Die Gespräche der Aloisia Sigaea - Nicolas Chorier - E-Book

Die Gespräche der Aloisia Sigaea E-Book

Nicolas Chorier

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Beschreibung

"Die Gespräche der Aloisia Sigaea" gilt als einer der ersten erotischen Romane der Weltgeschichte und ist heute ein Klassiker dieses Literaturgenres.

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Die Gespräche der Aloisia Sigaea

(Aloysiae Sygeae Toletanae satira sotadica de arcanis Amoris et Veneris)

Nicolas Chorier

Inhalt:

Die Gespräche der Aloisia Sigaea

Erster Teil

Erstes Gespraech

Zweites Gespraech

Drittes Gespraech

Viertes Gespraech

Fuenftes Gespraech

Zweiter Teil

Sechstes Gespraech

Siebentes Gespraech.

Die Gespräche der Aloisia Sigaea , N. Chorier

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849608033

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Die Gespräche der Aloisia Sigaea

Erster Teil

Erstes Gespraech

Geplaenkel

TULLIA: Wie reizend, liebstes Bäschen, wie reizend ist es, dass endlich deine Hochzeit mit Caviceus verbrieft und abgemacht ist; denn die Nacht, die dich in seinen Umarmungen zur Frau machen wird, diese Nacht wird dir, glaube mir, die allerhöchste Wonne bringen – wenn anders Venus dich beglückt, wie deine himmlische Schönheit es verdient.

OCTAVIA: Heute früh hat meine Mutter mir gesagt, übermorgen würde sie mich mit Caviceus vermählen. Und wie ich sehe, wird bei uns zu Hause bereits alles mit grösster Sorgfalt gerüstet, was dazu erforderlich ist: das Bett, das Brautgemach usw. Aber dies flösst mir wahrhaftig weniger Freude als Furcht ein; denn was das für eine Wonne sein kann, von der du, geliebte Base, die ich höher halte als alle Wonnen, mir sprichst, das weiss ich nicht, ja, ich kann mir nicht einmal eine Vorstellung davon machen.

TULLIA: Dass du in deinem zarten Alter – du bist ja kaum fünfzehn – davon nichts weisst, ist durchaus kein Wunder, denn ich selber war bei meiner Heirat, obwohl ich damals älter war als du jetzt bist, völlig unwissend in diesen Dingen, die meine Pomponia mir in Aussicht stellte und auf Grund ihrer dreijährigen Erfahrung als etwas Köstliches pries.

OCTAVIA: Ah! dass du von diesen Dingen nichts gewusst hast – erlaube mir, in diesem letzten Augenblick vor dem Verlust meiner Mädchenfreiheit ein wenig freier zu sprechen – das wundert mich wirklich sehr! Denn wenn du sie auch natürlich aus eigener Erfahrung nicht kennen konntest, so hätte doch deine grosse Gelehrsamkeit dir die Zugänge zu diesem Allerheiligsten öffnen müssen. Wie oft höre ich, dass man mit begeistertem Lob deine Kenntnisse bis über die Wolken erhebt und von dir rühmt, du beherrschest die lateinische und griechische Litteratur und fast alle freien Künste so gründlich, dass du anscheinend alles wissest.

TULLIA: Ich danke es hauptsächlich meinem Vater, dass ich nach dem Ruhm strebte, ein gründlich gebildetes junges Mädchen zu sein, während fast alle anderen nur für schön und anmutig gelten wollen. Und man behauptet – denn man schmeichelt ja lieber als dass man die Wahrheit sagt – seine Mühe sei nicht ganz vergeblich gewesen.

OCTAVIA: Leute, die gewiss nicht schmeicheln wollen, behaupten auch, unsere Mitschwestern, die als gelehrt gelten und darin ihren Ruhm suchen, könnten kaum als züchtig und sittsam angesehen werden.

TULLIA: Wollen sie mir etwa meine Sittsamkeit abstreiten, wenn sie mich als gelehrt anerkennen?

OCTAVIA: Nein doch! Nichts hat dir so die allgemeine Bewunderung gewonnen, wie gerade das, dass deine guten Sitten, deine Keuschheit unter deiner Gelehrsamkeit nicht gelitten haben. Du stehst darum wie ein wahres Wundertier da! Aber wie ist es möglich, dass man die Musen, die doch selber für Jungfrauen gelten, der jungfräulichen Ehre gefährlich glaubt? Sie, die doch gleichsam Fackeln sind, an denen sich die Seelen entzünden, sie, die uns alle, Männer wie Weiber, zu grossem und löblichem Tun entflammen, sie sollen unsere Seelen beflecken? Gewiss missgönnen uns die Männer aus böswilliger und törichter Anmassung jene Schätze, mit denen sie selber prahlen, und haben in solcher Abgunst unseren Verkehr mit den Musen mit ihrem Fluch belegt. Gifte und schädliche Kräuter fliehen die Männer ebenso ängstlich wie wir, die sie das ›schwächere Geschlecht‹ nennen – denn ein Pestkeim, der uns das Leben rauben kann, kann auch ihnen es rauben. Wenn also für uns die gelehrte Bildung ein Gift, ein Pestkeim ist, wie sie verleumderischer Weise behaupten – wie kann denn ein so schlimmes Ding plötzlich völlig seine Natur ändern, sodass es den Männern zum Nutzen ist? Denn dass es ihnen zum Nutzen sei, leugnen sie nicht. Wenn ihrer Eigenart nach die Gelehrsamkeit für uns gleichsam eine Quelle alles Bösen und alles Unheils ist, wie kommt es dann, dass sie, die Männer, aus demselben Born den Nektar unsterblichen Ruhmes trinken – wir aber, wir unglücklichen, elenden Weiblein, eine Art stygischer Flüssigkeit, einen Schwefeltrank, der unser Herz zu jenen Lüsten anreizt, zu denen sie uns durch ihr Machtgebot zwingen oder durch ihr Beispiel verlocken? Ich erinnere mich: so sprachst du dieser Tage, als du mit meinem Caviceus einen Disput hierüber hattest. Wahrlich, du kannst es dir zur Zier. anrechnen, dass du bis auf den heutigen Tag den Ruf der Ehrbarkeit unversehrt bewahrt hast – du, ein Weib, dessen Schönheit auch die Kältesten entflammt, dessen Gelehrsamkeit auch die fesselt, die gegen deine Schönheit unempfindlich sind.

TULLIA: Ei, wie du zu reden verstehst! Wie du schon weisst, dass die Liebe die Herzen der Menschen entflammt! Du bist nicht mehr so völlig unerfahren, wie ich glaubte!

OCTAVIA: Könnte ich denn so gänzlich unwissend sein, da meines Caviceus Augen, Stirn und ganzes Antlitz so oft zu mir sprachen, auch wenn er selber schwieg? Ja freilich, als er vor acht Tagen sich mir gegenüber etwas frei benahm, da habe ich mich wohl gewundert, wie man zu so stürmischen Küssen sich kann hinreissen lassen. Was aber dieser stürmische Drang, diese Hitze bedeutete, das habe ich nicht recht begriffen.

TULLIA: War deine Mutter nicht zu Hause? Warst du allein? Hattest du gar keine Angst vor ihm?

OCTAVIA: Meine Mutter war ausgegangen. Warum aber hätte ich vor ihm Angst haben sollen? Ganz gewiss hatte ich keine Angst!

TULLIA: Ausser den Küssen verlangte er nichts von dir?

OCTAVIA: Nein; und auch diese hat er mir gegen meinen Willen geraubt, indem er mit seiner glühenden Zunge an meinen Lippenrändern hin- und herfuhr – der Wahnsinnige!

TULLIA: Was für ein Gefühl hattest du dabei?

OCTAVIA: Ich will es nur gestehen: eine bis dahin nie gekannte, unbeschreibliche Glut durchfuhr mich: wie Feuer brannte es mir in allen Gliedern. Ob er wohl glaubte, es sei Schamröte, was mir ins Gesicht stieg? Er hielt einen Augenblick in seinem tollen Treiben inne und zog seine vorwitzige Hand zurück.

TULLIA: Weiter!

OCTAVIA: Ewig werde ich diese räuberischen Hände hassen – so sehr haben sie mich gequält, müde gemacht, in Glut versetzt.

TULLIA: Ein schöner Grund für solchen Hass!

OCTAVIA: Was hatte das zu bedeuten? Er fuhr mir mit der Hand an den Busen, packte erst die eine dann die andere Brust und als erst die eine, dann die andere von seinem Griff hart wurde, presste er seine Finger dagegen, dann warf er mich trotz allem Sträuben rücklings hintenüber.

TULLIA: Du wirst rot. Die Sache ist vor sich gegangen!

OCTAVIA: Seine linke Hand gegen meinen Busen gestemmt – ich erzähle den Hergang, wie er sich zutrug – wurde er mit leichter Mühe aller meiner Widerstandsversuche Herr; mit der Rechten aber griff er mir unter den Rock. Ich schäme mich – ich schäme mich, weiter zu erzählen ...

TULLIA: Lass doch diese lächerliche Schamhaftigkeit; denke, du erzähltest dir selber, was du mir sagst!

OCTAVIA: Bald hatte er den Rock bis über meine Kniee hochgehoben und griff mir an die Schenkel. O, wenn du gesehen hättest, wie seine Augen funkelten!

TULLIA: Wie glücklich warst du in jenem Augenblick!

OCTAVIA: Indem nun seine Hand höher glitt, richtete sie ihren Angriff gegen jene Stelle, die uns, wie man sagt, von dem anderen Geschlecht unterscheidet und aus welcher mir, jetzt seit einem Jahre, allmonatlich einige Tage lang eine Menge Blut zu rinnen pflegt.

TULLIA: Bravo, Caviceus! Hahaha!

OCTAVIA: O der schlechte Mensch! ›Dieses Plätzchen‹, rief er, ›wird mich bald mit der höchsten Wonne beseligen. Bitte, lass mich gewähren, meine Octavia!‹ Ich wäre bei diesen Worten beinahe in Ohnmacht gefallen.

TULLIA: Nun, und was machte er dann?

OCTAVIA: Du wirst es kaum glauben – aber ich habe an jener Stelle nur eine ganz ganz schmale Ritze.

TULLIA: Aber eine heisse, eine feurige!

OCTAVIA: In diese Ritze steckte er seinen Finger, und da die betreffende Stelle sehr empfindlich ist, so verursachte er mir damit einen heftigen, brennenden Schmerz. Er aber rief: ›Ich habe eine Jungfrau!‹ und mit diesen Worten bog er mir geschwind die Schenkel auseinander, obwohl ich sie mit aller Kraft zusammenpresste, und warf sich auf mich, während ich auf dem Rücken lag.

TULLIA: Du schweigst plötzlich? Hat er blos seinen Finger da hineingesteckt?

OCTAVIA: Wie könnte ich wohl so schamlos sein, hiervon noch weiter zu erzählen!

TULLIA: Oh! Auch ich, auf die du doch so grosse Stücke hältst, habe das durchgemacht. Niemand ist kecker als ein Verlobter, den jede Verzögerung, bis er die Blume seiner Braut gepflückt hat, geradezu ausser sich bringt.

OCTAVIA: Bald fühlte ich zwischen meinen Beinen etwas Schweres, Hartes, Heisses. Er drang mit Gewalt auf mich ein; mit einem heftigen Stoss suchte er jenes Harte in meinen Leib und in die Ritze hineinzupressen. Ich aber nahm alle meine Kräfte zusammen, warf mich auf die Seite, brachte meine linke Hand zwischen ihn und mich und legte sie schützend auf die Stelle, um die ein so wilder Kampf gekämpft wurde.

TULLIA: Konntest du mit einer Hand eine so gewaltige Kriegsmaschine zur Seite lenken?

OCTAVIA: Ja, es gelang mir. ›Nichtswürdiger‹, rief ich, ›was quälst du mich so furchtbar? Verzeih, aber wenn du mich liebst, so sage mir, was habe ich getan, dass ich solche Strafe verdiene?‹ Und Tränen entströmten meinen Augen. Aber dabei war mein Geist in solcher Verwirrung, dass ich nicht einmal wagte, den Mund aufzutun oder um Hülfe zu schreien.

TULLIA: Hat dich denn Caviceus nicht mit seiner Lanze durchbohrt und deine Verschanzung durchbrochen?

OCTAVIA: Ich streckte meine Hand aus, packte sie und lenkte sie zur Seite. Aber o Greuel! Sofort fühlte ich mich von einem glühendheissen Regen überströmt, der mich ganz durchnässte, da ich bis zum Gürtel nackt war. Ich streckte abermals die Hand aus; als ich aber in den Saft fasste, womit der wilde Mensch mich besprengt hatte und der sich klebrig anfühlte, da wich voll Angst und Abscheu meine Hand zurück.

TULLIA: So ist also weder ihm noch dir der Sieg geblieben; denn es hat nicht viel gefehlt, so hätte er einen vollständigen Sieg davongetragen.

OCTAVIA: Seit jenem Tage erscheint Caviceus mir viel angenehmer. Und von einer seltsamen, ohnmächtigen Begier brennt mir die Seele. Was ich begehre, weiss ich nicht und vermag es nicht zu sagen. Nur soviel weiss ich, dass von allen Sterblichen Caviceus mir bei weitem am besten gefällt; von ihm allein erwarte ich mir die höchste Wonne, die ich mir nicht vorstellen kann, da ich nicht weiss, was und wie sie sein wird. Ich wünsche nichts und doch sehne ich mich nach etwas.

TULLIA: Gut, dass du mich hast, die in diesen Irrgängen deiner Gedanken dir als rätsellösender Oedipus dienen kann. Die Verse, die der Lehrmeister und Dolmetsch der Liebeskunst, Ovidius Naso, auf Biblis schrieb,1 passen sicherlich geradezu köstlich auf deinen Fall:

 Anfangs begreift sie nichts von diesen verzehrenden Gluten,

 Glaubt nichts böses zu tun, da sie stürmisch die Küsse erwidert –

 Denn sie kennt sich selber noch nicht; in der Unschuld der Sinne

 Keimt kein Wunsch noch empor, obgleich in Flammen sie lodert.

 Dennoch huscht im Wachen sogar eine lüsterne Hoffnung

 Manchmal ihr durch den Geist; und tuht sie in friedlichem Schlummer

 Ach, da sieht sie gar oft den Geliebten – und brünftig umschlingen

 Ihre Glieder des Bruders Leib. Sie errötet im Schlafe;

 Aber ist sie erwacht, dann sinnt sie schweigend dem Traum nach,

 Der ihr die Ruhe gestört, und ruft mit zagendem Herzen: 

 »Ach, ich Arme! Was wollen die Bilder der schweigenden Nacht mir?

 Möchten sie nie verwirklichen sich! Wie träum' ich nur solches?«

Man schämt sich des Traums – und doch liebt man ihn. Und während die Seele spielend an dem Bilde der Lust sich ergötzt, vergehen die Sinne, in höchster Wonne schmelzend. Du errötest? Das ist mir ein Geständnis und mir ist, als sagtest du mir:

 Wenn nur im Wachen ich nicht in solche Versuchungen falle,

 Nun, dann möge recht oft ein solcher Traum mir erscheinen!

 Ohne Zeugen naht sich der Traum, doch nicht ohne Wonnen.

 O du Göttin der Liebe und du, geflügelter Knabe –

 Welche Wonne ward mir zuteil! Wie drang mir die Wollust

 Tief in die Seele hinein und tief in das Mark meiner Glieder!

 Süss ist es, dran zu denken – doch ach, wie kurz war die Freude?

 Neidisch eilte die Nacht hinweg und kürzte mein Glück mir!

OCTAVIA: Ich will es nicht leugnen: Tag und Nacht steht mir Caviceus vor Augen und meinen Geist beschäftigt ganz und gar die Hoffnung auf eine unaussprechliche Wonne. Und wahrhaftig, oft habe ich meinem Caviceus eine ähnliche Gelegenheit gewünscht, wie ich an jenem Tage in meiner Unbeholfenheit und Unerfahrenheit sie leider ungenutzt gelassen habe.

TULLIA: Was würdest du dann tun?

OCTAVIA: Das kannst du dir selber sagen. Ich wüsste dann schon besser Bescheid und er wäre glücklicher. Ich hatte mich noch nicht beruhigt, hatte kaum mein Kleid wieder heruntergelassen und er hatte kaum das Hemde wieder hineingestopft, das aus seinem Hosenlatz heraushing – da kam meine Mutter zurück.

TULLIA: Du Arme! Ich kenne ja ihre Sittenstrenge!

OCTAVIA: Sie hat jedoch weder zu mir noch zu Caviceus etwas Unangenehmes gesagt. Sie fragte lächelnd, was wir denn mit einander sprächen? wer von uns beiden am verliebtesten wäre? ›Denn wer von euch am meisten Liebe verdient‹, sagte sie, ›danach frage ich nicht: das bist du, Caviceus, und dagegen wirst du, Octavia, denke ich, nichts einzuwenden haben. Doch möchte ich wohl, da ja Hymens Bande euch bald vereinen werden – und wie ich hoffe, zu Glück und Segen – dass du, Caviceus, meine Octavia, die ja auch die deine ist, nicht nach ihrer geringen Würdigkeit, sondern so liebst, wie dein edles Herz es dir eingeben wird. In solchem Herzensbunde werdet ihr beide glückseligste Jahre verbringen.‹

TULLIA: Aber wie wurde es denn, als Caviceus fortgegangen war?

OCTAVIA: Sie begann mich auszufragen, was mit uns beiden los wäre. Denn dass etwas vorgefallen sei, hätte sie mit eigenen Augen uns angesehen. Ich wollte mich entschuldigen; meine Mutter aber drängte mich, ich möchte die Wahrheit gestehen. Da klagte ich ihr denn, er habe mir beinahe Gewalt angetan; was er von mir gewollt und begehrt habe, das wisse ich nicht; so viel mir indessen bewusst sei, habe ich einen Fehltritt nicht begangen. – Sie fragte weiter und wollte wissen, ob er mir einen Schaden an meinem Leibe getan. Ich sagte: nein. Hierauf ermahnte sie mich, ich sollte mich ja vor ihm in Acht nehmen; und wenn ich auf ihren Rat nicht hören wollte, so drohte sie mir mit schlimmen Folgen: ›denn sieh mal‹, sprach sie, ›nur wenige Tage noch und du bist mit ihm vermählt, liebes Kind! Aber verlass dich drauf, wenn er vorher die letzte Gunstbezeugung von dir erlangt, so wird er dich entweder auf immer verlassen, oder er wird, wenn ihm am Ruf eines beständigen Mannes gelegen ist und er daher sein Wort hält, dich im Grunde seiner Seele verachten. Von diesen beiden Möglichkeiten ist die eine ebenso traurig wie die andere, und eine Tochter aus gutem Hause darf sich keinesfalls ruhig in solches Geschick ergeben, sie muss sogar den Tod vorziehen.‹ Seit jenem Tage wachte meine Mutter über mir mit unruhiger Sorge, sodass Caviceus mich niemals wieder allein gefunden hat; auch hat er kein Wort unter vier Augen mehr mit mir gesprochen.

TULLIA: Das ist gewiss und diese Wahrheit ist auch dem weisen Stagyriten nicht entgangen: Wenn ein ganz junger Mensch – wie Caviceus es ja ist – den ersehnten Leib einmal in unumschränktem Besitz gehabt hat, so hasst er, kaum dass das Werk vollbracht ist, meistens dieselbe, nach der er sich vorher in wahnsinniger Liebe verzehrte. Ich freue mich aber deiner Offenheit, Octavia, und will zum Dank dafür ebenso offen gegen dich sein, damit du nicht den geringsten Zweifel an mir hegest: deine Mutter hat mich selber gebeten, dir die intimsten Geheimnisse des Ehebettes zu enthüllen, dich zu belehren, wie du dich gegen deinen Gatten benehmen musst, ferner wie dein Mann sein wird, und dich überhaupt über jene Sächelchen aufzuklären, über die die Männer so sehr in Feuer und Flamme geraten. Damit ich dich über dies alles recht unumwunden belehren kann, so werden wir heute nacht zusammen in meinem Bette schlafen. Möchte ich von diesem sagen können, es sei die süsseste Stechbahn der Venus gewesen! Später wirst du einen besseren Bettgenossen haben, als ich dir Bettgenossin sein konnte.

OCTAVIA: Du machst dich über mich lustig, liebste Tullia! Unterlasse bitte solche Bemerkungen. Sie beeinträchtigen meine Liebe zu dir in einer Weise, dass du es nicht würdest ertragen können, wenn du mich wirklich aus Herzensgrunde liebtest!

Fußnoten

1 Metamorphosen, Buch IX, Vers 456 ff.

Zweites Gespraech

Tribadikon

OCTAVIA: Nun, da liegen wir also in deinem Bett: Du hast ja so oft gewünscht, ich möchte während der Abwesenheit deines Gatten Callias einmal eine ganze Nacht nicht nur an deiner Seite, sondern in deinen Armen verbringen.

TULLIA: Und ich, ich habe in diesem Bett gar viele schlaflose Nächte verbracht, weil die Liebe zu dir alle meine Adern durchströmte; denn in dieser Liebe verzehrte ich mich und sie versengte mich wie ein Feuerbrand.

OCTAVIA: Du liebtest mich? du liebst mich also jetzt nicht mehr?

TULLIA: Ich liebe dich, teuerstes Schwesterchen, und ich sterbe an dieser Liebe eines elenden Todes.

OCTAVIA: Du stirbst? Ist das dein Ernst? Für dich würde ich ja gerne mein Leben hingeben! Was ist denn das für eine Krankheit, an der deine Seele leidet? Denn dass du dich körperlich wohl befindest, daran kann ich ja nicht zweifeln – –

TULLIA: Wie du deinen Caviceus liebst, so liebe ich dich.

OCTAVIA: Drücke dich klar und deutlich aus! Was besagen diese verschleierten Worte?

TULLIA: Sei's – aber höre: du bist so reizend, so schön, so zärtlich – lass vor allen Dingen alle Schamhaftigkeit beiseite!

OCTAVIA: Du wolltest ja, dass ich mich ganz nackt in dein Bett legte. Ich habe dir diesen Gefallen getan. Du wolltest mich so in deinem Bette haben, wie ich mich meinem Caviceus ergeben würde. Habe ich denn nun noch nicht alle Schamhaftigkeit von mir abgetan?

TULLIA: Jene Königin von Lydien sagte ja allerdings: ›ich habe mit meinem Hemde zugleich auch alle meine Scham abgestreift‹.

OCTAVIA: Deinem Rat bin ich gefolgt und habe meine Schüchternheit überwunden; wie du habe ich über mich selber triumphiert.

TULLIA: Gib mir einen Kuss, liebenswürdiges Kind!

OCTAVIA: Warum nicht? So viele du willst und so feurig du sie willst!

TULLIA: Oh! wie göttlich ist die Form deines Mundes! Oh! wie leuchten deine Augen – heller als der Tag! Oh! wie ist deine Schönheit einer Venus würdig!

OCTAVIA: Und du wirfst auch noch die Decken ab? Ich weiss nicht – ich möchte Angst bekommen, wenn du nicht Tullia wärest. Und ich bitte dich, sage mir, was bedeutet dies? Du hast mich ja nackt; was willst du denn noch?

TULLIA: O Götter! wie sehnlich wünsche ich, ihr gestattetet mir, des Caviceus Stelle zu vertreten!

OCTAVIA: Was heisst das? Wird etwa Caviceus meine beiden Brüste ergreifen, wie du es jetzt tust? Wird er so stürmisch seine Küsse mit den meinigen verschmelzen? Wird er meine Lippen, meinen Hals, meinen Busen mit seinen Zähnen beissen?

TULLIA: Dies, mein Herzchen, wird das Vorspiel zum Kampf sein, die Einleitung zum Feste der Venus.

OCTAVIA: Hör' auf! Deine Hand gleitet über meinen ganzen Leib hin; und jetzt geht sie gar noch tiefer hinunter! Was betastest du meine Schenkel? Ah, ah, ah! Tullia – was kitzelst du mich da unten? Du wendest ja deine Augen nicht mehr davon ab.

TULLIA: Mit wollüstiger Neugier betrachte ich mir diesen Tummelplatz der Frau Venus; er ist nicht gross, er ist nicht geräumig, und doch ist er voll köstlichster Wonnen; deine unersättliche Venus wird darauf die Kräfte deines Mars bis aufs letzte erschöpfen.

OCTAVIA: Du bist von Sinnen, Tullia; wenn du Caviceus wärest, ich wäre nicht in Sicherheit! Was hast du dich jetzt aufrecht gesetzt und verschlingst mit deinen Augen alle meine hingestreckten Glieder von vorne und hinten? An mir ist doch nichts, was deine eignen Reize überträfe. Sieh nur dich selber an, wenn du etwas sehen willst, was deiner Liebe und deines Lobes würdig ist.

TULLIA: Es wäre eine Dummheit von mir und keine Bescheidenheit, wenn ich leugnen wollte, mit einiger Schönheit begnadet zu sein. Ich stehe in der Blüte des Alters, bin kaum sechsundzwanzig geworden und habe meinem Callias nur ein einziges Kind beschert. Wenn deine Sinne sich an mir irgend eine Wonne verschaffen können, so geniesse ihrer; ich werde dir's nicht wehren, Octavia!

OCTAVIA: Und auch ich werde es dir nicht wehren. Koste jede Lust, die ich dir bereiten kann; ich erlaube es dir. Aber ich weiss recht wohl, eine Jungfrau, wie ich, vermag überhaupt keine Wollust zu bereiten, und ebensowenig kann ich Wollust an dir finden, obwohl du wirklich ein Zaubergarten voll von allen möglichen Wonnen und Genüssen bist.

TULLIA: O nein! Einen Garten hast du! – einen Garten, worin Caviceus seine wollüstige Begier mit gar saftigen Früchten laben wird.

OCTAVIA: Ich habe keinen Garten, den nicht auch du hättest, und die Früchte des meinigen sind auch in dem deinen in reichster Fülle. Was nennst du denn einen Garten? Wo ist er? Welches sind seine Früchte?

TULLIA: Ich verstehe dich, du kleine Unart! Du hältst mir meinen Garten vor, weil du den deinen vollkommen so genau kennst, wie ich den meinen.

OCTAVIA: Vielleicht bezeichnest du mit diesem Namen jenen Teil, auf den du deine rechte Hand gepresst hältst, den du mit deinen Fingern bearbeitest, den du mit deinen Nagelspitzen kitzelst?

TULLIA: Ganz recht, lieb Schwesterchen! Du weisst nur noch nichts damit anzufangen, mein süsses Dummchen; aber ich werde es dich schon lehren.

OCTAVIA: Wenn ich's vor meiner Hochzeit lernte, so wäre ich nicht mehr keusch und wäre auch nicht mehr deiner Liebe würdig, denn dann wäre ich ja ganz anders als du! Sag mir nur, wozu der Garten dient! Vor allen Dingen aber strecke dich im Bett aus; denn wenn du so sitzen bleibst, machst du uns alle beide müde!

TULLIA: Den Gefallen will ich dir tun. Nun aber spitze die Ohren; denn verlass dich drauf: je aufmerksamer du die Ohren spitzest, desto leichter und häufiger wird auch Caviceus etwas spitzen. Das gebe Frau Venus! Und nimm du es als gutes Zeichen an, Octavia!

OCTAVIA: Ich tu's ... Du lachst laut auf! Was für ein boshafter Sinn versteckt sich denn hinter deinen Worten. Wahrhaftig – ich vermag ihn nicht zu entdecken.

TULLIA: Aber du wirst sehr wohl fühlen, dass ich mit diesem Glückwunsch deinem Gärtchen viele Wonnen wünsche.

OCTAVIA: Du sprichst zu tauben Ohren!

TULLIA: Gebe Venus, dass du verstehest und begreifest. Dieses dein Gärtchen, dem ich wünsche, dass ihm niemals, weder im Lenz noch im Winter, die Früchte fehlen – dieses Gärtchen ist die Stelle, die unter der Erhöhung des Unterleibes ein dichtes Vliess – bei dir nur erst ein leichter Flaum – bedeckt. Man nennt sie die Scham. Wenn dieser Flaum zuerst erscheint und zu spriessen beginnt, so ist das ein Anzeichen, dass hier eine Jungfernschaft für Venus reif geworden ist und gepflückt werden kann. Cymba, navis, concha, saltus, clitorium, porta, ostium, portus, interfemineum, lanuvium, virginal, vagina, facandrum, vomer, ager, sulcus, larva, annulus – dies sind die lateinischen Bezeichnungen dafür. Die Griechen dagegen nennen es: aidoion, delta, xoiros, esxara. Julia, die Tochter des Augustus, sagte oft, sie wäre sicher, ihrem Gatten Agrippa nur Kinder zu schenken, die ihm ganz und gar ähnlich wären, weil sie nur dann Fahrgäste in ihren Kahn aufnähme, wenn dieser schon voll wäre. Esxara bedeutet Herd und Kamin; xoiros Sau; delta ist der vierte Buchstabe, , d, den die Griechen so nannten; aber die Form dieses Buchstabens weicht von der unseres Gärtchens ganz beträchtlich ab. Wenn diese Nacht herum ist, dann sollst du, Schwesterchen, aus meinen Armen klüger hervorgehen, als wenn du auf dem Parnass geschlafen hättest; du sollst auf Griechenart Beben können: was das bedeutet, hast du aus dem Juvenal gelernt.

OCTAVIA: Ich möchte lieber so gelehrt sein wie du, liebe Schwester; das stände mir höher als die Sättigung mit allen Wollüsten. Wenn ich dich so jung und so gescheit sehe, da möchte ich, du wärest Caviceus. Mit welcher Freude würde ich alle Schätze meiner Schönheit dir ausliefern!

TULLIA: Umarme mich, liebes Kind! Ich brenne vor Liebe zu dir. Lass meine Blicke und Liebkosungen überall umherschweifen! Caviceus wird dadurch um nichts zu kurz kommen – und du auch nicht! Ach, wie eitel und vergeblich ist all dies mein Bemühen! Was will ich denn nur eigentlich, ich Unglückliche? Wie heiss, wie innig liebe ich dich!

OCTAVIA: Lösche die Glut deiner Begierden, überlass dich dieser Trunkenheit deiner Sinne. Was du willst, das begehre auch ich mit allen Fibern!

TULLIA: Nun, so lass denn dein Gärtchen mein eigen sein; lass mich seine Herrin sein – leider, ach, eine ohnmächtige Herrin! Denn ich habe weder den Schlüssel, um sein Pförtlein zu öffnen, noch den Klopfer, um daran anzupochen, noch den Fuss, um das Gärtlein zu betreten.

OCTAVIA: Ich gebe dir das Gärtlein ganz und gar zu eigen, denn ich selber bin ja ganz und gar dein. Was ist denn an mir, das nicht gänzlich dir gehörte? Aber wie? Du legst dich auf mich? Was soll das bedeuten?

TULLIA: Weiche doch nicht zurück, Liebling! Oeffne die Beine!

OCTAVIA: Du siehst, ich hab's getan. Und nun hast du mich ja ganz und gar: dein Mund ist auf meinen Mund gepresst, deine Brust auf meine Brust, dein Schoss auf meinen Schoss: darum will auch ich dich umklammern, wie du mich umklammert hast.

TULLIA: Hebe die Unterschenkel noch höher! Schliesse deine Lenden über meinen Lenden zusammen. Ich lehre dich in deiner holden Unerfahrenheit jetzt eine neue Venus kennen. Wie eifrig du mir gehorchst! Schade, dass ich nicht so gut kommandieren kann, wie du exerzierst!

OCTAVIA: Ach! ach! meine liebe Tullia, meine Herrin, meine Königin! Wie du mich stössest, wie du dich hin- und herbewegst! Ich wollte, diese Lichter würden ausgelöscht; ich schäme mich, dass das Licht es mit ansehen soll, wie ich dir unter liege.

TULLIA: Gib doch acht, was du zu tun hast! Wenn ich stosse, so musst du gegenstossen; rüttle, bewege deine Hinterbacken, wie ich die meinen bewege; hebe sie so hoch, wie du nur kannst! Fürchtest du, die Luft könnte dir ausgehen?

OCTAVIA: Wirklich, du machst mich mit deinen schnellen Stössen ganz müde; du pressest mich zusammen; glaubst du, ich würde mir von einer anderen in so wilder Weise Gewalt antun lassen?

TULLIA: Komm, Octavia, umklammere mich! Nimm mich hin! Da! Da strömt mein Leben! ... Oh! wie glüht mir der Busen! Ach, ach, ... ach!

OCTAVIA: Dein Gärtchen setzt das meinige in Brand. Hör doch auf!

TULLIA: Endlich, meine Göttin, bin ich dir Mann gewesen ... meine Braut! meine Gattin!

OCTAVIA: Oh, wollte der Himmel, du wärest mein Gemahl! Welch eine liebende Gattin würdest du an mir haben! welchen angebeteten Gatten würde ich besitzen! Aber du hast mein Gärtchen mit einem Regen überschwemmt; ich fühle mich ganz und gar nass! Mit was für Greueln hast du mich überströmt, Tullia?

TULLIA: Ja, freilich – ich bin fertig geworden. Aus dem untersten Kielraum meines Schiffchens hat in blinder Trunkenheit die Liebe ihren Venussaft in deinen jungfräulichen Kahn geschleudert. Aber, sage mir: hat in deinem Innersten jemals eine grössere Wollust alle deine Sinne in Aufregung gebracht?

OCTAVIA: Ueberhaupt keine ... möge Venus mir verzeihen, aber was du tatest, das hat mir, soviel ich bemerkte, gar keine Wonne bereitet. Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich fühlte, dass du im allerhöchsten Entzücken schwebtest, und einige Funken deiner Flamme fielen in jenen Teil, den du so eifrig mit deinen Stössen bedrängtest; aber sie haben mich nur darauf aufmerksam gemacht, dass es bei dir brannte, mich selber haben sie nicht in Flammen gesetzt ... Aber sage mir, Tullia, verfolgt denn diese Leidenschaft, die dich beseelt, auch andere Frauen, sodass sie junge Mädchen lieben und umarmen?

TULLIA: Alle Frauen lieben sie und schliessen sie brünstig in ihre Arme, wenn sie nicht stumpfsinnig und kalt wie Stein sind. Denn was gibt es Wonnigeres als ein frisches, reines Mädchen – frisch und rein, wie du selbst es bist? So war, vor ihrer Verwandlung in einen Knaben, Iphis1 in Liebe zur Ianthe entbrannt:

 Iphis liebt und verzweifelt, jemals die Geliebte zu freien:

 Höher nur lodert darum die Liebe des Mädchens zum Mädchen.

 Tränen im Auge ruft sie: Was wird das Schicksal mir bringen?

 Mir, der mit nie zuvor gekannter, mit grausiger Liebe

 Venus das Herz erfüllt? Wenn hold die Götter gewesen,

 Hätten den Tod sie mir gesandt, doch sollte ich leben,

 Warum gewährten sie nicht die Lust mir natürlicher Liebe! ...

 ›Sieh, kein strenges Gebot des Vaters wehrt dir – die Freundin

 Schmiegt sich willig dir an – und doch wird niemals das Glück dir

 Lächeln, mögen auch Menschen und Götter mit Hilfe dir nahen!‹ ...

 Was ich wünschte, ist Alles erfüllt nun – huldvoll gewährten,

 Was sie nur konnten, die Götter; es haben meinem Verlangen

 Sich ohne Murren gefügt der Vater, die Braut und der Schwäher.

 Doch die Natur, die mächtiger ist als Menschen und Götter,

 Die unerbittlich ist – ihr Machtwort hat sie gesprochen.

 Endlich ist er gekommen, der Hochzeitstag, und Ianthe

 Wird jetzt mein – o nicht doch! Wie Tantalus dursten am Quell wir!

 Sag, was willst du bei uns, o eheschüttende Iuno?

 Wer von uns beiden soll zu deinem Altare die andre

 Führen, o Hymen? wir tragen ja beide den Schleier der Jungfrau!

Ich muss es dir gestehen, Octavia: wir Frauen sind recht liederlich, wenigstens die meisten von uns. Weisst du, was bei Petronius die Quartilla sagt? ›Möge Junos Zorn mich treffen, wenn ich mich erinnern kann, jemals Jungfrau gewesen zu sein! Als ganz kleines Gassenmädel habe ich mit meinen Altersgenossen schlechte Sachen getrieben; später, im Lauf der Jahre, habe ich mich grösseren Knaben hingegeben, bis ich schliesslich zu dem Alter heranwuchs, in dem ich jetzt stehe.‹

OCTAVIA: Bis jetzt, Tullia – davon hast du dich ja selber überzeugt – bin ich keusch an Leib und Seele geblieben. Du schiltst mich stumpfsinnig und dumm; aber jetzt fühle ich mich von sinnlichen Lüsten, von verliebten Begierden gekitzelt. Mein Hochzeitstag naht – und dessen bin ich froh, denn, wie ich glaube, können wir nur in den Armen eines Mannes, an dessen Seite wir ruhen, einer wahren echten Wonne geniessen. 

TULLIA: Darin hast du recht, und du wirst es nächste Nacht erfahren. Möge die Wonne von Lampsakos dich glücklich machen! Aber das Anschwellen des Leibes, die Schwangerschaft, die Niederkunft sind leider die unmittelbaren Folgen der allzu unbekümmerten Belustigungen der Männer mit uns und der ›turgentis verbera caudae‹.2 Ausserhalb der Ehe ist diese Liebesglut, die die jungen Mädchen zum vollständigen Beischlaf lockt und treibt, von Gefahren und Leiden vergiftet; unter dem Deckmantel der Ehe dagegen geht alles frei und fröhlich zu. Der Schleier, mit dem die Jungvermählten sich das Haupt umhüllen, dient zugleich dazu, ihre sündigen Ausschweifungen zu verbergen; dank diesem Schleier entziehen sie sich aufs beste dem wachsamen Auge der Gesetze und der Oeffentlichkeit. Folglich, meine Octavia, müssen die Jungfrauen und die unvermählt Bleibenden auf einem anderen Wege die Liebeswonne suchen, zu der es – so sagt Lucrez – alle Geschlechter lebender Wesen mit einer Gewalt treibt, die nichts besänftigen kann, als die Gewalt der Venus selber. Es ist also nicht zu verwundern, wenn eine Jungfrau von einer Jungfrau geliebt wird, da ja die erlauchtesten Heroen einst bei ihrem eigenen Geschlecht Befriedigung ihrer Liebesbrunft fanden.

OCTAVIA: Aber du – du bist ja keine Jungfrau, du hast schon mit einem Mann zu tun gehabt; es steht dir jederzeit frei, die Wonnen der Liebe in ihrem ganzen Umfang auszukosten. Wie ist es also möglich, dass du mich liebst, dass du die Freuden der Liebe in diesen Künsten suchst, mit denen Venus sich selbst betrügt?

TULLIA: Ich will vor dir aus all meinem Tun kein Hehl machen: meine geliebte Pomponia, meine vertrauteste Freundin von der Wiege an, sie war es, die vor einigen Jahren zuerst diesen Tanz mit mir zu tanzen begann. Pomponia ist in der Liebe höchst erfinderisch, aber auch höchst schamlos: ausschweifend wie keine, aber dabei auch vorsichtig wie keine. Anfangs hatte ich Ekel vor einem solchen Geschmack; die Erfüllung ihrer Wünsche erschien mir als eine wahre Qual – allmählich aber gewöhnte ich mich daran. Pomponia ging mir mit gutem Beispiel voran; sie begnügte sich nicht damit, meinen Launen den Genuss ihres Leibes zu überlassen, sondern sie befahl mir, kühn meinen Wünschen zu folgen; so war sie mir süsse, hingebende Geliebte und verschaffte zugleich sich selber himmlische Genüsse. Nachdem ich eine lange Lehrzeit in allen diesen Liebesfreuden durchgemacht hatte, kam es schliesslich so weit, dass ich meine Freundin kaum entbehren konnte. Seitdem aber du, Octavia, mit unzähligen Pfeilen mir das Herz durchbohrt hast, bin ich in solcher Liebe zu dir entbrannt und brenne noch so stark, dass ich im Vergleich mit dir alle Menschen hasse, selbst meinen lieben Callias. Mir ist's, als umschlössen deine Umarmungen alle Wollust, die es gibt. Halte mich darum nicht für schlechter als die anderen: dieser Geschmack ist fast über die ganze Welt verbreitet. Die Italienerinnen, die Spanierinnen, die Französinnen lieben gern ihre Geschlechtsgenossinnen, und wenn die Scham sie nicht zurückhielte, würfen sie sich am liebsten brünftig einander in die Arme. Besonders bei den Lesbierinnen herrschte dieser Brauch: Sappho hat den Namen ›Lesbierin‹ berühmt, ja sie hat ihn adelig gemacht. Wie oft haben ihre Lieblinge Andromeda, Athys, Anaktoria, Mnais und Girino die Wonnen ihres Leibes genossen! Die Griechen nennen die Heldinnen dieser Art Tribaden; die Lateiner bezeichnen sie als Frictrices und Subagitatrices. Philaenis, die sich dieser Lust leidenschaftlich hingab, gilt als die Erfinderin derselben; durch ihr Beispiel – denn sie war eine hochangesehene Frau – verbreitete sie unter Frauen und Mädchen den Geschmack an einer vor ihrer Zeit unbekannt gewesenen Wollust. Tribaden nannte man sie, weil sie abwechselnd pressen und sich pressen lassen; Frictrices, weil sie ihre Leiber an einander reiben; Subagitatrices von den heftigen Bewegungen ihrer Lenden ... Was willst du noch mehr, liebste Octavia? Machen und sich's machen lassen – so ziemt sich's für eine Frau, die keine dumme Gans ist und der das Herz kräftig in der Brust schlägt.

OCTAVIA: Himmlische Güte! Du erzählst mir von niedlichen Dingen – aber sie sind nicht weniger ungereimt als spasshaft. Nun, du bist also heute Abend Tribade sowohl wie Frictrix und Subagitatrix gewesen. Aber wie willst du denn nun mich nennen?

TULLIA: Meine zärtliche, meine reizende, meine göttliche Cypris! Uebrigens habe ich nichts gemacht, was deiner jungfräulichen Unbescholtenheit den geringsten Schaden hätte zufügen können, habe kein Hülfsmittel angewandt, um dieses Pförtchen zu erbrechen, um die Blume deiner Jungfernschaft zu pflücken.

OCTAVIA: Wie wäre dir denn auch so etwas möglich gewesen?

Drittes Gespraech

Anatomie

OCTAVIA: Hahaha! Wie stürmisch du dich, auf mich geworfen hast! O, hätten doch die Götter dich als Mann geschaffen!

TULLIA: Ebenso wird sich dein Gatte auf dich stürzen, wenn du mit gespreizten Schenkeln daliegst. Deinen Mund wird er mit Küssen bestürmen, wird an dem Schwesternpaar deiner schwellenden Brüste saugen, wird seinen Busen gegen den deinigen pressen, wird dich drücken, mit Stössen dich erschüttern, aber viel stärker, viel kräftiger als ich es habe tun können, denn er wird stärker sein und kräftiger als ich. Stossen wird er, dass dein Bett erzittert, ja sogar der Fussboden deines Schlafzimmers. In jener ersten Nacht, da Callias meiner jungfräulichen Scham Gewalt antat, stürzte er sich mit solcher stürmischen Anspannung aller Kräfte auf mich, dass das Krachen meines Bettes von denen gehört wurde, die im Nebenzimmer mir zur Ehren die Nachtwache der Venus hielten. Sieh nur, wie mich dieser Kampf mitgenommen hat, und doch bin ich als Siegerin aus ihm hervorgegangen.

OCTAVIA: Wie wird es denn wohl mir ergehen, wenn ich mit solch einem gewaltigen Athleten zu tun bekomme? Du warst ja doch um mehrere Jahre älter als ich bin, und warst körperlich reifer, als du in deines Callias Hände gegeben wurdest. Ich sehe, es steht mir eine grausame Marter bevor.

TULLIA: Ich will es dir nicht verhehlen, Octavia: du wirst eine harte Mühsal zu erdulden haben. Wenn ich versuchte, es zu leugnen, so würde ich mit deiner Unwissenheit Missbrauch treiben. Die Geschichte wird folgendermassen vor sich gehen.

OCTAVIA: Unterrichte mich recht genau über alles, was für mich zu wissen von Wichtigkeit ist. Was wird das für ein Schmerz sein, den ich werde auszuhalten haben? Ist er sehr heftig, dauert er sehr lange? Lieber wäre es mir, er wäre heftig und kurz, als schwächer und von langer Dauer.

TULLIA:

 Dir auch bleibt der Schmerz nicht erspart – doch nur in der ersten

 Nacht ist er nennenswert; leicht wird er später dir sein.

OCTAVIA: Gewiss werde ich ihn ertragen, und wie ich hoffe: mutig und standhaft. Was sollte ich auch anders machen? Aber sage mir: was werde ich auszuhalten haben?

TULLIA: Jenen Teil unseres Körpers, von dem wir bereits gesprochen haben, nennen die Lateiner und unsere Landsleute, die Italiener: vulva, cunnus, fregna, fica, potta. Vulva bedeutet Tasche, Ficke. Bei Cunnus denkt man an Cuneus, den Keil, den man hineintreiben muss, weil es bei den ersten Versuchen eines grossen Kraftaufwandes bedarf. Man leitet das Wort auch vom griechischen kynos ab, um damit gleichsam anzudeuten, dass jener Geruch, den das Maul eines Hundes aushaucht, auch jenem unserem unteren Munde entströmt; oder man führt es auf das griechische Wort konnos zurück, das ›Bart‹ bedeutet; Spassvögel behaupten nämlich, wir hätten unseren Bart da unten, und nennen ›Bart‹ jenes Vliess, das unsere Scham ganz und gar umgibt und bekleidet. In Wirklichkeit aber kommt cunnus wohl von konnein, was bedeutet: mit Vernunft begabt sein; wie mentula von mens abzuleiten ist, so würde cunnus mit dem Begriff der Vernunft in Zusammenhang zu bringen sein. So viel ist gewiss: wie die mentula, das männliche Glied, sich selber regiert, wie wenn es mit eigenem Willen begabt wäre, und wie es sich um den Willen, der seinen Sitz oben im Kopfe hat, nur sehr wenig kümmert, so verhält sich auch das andere Organ: es hat seine eigenen Begriffe und richtet, gegen alle Gesetze der Vernunft, Empörungen an, die sich durchaus nicht durch mentale Einwirkungen, sondern nur durch die der mentula beschwichtigen lassen. Wir Frauen nennen dieses Ding, mit einem schicklicheren Namen, die Scham. Die Lippen, die ihren Eingang verschliessen, nannte man, wie ich bei einem alten Grammatiker las, Schamlefzen. Gegen diese Stelle wird Caviceus mit aller Kraft den Stoss seiner gewaltigen Lanze richten; in jenem Augenblick wird er dir eine furchtbare Folterqual antun, bald nachher aber dir noch viel grössere Wonnen verschaffen.

OCTAVIA: Möchten diese Wonnen recht, recht schnell den Schmerz vergessen machen!

TULLIA: Du siehst, wie wundervoll dieser Körperteil gebaut ist. Zunächst bildet die Scham einen Vorsprung, dank jener Erhöhung, die bei dir von einem leichten Flaum bedeckt ist. Und glaube nicht etwa, sie sei zwischen den Schenkeln verborgen, wie ein Ding, dessen man sich zu schämen habe. Hiermit hat die Scham nichts zu tun! Sie nimmt im Gegenteil diesen Platz deshalb ein, weil sie so bequem für den Gebrauch gelegen ist, zu dem sie bestimmt ist. Diese Erhöhung wird Venusberg genannt, und wer diesen einmal erklommen hat, der zieht ihn für immerdar dem Parnass, dem Olymp und den allerheiligsten Bergen vor.

OCTAVIA: Gebe der Himmel, ich bekomme einen so fröhlichen Bergsteiger, wie du es bist! Dann brauchte ich den Parnass nicht um seinen Apollo und den Olymp nicht um seinen Jupiter zu beneiden!

TULLIA: Hier befinden sich nun zwei Oeffnungen, eine unter der andern, mittels deren dieser Venusberg zum vollständigen und vollkommenen Beischlaf sich öffnet. Die erste hat man als ›grosse‹ bezeichnet, die andere ist tiefer nach innen zu gelegen. Die Weite der erstem ist sehr bequem für die Niederkunft; wir sind in der Tat, meine liebe Octavia, sozusagen Werkstätten, in denen das Menschengeschlecht angefertigt wird. Wenn diese Oeffnung enger wäre, so liesse sie sich, in dem Augenblick, wo der Foetus das Licht der Welt erblickt, nicht ohne fürchterliche Schmerzen genügend ausweiten; es ist daher sehr notwendig, dass sie recht dehnbar und weit ist. Junge Leute, die zum ersten Mal da herumstöbern dürfen, bilden sich ein, Jungfrauen und Frauen seien so weit gebaut, wie es nach dieser Aussenpforte den Anschein hat; ich habe Dummköpfe gesehen, die bei diesem Anblick entsetzt zurückprallten. Aber die innere Pforte ist enger. Die Lippen, die den Rand der grossen Oeffnung bilden, nennt man, wie gesagt, Schamlefzen; innerhalb der kleineren, versteckter gelegenen Oeffnung befinden sich Lappen, die bei mir sehr weit hervorragen. Bei Jungfrauen, wie du es bist, befinden sich unter diesen Lappen ausserdem noch vier Klappen. Sie versperren den Weg zur Gebärmutter, jenen Weg, den bei den ersten Liebesumarmungen der Mann seinen wollüstigen Begierden nicht ohne grosse Mühe und gewaltige Anstrengungen zu bahnen vermag.

OCTAVIA: Ich ahne schon: während dieser Bemühungen macht sich der Schmerz, von dem du sprachst, am heftigsten bemerkbar.

TULLIA: Lass mich nur meine Beschreibung erst zu Ende bringen! An ihrem Vereinigungspunkt bilden diese vier Häutchen eine kleine Röhre von der Form einer Gewürznelke. Sie versperren nicht in die Quere, etwa wie ein vorgezogener Vorhang, den Weg zum Uterus; sie bilden vielmehr einen Vorsprung vor dem äusseren Eingang des Gartens; an der oberen Seite öffnen sie sich jedoch ein wenig und auf diesem Wege fliessen die Ausscheidungen ab, die die Natur aus unserem Leibe hervortreibt. Aber ich habe vergessen, dir von der Klitoris zu sprechen. Diese ist ein häutiger Körper, der unter dem Schamberg sitzt und im kleinen die Gestalt eines männlichen Gliedes hat. Und wie wenn sie eine Rute wäre, so bringt die verliebte Begier sie zur Erektion und entflammt sie zu einem so starken Jucken, dass eine Frau oder ein Mädchen mit einem nur einigermassen feurigen Temperament, wenn man zur Kurzweil die Klitoris mit der Hand berührt, meistens ihren Saft fliessen lassen, ohne auch nur auf den wackeren Reiter zu warten. Mir selber ist das oft genug begegnet, wenn Callias seine ruchlosen Lüste an mir ausliess, wenn er den Kitzler streichelte und betastete. Seine Hände, die sich tändelnd ergötzen, überfliesst aus meinem Gärtlein plötzlich ein reichlicher Tau. Das ist für ihn Anlass zu einer Menge von Witzen, von guten und schlechten Scherzen. Aber was kann ich dabei machen? Er lacht laut heraus, ich lache ebenfalls; ich werfe ihm vor, er sei zu stürmisch, er wirft mir vor, ich sei zu wollüstig; so werfen wir einander den Ball zu und während wir so zum Scherz streiten, stürzt er plötzlich sich auf mich, streckt mich auf den Rücken, mag ich mich wehren oder nicht, fährt in mich hinein, und erstattet mir in reichlicher Menge den Saft zurück, den, wie er scherzhaft bemerkt, mein Gärtchen verloren habe; er tue das, sagt er, damit ich mich nicht beklage, durch seine Schuld zu kurz gekommen zu sein.

OCTAVIA: Ihr beide führt ein glückliches und von Wonne erfülltes Leben. Ihr genügt euch vollkommen zu eurer gegenseitigen Glückseligkeit.

TULLIA: Der Raum ferner, der vom Eingang des Gartens bis zu dessen Hintergrund sich erstreckt, ist ›Scheide‹ genannt worden. In diese wird die Rute eingeführt, wenn das Weib den Stoss empfängt. Die Aerzte nennen sie Gebärmutterhals oder Uteruskanal oder auch wohl innere Scham. Diese Scheide umschliesst und umfasst saugend das männliche Glied, sobald es in sie eindringt: sie ist, meine Octavia, gleichsam der Schacht, durch den das menschliche Geschlecht aus den finsteren Tiefen des Nichts an das Licht des Tages gefördert wird.

OCTAVIA: Du weisst so trefflich zu schildern, dass es mir ist, als sehe ich selber all dieses in meinem Leibesinnern verborgene so deutlich vor mir, wie wenn es offen vor meinen Augen daläge.

TULLIA: Bei dir, liebe Base, stehen diese innere Oeffnung und der an sie sich anschliessende Gang nicht so weit offen wie bei mir. Wohlan! Dies alles mit trunkenen Blicken zu betrachten, ist auch eine Art von Wollust: Spreize die Schenkel so weit du kannst, ohne dass es dir Schmerzen macht.

OCTAVIA: Da liege ich. Aber was willst du denn von mir mit deinen Schelmenaugen? Du biegst mit deinen Fingern diese beiden Lippen zur Seite; was siehst du drinnen?

TULLIA: Süsses Mädchen! Ich sehe eine Blume, die jeder, der sie erblickt, allen Blumen und allen Düften vorziehen wird!

OCTAVIA: Ach, Tullia! Ich bitte dich, halt ein mit deiner geschäftigen wollüstigen Hand! Ziehe diesen Malefizfinger zurück, den du hineingesteckt hast. Du hast mir wirklich weh getan, als du tiefer eindrangest.

TULLIA: Du tust mir leid, kostbare Muschel, die du würdiger bist, Venus erstehen zu sehen, als jene, aus der der Sage nach Venus hervorgegangen sein soll. Unter glückverheissenden Zeichen wahrlich ist dieser Caviceus geboren, dem aus dieser Muschel eine neue Venus erstehen wird!

OCTAVIA: Und doch sagst du, ich tue dir leid?

TULLIA: Ja, denn ich sehe dich schon auf erbarmungswürdige Weise zerfetzt.

OCTAVIA: Wie wird es damit sein? ... Aber du bist überrascht? Warum denn?

TULLIA: Da dein Gärtchen nur ein ganz enges Pförtchen, einen sehr schwierigen Zugang besitzt, so fürchte ich, deinem Caviceus wird eine Arbeit beschieden sein, die, so angenehm sie auch an und für sich ist, doch nicht verfehlen kann, ihm – mindestens anfangs – weniger süss als peinvoll zu sein. Du hast den Rammbock gesehen, womit er Bresche in deine Festung legen soll?

OCTAVIA: Nein, gesehen habe ich ihn nicht; aber, beim Castor! ich habe gefühlt, dass er war, wie man die Keule des Herkules abbildet: dick, steif und sehr lang!

TULLIA: Deine Mutter hat mir in der Tat gesagt, er sei bewunderungswürdig ausgestattet, und sie ist dessen herzlich froh; ihrer Meinung nach ist in der ganzen Stadt niemand besser versehen als er. Auf ihre Prahlereien habe ich geantwortet, meines Mannes Callias Dolch sei acht Zoll lang. – ›Das ist garnichts‹, antwortete sie mir, ›im Vergleich mit dem, den Caviceus hat.‹ Sie beklagte dein Schicksal und beneidete dich zugleich darum; im Ganzen genommen hielt sie dich für recht glücklich. Sie behauptet, Caviceus habe einen Penis von elf Zoll Länge und von der Dicke deines Armes, wie er am Handgelenk ist.

OCTAVIA: O dieses ganze ungeheure Ding wird er mir mit Gewalt in den Leib stossen? Werde ich das aushalten können? Mir wird schwach, wenn ich an das Unheil denke, das mich armes Mädchen erwartet!

TULLIA: Nun, verliere nur nicht den Mut! An Länge kann Callias es mit Caviceus nicht aufnehmen, dafür aber übertrifft Caviceus an Dicke keineswegs meinen Callias. Siehst du meinen Arm?

OCTAVIA: Gewiss sehe ich ihn: ich wäre blind, wenn ich ihn nicht sähe.

TULLIA: Nun, zu solcher Dicke schwillt ihm das Glied an, wenn es gegen mich in Wut gerät; und doch passt diese Klinge sehr bequem in meine Scheide.

OCTAVIA: Was ist denn diese glorreiche Scheide, diese verwetterte Scheide! Das möchte ich wohl wissen!

TULLIA: Der Unterschied zwischen einer stechenden Wanze und einer stechenden Lanze ist nicht grösser als der zwischen deiner und meiner Scheide. Hier hast du sie: sieh sie dir an, betrachte sie, untersuche sie!

OCTAVIA: Strecke dich im Bett aus und biege dich zurück. Denn wenn du sitzest, kann ich sie nicht ordentlich sehen.

TULLIA: Hier liege ich. Sieh dir nur alles recht genau an. Dir wird das nützlich sein und ich werde auch mein Vergnügen daran haben.

OCTAVIA: Ich sehe einen Schlund! Ich sehe den Abgrund, in den Curtius sich stürzte und der ihn mitsamt seiner Rüstung und seinem Streitross verschlang! Ich will die Hand daran legen und die Seitenwände auseinander halten; ich könnte wahrhaftig in aller Bequemlichkeit die ganze Hand hineinstecken, wenn ich wollte. Ich begnüge mich aber, meinen Finger einzuführen – natürlich den Venusfinger – und ich übertrage ihm die Aufgabe, dieses Land zu erforschen, um mir darüber zu berichten und mir zu sagen, wie weit es ist, wie hoch und wie das männliche Glied seine Bequemlichkeit darin findet ... Prächtig! Priapus selber würde damit zufrieden sein, und sogar einer, der noch besser beratet wäre als Priap. Aber an meine Nase dringt ein garstiger Duft –

 so dringet aus schwarzen

 Schlünden betäubender Pestgeruch in die Nase.

Wie übelriechende Blumen trägt doch dein Garten! Venus würde sich's verbitten, wollte man ihr ein Blumengewinde oder einen Kranz daraus flechten.

TULLIA: Du bist lustig, liebes Herzchen, und deine Scherze sind recht niedlich. Auch du wirst einmal so werden wie ich jetzt bin und zwar binnen wenigen Monaten – sobald du nämlich geboren hast. Dann wird dir ein unermesslicher Spalt klaffen, wie du ihn bei mir jetzt klaffen siehst; dir wird drinnen der Muttermund offen stehen, wie es jetzt bei mir der Fall ist. Und du, deren unterer Mund so frischen Atem ausduftet wie der obere, du wirst meine Nase mit giftigem Dunst anhauchen und wirst meine Hand beflecken, wenn sie dich berührt. Das sind die Uebelstände des Heiratens, das sind die bösen Folgen unserer Wonnen. Ja, verlass dich darauf, so wird es sein!

OCTAVIA: Und wie wird es denn so werden? Das möchte ich wissen!

TULLIA: Wenn das Glied des Mannes zu seiner vollen Grösse angeschwollen ist, dringt es mit solcher Begier in unseren Leib ein, dass es drinnen jedes Stellchen besudelt, befleckt, bespritzt.

OCTAVIA: Aber vergiss nicht, was du mir versprochen hast!

TULLIA: Ich verstehe, was du wünschest, und bin schon mit der Antwort bei der Hand. Dieses so echt männliche, so unartige, so stolze Glied weiss ein liebendes Weib, eine, die es kennen gelernt hat, nicht hoch genug zu preisen. Dass Eine, die es kennen gelernt hat, es nicht liebt, kommt gar nicht vor.

OCTAVIA: So werde also auch ich es leidenschaftlich lieben, wenn ich es kennen gelernt habe!

TULLIA: Vortrefflich ... Die Lateiner nennen dieses Glied teils in wörtlicher, teils in übertragener Bedeutung: veretrum, mentula, penis, phallus, taurus, machaera, pessulus, peculium, vas, vasculum, pomum, nervus, hasta, traps, palus, muto, verpa, colei, scapus, caulis, virga, pilum, fascinum, cauda, mutinus, noctuinus, columna. Die Griechen haben ebenfalls mehrfache Bezeichnungen dafür: bei ihnen heisst es nämlich plep, kaylos, gonimh, oyra, krith, peos, sath, embolon, shma, syrinx, kapros, typas, tylos, kolh, raph, anagkeion, apidos. Wenn es nicht zum Dienst der Venus gebraucht wird, hängt das männliche Glied schlaff herab; zu jenem Dienste aber richtet es sich auf, schwillt an, gerät in Raserei und wächst zu solcher Grösse, dass es uns anfangs einen heftigen Schreck einjagt, bald auch der Jungfrau einen brennenden Schmerz verursacht, dann aber der Entjungferten die höchste Wonne, hinter der die Furcht und der Schmerz weit zurücktreten.

OCTAVIA: Von der Wonne weiss ich nichts und von dem Schmerz möchte ich am liebsten nichts wissen. Mein Hauptgefühl ist die Angst vor jenem Ding.

TULLIA: Unten an der Wurzel des Gliedes und im Zusammenhang mit demselben befindet sich ein Sack, den man scrotum oder Hodensack nennt; er ist mit dichten, gekräuselten, ziemlich harten Haaren bekleidet und bewachsen. In diesem Sack befinden sich die Zeugen der Männlichkeit, die für uns zugleich die freundlichen Zeugen der Liebe sind, die die Männer uns zollen.

OCTAVIA: Von diesen Zeugen habe ich niemals etwas gehört noch gesehen. Sage mir schnell, was das ist!

TULLIA: Es sind zwei kleine Kugeln, die jedoch immerhin nicht gar zu klein sind; sie sind nicht von völlig runder Gestalt, ziemlich hart, und je härter sie sind, desto besser sind sie zum Dienste der Wollust geeignet. Weil sie zwei an der Zahl sind, haben die Griechen sie didymoi genannt und viele grosse Männer haben diesen Namen getragen. Manchem hat die Natur in ihrer Freigiebigkeit noch ein Kügelchen hinzubeschert, sodass sie drei hatten. Zu diesen gehörte der Tyrann von Syrakus, Agathokles, den man daher Triorchis nannte. Berühmt in dieser Hinsicht ist bei uns das edle Geschlecht der Coleoni, dem jener gewaltige Held der italischen Kriege, Bartolomeo Coleoni, angehört. Fast alle männlichen Angehörigen dieses Geschlechtes sind mit drei Testikeln begabt und sind kräftig in den Kämpfen der Venus, wie sie hochherzig in die Schlachten des Mars hineingehen. Glücklich können ihre Gattinnen sich preisen! Denn in den Höhlungen der Hoden ist gleichsam die Werkstatt, in der jener ambrosische Tau bereitet wird, der uns so wonnig kitzelt und der die Wunden, welche beim Eindringen in unseren Leib der Penis verursacht hat, so wundersam heilt, dass sie nicht lange schmerzen. Diesem Tau verdanke ich mein Püppchen, ihm verdanke ich alle meine Freuden; ihm verdankt das Menschengeschlecht sein Dasein. Gemeiniglich nennt man ihn semen oder sperma; beide Wörter bedeuten Samen, das eine ist lateinischer, das andere griechischer Herkunft. Dieser Samen, in die Furche des Weibes ausgestreut, bildet sich nämlich bald zu einem Menschen. Von allen Tieren gibt der Mensch die grösste Menge Samen von sich. Diejenigen aber, bei denen drei Arbeiter an demselben Werkstück schaffen – wie unter anderen Fulvius, der Bruder meiner Freundin Pomponia – die überströmen natürlich die Weiber mit einem noch reichlicheren Regen als andere Männer, die nur zwei Zeugen haben. Die Sache verhält sich, wie ich dir sage.

OCTAVIA: Vielleicht hat auch Caviceus drei, denn er besprengte mich mit jenem Tau bis zum Gürtel hinauf und machte mein ganzes Hemd nass.

TULLIA: Für einen kräftigen Jüngling, den heisse Begier nach deiner Liebe erfüllte, liebe Base, wäre es schmachvoll gewesen, mit leeren Gefässen dir und deiner Venus zu libiren. Aber ich bin noch nicht fertig und will fortfahren: diese schaumige, weisse, klebrige Flüssigkeit, die das Glied ausspritzt, wird von jener Stelle, an der es destilliert ist, bis an die Spitze der Rute gebracht und springt aus dieser mit solchem Ungestüm hervor, dass der Mann, der sie von sich gibt, den Strahl nicht weniger als drei Fuss weit fortschleudert. Wenn daher nach vielen Stössen das Werk sich seinem Ende naht, so wird der Saft mit solcher Gewalt in die Tiefen des Uterus hineingespritzt, dass keine Frau – es müssten ihr denn alle Sinne erlahmt sein – sich von diesem heissen Regen getroffen und benetzt fühlen kann, ohne dass ihr die Wollust alle Glieder durchzuckt. Es fehlen mir die Worte, liebe Octavia, um dir diese Wonne gebührend zu beschreiben; binnen wenigen Stunden wirst ja du selber es dir sagen können.

OCTAVIA: Aus dem Kopf der Rute entströmen also diese Milchbache? Dass Priapus einen solchen Kopf hat, will ich nicht leugnen; er zog sich ja von der menschlichen Gesellschaft von Lampsakos zurück, weil er ein so ungeheures Glied hatte, und gewiss auch um den Göttinnen nahe zu sein, von denen du mir erzählt hast – aber ich wusste nicht, dass auch bei den Menschen dieses Glied einen Kopf hätte. Dass also jeder Mann zwei Köpfe hat, davon wusste ich in meiner Dummheit nichts.

TULLIA: Und wahrlich, selig und glücklich wäre und ruhmvoll unter den Heroen würde wandeln, wer auch drei Glieder hätte! Den länglichen obersten Teil des Penis nennt man Kopf, balanus, Eichel, und wenn du diesen Kopf mit den Fingerspitzen drücktest, so bürdest du ihm damit nicht im geringsten wehtun, sondern ihm nur ein recht süsses Jucken verursachen. Und wenn du in höchster sinnlicher Begier brennst, wirst du niemals auf leichtere und schnellere Weise als durch dieses Mittel deinen Caviceus von allen anderen Gedanken ablenken und ihn dahinbringen, dich als Gatte brünftig zu umfangen. Und bedeckt ist dieser Priapskopf mit einem Käppchen; man nennt es Vorhaut, und der wackere Nachtarbeiter legt es fast niemals ab, es sei denn, um dich zu begrüssen und mit entblösstem Haupte den Vorhof der Herrin zu betreten.

OCTAVIA: Du bist wundervoll! Dich anzuhören, werde ich niemals satt bekommen. Möchte auch Callias, wenn er bei dir schläft, nimmer zu ersättigen sein!

TULLIA: Meine Augen sind bereits schlummerschwer, denn langes Wachen zu ertragen, bin ich nicht geschaffen. Und was du eben sagtest, das hast du denn auch wirklich erst gesagt, als du bemerktest, dass ich bereits halb im Schlafe sprach, während ich dir meinen Vortrag über diese Dinge hielt.

OCTAVIA: Bitte, bitte, schlafe doch nicht! Tu mir den Gefallen, da ich dich doch so hübsch artig bitte!

TULLIA: Bei deiner Venus und bei meiner und auch bei der Venus deines Caviceus: du hast den Schlaf noch nötiger als ich: denn in der nächsten Nacht wirst du bei deines Gatten Umarmungen, Küssen, Umklammerungen, Stössen und Liebesrasereien keinen Schlaf zu sehen bekommen. Ruhe deinen so zarten, so verwöhnten Körper aus! Bereite dich vor, den Kampf wacker zu bestehen!

OCTAVIA: Ich werde tun, was du wünschest, aber mir liegt deine Gesundheit mehr am Herzen als die meinige: schlafe also nur ruhig ein, ich werde kein Sterbenswörtchen mehr sagen.

TULLIA: Gib mir einen recht, recht süssen Kuss; das wird meine Wegzehrung für die Nachtruhe sein!

OCTAVIA: Ich liefere dir meinen Mund, meine Lippen und meinen ganzen Leib aus. Geniesse meiner und ergötze dich an mir, soviel du willst. Ich bin ganz und gar die Deinige!

TULLIA: O Küsse, um die Jupiter mich beneiden würde! O wonnige Umarmungen! O verführerische Berührungen! Erlaube mir, dass ich mit dem Gesicht zwischen deinen beiden Brüsten einschlafe, die eine Hand an deinem Gärtlein, die andere an deine harten, festen Hinterbacken gepresst. So pflegt Mars in den Armen seiner Cypris zu schlafen! Wenn nicht mehr der Schlaf meine Glieder in Banden hält, werde ich meine Belehrung fortsetzen und werde mit der gleichen Gewissenhaftigkeit, mit der ich begann, dir sagen, was noch übrig ist, meine süsse Jungfrau, meine Gebieterin!

OCTAVIA: Jetzt bist du geschwätziger, als eigentlich der Sache angemessen ist; schweig und schlafe! Mach es nur so, wie du es dir so schön ausgedacht hattest.

Viertes Gespraech

Der Zweikampf

TULLIA: Ich kann dir gar nicht sagen, wie wundervoll erfrischt ich mich nach diesem langen Schlummer fühle, der sieben Stunden hintereinander alle meine Glieder umfangen hielt. Du aber, Octavia ...?

OCTAVIA: Ich bin schon seit einer Stunde wach, nachdem ein fürchterlicher Traum, ein Albdrücken, mich zitternd und bebend aus dem Schlafe aufgeschreckt hat.

TULLIA: Erzähle mir diesen Traum, wenn's gefällig ist!

OCTAVIA: Mir war's, liebe Tullia, als sei ich mit Caviceus zusammen und lustwandelte mit ihm am schattigen, grünen Ufer des Po unter dem Dach der Weidenzweige, die uns gegen den Sonnenbrand schützten. Caviceus liebkoste mein Ohr und meine Seele mit den sanftesten Bitten, in denen seine Liebe ihn sich ergiessen liess. Er bat mich um einen Kuss – ich verweigerte ihn. Mir war's, als redetest du mir zu, ich solle ihn geben. So gab ich ihn denn – und er nahm ihn. Als er auch mit der einen Hand an meinen Busen griff und mit dem anderen Arm mich umschlang, da vermochte ich kaum, dank dir, dank deinen Ratschlägen, seiner Umklammerung mich zu entwinden. Als ich von ihm frei war, ergriff ich die Flucht – er verfolgte mich. Und als er mich gerade erreichen will, wende ich mich um – und ach, Tullia! was für ein Ungeheuer erblicke ich!

TULLIA: Hatten sich etwa Wölfe auf Caviceus gestürzt, um deinen Herzallerliebsten zu zerreissen? oder hatte er sich selber mit seinem Schwert durchbohrt?

OCTAVIA: Was für Witze! Möchte er mich lieber mit seinem Dolch durchbohren!

TULLIA: Schau das Mädchen, was für ein drolliges Gesicht sie macht, die Schelmin!