Die Geburt des römischen Kaiserreichs - Barry Strauss - E-Book

Die Geburt des römischen Kaiserreichs E-Book

Barry Strauss

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Beschreibung

Es war eine der größten Seeschlachten der Antike und ein entscheidender Wendepunkt der Weltgeschichte. Mehr als 600 Schiffe, fast 200 000 Männer und eine Frau kämpften vor der griechischen Hafenstadt Actium um Caesars Erbe. Als Antonius sich in die ägyptische Herrscherin Kleopatra verliebte und Octavian in Rom offen gegen den Rivalen agitierte, zerbrach das Bündnis zwischen dem altgedienten General und dem jungen Adoptivsohn Caesars. Erneut brach ein Bürgerkrieg aus. Packend schildert Barry Strauss die Ereignisse dieses in seiner Bedeutung oft verkannten Krieges. Zahlenmäßig überlegen, nicht zuletzt der schlagkräftigen ägyptischen Flotte wegen, waren die Truppen von Antonius und Kleopatra. Doch es gelang Octavians genialem Feldherrn Agrippa, ihnen den Nachschubweg abzuschneiden. Am 2. September 31 v. Chr. kam es zur alles entscheidenden Schlacht. Der Sieg bei Actium ermöglichte es Octavian, der sich schon bald Augustus nannte, ein Reich aufzubauen, das fast 500 Jahre bestand.

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Seitenzahl: 585

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Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel The War that made the Roman Empire. Antony, Cleopatra, and Octavian at Actium bei Simon & Schuster, Inc. © 2022 by Barry S. Strauss All Rights Reserved.

Die deutsche Ausgabe erscheint gemäß der Vereinbarung mit Simon & Schuster, Inc. in deutscher Erstübersetzung bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

www.dnb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

wbg Theiss ist ein Imprint der wbg. © der deutschen Ausgabe 2023 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Redaktion: Melanie Kattanek, Gunzenhausen Gestaltung und Satz: Arnold & Domnick, Leipzig Einbandgestaltung: Andreas Heilmann, Hamburg Einbandabbildung: Antonius und Kleopatra in der Schlacht bei Actium, Gemälde von Johann Georg Platzer (1704-61), © Historic England / Bridgeman Images

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-4538-7

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:

eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-4629-2

eBook (epub): ISBN 978-3-8062-4630-8

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Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Im Gedenken an meine Eltern

Inhalt

Ein vergessenes Denkmal

Nikopolis, Griechenland

Teil 1: DIE SAAT DES KRIEGES

44–32 v. Chr.

 1 Der Weg nach Philippi

Rom und Philippi, 44–42 v. Chr.

 2 Der Kommandant und die Königin

Ephesos, Tarsos, Alexandria und Perusia, 42–40 v. Chr.

 3 Drei Verträge und eine Heirat

Sizilien, Brundisium, Rom, Misenum, Athen und Tarent, 40–36 v. Chr.

 4 Octavians Sieg und Antonius’ Comeback

Von Sizilien zum Partherreich, 36–34 v. Chr.

 5 Der Krieg kündigt sich an

Rom, Ephesos und Athen, 32 v. Chr.

Teil 2: EIN PLAN UND EIN ANGRIFF

Herbst 32 bis April 31 v. Chr.

 6 Die Invasoren

Westgriechenland, Herbst 32 v. Chr.

 7 Die Schiffskrone

Italien, März 31 v. Chr.

 8 Der afrikanische König

Methone, März 31 v. Chr.

 9 Caesar auf der Rührkelle

Westgriechenland, April 31 v. Chr.

Teil 3: DIE SCHLACHT BEI ACTIUM

August bis 2. September 31 v. Chr.

10 Apollos Rache

Actium, August 31 v. Chr.

11 Die Schlacht

Actium, 2. September 31 v. Chr., Vormittag

12 Das goldene Schiff mit den purpurnen Segeln

Actium, 2. September 31 v. Chr., ungefähr 14–15 Uhr

13 Octavian, der Barmherzige

Actium und Kleinasien, 3. September 31 bis Frühjahr 30 v. Chr.

Teil 4: DAS ENDE

September 31 bis Januar 27 v. Chr.

14 Exil in Indien?

Alexandria, September 31 bis August 30 v. Chr.

15 Der Biss der Schlange

Alexandria, 1.–10. August 30 v. Chr.

16 „Ich wollte einen König besuchen“

Alexandria, 30 v. Chr.

17 Der Triumphzug

Rom, August 29 bis Januar 27 v. Chr.

Anhang

Bildteil

Zeittafel

Danksagung

Anmerkungen

Literaturhinweise

Abbildungsnachweis

Register

Ein vergessenes Denkmal

Nikopolis, Griechenland

Auf einer Halbinsel in einem Winkel Griechenlands, in den sich kaum je ein Tourist verirrt, hoch oben auf einem Hügel zwischen dem Mittelmeer und einem ausgedehnten, sumpfigen Golf befinden sich die Überreste eines der wichtigsten, zugleich aber am wenigsten beachteten Kriegsdenkmäler der Geschichte. Die wenigen verbliebenen Steinblöcke lassen die ursprüngliche Größe des Denkmals kaum mehr erahnen. Noch vor ein paar Jahrzehnten lagen seine Überreste wild durcheinander und waren von Gestrüpp überwuchert, doch nach jahrelangen Ausgrabungen und Untersuchungen kann man heute immerhin einen Eindruck von seiner Machart bekommen.

Besucher finden Quader aus Kalkstein, Marmor und Travertin vor, die eine Terrasse auf diesem Hügel säumen. Man erkennt darauf noch gut die Reste lateinischer Inschriften – die Buchstaben sind mit klassischer Präzision eingemeißelt. Hinter den Blöcken mit den Inschriften verläuft eine Mauer, die in regelmäßigen Abständen geheimnisvolle Vertiefungen aufweist. Dort waren einst die bronzenen Rammsporne von Galeeren eingesetzt, die in der Schlacht gekapert worden waren. Insgesamt 35 Rammsporne ragten im rechten Winkel aus dem Mauerwerk hervor. Es war, soweit wir wissen, die größte Zurschaustellung erbeuteter Rammsporne im antiken Mittelmeerraum. Eine Trophäe von ganz eigentümlicher barbarischer Pracht. Ein Monument aus erbeuteten Waffen.

Doch wie jeder Römer wusste, lag der Sieg in den Händen der Götter, und die hatte man hier selbstverständlich nicht vergessen. Hinter den beiden Mauern, weiter oben auf dem Hügel, befand sich ein riesiges Freiluft-Heiligtum, dem Kriegsgott Mars und dem Meeresgott Neptun geweiht. Ein weiteres Freiluft-Heiligtum gab es für Apollo, den Herrn des Lichts. Ein Relieffries erinnerte an den Triumphzug in Rom, mit dem sich der Sieger hatte feiern lassen. Der riesige Komplex erstreckte sich auf etwa 3000 Quadratmetern.

Wenn man so will, war dieses Denkmal der Grundstein des römischen Kaiserreichs. Aus gutem Grund wurde es hier in Griechenland, 1000 Kilometer von Rom entfernt, errichtet und nicht in Italien. Denn es erinnerte an eine Schlacht, die in den Gewässern am Fuße dieses Hügels stattgefunden hatte: die Schlacht bei Actium. Es war ein Kampf um das Herz des Römischen Reiches – darum, ob sein Schwerpunkt künftig im Osten oder im Westen liegen würde. Und da Europa quasi das Kind des römischen Kaiserreichs ist, das in dieser Schlacht gezeugt wurde, war dieser Kampf ein veritabler Wendepunkt, ein Scharnier der Geschichte.

Sinnbildlich stand diese Schlacht auch für zwei Arten der Kriegführung – man könnte sie als die konventionelle und die unorthodoxe Kriegführung bezeichnen. Die eine Seite verkörperte, was (scheinbar) den sicheren Sieg bedeutete: große Bataillone, das neueste Kriegsgerät und Geld ohne Ende. Der anderen Seite fehlte es an Geld, und sie hatte mit Widerstand im eigenen Land zu kämpfen, aber dafür verfügte sie über jede Menge Erfahrung, Fantasie und Wagemut. Die eine Seite wartete darauf, dass der Feind angriff; die andere Seite setzte alles auf eine Karte und ging in die Offensive. Die eine Seite suchte die direkte Konfrontation; die andere wählte einen indirekten Ansatz. Solche Aspekte stehen heute noch im Mittelpunkt von Debatten über Kriegsstrategien.

An einem Septembertag vor über 2000 Jahren kämpften 600 Kriegsschiffe mit fast 200 000 Mann an Bord um die Herrschaft über ein Imperium, das sich schon damals von der Normandie bis zum Euphrat erstreckte und später noch weiter wachsen sollte, bis es vom heutigen Edinburgh bis an den Persischen Golf reichte. Das Schicksal dieses Imperiums lag in den Händen einer Frau und zweier Männer. Bei der Frau, die stets ihre Dienerinnen um sich hatte, handelte es sich um eine der berühmtesten Königinnen der Geschichte: Kleopatra.

Kleopatra war mehr als bloß die Königin der Herzen und Ikone des Glamours, als die William Shakespeare und Elizabeth Taylor sie später unsterblich machen sollten. Sie war eine der brillantesten und einfallsreichsten Frauen in der Geschichte der Staatskunst. An ihr als historischer Figur lassen sich diverse Was-wäre-wenn-Szenarien entwickeln. Kleopatra war zumindest zum Teil Makedonierin, zum Teil Perserin und wahrscheinlich zum Teil auch Ägypterin. Und kaum eine Frau hat je eine dermaßen entscheidende Rolle in der Strategie und Taktik eines Krieges gespielt, der den Fortgang der Weltgeschichte bestimmen sollte, wie Kleopatra. An ihrer Seite kämpfte ihr Geliebter Marcus Antonius, dem Shakespeare das berühmte „Freunde, Römer, Landsleute!“ in den Mund legte. Jener Mann, der nach den Iden des März auf dem Forum Romanum eine Lobrede auf Iulius Caesar gehalten und auf dem Schlachtfeld bei Philippi Caesars Mörder zur Strecke gebracht hatte.

Der Gegner der beiden war Octavian, der spätere Kaiser Augustus und wohl wichtigste Reichsgründer der westlichen Welt. Ihm zur Seite stand Marcus Vipsanius Agrippa als unentbehrlicher Admiral und seine rechte Hand. Auch wenn man ihn oft übersieht, war Agrippa der eigentliche Architekt von Octavians Sieg. Er und sein Dienstherr bildeten eines der bedeutendsten Zweiergespanne der Geschichte. In Actium nur im Geiste anwesend (sie war in Rom geblieben) war Kleopatras frühere Rivalin um den Platz an Antonius’ Seite: Octavians Schwester Octavia, von der Antonius sich kurz zuvor hatte scheiden lassen. Traditionell gilt Octavia als unterwürfige Frau, die vieles erduldete, doch tatsächlich war sie eine fähige Agentin, die ihrem Bruder direkt Bericht erstattete, und das aus dem Schlafzimmer seines wichtigsten Konkurrenten. Wie so oft in der Geschichte hatten auch und gerade die scheinbar unbedeutenden Akteure einen besonders großen Einfluss.

Actium war das entscheidende Ereignis jener Epoche, und seine Folgen waren enorm. Hätten Antonius und Kleopatra gesiegt, hätte sich der Schwerpunkt des Römischen Reiches nach Osten verlagert. Alexandria in Ägypten hätte mit Rom um den Status als Reichshauptstadt konkurriert. Ein mehr in Richtung Osten orientiertes Imperium hätte dem Byzantinischen Reich geähnelt. Zweifellos hätte der Fokus dort mehr auf der griechischen, ägyptischen und jüdischen Kultur und anderen Kulturen des östlichen Mittelmeerraums gelegen, als die lateinischsprachige Elite des kaiserlichen Roms dies zuließ. Gut möglich, dass ein solches Römisches Reich darauf verzichtet hätte, Britannien zu erobern und sich mit den Germanen herumzuschlagen. Und vielleicht hätte es insgesamt keine so deutlichen Spuren in Westeuropa hinterlassen. Aber so kam es ja nicht, denn der Sieg gehörte Octavian.

Und dieser weihte nun rund zwei Jahre nach der Schlacht, um 29 v. Chr., an der Stelle, wo damals sein Hauptquartier gestanden hatte, das Siegesdenkmal. Folgenden Text ließ er hineinmeißeln:

Der imperator [= siegreiche Feldherr] Caesar, Sohn eines Gottes, Sieger in dem Krieg, den er im Namen der Republik in dieser Region führte, als er zum fünften Mal Konsul war und zum siebten Mal zum siegreichen imperator ernannt wurde, weihte Mars und Neptun, nachdem zu Lande und zu Wasser der Frieden gesichert war, das mit Beute aus dem Seekrieg geschmückte Lager, von dem aus er in die Schlacht gezogen war.1

Vom Denkmal aus hatte man einen weiten Blick. Im Nordosten erstreckt sich der Ambrakische Golf, damals Golf von Actium genannt, im Südwesten liegt die Insel Lefkas oder Lefkada, damals „Leukas“, im Westen das Ionische Meer. Im Nordwesten sieht man die Inseln Paxos und Antipaxos, im Norden die Berge von Epirus. Wer einst von unten den Hügel hinaufblickte, sah das Siegesdenkmal, egal ob er auf Land stand oder sich auf dem Meer befand.

In der Ebene unterhalb des Denkmals gründete der Sieger, wie es die großen Eroberer des Altertums zu tun pflegten, eine neue Stadt. Er nannte sie „Stadt des Sieges“, auf Griechisch „Nikopolis“.2 Sie wurde eine florierende Hafen- und Provinzhauptstadt und ein beliebtes Touristenziel und blieb es für Jahrhunderte. Alle vier Jahre fand dort ein großes Sportfest statt, die „Aktischen Spiele“ (Actia oder ludi Actiaci).

„Stadt des Sieges“ – kaum waren also die Soldaten fort, traten die Mythenmacher auf den Plan. War Actium wirklich so ein überwältigender Sieg? Geht man nach den großen Marmorbauten von Nikopolis, den Myriaden von Verwaltungsbeamten und den Spitzensportlern, die hier alle vier Jahre schwitzten und sich bejubeln ließen, dann muss er es wohl gewesen sein. Die Geschichtsbücher sehen das genauso, aber es war schon damals so, wie es immer ist: Sie werden von den Siegern geschrieben. Octavian bzw. Augustus, wie er sich schon bald nennen ließ, hätte zweifellos dem britischen Premierminister Winston Churchill zugestimmt, der einmal sagte, die Geschichte werde gnädig mit ihm umgehen: „[...] da ich beabsichtige, sie selbst zu schreiben“.3 In Nikopolis schrieb Augustus seine Geschichte in Stein.

Und mit Tinte schrieb er sie ebenfalls – in seinen Memoiren, die schon in der Antike berühmt waren, heute aber leider verloren sind. Immerhin finden sich Teile davon in anderen antiken Werken, die erhalten sind. Doch diese liefern lediglich ein skizzenhaftes Bild von Actium, und sie widersprechen einander in einigen wichtigen Punkten. Um zu rekonstruieren, was wirklich geschah, dafür fehlt uns ohnehin, wie schon angedeutet, Antonius’ und Kleopatras Version der Ereignisse: In den erhaltenen Quellen hat sie nur wenige Spuren hinterlassen.

Actium war also eine wichtige Schlacht. Aber sie stand nicht für sich allein. Sie war der Höhepunkt eines sechsmonatigen Feldzugs mit diversen Gefechten zu Land und zur See. Ein Jahr später folgte ein kurzer, aber entscheidender Feldzug Octavians in Ägypten. Außerdem waren im Ptolemäischen Krieg (wie man die Auseinandersetzung zwischen Antonius und Octavian von 32 bis 30 v. Chr. heute landläufig nennt) längst nicht alle Operationen militärischer Natur: Eine wichtige Rolle spielten auch Diplomatie, Propaganda, Manipulation und „Fake News“, wirtschaftliche und finanzielle Konkurrenz sowie alle Facetten menschlicher Emotion, nicht zuletzt Liebe, Hass und Eifersucht.

Wie so vieles, was wir über Actium zu wissen glauben, sind auch die Stadt und das Siegesdenkmal, das über ihr thronte, Teil eines Mythos. Was den Mythos Actium jedoch ganz besonders brisant macht, ist die Tatsache, dass er so wenig greifbar ist. Das Forschungsfeld „Actium“ blickt auf eine reiche wissenschaftliche Tradition zurück. Aber obwohl längst bekannt ist, dass das, was wirklich passiert ist, wenig mit der offiziellen Version zu tun hat, waren sich die Wissenschaftler im Laufe der Zeit immer wieder uneins. In den 1920er-Jahren gab es eine einflussreiche Lehrmeinung, die besagte, weil Actium so schnell begonnen und geendet hatte, sei es eine ganz unbedeutende Schlacht gewesen, und Octavians Propaganda habe das Ganze über Gebühr aufgebauscht. Dank jüngster archäologischer Funde und der Neuinterpretation literarischer Quellen ist diese Lehrmeinung inzwischen überholt. Das neue Material zeigt, dass es sich mehr als lohnt, sich intensiver mit dem Krieg, der Antonius und Kleopatra schließlich das Leben kostete und Octavian zum Augustus und damit zum ersten römischen Kaiser machte, zu befassen.

Ein Aspekt, der diesen Zeitraum so spannend macht, ist etwa, dass über kaum eine historische Gestalt des Altertums so viel überliefert ist wie über Kleopatra – sie selbst sorgte dafür, dass dieses Ringen um die Macht von Anfang an mythisch aufgeladen war. Auch Octavian und Antonius leisteten dazu allerdings ihren Beitrag. Octavian nannte sich den Vorkämpfer Apollos, des Gottes der Vernunft, gegen die Mächte der rohen, berauschten Irrationalität. Er behauptete, dieser Krieg sei ein Kampf des Westens gegen den Osten. Des Anstands gegen die Unmoral. Der Männlichkeit gegen die weibliche Herrschsucht. Heute neigt man dazu, diese Kategorien anders zu deuten, und verweist gerne auf den Antiorientalismus, den Rassismus und die Misogynie von Octavians Propaganda.

Die Haltung von Antonius und Kleopatra ist nicht ganz so einfach zu rekonstruieren, aber auch dazu enthalten die Quellen einige Hinweise. Kleopatra stilisierte sich als Anführerin des Widerstands gegen Rom, als Vorkämpferin des gesamten östlichen Mittelmeerraums, und betonte den gerechten Zorn gegen den arroganten Eindringling aus dem Westen. Mehr noch, sie behauptete, sie sei eine Erlöserin, die irdische Verkörperung der Göttin Isis, und ihr Sieg werde ein Goldenes Zeitalter einläuten. Stolz darauf, ihr Gefährte zu sein, verkündete Antonius, er sei beseelt vom Gott Dionysos, der einst Asien erobert hatte. In seinen Augen war Octavian nicht nur eifersüchtig, sondern gottlos. (Dass Dionysos zugleich der Gott des Alkohols war, war für Octavians Propagandachefs natürlich ein gefundenes Fressen.) Antonius betrachtete sich als Verteidiger des römischen Adels und des Senats gegen einen tyrannischen Emporkömmling von niederer Geburt. Kleopatra wiederum sah sich als Beschützerin der 300 Jahre alten Dynastie der Ptolemäer. Beide wussten: Wenn es ihnen nicht gelang, Octavian Einhalt zu gebieten, riskierten sie, alles zu verlieren, was sie für sich und ihre Kinder aufgebaut hatten.

Dieses Buch zeichnet die Schlacht bei Actium so detailliert wie möglich nach, und es beinhaltet erstmals eine Rekonstruktion des eigentlichen Wendepunkts in diesem Krieg – eines Gefechts, das erstaunlicherweise schon rund ein halbes Jahr vor Actium stattfand: Ich werde die operativen Details dieses wagemutigen Angriffs durch Agrippa rekonstruieren – mit dem Antonius überhaupt nicht gerechnet hatte. Viele interessieren sich besonders für die offenen Feldschlachten der Geschichte, aber oft waren und sind es die unkonventionellen, überraschenden Taktiken, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmach(t)en. Im Ptolemäischen Krieg beispielsweise spielte der abgesetzte König von Mauretanien, der in einem abgelegenen Hafenstädtchen auf der Peloponnes saß, eine ganz entscheidende Rolle. Antonius, Kleopatra und Octavian waren dort überhaupt nicht dabei.

Doch so wichtig Agrippas Angriff auch war: Man muss ihn im Kontext eines nicht-militärischen Konflikts sehen, der zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Jahr lang schwelte. Denn der Ptolemäische Krieg war mehr als eine Reihe blutiger Schlachten, mindestens ebenso wichtig waren politische Manöver, diplomatische Winkelzüge, die Manipulation der öffentlichen Meinung, gezielter wirtschaftlicher Druck – und Sex.

Antonius begegnet uns in einigen neueren biografischen Abhandlungen als eine viel beeindruckendere Persönlichkeit als bislang. So erscheint sein Partherfeldzug in den Jahren 36 bis 34 v. Chr. dank der jüngeren Quellenkritik in einem neuen Licht. Früher galt er als desaströser Fehlschlag, doch offenbar zielte dieser Feldzug nur indirekt auf das Partherreich ab, und auch wenn er nicht von Erfolg gekrönt war: Ein Desaster war er noch lange nicht, und die diplomatischen Nachwirkungen ermöglichten es Antonius, viel von dem, was er verloren hatte, wiederzugewinnen. Allerdings lässt es gerade dieser Erfolg umso erstaunlicher erscheinen, dass er bei Actium unterlag.

Der Ptolemäische Krieg endete mit einem Siegesdenkmal aus Bronze und Stein auf einem Hügel am Meer und einer neuen Stadt am Fuße dieses Hügels. Doch der Konflikt, der diesen Krieg auslöste, nahm seinen Anfang mehr als zehn Jahre früher. In Rom.

Teil 1

DIE SAAT DES KRIEGES

44–32 v. Chr.

Kapitel 1

Der Weg nach Philippi

Rom und Philippi, 44–42 v. Chr.

Die Schlacht bei Actium im Jahr 31 v. Chr. hatte ihre Wurzeln in Ereignissen, die bereits einige Jahre zurücklagen. Der ursprüngliche Auslöser war ein Krieg, der 49 v. Chr. begann, als Iulius Caesar mit seinen Legionen den Rubikon überquerte, einen kleinen Fluss, der die Grenze zwischen der Militärzone Gallien und dem zivilen Italien markierte. Mit dieser Aktion brach Caesar einen Bürgerkrieg vom Zaun, der vier Jahre dauerte. Er besiegte alle seine Feinde und ließ sich schließlich zu Roms dictator perpetuus ernennen, zum „Alleinherrscher ohne zeitliche Begrenzung“, was bei der alten römischen Elite für so viel Unmut sorgte, dass sich mehrere Senatoren zusammentaten und ihn am 15. März 44 v. Chr. während einer Senatssitzung in Rom erstachen: die berüchtigten Iden des März.

Die Attentäter glaubten, sie hätten die Republik wiederhergestellt, doch in Wirklichkeit sorgten sie lediglich dafür, dass sich die streitbaren Anhänger Caesars zusammenrauften und eine Koalition eingingen. Bis es so weit war, dauerte es über ein Jahr. In diesem Jahr kam es zunächst zu mehreren bewaffneten Konflikten, die eine Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens schufen. Bereits im April 44 v. Chr. kreuzten sich kurzzeitig die Wege der Protagonisten dieser späteren Koalition. Es war der Monat nach der Ermordung Caesars, es war regnerisch, und die frühlingshafte Blütenpracht wurde überschattet vom Tod.

In diesem April 44 v. Chr. trafen sich also in und um Rom sämtliche Hauptakteurinnen und -akteure der Politik der nächsten anderthalb Jahrzehnte. Sie sollten in der Folge nicht nur die Geschicke Roms bestimmen, sondern die des ganzen Mittelmeerraums. Marcus Antonius war zu dieser Zeit einer der zwei Konsuln, der höchsten Amtsträger Roms. (Sein Kollege hatte weitaus weniger Autorität als er.) Kleopatra war die Königin von Ägypten und damit die Herrscherin des reichsten unabhängigen Königreichs im Einflussbereich Roms. Octavian war gerade erst mittels posthumer Adoption zum Sohn Caesars und Erben eines Großteils von dessen enormem Vermögen ernannt worden. Seine ältere Schwester Octavia war mit einem bedeutenden römischen Politiker und Ex-Konsul verheiratet, aber das sollte sich in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Und schließlich war da noch Agrippa, Octavians Jugendfreund und treuer Gefährte, der später zu seinem unentbehrlichen Admiral aufsteigen sollte. Diese Männer und Frauen waren drauf und dran, in ganz unterschiedliche Winkel der römischen Welt aufzubrechen, doch sie alle würden sich irgendwann wiedersehen. Die meisten von ihnen dreizehn Jahre später im Umfeld der Schlacht bei Actium.

Als Erste reiste Kleopatra aus Rom ab. Die 25-jährige Königin hatte bereits zwei Jahre zuvor in einer Mischung aus Geschäfts- und Vergnügungsreise die Stadt besucht. Dass ausländische Herrscher nach Rom kamen, war an sich nicht ungewöhnlich, aber bei Kleopatra ging es nicht nur um Diplomatie: Sie war die Geliebte Caesars. Nachdem die zwei in Ägypten eine Affäre begonnen hatten, hatte sie 47 v. Chr. einen Sohn zur Welt gebracht. Er hieß Ptolemaios Kaisar (= Caesar), ist heute aber eher unter seinem Spitznamen Caesarion („Klein-Caesar“ oder „Caesarlein“) bekannt. Kleopatra behauptete, Caesar sei der Vater, was der dictator selbst aber weder zugeben noch dementieren wollte. Gut möglich, dass sie den Jungen mit nach Rom brachte. Offenbar war sie nun erneut von Caesar schwanger, erlitt später jedoch eine Fehlgeburt.1

Dennoch verließ Kleopatra Rom nicht sofort nach den Iden des März. Sie war ja nicht nur eine trauernde Geliebte, sondern auch eine Königin, und um Ägyptens willen musste sie sicherstellen, dass Rom auch unter seinen neuen Herrschern ihrem Land freundlich gesinnt blieb, egal wer diese neuen Herrscher waren. Während ihres Aufenthalts in Rom hatte sie viele prominente Persönlichkeiten kennengelernt, darunter auch Marcus Antonius.

Antonius war einer von Caesars besten Generälen. Er war der Spross einer führenden, wenn auch nicht sonderlich hoch angesehenen Adelsfamilie. Mit seinen 39 Jahren war er der Älteste der Runde. Er war im Herzen Soldat, aber zugleich ein begabter Redner. Allerdings war er kein Revolutionär, und er hatte mehr Respekt vor den traditionellen Institutionen der Republik als manch anderer. Dennoch war er auch kein konservativer Prinzipienreiter.

Mit seinen 18 Jahren war Octavian ein politisches Wunderkind. Väterlicherseits stammte er aus dem italischen Großbürgertum, aber die Mutter seiner Mutter gehörte einem der großen römischen Adelsgeschlechter an, den Juliern. Iulius Caesar war sein Großonkel und nahm den Jungen unter seine Fittiche, nachdem Octavian im Alter von vier Jahren seinen Vater verloren hatte. Im Herbst 45 v. Chr., sechs Monate vor seinem Tod, änderte Caesar sein Testament zu Octavians Gunsten und schickte den Achtzehnjährigen anschließend über die Adria, damit er mithalf, einen für 44 v. Chr. geplanten Feldzug im Osten zu organisieren. Als er von Caesars Ermordung erfuhr, kehrte Octavian ganz diskret mit einem Gefolge nach Rom zurück, und diesem Gefolge gehörte auch Agrippa an. So jung Octavian war, so machthungrig war er. Antonius ärgerte sich maßlos darüber, dass es dem „Knaben“ gelungen war, sich mithilfe von Caesars Testament aus dem Stand ganz nach oben zu katapultieren, und er war wild entschlossen, Octavian in seine Schranken zu weisen.

Schon da und dort, im Frühjahr 44 v. Chr. in Rom, werden diese drei Männer und zwei Frauen gewusst haben, dass ihr Ehrgeiz sie entweder zusammenschweißen oder aber entzweien würde. Doch keiner von ihnen konnte ahnen, welche dramatischen Verwicklungen ihnen bevorstanden.

Der Aufstieg des Marcus Antonius

Im April 44 v. Chr. verließen Caesars Attentäter Italien und reisten in unterschiedliche Provinzen. Einige regierten bzw. verwalteten die jeweilige Provinz, andere befehligten dort Armeen. Einige rekrutierten Finanziers, andere politische Verbündete. Aber alle bereiteten sie sich auf die unausweichliche Auseinandersetzung mit den Anhängern des verstorbenen dictator vor. Derweil scharten sich in Rom die Politiker um Antonius und Octavian.

Es ist nicht ganz einfach, Antonius’ Perspektive auf diese Ereignisse nachzuzeichnen. In den meisten Geschichtswerken, die nach Actium geschrieben wurden, steht der Sieger Octavian im Vordergrund, nicht der besiegte Antonius. Als Quellen seiner Kommunikationsstrategie haben wir lediglich einige Münzen, die in seinem Namen ausgegeben wurden; und mit Ausnahme einiger weniger Zitate aus seinen Briefen ist von ihm nichts Schriftliches erhalten, seine eigenen Werke sind verloren. Die wichtigste erhaltene literarische Quelle zu ihm ist Plutarchs († nach 120 n. Chr.) Biografie: Im Leben des Antonius, der denkwürdigsten seiner fünfzig auch als Parallelviten bekannten Biografien, zeigt sich der meisterhafte Schriftsteller in Höchstform. Im Jahr 1607 verwendete Shakespeare diese Quelle als Grundlage für sein Drama Antonius und Cleopatra. Gleichwohl: Plutarchs Text muss man mit Vorsicht genießen. Zunächst einmal schrieb er mehr als hundert Jahre nach Antonius’ Tod. Und auch wenn er ältere Quellen zurate zog, um beide Seiten des Konflikts nachzuvollziehen, steht Plutarch eindeutig aufseiten der offiziellen „augusteischen“ Interpretation. Außerdem hat er seine eigene literarisch-philosophische Agenda und neigt hier und da zu kreativem Erfindungsreichtum oder Übertreibung. Im 9. Buch der Parallelviten stellt Plutarch dem Antonius den Makedonen Demetrios I. Poliorketes (337–283 v. Chr.) gegenüber, der als großer, aber gescheiterter König und Feldherr in die Geschichte einging.

Als Quelle noch problematischer sind die vierzehn Philippischen Reden gegen Antonius, die 43 v. Chr. von seinem politischen Gegner Marcus Tullius Cicero verfasst wurden. Diverse Geschichtswerke aus der Kaiserzeit beinhalten ebenfalls Informationen über Antonius – die wichtigsten sind die Schriften von zwei römischen Bürgern aus dem griechischen Osten: Appian aus Alexandria († ca. 165 n. Chr.) und Cassius Dio aus Bithynien im Nordwesten der heutigen Türkei († ca. 235 n. Chr.).

Wer zwischen den Zeilen liest, kann aus diesen Quellen Antonius’ Version der Geschehnisse rekonstruieren, aber nie so detailliert wie die seines siegreichen Rivalen Octavian, aus dem schon bald Augustus, Roms erster Kaiser, werden sollte. Selbst 2000 Jahre später beschäftigt man sich noch mit Augustus und will wissen, wie ihm sein rasanter Aufstieg gelang. Antonius hingegen sieht man heutzutage höchstens noch als abschreckendes Beispiel.

Marcus Antonius wurde an einem 14. Januar um das Jahr 83 v. Chr. in eine römische Adelsfamilie hineingeboren. Die Antonii waren erfolgreich, aber skandalumwittert, und Antonius blieb dieser „Linie“ treu. Sein Großvater väterlicherseits, der ebenfalls Marcus hieß und ein angesehener Redner und Anwalt war, bekleidete beide höchsten römischen Ämter: den Konsulat und das Zensorenamt. Doch 87 v. Chr., während des Bürgerkriegs zwischen den römischen Generälen Gaius Marius und Lucius Cornelius Sulla, wurde er ermordet. Zuvor soll er untergetaucht sein, doch seine Schwäche für Wein sorgte dafür, dass er seine Deckung verlor. Der alte Mann wurde enthauptet, und sein Kopf wurde zusammen mit denen anderer prominenter Opfer an die Rednertribüne auf dem Forum Romanum genagelt – wie die abgetrennten Köpfe von Antonius’ Großvater und Onkel mütterlicherseits.

„Unser“ Antonius wuchs gewissermaßen im Schatten seiner toten Verwandten auf. Sein Vater, der ebenfalls Marcus Antonius hieß, erhielt das Kommando über einen Feldzug gegen die mit Piraten im Bunde stehende Insel Kreta. Dabei erlitt er eine dermaßen verheerende Niederlage, dass man ihm den Beinamen „Creticus“ verpasste, der ihn ironisch als „Eroberer von Kreta“ auswies. Er starb kurze Zeit später.

Nach dem Tod des Vaters heiratete Antonius’ Mutter Iulia einen Patrizier, und dieser wurde ein Jahr nach seiner Amtszeit als Konsul wegen unmoralischen Verhaltens aus dem Senat ausgeschlossen. Im Jahr 63 v. Chr. beteiligte er sich an der sogenannten Catilinarischen Verschwörung, einem Staatsstreich, angezettelt von abtrünnigen Politikern. Er wurde denunziert und verhaftet und auf Befehl des damaligen Konsuls Cicero ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. Von da an war Cicero Antonius’ persönlicher Feind.

Der junge Antonius sah gut aus, er war energisch, sportlich und charmant – er hatte Charisma. Hin und wieder ließ er sich einen Bart stehen, um wie der Halbgott Herkules auszusehen, der mythische Vorfahr seiner Familie. In seinem Verhalten spiegelte sich diese edle Abstammung allerdings ganz und gar nicht wider. In Rom war Antonius berüchtigt für seine Trinkgelage, seine Frauengeschichten, seine Schulden und die zwielichtigen Gestalten, mit denen er sich abgab. Erst mit Mitte zwanzig wurde er etwas ruhiger. Er studierte in Griechenland Rhetorik, und zwischen 58 und 55 v. Chr. tat er sich als Kavalleriekommandant im Osten hervor. Dort nahm er bei einer Belagerung zum ersten Mal an einem bewaffneten Kampf teil: Er war der erste Mann auf der Mauer und stellte damit seine große Tapferkeit unter Beweis. Mehrere militärische Einsätze folgten. Als Offizier machte er sich bei seinen Soldaten beliebt, indem er mit ihnen zusammen die Mahlzeiten einnahm.

Antonius leistete Caesar in Gallien gute Dienste. Er war unter anderem Caesars Quästor (Finanzbeamter und Gehilfe), und aufgrund ihrer engen Zusammenarbeit schuldete er seinem Dienstherrn lebenslange Loyalität (fides). Als Antonius 50 v. Chr. nach Rom zurückkehrte, bekleidete er das Amt des Volkstribuns. Jedes Jahr wurden zehn Volkstribunen gewählt, die die Interessen der einfachen Bürger vertreten sollten. Antonius versuchte, den Senat davon abzuhalten, Caesar in Gallien durch einen anderen Statthalter zu ersetzen und seine Verhaftung anzuordnen, doch er hatte keinen Erfolg. Also flüchtete er aus Rom und zu Caesar.

Während des Bürgerkriegs (49–45 v. Chr.), der begann, als Caesar den Rubikon überschritt, erwies sich Antonius als hervorragender General und gewiefter politischer Akteur. Ihm wurden wichtige Aufgaben übertragen: Antonius organisierte die Überfahrt von Caesars Legionen von Italien über die vom Feind kontrollierte Adria und stellte vom römischen Makedonien aus die Verbindung zu Caesar her. Seine größten Lorbeeren erwarb er sich aber am 9. August 48 v. Chr in der Schlacht von Pharsalos in Mittelgriechenland, dem entscheidenden Gefecht gegen Caesars Rivalen Gnaeus Pompeius Magnus (106–48 v. Chr.), wo er die linke Flanke befehligte. Nachdem Caesars Veteranen Pompeius’ Reihen durchbrachen, verfolgte Antonius’ Kavallerie den fliehenden Feind.

Doch trotz all seiner militärischen Erfolge hatte Antonius am Ende nie wirklich das Sagen. In der Politik hatte er überhaupt kein glückliches Händchen. Nach Pharsalos kehrte er auf Caesars Befehl nach Rom zurück, während Caesar selbst noch ein Jahr im Osten blieb, und diente dort als magister equitum (Oberbefehlshaber der Kavallerie) und damit als Stellvertreter Caesars. Jetzt nahm er den ausschweifenden Lebensstil seiner Jugend wieder auf, und das mit großer Hingabe. Die Quellen sprechen von dekadenten Feiern und von Löwen gezogenen Wagen, von durchzechten Nächten, nach denen er sich in aller Öffentlichkeit auf dem Forum erbrach. Auch seine Affäre mit einer Schauspielerin und ehemaligen Sklavin, die den Künstlernamen Cytheris („Venusmädchen“) trug, blieb niemandem verborgen, da sich die beiden gemeinsam in einer Sänfte durch die Straßen Roms tragen ließen.

Antonius hatte in Rom weder im zivilen noch im militärischen Bereich die Lage unter Kontrolle. Als die Befürworter eines allgemeinen Schuldenerlasses und einer Mietpreisbremse auf die Straßen gingen und randalierten, floss Blut: Antonius schickte Soldaten auf das Forum – die 800 Menschen töteten. Unterdessen meuterten einige von Caesars altgedienten Legionären, die nun wieder in Italien waren. Sie forderten ihren Sold und ihre Entlassung. Als Caesar im Herbst nach Rom zurückkehrte, brachte er die Proteste zum Ende und erklärte sich bereit, die Mieten zu senken; von einem Schuldenerlass wollte er jedoch nichts wissen. Caesar rügte Antonius vor dem versammelten Senat, doch wenig später verzieh er ihm.

Antonius wurde wieder ruhiger, als er sich scheiden ließ und wieder heiratete, diesmal eine zweimal verwitwete Adlige namens Fulvia. Verglichen mit den anderen einflussreichen Römerinnen dieser Zeit war sie eine Klasse für sich. Fulvia rekrutierte ihre eigene Armee, und wenn man der Propaganda ihrer politischen Gegner glauben kann, trug sie zu einem Zeitpunkt sogar selbst ein Schwert und kommandierte persönlich ihre Truppen. Aber vor allem kämpfte sie mit Worten. Fulvia war durch und durch eine Anhängerin des einfachen Volkes. Sie war dreimal verheiratet, jedes Mal mit einem volksnahen Politiker: Zuerst heiratete sie den Demagogen und Straßenkämpfer Publius Clodius Pulcher, dann den Volkstribun Gaius Scribonius Curio, der Caesar unterstützte, und schließlich Antonius. Gerade diese Ehe sollte sich als besonders schicksalhaft erweisen. Es war nicht so, dass Fulvia ihren Mann kontrollierte, wie Antonius’ Feinde behaupteten. Sie war eine starke Frau, und ganz bestimmt stärkte sie ihm den Rücken. Und mit ziemlicher Sicherheit gab sie das politische Know-how, das sie sich bei ihren beiden früheren Ehemännern abgeschaut hatte, an Antonius weiter. Keine Frage: Antonius profitierte von dieser Partnerschaft.

Bei den Ereignissen des schicksalhaften Jahres 44 v. Chr. spielte Marcus Antonius eine entscheidende Rolle. Er und Caesar waren die Konsuln jenes Jahres, und beim Lupercalien-Fest am 15. Februar in Rom bot er seinem Amtskollegen auf dem Forum Romanum die Königskrone an – unter den Augen einer schockierten Menschenmenge.2 Caesar lehnte sie demonstrativ ab, zweimal hintereinander.

Bei einer Senatssitzung an den Iden des März, dem 15. März, wurde Caesar von einer Gruppe von Attentätern getötet, die von Marcus Brutus, Gaius Cassius Longinus und Decimus Brutus angeführt wurde.3 Hätte Antonius wie üblich neben seinem Kollegen im Senat gesessen, wäre es ihm vielleicht gelungen, die Mörder lange genug abzuwehren, bis einige loyale Senatoren Caesar hätten zu Hilfe eilen und das Leben retten können. Aber Antonius wurde außerhalb des Senatsgebäudes von einem der Verschwörer aufgehalten, sodass Caesar allein auf dem Podium saß und niemand die Mörder abhielt, als sie ihn umzingelten und auf ihn einstachen.

Antonius floh nach dem Attentat für kurze Zeit aus Rom. Angeblich tauschte er dazu seine Toga gegen die Tunika eines Sklaven ein – aber das ist sicher nichts als üble Nachrede. In den Entwicklungen der folgenden Woche spielte er eine Schlüsselrolle. Er überredete die aufgebrachten und bewaffneten Anhänger Caesars, die Attentäter, die sich auf dem Kapitolshügel verschanzt hatten, nicht anzugreifen, und steuerte den Senat in Richtung eines Kompromisses zwischen Caesars Anhängern und Feinden: Den Caesarmördern wurde Amnestie gewährt, aber alle von Caesar als dictator getroffenen Regelungen blieben inkraft. Er setzte erfolgreich durch, dass der Senat den allseits verhassten Titel des dictator abschaffte. Und er hatte den Vorsitz bei Caesars Bestattung, die dermaßen emotional geriet, dass sie in Ausschreitungen ausartete. Der Mob lynchte einen vermeintlichen Attentäter (der in Wirklichkeit lediglich ein Namensvetter eines der Attentäter war), und die anderen Caesarmörder waren so eingeschüchtert, dass sie aus Rom flohen.

Antonius war in seinen besten Jahren, und er war bereit, Caesars politisches Erbe anzutreten. Doch Caesar hatte ein Testament hinterlassen, und darin vermachte er seinen Namen und den größten Teil seines Vermögens Octavian. Kein Zweifel, dass sich Antonius darüber maßlos ärgerte. Octavian war mit Caesar verwandt, aber das war Antonius auch – sie waren zwar nur entfernte Cousins, aber immerhin. Wie viele Male hatte Antonius auf dem Schlachtfeld für Caesar sein Leben riskiert und ihm zum Sieg verholfen! Octavian hingegen war in militärischer Hinsicht noch völlig unerfahren.

Der Aufstieg Octavians

Er wurde am 23. September 63 v. Chr. geboren. Aber wer ist er eigentlich? Schon der Name Octavian ist eigentlich nicht korrekt. Geboren wurde er als Gaius Octavius. Nachdem er der posthumen Adoption durch Caesar (wie in dessen Testament vorgesehen) zugestimmt hatte, hieß er Gaius Iulius Caesar Octavianus. Besser gesagt: Nach den üblichen Gepflogenheiten der römischen Namensgebung hätte er so heißen müssen. Aber er lehnte den Namen Octavianus ab und bestand darauf, dass man ihn Caesar nannte. Die meisten Historiker nennen ihn heute trotzdem Octavian, allein um ihn von Caesar zu unterscheiden, allerdings nur bis zum Jahr 27 v. Chr., als er 35 Jahre alt wurde. In jenem Jahr nahm er den Titel an, unter dem er heute am besten bekannt ist: Augustus. Das ist alles ziemlich kompliziert, aber das war der Mann hinter den Namen ebenfalls.

Sein Vater, der ebenfalls Gaius Octavius geheißen hatte, war wohlhabend und ehrgeizig gewesen, aber kein Adliger. Er stammte auch nicht aus der Hauptstadt, sondern aus einer Kleinstadt südlich von Rom. Seine Eintrittskarte in die feine Gesellschaft war die Heirat mit Iulius Caesars Nichte Atia gewesen, doch er starb ganz unerwartet, als Octavian vier Jahre alt war. Atia heiratete bald wieder und gab ihren Sohn fort zu ihrer Mutter Iulia. So kam es, dass Octavian bei seiner Großmutter aufwuchs, deren Bruder gerade Gallien eroberte und zum wichtigsten Mann in Rom avancierte.

In Octavians Jugend krempelte Caesar die selbstverwaltete Republik Rom komplett um. Institutionen wie Versammlungen, Gerichte, gewählte Beamte und der Senat sollten eigentlich dafür sorgen, dass sich das Volk und die Eliten die staatliche Macht teilten. Aber das funktionierte nur in der Theorie. In der Praxis hatte die Republik einem machthungrigen Feldherrn wie Caesar und den Zehntausenden Soldaten, die ihm treu ergeben waren, nichts entgegenzusetzen.

Rom schien in einem Labyrinth politischer, militärischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, kultureller und administrativer Unmöglichkeiten gefangen. Nur jemand, der das Römische Reich zu zähmen vermochte, war in der Lage, ihm dauerhaften Frieden zu bringen. Caesar war das nicht – er war ein Eroberer, kein Erbauer. Aber wenn Caesar dazu nicht in der Lage war, wer dann?

Caesar hatte, wie erwähnt, wahrscheinlich mit Kleopatra Caesarion gezeugt, aber einen legitimen Sohn hatte er nicht. Prinzipiell kann es durchaus sein, dass Kleopatra das römische Bürgerrecht besaß (wie ihr Vater), aber in den Augen der Öffentlichkeit war sie nun einmal in erster Linie die Königin von Ägypten. Anstelle von Caesarion machte Caesar Octavian zu seinem Erben.

Der ehrgeizige Octavian war der geborene Politiker: intelligent, charmant und stets umsichtig in seiner Wortwahl. Er sah gut aus, hatte helle Augen und leicht gelocktes blondes Haar. Von der Statur her war er eher klein und wirkte ein wenig zerbrechlich und auf den ersten Blick nicht sonderlich imposant, doch das machte seine Charakterstärke mehr als wett. Obwohl er nicht gerade der geborene Soldat war, war er doch zäh, gerissen, mutig und hatte einen eisernen Willen. Und mit Atia hatte er eine Mutter, die bei jeder Gelegenheit darauf hinwies, welch große Stücke er auf Caesar hielt.

Ein prominenter junger Mann wie Octavian hatte naturgemäß viele Freunde, und einer dieser Freunde sollte sein Leben lang als Octavians rechte Hand auftreten: Marcus Agrippa. Er stammte wie Octavian aus einer wohlhabenden italischen Familie, aber ohne Verbindung zum römischen Adel.

Agrippa besaß jede Menge praktisches Geschick; er war mutig, durchsetzungsstark und vor allem loyal. Octavian besaß die Gabe, andere Männer dazu zu bringen, sich ihm anzuschließen. In Agrippas Fall überredete er Caesar, Agrippas Bruder aus der Gefangenschaft zu entlassen, obwohl der gegen Caesar gekämpft hatte, und Agrippa sah sich Octavian dafür auf ewig zu Dank verpflichtet.

Der junge Octavian hatte in seinem Umfeld diverse Menschen, von denen er sich abschauen konnte, wie man andere hinters Licht führte. Seine Mutter, die sich einen Unterschlupf bei den Vestalinnen erschwindelte, als der Senat sie als Geisel nehmen wollte. Seine Schwester Octavia, die sicherlich einen gewissen Anteil an der überraschenden Wandlung ihres Ehemanns Marcus Antonius hatte – er wurde von einem entschiedenen Feind ihrer Familie zu einem fügsamen Freund. Seinen Stiefvater, einen ehemaligen Konsul, der den Bürgerkrieg überlebte, ohne sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen. Seine Urgroßmutter und seine Großmutter,4 die gemeinsam vor Gericht aussagten, eine ihrer Schwägerinnen habe Ehebruch begangen, und so dem Familienvorstand Caesar ersparten, sich in der Öffentlichkeit die Hände schmutzig zu machen, um die Scheidung durchzusetzen. Und last, not least Iulius Caesar selbst, einen der seit jeher größten Meister der Täuschung. Sich eine Stunde lang mit Caesar zu unterhalten, war sicher lehrreicher als ein Semester lang bei einem Professor Vorlesungen zu besuchen. Und Octavian tat das viele Stunden lang.

Zunächst übertrug Caesar dem jungen Octavian eine Reihe öffentlicher Aufgaben. 46 v. Chr. marschierte dieser als Siebzehnjähriger sogar in Caesars Triumphzügen in Rom mit – eine Ehre, die normalerweise dem Sohn eines siegreichen Feldherrn vorbehalten war. Im Jahr darauf nahm Octavian am Feldzug seines Großonkels in Hispanien teil. Caesar war von dem heranreifenden jungen Mann so beeindruckt, dass er sein Testament zu dessen Gunsten änderte. Das Dokument wurde bei den Vestalinnen in Rom hinterlegt und dort, soweit wir wissen, geheim gehalten.

Caesar plante einen dreijährigen Eroberungskrieg im Osten. Sein Ziel war es, Dakien (im heutigen Rumänien) zu erobern und eine frühere römische Niederlage gegen die Parther zu rächen, die einen Großteil des Nahen und Mittleren Ostens beherrschten – das Partherreich war das einzige Reich, das stark genug war, um Rom im Nahen Osten Paroli zu bieten. Caesar ernannte den achtzehnjährigen Octavian zu seinem magister equitum, eine Position, die ihm ein gewisses Ansehen verschaffte und ihm die Chance bot, sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Der Partherfeldzug sollte im März 44 v. Chr. beginnen, ungefähr im Dezember 45 v. Chr. verließ Octavian auf Caesars Befehl hin Rom, überquerte zusammen mit Agrippa die Adria und reiste zu Caesars militärischem Kommando im heutigen Albanien. Dort knüpfte Octavian nützliche Kontakte zu mehreren Legionskommandanten.

Doch die Iden des März änderten alles. Nach der Ermordung Caesars kehrte Octavian in aller gebotenen Vorsicht nach Rom zurück, begleitet von einigen von Caesars Partisanen und Soldaten.

Nach kurzem Zögern und entgegen dem Rat seiner Mutter und seines Stiefvaters akzeptierte Gaius Octavius die posthume Adoption durch Caesar. Er bestand darauf, von nun an als „Caesar“ angeredet zu werden. Seine Mutter war die Erste, die das tat.

Obwohl er erst achtzehn Jahre alt war, hatte sich Octavian ehrgeizige Ziele gesteckt. Nach seinen zahlreichen Lehrstunden bei Iulius Caesar war er bereit, das Forum Romanum im Sturm zu erobern. Es war, als wären durch einen plötzlichen Ruck alle Federn eines gewaltigen römischen Katapults in Bewegung gesetzt worden.

Allerdings stieß er auf mehrere Hindernisse. Antonius war Konsul und wollte Octavian aus dem Weg räumen, um sich selbst zu Caesars Nachfolger aufzuschwingen. Die konservativen Anhänger der Republik hatten ihrerseits keine Verwendung für Caesars Adoptivsohn – sie wollten sich des Erbes des dictator möglichst gründlich entledigen. Gleichzeitig wollte eine ganze Schar ehrgeiziger Römer Octavian dazu benutzen, ihre eigenen Pläne durchzusetzen.

Caesar war ein extrem wohlhabender Mann gewesen. Und Octavian wäre fast genauso reich geworden, hätte er die drei Viertel von Caesars Vermögen bekommen, die jener ihm testamentarisch vermacht hatte. Aber Antonius verwaltete den größten Teil dieses Vermögens und weigerte sich, Octavian seinen Teil auszuzahlen, mit der Begründung, erst müsse untersucht werden, wie viel von dem Geld überhaupt Caesar gehört habe und wie viel dem römischen Volk. Stattdessen finanzierte sich Octavian aus mehreren anderen Quellen: 1. Caesars Staatskasse in Apollonia (im heutigen Albanien), mit der der Partherkrieg subventioniert werden sollte – Octavian behauptete, dieses Geld ganz oder teilweise dem römischen Staat übergeben zu haben, behielt also wahrscheinlich einen Teil für sich; 2. Darlehen von Caesars Unterstützern, zu denen mehrere Bankiers und reiche Freigelassene zählten; 3. Geld, das er sich von seiner Mutter und seinem Stiefvater lieh; 4. dem Erlös aus dem Verkauf oder der Verpfändung seines eigenen Eigentums und jenes Teils von Caesars Eigentum, den er übernehmen durfte; und 5. jenem Viertel von Caesars Vermögen, das der dictator Octavians Cousins hinterlassen hatte. Das war alles in allem nicht wenig, aber nicht annähernd so viel wie die Reichtümer, die Antonius später im Osten anhäufen sollte.

Octavian hatte nur zwei Optionen: steiler Aufstieg oder tiefer Fall. Er war ein gewiefter junger Politiker mit glänzenden Aussichten, aber erst musste er die aktuelle Situation meistern. Wenn ihm das gelang, würde ihn nichts und niemand mehr aufhalten können. Und es gelang ihm; schließlich war Octavian nicht nur ein Römer, sondern ein Caesar. Antonius hatte Octavian einmal als Jüngelchen verspottet, das alles seinem Namen verdanke.5 Aber da irrte Antonius, denn das war gar nicht der Punkt: Octavian ging es nicht um den Namen an sich, sondern um das Erbe dieses Namens, die Tradition, für die er stand.

Octavian besaß ein ausgeprägtes Ehrgefühl, und das kam bei der römischen Öffentlichkeit, die großen Wert auf Ansehen und Leumund legte, sehr gut an. Im November 44 v. Chr., acht Monate nach der Ermordung Caesars, hielt Octavian auf dem Forum Romanum eine Rede, in der er seine rechte Hand in Richtung einer Statue von Iulius Caesar ausstreckte und verkündete, er wolle alle Ämter und Ehren seines Adoptivvaters erlangen. Dass ein Neunzehnjähriger dem Status des ersten römischen dictator perpetuus Roms nacheiferte, war schon bemerkenswert.

Etwa zur selben Zeit brachte er zwei besonders hartgesottene Legionen dazu, sich von Antonius abzuwenden und zu ihm überzulaufen. Octavians Agenten mischten sich unter die Soldaten und stachelten deren Empörung über Antonius’ Geiz und die allzu strenge Disziplin weiter an. Die Aktion war ein Lehrstück darin, wie man aus politischer Macht militärische Macht ableitet – eine Fähigkeit, die Octavian in den kommenden Jahren bis zur Perfektion verfeinern sollte. Zugleich demonstrierte sie sein mangelndes Interesse an republikanischen Traditionen. Rein rechtlich besaß er nämlich keinerlei Befugnis, Truppen aufzustellen. De facto handelte es sich bei seiner Armee um irreguläre Truppen.

Doch das hielt den letzten Löwen des römischen Senats nicht davon ab, Octavian zu unterstützen: Cicero, der große Staatsmann und Redner, hatte Caesars Diktatur stets verabscheut und sich daher auf die Seite der Attentäter geschlagen. Entsprechend wenig Veranlassung hatte er, dem Erben Caesars über den Weg zu trauen. Doch Octavian appellierte an Ciceros Hass auf dessen persönlichen und politischen Feind Antonius und schmierte dem eitlen alten Mann jede Menge Honig um den Bart. Und so ermächtigte der Senat mit Ciceros Unterstützung Octavian, sich mit seiner Privatarmee den beiden Konsuln im Kampf gegen Antonius anzuschließen.

Im April 43 v. Chr. lieferten sich die beiden Seiten bei Mutina (heute Modena) in Norditalien zwei Schlachten. Es war Octavians erste Feuerprobe, und nach dem ersten Gefecht behauptete Antonius, sein viel jüngerer Gegner habe versagt, und schimpfte ihn einen Feigling. Doch auch wenn Octavian kein geborener Soldat war – mutig war er. Als in der zweiten Schlacht der Adlerträger (aquilifer) seiner Legion verwundet wurde, schulterte er höchstpersönlich den Legionsadler. Wie überall, so bewies Octavian auch im Krieg eine enorme Selbstbeherrschung, bis dahin, dass er kaum Alkohol trank, nicht einmal in der ausgelassenen Gesellschaft seiner Soldaten.6

Wie es der Zufall wollte, starben die beiden Konsuln, kurz nachdem sie in den beiden Schlachten verwundet worden waren, und Octavian wurde zum Oberbefehlshaber der senatorischen Armeen ernannt. Kein Wunder, dass das Gerücht aufkam, er habe die Konsuln vergiftet.7

Antonius trat mit seinen überlebenden Soldaten den geordneten Rückzug an und marschierte über die Alpen nach Gallien, wo er bei den dortigen römischen Befehlshabern breite Unterstützung fand. Das war der Punkt, an dem Octavian beschloss, die Seiten zu wechseln. Er gab seine Unterstützung für Cicero und den Senat so schnell auf, wie er sie ihnen ein Jahr zuvor angeboten hatte. Octavian war zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Senat jetzt, da er Antonius besiegt und nach Norden über die Alpen verjagt hatte, gegen ihn wenden würde. Und tatsächlich unterstützte der Senat lieber die Caesarmörder. In Gallien schloss Antonius derweil ein Bündnis mit Marcus Lepidus, einem weiteren ehemaligen General Caesars. Dadurch erlangte er die Kontrolle über fast zwanzig Legionen – in etwa so viele, wie Octavian hatte. Als nun aber zwei der Caesarmörder, Marcus Brutus und Gaius Cassius, im Osten eine Armee aufstellten, um Caesars Partisanen zu bekämpfen, wurde Antonius und Octavian klar, dass es für sie besser war, sich zusammenzutun.

Und so einigten sie sich im Herbst 43 v. Chr. darauf, gemeinsam mit Lepidus Rom zu regieren und sich die Kontrolle über Legionen und Provinzen zu teilen. Ihre Regierung ging als Zweites Triumvirat in die Geschichte ein. Am 27. November 43 v. Chr. wurde in Rom ein Gesetz verabschiedet, das dem Triumvirat für fünf Jahre die Regierungsverantwortung überschrieb. Rom verfügte auch weiterhin über einen Senat und diverse andere Regierungsinstitutionen, aber in der Praxis herrschten die Triumvirn.

Brutus und Cassius wollten Rom zurückerobern, um die alte Republik, in der der Senat und der traditionelle Adel regiert hatten, wiederherzustellen. Um Senat und Adel zu bekämpfen, brauchten die Triumvirn Geld, und dieses Geld wollten sie sich einerseits durch Steuern, andererseits durch Raubmord und Erpressung verschaffen. Sie veröffentlichten lange Listen mit politischen Gegnern und persönlichen Feinden, in denen diese für vogelfrei erklärt wurden. Auf sie wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, ihr Vermögen wurde konfisziert. Die meisten dieser Männer waren Anhänger der alten Republik. Viele flohen, aber am Ende starben über 2000 der wohlhabendsten Römer: 300 Senatoren und 2000 Ritter. (Der Ritterstand rangierte in puncto Reichtum und Ehre gleich hinter den Senatoren.) Diese Listen nannte man proscriptiones („öffentliche Bekanntmachungen“), daher wird der ganze Vorgang heute als „Proskriptionen“ bezeichnet. Das berühmteste Opfer dieser Proskriptionen, die etwa anderthalb Jahre dauerten, war Cicero. Antonius wollte seinen Erzfeind unbedingt tot sehen. Octavian erzählte später, er habe sich für Cicero eingesetzt, aber falls das stimmt, hat er sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben.

Während des Triumvirats erhoben die Römer, die überleben wollten, es zu einer regelrechten Kunstform, sich alle Optionen offenzuhalten. Man bestach gleichzeitig mehrere rivalisierende Politiker, war zu allen Menschen gleich freundlich und ließ sich, was die eigene Meinung anging, höchstens zu ein paar vagen, zweideutigen Bemerkungen hinreißen. Manche Römer zogen sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurück; einige wenige hatten die Mittel und das Talent, sich statt der aktiven Politik dem Schreiben zu widmen. Hin und wieder sorgten hehre Prinzipien oder übersteigerter Ehrgeiz zwar dafür, dass jemand unverblümt Stellung bezog, aber so etwas war kaum von Dauer.

Selten in der Geschichte haben so viele mächtige Menschen so oft die Seiten gewechselt – und das aus gutem Grund: Es gab drei Triumvirn, aber nur Antonius und Octavian waren von Bedeutung, und jeden Tag veränderte sich das Gleichgewicht zwischen ihnen; heute war der eine obenauf, morgen der andere. Marcus Lepidus hatte weder die Macht noch den Ehrgeiz seiner beiden Kollegen. „Ein schwacher, unbrauchbarer Mensch“, sagt Antonius über Lepidus in Shakespeares Julius Cäsar,8 und im Prinzip bestätigt die Geschichte diese Sichtweise. Schließlich feuerte Octavian ihn und stellte ihn für den Rest seines Lebens unter Hausarrest.

Das Zweite Triumvirat war eine Zeit der Verräter und Abtrünnigen, der Überläufer und Doppelagenten. Die meisten Protagonisten wechselten irgendwann die Seiten, viele sogar mehrmals. Nur wenige waren während ihrer gesamten Karriere einem einzigen Anführer treu. Einer von Letzteren war Marcus Agrippa, der nie jemand anderen unterstützte als Octavian. Ein anderer Gaius Asinius Pollio, der General, Staatsmann und Geschichtsschreiber, der Octavians Angebot ablehnte, sich ihm anzuschließen und damit Antonius zu verraten.9 Kaum ein Römer konnte sich mit Pollio messen, was Hartnäckigkeit betraf oder seinen Erfolg als Überlebenskünstler, komme was wolle.

Philippi

Der Showdown gegen Brutus und Cassius fand 42 v. Chr. nahe der Stadt Philippi in Nordgriechenland statt, auf der Via Egnatia, einer großen Römerstraße. Antonius und Octavian waren die Kommandanten. Philippi weist viele typische Elemente der großen Schlachten jener Zeit auf. Römer kämpften gegen Römer, zugleich aber auch kämpfte Ost gegen West. Es war eine Landschlacht, an deren Ausgang jedoch Seestreitkräfte großen Anteil hatten. Die eine Seite hatte jede Menge Geld und Vorräte, die andere jede Menge Motivation und Entschlusskraft. Eines machte Philippi jedoch einzigartig: Während der römischen Bürgerkriege behauptete jedes Heer, im Namen der Republik zu kämpfen, aber hier in Philippi meinte Brutus es damit wohl tatsächlich ernst. Er befehligte das östliche Heer und war nicht nur Politiker, sondern auch Redner und Philosoph, und er war ein Mann, der für seine Prinzipien einstand.

Als die entscheidende Schlacht näherrückte, schrieb Brutus an Titus Pomponius Atticus, einen engen Freund Ciceros und scharfsinnigen Beobachter der römischen Politik, einen Brief, der von seiner Tapferkeit und Schicksalsergebenheit zeugt. Entweder würden sie das römische Volk befreien, so Brutus, oder sie würden sterben und so aus der Sklaverei befreit werden. Alles sei sicher, fügte er hinzu, nur der Ausgang des Konflikts nicht.10

Vor Philippi bezahlten Brutus und Cassius ihre Truppen mit Münzen, die sie zum Gedenken an das Attentat hatten prägen lassen. Die Vorderseite (Avers) stellt Brutus oder vielleicht auch einen seiner Vorfahren dar; die Rückseite (Revers) zeigt zwei Dolche wie die, mit denen Caesar getötet wurde, sowie eine phrygische Mütze, wie sie von ehemaligen Sklaven getragen wurde. Die Münzaufschrift lautet: „Iden des März“ (siehe Farbtafel 1).11 Die Symbolik war mehr als deutlich: Die Ermordung Caesars hatte Rom befreit. Diese seltene und wertvolle Münze ist die wohl berühmteste Münze des ganzen Altertums. Die meisten erhaltenen Exemplare sind aus Silber. Eine der wenigen Versionen aus Gold wurde 2020 für fast 3 Millionen Euro verkauft und stellte damit einen neuen Rekord als teuerste antike Münze auf.12Allerdings war die Schlacht, auch wenn es so scheinen mag, kein eindeutiger Fall von Gut gegen Böse. Brutus, Cassius und die anderen Mörder Caesars nannten sich „Befreier“, aber im Grunde waren sie Oligarchen. Sie hatten Caesar im Namen der Freiheit getötet, aber damit meinten sie die Freiheit einiger weniger elitärer Familien, die Macht über 50 Millionen Menschen hatten. Caesar war zwar ein dictator gewesen, aber auch ein Freund des Volkes, der einfache italische Bürger und hochrangige Bewohner der eroberten Provinzen zu seinen persönlichen Beratern ernannte. Caesar kümmerte sich kaum um irgendwelche Wahlen oder verfassungsrechtlichen Präzedenzfälle. Er setzte sich rücksichtslos über die Institutionen der Römischen Republik hinweg, aber diese Institutionen dienten nicht dem Volk, sondern in erster Linie der engstirnigen herrschenden Klasse. Die Zeit war reif für Veränderungen, und Caesar wusste das, doch er war nicht in der Lage, den nötigen Wandel ohne Arroganz, Gewalt und eine Diktatur herbeizuführen. Das Ergebnis war ein langwieriger Bürgerkrieg. Die Entscheidung, Caesar zu töten, war kurzsichtig, aber immerhin steckte dahinter ein gewisser Idealismus. In gewissem Sinne war Brutus also wirklich „der edelste aller Römer“, wie Shakespeare Antonius verkünden lässt.13

In Philippi standen die Chancen für Brutus und Cassius nicht schlecht. Zahlenmäßig waren sie gut ausgestattet, und sie verfügten über eine strategisch gute Position auf der Anhöhe oberhalb der Römerstraße. Die Berge schirmten ihre nördliche Flanke ab, ein Sumpfgebiet schützte ihre südliche Flanke. Cassius war ein exzellenter Befehlshaber, dem zudem noch Brutus zur Seite stand. Sie kontrollierten das Meer und hatten ihre Flotte vor einer Insel in der Nähe stationiert, und sie verfügten über einen Hafen unweit ihres Lagers, über den sie versorgt werden konnten. Octavian und Antonius hingegen hatten bereits Schwierigkeiten, mit ihren Truppen überhaupt die Adria zu überqueren.

Doch dann trat Kleopatra auf den Plan. Sie war 44 v. Chr. nach Ägypten zurückgekehrt, doch die wachsende Macht der Männer, die Caesar getötet hatten, im Osten wurde ein Problem. Sie setzte sich jedoch gegen den Druck, den Cassius und seine Truppen auf sie, die ägyptische Königin, ausübten, durch und verweigerte dem Römer die gewünschte finanzielle Unterstützung. Sie misstraute ihm aus zwei Gründen: weil er einer der Mörder Caesars war und weil er erwog, den Anspruch ihrer im Exil lebenden Schwester Arsinoë auf den ägyptischen Thron zu unterstützen. Während sich Antonius und Octavian Philippi näherten, kam Kleopatra ihnen mit einer kleinen Flotte zu Hilfe gesegelt. Einige ihrer Schiffe wurden in einem Sturm beschädigt, und Kleopatra selbst wurde krank – vielleicht auch nur seekrank – und musste nach Ägypten zurückkehren. Aber der Rest ihrer Flotte half Octavian und Antonius, indem sie die Schiffe der Republikaner aus Italien ablenkte und den beiden Männern so die Möglichkeit gab, mit einem Teil ihrer Truppen sicher über die Adria überzusetzen. Kleopatra plante den Bau einer neuen Flotte, aber dann überschlugen sich die Ereignisse.

Antonius und Octavian standen von vornherein unter Druck. Als sie Philippi erreichten, hatten sie schon nicht mehr genug Lebensmittel, um ihre 22 Legionen, denen viele Veteranen angehörten, zu versorgen. Brutus und Cassius hingegen waren so gut versorgt, dass es ganz so aussah, als könnten sie sich einfach zurücklehnen und zusehen, wie ihre Feinde verhungerten. Ihre Truppen wurden über den Marinestützpunkt, der ganz in der Nähe lag, mit Proviant versorgt. Doch der kühne, einfallsreiche Antonius wollte ihnen diesen Vorteil nehmen. Er ließ einen Damm über einen Sumpf anlegen und Befestigungen bauen, um den Feind zu überrumpeln und seine Versorgungsroute zu unterbrechen. Zunächst gelang es Antonius dank des hohen Schilfs im Sumpf, sein Vorhaben im Geheimen umzusetzen, aber schließlich bekamen seine Gegner doch mit, was da im Gange war, und Cassius ließ eine Mauer errichten, um Antonius einen Strich durch die Rechnung zu machen. Um den 3. Oktober herum wagte Antonius einen Angriff, durchbrach die Mauer und fiel in Cassius’ Lager ein. Eine große Schlacht begann, während derer Brutus umgekehrt das Lager von Octavian einnahm. Offenbar saß Octavian die Schlacht aus; zu seinem Glück war er bereits geflohen. Als man ihn später der Feigheit bezichtigte, erklärte Octavian, er sei krank gewesen und habe obendrein eine Vision gehabt, die ihn vor einer großen Gefahr gewarnt habe. Dass er krank war, klingt plausibel, denn Octavian hatte immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

Cassius schätzte das verworrene Schlachtgeschehen völlig falsch ein: Er dachte, Brutus sei besiegt worden, und beging Suizid. Und dadurch, durch seinen Tod, geriet diese erste Schlacht bei Philippi, obwohl sie im Remis endete, zu einem strategischen Desaster, da Brutus längst nicht so viel operative Erfahrung besaß wie sein Kollege.

Brutus misstraute der Loyalität von Cassius’ Männern, und er musste mindestens einmal miterleben, wie seine östlichen Verbündeten in großer Zahl von ihm abfielen. Der General, der das Königreich Galatien in Zentralkleinasien (in der heutigen Türkei) repräsentierte, lief mit seinen Truppen zu Antonius über. Dienstherr dieses Generals war Deiotaros, der ältliche König von Galatien, der in den römischen Bürgerkriegen schon zweimal die Seite gewechselt hatte. Man fragt sich unweigerlich, ob der skrupellose Deiotaros seinem Befehlshaber aufgetragen hatte, sich in Philippi auf die Seite des wahrscheinlichen Siegers zu schlagen. Brutus ließ sich zu einem tödlichen Fehler hinreißen: Er hätte Antonius und Octavian langsam aushungern und in der Zwischenzeit seine Seestreitkräfte neu formieren können, doch stattdessen griff er schon rund drei Wochen nach der ersten Schlacht, am 23. Oktober, wieder an – und erlitt eine Niederlage. Hinterher nahm er sich das Leben. Octavian hatte sich von seiner Krankheit erholt und gab den blutrünstigen Befehl, den toten Brutus zu enthaupten und seinen Kopf nach Rom zu schicken, um ihn als Zeichen der Rache zu Füßen einer Statue von Iulius Caesar abzulegen.

Der Architekt dieses entscheidenden Sieges bei Philippi war Antonius. Als er und Octavian das Imperium unter sich aufteilten, war es daher nur recht und billig, dass sich Antonius den reicheren Teil unter den Nagel riss. Er übernahm den Osten und wählte Athen als Regierungssitz, Octavian regierte von Rom aus den Westen, mit Ausnahme von Gallien, das weiterhin Antonius’ Befehl unterstand. Lepidus, der am wenigsten einflussreiche der drei Triumvirn, bekam lediglich das römische Afrika (in etwa das heutige Tunesien).

Augenscheinlich hatte Antonius damit das große Los gezogen. Der Osten des Römischen Reichs stellte mit seiner Landwirtschaft, seinem Kunsthandwerk, seinem Handel und seinen florierenden Städten eine einzigartige Steuerbasis dar. Allerdings hatte Rom einen Großteil des Ostens erst vor nicht allzu langer Zeit erobert, was Antonius vor einige diplomatische und administrative Herausforderungen stellte, ihm aber zugleich die Möglichkeit eröffnete, von den örtlichen Behörden im Gegenzug für seine Unterstützung „Geschenke“ zu kassieren. Außerdem bot sich ihm die Chance, mit einem Krieg gegen die Parther Caesars Vermächtnis zu vollenden und damit immensen militärischen Ruhm und politischen Einfluss zu erlangen. Abgesehen davon unterstand ihm, wie erwähnt, mit Gallien ja zusätzlich noch ein Teil des Westens.

Octavian im Westen verfügte über viel begrenztere Mittel, aber dank seiner Position in Italien war er in der Lage, geschickt die römische Politik zu steuern. Sein entscheidender Vorteil gegenüber Antonius waren die Bewohner Italiens. Römische Generäle rekrutierten ihre Legionäre in der Regel in Italien. Die Kontrolle darüber bot Octavian eine hervorragende Ausgangsbasis für Verhandlungen: Er konnte Legionäre gegen Geld eintauschen oder gegen Waffen, und nicht zuletzt konnte er mit diesem Geld Kriegsschiffe kaufen. Zunächst musste Octavian jedoch die Situation in Italien unter Kontrolle bringen, wo es inzwischen von Veteranen nur so wimmelte, die alle auf das Stück Land warteten, auf das sie Anspruch hatten.

Die Herausforderung, die vor ihm lag, hätte die Fähigkeiten des souveränsten altgedienten Politikers auf die Probe gestellt. Octavian war gerade einmal 22 Jahre alt.

Kapitel 2

Der Kommandant und die Königin

Ephesos, Tarsos, Alexandria und Perusia, 42–40 v. Chr.

Im Anschluss an Philippi reiste Antonius nach Süden, nach Athen, und verbrachte dort den Winter 42/41 v. Chr. Im Frühjahr setzte er über die Ägäis nach Ephesos über (in der heutigen Westtürkei), einer wichtigen Hafenstadt, die zugleich ein bedeutendes religiöses Zentrum war. Er hatte zwei Legionen bei sich. In Ephesos wollte er seine Anhänger um sich scharen, Geld sammeln und sich Unterstützung für seinen geplanten Feldzug sichern. Vor seinem Tod hatte Caesar einen Feldzug gegen die Parther geplant, und Antonius wollte da anknüpfen, wo Caesar aufgehört hatte. Ein Sieg würde ihm nicht nur die materiellen Ressourcen, sondern auch das nötige Prestige verschaffen, um in der römischen Politik den Ton anzugeben. Doch ein solcher Feldzug erforderte sorgfältige Planung, gründliche Vorbereitung und natürlich viel Geld. Und all das kostete Zeit.

Antonius begab sich auf eine Rundreise durch die wohlhabenden Städte des römischen Ostens. Er verschaffte loyalen Personen Machtpositionen und bestrafte jene, die mit Brutus und Cassius paktiert hatten, indem er sie zwang, Steuernachforderungen für die letzten zehn Jahre innerhalb von nur zwei Jahren zu begleichen. Er reiste weiter nach Osten und organisierte in den Staaten Zentralkleinasiens die politischen Strukturen nach seinen Vorstellungen neu. In einem der dortigen Königreiche, Kappadokien, hatte er eine Affäre mit der königlichen Kurtisane Glaphyra, zumindest wenn man Versen Glauben schenkt, die Octavian später schrieb.14 Glaphyra hatte einen Sohn von ihrem königlichen Liebhaber, und nach dessen Tod ernannte Antonius den Jungen zum König Kappadokiens.

Generell achtete Antonius auf sein öffentliches Image, trotz mancher Ausrutscher hier und da. Anscheinend kultivierte er zu dieser Zeit bereits seinen Ruf als „neuer Dionysos“, denn mit diesem Titel begrüßten ihn die Einwohner von Ephesos, als er ihre Stadt besuchte. Dionysos war in den letzten Jahrhunderten vor Christus einer der Lieblingsgötter von Königen und Eroberern gewesen, und das aus gutem Grund: Heute bringt man Dionysos vor allem mit Alkohol und orgiastischen Gelagen in Verbindung, aber für die Griechen war er nicht nur der Schutzherr des Weins, sondern vor allem der Gott der Befreiung, aber auch der Unterwerfung. Dem Mythos zufolge hatte Dionysos Asien erobert, und Alexander der Große war, so glaubte man, in die Fußstapfen des Gottes getreten, als er in das Perserreich eingefallen war. In jüngerer Zeit hatte sich Mithridates VI., der König von Pontos (reg. 120–63 v. Chr.) und ein ausgesprochener Feind Roms, als Dionysos gegeben. Ebenso König Ptolemaios XII. von Ägypten (reg. ca. 80–51 v. Chr.), den man auch „Auletes“ („Flötenspieler“) nannte – ein Spitzname, den er sich offenbar durch seine entsprechenden Auftritte bei Festen eingehandelt hatte. Er war ein echter Römerfreund. Und der Vater „unserer“ Kleopatra.