gens ab. Dieser Text wird schließlich übersetzt in ein Botenmolekül aus der Gruppe der sogenannten Boten- oder messenger-RNAs (mRNAs), das für das Gen typisch ist. Diese Substanzen sind spätestens seit der ersten Coronaimpfung berühmt. Dabei handelt es sich nämlich um nichts anderes als um eine mRNA, die den Code für einen Teil des Coronavirus enthält.

Bei dem Impfstoff stammte der Code aus dem Labor und nicht aus dem Zellkern. Die Anti-Corona-mRNA musste gespritzt werden. Aber von der Zelle selbst gebildete mRNAs gelangen vom Zellkern ganz von alleine in das gewöhnliche Zellinnere. Und dort werden nach ihrer Anleitung die neuen Proteine zusammengebaut. Im Fall der mRNA-Impfung produziert der Körper seinen Impfstoff also selbst. Gespritzt wird nur der Bauplan.

CODE DES LEBENS

Der eigentliche Code des Lebens steckt demnach in der Abfolge der Nukleinbasen der DNA, die die Codes für kleine RNAs speichert, nach deren Anleitung die Zelle letztlich Proteine baut. Hunde wie Menschen haben diesen Code des Lebens von ihren Eltern geerbt, wobei deren Erbgut neu zusammengewürfelt worden ist.

Deshalb sind sich Geschwister ähnlicher als Tiere oder Menschen, die nicht eng miteinander verwandt sind. Und deshalb sind wir alle und unsere Hunde auch so einzigartig. Nur Klone oder eineiige Zwillinge haben eine nahezu identische DNA.

Doch schon hier wird klar: Die DNA speichert zwar den Bauplan der Proteine – also letztlich aller aktiver Biomoleküle, die eine Zelle aus sich selbst heraus produzieren kann. Unterschiede in der DNA sorgen dafür, dass diese Proteine verschieden gut arbeiten und damit für mehr oder weniger gut ausgeprägte Eigenschaften verantwortlich zeichnen. Sie sorgen aber nicht dafür, welche Art von Proteinen überhaupt in einer Zelle existiert oder von dieser gerade gebildet wird. Dazu benötigt man eine weitere Ebene der Informationsverarbeitung: die Genregulation.

Je nach Aufgabe und Art der Zelle eines Hundes, erzeugt diese Genregulation aus dessen Genom einen unterschiedlichen Satz an Proteinen, obwohl die Gene und Genvarianten in allen Zellen eines Individuums nahezu identisch sind. Das können Botenstoffe wie Hormone sein oder Enzyme, die beim Verdauen von Nahrung helfen, oder Antikörper, die nützlich im Kampf gegen Infektionen sind.

Die Zellen eines Menschen oder eines Hundes können immer nur solche Proteine bauen, für die es in ihrer DNA auch einen Code gibt. Ein solcher Code heißt Gen. Der Mensch hat etwa 23 000 solcher Gene. Bei Hunden sind es ähnlich viele. Und mit diesen beschäftigt sich die Wissenschaft der Genetik.

Von jedem Gen gibt es verschiedene Varianten. Sie besitzen kleine Unterschiede in der Abfolge der Nukleinbasen. Oft haben diese Unterschiede keinerlei Auswirkung auf das Äußere oder die Gesundheit von Mensch und Tier. Aber manche solcher Veränderungen – Mutationen genannt – beeinflussen auch die Eigenschaften der von ihnen kodierten Proteine. Und so kann es sein, dass nur einige wenige Mutationen nötig sind, damit eine Zuchtlinie von Hunden ihre Fellfarbe, die Größe oder zum Beispiel den Körperbau verändert.

Zucht auf Merkmale

Wie mächtig dieses Prinzip ist, zeigt kaum etwas so deutlich wie die moderne Rassehundezucht. Kaum zu glauben, dass die Deutsche Dogge und der Chihuahua, der Windhund und der Mops oder der Golden Retriever und der Pudel von Hunden abstammen, die sich noch vor 200 Jahren vergleichsweise ähnlich waren. Sie alle sind nach dem simplen Prinzip der Auswahl entstanden. Es wurde immer nur mit jenen Tieren weitergezüchtet, bei denen ein bestimmtes, gewünschtes Merkmal besonders deutlich ausgeprägt war. Und damit wurden die dafür verantwortlichen Genvarianten in der entsprechenden Zuchtlinie immer häufiger. Bis eine neue Rasse entstanden war.

Diese Beobachtung zeigt, wie unerhört wichtig die Entdeckung der DNA und das daraus resultierende Zeitalter der Erforschung der genetischen Vererbung sind. Doch über die Begeisterung für die wichtigen Erkenntnisse dieser Zeit wurde vergessen, dass die Gene nur die Basis bilden für etwas sehr viel Größeres: Die meisten Merkmale – Intelligenz, Trainierbarkeit, Aggressivität, Fitness, Widerstandskraft, um nur einige zu nennen – entstehen aus dem komplexen Muster, das die Aktivität vieler Gene in vielen Zellen gemeinsam bilden. Eine Mutation in einem oder zwei Genen verändert bei solchen Merkmalen, anders als bei den simplen Merkmalen, relativ wenig. Komplexe Merkmale lassen sich mit einfacher Zucht nicht so leicht verändern.

Klar ist, dass vergleichsweise einfach gesteuerte Merkmale wie Fellfarbe, allgemeines Aussehen und Körpergröße im Zuge der Entwicklung eines Hundes jeweils von nur einem oder einigen wenigen Genen gesteuert werden. Hier können einzelne Mutationen binnen weniger Generationen gewaltige, äußerlich sichtbare Veränderungen auslösen. Hier kann eine gezielte Zucht in kurzer Zeit viel erreichen.

Das Gleiche gilt für sogenannte Erbkrankheiten. Dabei mutiert meist nur ein Gen so, dass ein wichtiges Protein nicht mehr richtig funktioniert und das Risiko für eine bestimmte Krankheit massiv steigt. Hier kann die Zucht sogar fatale Folgen haben. Je geringer nämlich insgesamt die Zahl der Genvarianten innerhalb einer Zuchtlinie wird, desto größer ist die Gefahr, dass krank machende Genvarianten übermächtig werden.

Deutsche Schäferhunde bekommen zum Beispiel häufig eine Hüftgelenksdysplasie. Die Hüfte ist instabil, das Risiko für starke Schmerzen und Arthrose ist erhöht. Kurzschnäuzige Rassen wie Boxer, Bulldogge oder Mops leiden oft am Brachyzephalen Atemwegssyndrom. Sie bekommen dann schlecht Luft, schnarchen ständig und sind weniger leistungsfähig. In diesem Fall ist die gezielte Zucht eines genetisch gesteuerten übertriebenen körperlichen Merkmals letztlich verantwortlich für die Krankheit.