Die Giftmischerin von Abordon - Lena Detlefsson - E-Book

Die Giftmischerin von Abordon E-Book

Lena Detlefsson

4,2
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der schottische König ist schwer krank. Nach einem Besuch der McLarens bei dem Schwiegervater ihrer Tochter Belltriste treffen sie im Wald auf eine Frau mit einem Kind, die offenbar vom Wege nach Abordon abgekommen ist. Doch als sich Ian von der Frau abwenden will, überkommt ihm sein Mitgefühl und er bietet ihr an, sie mit nach Donnahew Castle zu nehmen, um das Kind gesund pflegen zu lassen. Anschließend könne sie ihren Weg fortsetzen. Ian erfährt, dass der König nicht von alleine so krank geworden ist. Und er erfährt, dass die Fremde mit ihrem Kind irgendetwas mit der Krankheit des Königs zu tun haben muss.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
4,2 (16 Bewertungen)
9
1
6
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DieGiftmischerinvon Abordon

Lena Detlefsson

edition oberkassel

Inhaltsverzeichnis

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Glossar

Dank an die LeserInnen

Lena Detlefsson

Impressum

1

Die Morgensonne stahl sich durch die schmalen Fenster der Kirche, sodass die Besucher den Staub in ihren Strahlen tanzen sehen konnten. Sie schien auf den geschnitzten Altar, den steinernen Boden und die groben Kirchenbänke, wo sie den einen und anderen Gläubigen blendete.

Ian McLaren, der hünenhafte Mann in der ersten Reihe, blinzelte irritiert in die Strahlen und rutschte auf seinem Platz ein wenig zur Seite, um dem Licht zu entkommen und den Bischof besser sehen zu können.

»Und was passiert, wenn die Krankheit ansteckend ist?«, flüsterte Ians Weib Bellana mit sorgenvoller Miene in sein Ohr, das nun etwas näher zu ihr gerückt war. Auch auf ihren vollen Lippen und schönen Wangen lag ein Sonnenstrahl. Doch sie schien ihn gar nicht zu bemerken.

»Dann wird sich der Arzt um alle Erkrankten kümmern«, erwiderte Ian McLaren leise und ruhig, doch seine gerunzelte Stirn verriet, dass er längst nicht so zuversichtlich war, wie seine Stimme klingen sollte.

»Vielleicht wird der Arzt selbst krank und kann nicht alle heilen? Oder er kennt keine Kur für die Krankheit? Niemand weiß, was es für ein Leiden ist!« Das Flüstern von Bellana erreichte nun auch das Ohr des Bischofs, sodass dieser ihr einen missbilligenden Blick zuwarf, ohne jedoch die Messe zu unterbrechen.

Ian McLaren wartete einen Moment, bis sich der Bischof wieder seinen Texten zuwandte, bevor er leise antwortete: »Er wird einen Weg finden. Es gibt noch mehr Ärzte in Scone, Ärzte und Heiler. Sie werden sich auch um Belltriste kümmern, sollte sie erkranken. Es wird ihr mit Sicherheit gut gehen.«

»Ich hoffe, du hast recht«, erwiderte sein Weib mit einem Seufzer, was ihr einen weiteren tadelnden Blick des Bischofs einfing. Daraufhin schwieg sie einen Augenblick, bis sie sich erneut zu ihrem Mann beugte. »Wir müssen für sie beten.«

Ian nickte. »Für Belltriste, unseren Schwiegersohn und den König.« Beide senkten den Kopf und bewegten lautlos die Lippen. Doch ihr stilles Gebet währte nicht lang, denn der Bischof fing auf einmal selbst an, davon zu sprechen, was Ian und seine Frau bewegte.

»Der Herr bürdet unserem Königshaus eine große Prüfung auf. Eine schwere und seltsame Krankheit hat den König befallen. Ein Bote brachte heute die Nachricht.«

Ian und Bellana sahen sich an. Auch sie hatte heute ein Bote mit derselben verstörenden Mitteilung erreicht.

»Lasset uns für den König beten: Unser Gott, wir bitten Dich, erhalte das Leben unseres Königs, erhalte ihn gesund, damit er Dir weiter dienen kann. Seine Seele, die noch edler ist als sein Leben, möge in Deiner Gnade stehen. Bewahre seine Familie und sein Haus, dass sie von der Krankheit verschont bleiben. Für den Fall, dass Du ihn oder einen der Seinen zu Dir rufen möchtest, gib ihm ein ruhiges Geleit. Amen.«

»Amen«, murmelten die Kirchbesucher. Auch die drei jungen Mädchen neben Bellana mit Namen Deirdra, Eleonore und Catriona, eine schöner als die andere, stimmten aus tiefstem Herzen in die Bitte mit ein. Sie waren ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, besaßen jedoch auch die kräftige Gesundheit ihres Vaters. Ian war mit vier Töchtern gesegnet, die sein ganzer Stolz waren. Einen Sohn hätte er sich allerdings auch gern gewünscht, aber das hatte Gott ihm bisher verwehrt.

»Noch ist neben dem König niemand weiter krank«, murmelte Ian zu seiner Frau, als der Bischof zur vertrauten Liturgie überging. »Auch der Bischof sagt es. Also geht es unserer Tochter gut.«

Seine Frau nickte. Er konnte eine Träne in ihrem Auge sehen.

»Wenn es dich beruhigt, werde ich noch heute nach Scone aufbrechen, um mich selbst von ihrem Wohlergehen zu überzeugen.«

Erleichtert sah Bellana auf. »Bitte, tu das! Bitte! Und hol sie am besten zu uns. Sie soll in unserem Haus wohnen und warten, bis es dem König wieder besser geht und keine Gefahr mehr besteht.«

»Ich werde es ihr sagen«, antwortete er, bevor er sich wieder der Messe des Bischofs widmen konnte.

Nur wenig später öffnete sich die Pforte der Kirche und entließ ihre Besucher in einen milden Sommermorgen. Unter den Gläubigen befanden sich einfache Bauern, die ihre besten Kleider für den Kirchgang trugen. Aber auch Handwerker und einige Gelehrte waren unter den Christen. Als Ian McLaren, Bellana und ihre drei Töchter ins Freie gelangten, fragte Catriona, die Jüngste der drei: »Was ist, Vater? Gehen wir noch auf den Markt?«

»Natürlich«, antwortete Ian McLaren. »Dafür sind wir doch hergekommen.«

Seine Frau schüttelte tadelnd den Kopf bei diesen Worten. »Wir sind eigentlich gekommen, um für Belltriste und den König zu beten. Dass im Ort am Sonntag auch Markt ist, kommt uns nur gelegen.«

»Nenn es, wie du willst«, erwiderte Ian. »Wir gehen jetzt jedenfalls auf den Markt.«

Unweit der Kirche lag im Herzen des Ortes ein Marktplatz, auf dem ein buntes Treiben zum Verweilen und Schlendern zwischen den Ständen einlud, an denen Händler ihre Waren feilboten. Schafhirten aus den Bergen zeigten Berge von Wolle, Milch und Käse. Ein Korbmacher pries große und kleine geflochtene Körbe an, in einem davon saßen kleine Kätzchen, die er ebenfalls Käufern anbot. Ein Töpfer bemühte sich fast vergeblich, seine Krüge und Schalen zu verkaufen, da sie unförmig und hässlich waren. Offensichtlich war er nur mit wenig Talent für seinen Beruf gesegnet worden. Leichter hatte es ein Imker, seinen Honig loszuwerden. Nur noch wenige Gefäße und Waben waren übrig, die er anbieten konnte. Ein Ziegenhirte, der versuchte, seine Ziegen an den Mann zu bringen, eilte verzweifelt über den Platz, um ein entflohenes Tier wieder einzufangen. Doch die Ziege war schneller als er und flitzte behände um jeden Stand und teilweise auch darunter durch. Erst als sie bei einem Gemüsehändler stehen blieb und den Kohl naschte, bekam der Hirte sie wieder zu fassen.

An jeder Ecke des Marktes roch es anders: beim Bäcker lecker nach Honigplätzchen und frischem Brot, beim Wirt nach Ale und Wein, beim Gerber unangenehm nach Urin, und beim Müller roch es zwar weniger, dafür stiebte es umso mehr.

Zwischen den Ständen standen und turnten Narren, Schauspieler und Feuerschlucker und anderes fahrendes Volk und entlockten den Besuchern mit ihren Darbietungen so manchen Laut der Bewunderung, Freude und Überraschung.

Der Ort war nicht groß, doch er bildete das Zentrum einiger kleiner Dörfer in den schottischen Wäldern und Bergen, sodass sich der Handel und jedes größere Unternehmen hier abspielte. Hier befand sich auch eine größere Kirche, nicht so gewaltig wie in Scone oder Abordon, doch immerhin stattlich genug, dass hin und wieder der Bischof eine Messe in ihr hielt. In den kleinen Dörfern sorgten die Mönche der alten Abteien für das Seelenheil der Bewohner. Sie predigten Gottes Wort, auch wenn es oft noch vermischt mit der alten Religion war, vertrieben Dämonen und böse Geister und segneten die Felder, damit sie reiche Ernte brachten.

Gemächlich schlenderte Ian mit seiner Familie über den Marktplatz. Immer wieder blieb er stehen, um Waren zu betrachten oder mit den Händlern ein Schwätzchen zu halten. An den meisten Ständen kauften seine Frau und Töchter etwas ein, das Miro, ein Bediensteter seines Clans, auf den Packesel lud, den er führte. Bald war das Tier voll bepackt mit Honig, Mehl, Butter und Käse, aber auch Stoffe, Leder und Felle fanden ihren Weg in die Taschen und Körbe auf seinem Rücken. Gerade als Ian McLaren den Seinen die Anweisung geben wollte, für die Mittagspause in ein Wirtshaus einzukehren, wurde er auf einen lauten Tumult auf der anderen Seite des Marktes aufmerksam. Er sah hinüber und konnte eine bekannte Gestalt ausmachen. Mitten in dem Handgemenge stand Steven McGregor, sein dunkler Schopf wippte aufgeregt auf und ab, seine Hände hielten einen jungen Burschen fest.

»Was macht der denn schon wieder?«, murmelte Ian, bevor er seiner Familie das Zeichen gab, sich ruhig zu verhalten, und sich auf den Weg hinüber machte.

Der Junge in den Händen von Steven McGregor strampelte wie wild, doch die Pranken des stärkeren und wesentlich größeren Mannes hielten ihn fest gefangen. Um die beiden hatte sich eine Menschenmenge gebildet, die die Auseinandersetzung verfolgte.

»Es ist mir egal, dass es zu wenig Sonne gab, die Sachen waren verdorben, sag das deinem Vater, oder ich schicke ihm deine Zunge in einer Box!«

»Wir haben Euch gesagt, dass das Getreide in diesem Jahr nicht gut steht und der Kohl verfault! Ihr wolltet es trotzdem unbedingt haben!«

»Du hast mir heimlich euer schlechtestes Zeug angedreht, das nicht einmal eure Ziegen fressen wollen. Ich will Kohl, und ihr baut ihn an. Dann müsst ihr eben mehr auf euer Gemüse und Getreide aufpassen, wozu seid ihr denn Bauern!«

»Wenn Gott uns schlechtes Wetter gibt, fällt die Ernte schlecht aus. Das können wir nicht beeinflussen.« Die Stimme des Jungen klang gequält. Offenbar hatte er Schmerzen.

»Dann habt ihr Gott erzürnt. Vielleicht solltet ihr mehr für Taranis opfern. Ich werde damit anfangen, indem ich deine Zunge dem Wettergott opfere. Und am besten deine Hände auch, sie sind zu nichts nutze.«

»Was ist hier los?«, fragte Ian McLaren, sobald er sich durch die Umstehenden gekämpft hatte und bei den beiden ankam.

Als Steven McGregor den Ankommenden erkannte, huschte ein verächtliches Lächeln über sein Gesicht. Seine Hand griff noch fester zu, sodass der Bursche leise wimmerte. »Sieh an, da scheint jemand auf Streit aus zu sein. Was wollt Ihr hier, McLaren? Das geht Euch nichts an«, sagte der Dunkelhaarige. Seine Augen waren schmal, doch umrahmt von langen dunklen Wimpern, die sie größer erscheinen ließen. Über seinem kleinen Mund, der von einem Vollbart fast vollständig verdeckt wurde, saß eine leicht gebogene, spitze Nase.

Ian McLaren ließ sich von den harten Worten nicht beeindrucken. »Was hat Euch der Junge getan?«, wollte er wissen.

»Er hat mir vorige Woche vergammeltes Gemüse angedreht, er schuldet mir Ersatz. Und Silber für zwei Tage mit verdorbenem Magen.«

»Ihr habt das Gemüse nicht gesehen, als Ihr es gekauft habt?«

»Doch, natürlich, aber da war von außen nichts zu sehen. Es war nur innen völlig verrottet.«

»Habt Ihr es mitgebracht, sodass wir sehen können, dass Ihr die Wahrheit sagt?«

Bei diesen Worten ließ McGregor von dem Jungen ab und wandte sich McLaren zu. »Nennt Ihr mich etwa einen Lügner? Was erlaubt Ihr Euch?« Er hatte seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. In ihnen loderte Hass.

»Ihr nennt den Jungen einen Lügner. Was gibt Euch das Recht dazu?« Ian McLaren ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, erst recht nicht von diesem verhassten Menschen.

»Er ist nur ein Bauernlümmel«, erwiderte McGregor erbost. »Die lügen, wenn sie nur den Mund aufmachen. Aber was geht Euch das an, frage ich noch einmal. Wir sind Nachbarn, doch das berechtigt Euch nicht, Euch hier aufzuspielen. Kümmert Euch um Eure Angelegenheiten.«

Der Junge hatte die Gunst der Stunde genutzt, um aus den Fängen McGregors zu fliehen und durch die Menge zu schlüpfen, doch nun erhob sich die Stimme eines älteren Mannes, der sich durch die Zuschauer schob. »Ich hatte Euch gesagt, dass der Kohl nichts taugt und sich nur zum Viehfutter eignet, aber Ihr wolltet ihn dennoch kaufen.«

McGregor drehte sich zu dem Neuankömmling um. Der Mann war dünn und braun gebrannt. Seiner ledrigen Haut sah man an, dass sie ständig Wind und Wetter ausgesetzt war.

»Für Viehfutter war das Zeug viel zu teuer!«, fauchte McGregor den Bauern an.

»Wir müssen auch leben«, sagte der Mann entschuldigend. »Ich habe sechs Mäuler zu stopfen. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr von dem Kohl krank würdet.

---ENDE DER LESEPROBE---