Die Grenzen des "Westens" - Franziska Davies - E-Book

Die Grenzen des "Westens" E-Book

Franziska Davies

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Beschreibung

Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht des Ukrainekrieges. Selbstzweifel, Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen, keine nicht-modernen Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu. Das Kursbuch 211 stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. In ihrem Beitrag versucht Franziska Davies eine Ortsbestimmung der Ukraine – nicht nur in der gegenwärtigen Situation des terroristischen Kriegs Russlands gegen dieses Land zwischen Ost und West. Die Historikerin zeigt die wechselvolle Geschichte dieses Landes, dessen Zugehörigkeiten stets mit Randlagen in geostrategischen Großlagen zu tun hatten. Davies arbeitet heraus, wie sehr die Erwartung vor allem von westlicher Politik und westlichen Medien, die Ukraine als »westlich« zu markieren, der Selbstbeschreibung der Demokratisierungsbewegung in der Ukraine zuwiderläuft, die sich dieser Opposition schon aus historischen Erfahrungen entzieht.

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Inhalt

Franziska DaviesDie Grenzen des »Westens«Über die Neuformierung der Ukraine und die gefährliche Beharrlichkeit geopolitischer Kategorien

Die Autorin

Impressum

Franziska DaviesDie Grenzen des »Westens«Über die Neuformierung der Ukraine und die gefährliche Beharrlichkeit geopolitischer Kategorien

Der lange Weg nach Westen ist der Titel eines mehrbändigen Werks des bekannten Deutschland-Historikers Heinrich August Winkler. Er versteht den »Westen« dabei als ein »normatives Projekt« hin zu einem demokratischen, nationalstaatlichen Deutschland.1 Dabei ist die Kategorie des »Westens« in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen Disziplinen dekonstruiert worden, und in dieser Hinsicht sind die Geschichtswissenschaften keine Ausnahme. So haben etwa Ansätze aus der Kolonial- und Globalgeschichte die vielen Schwächen dieses Begriffs als Analyseinstrument deutlich gemacht.2 Von ihnen seien nur einige beispielhaft genannt: Die Normativität des Begriffs ist ebenso problematisch wie sein Reduktionismus, erklärt er doch implizit eine spezifische Entwicklung zur historischen Norm, die sich in erster Linie an der Geschichte Frankreichs und Großbritanniens und später an den Vereinigten Staaten von Amerika orientiert.

Der spatial turnin den Geschichtswissenschaften hat ebenfalls zur Dekonstruktion von Raumkategorien beigetragen. In gewissem Sinne greift der spatial turn den Ansatz von Benedict Anderson auf, der in seinem Buch über Nationen als »Imagined Communities« deutlich machte, dass Nationen gedachte Entitäten sind.3 Ähnliches gilt für Vorstellungen des »Westens«, des »Ostens« oder »Mitteleuropas«. Diese Räume werden nun in der Regel auch als mental maps begriffen, deren Konstruktion einem Wandel unterliegt und oft ein Produkt kolonialer Herrschaftsdiskurse ist.4

Eine »Geschichte des Westens« marginalisiert oftmals die Geschichte des globalen Südens oder erzählt sie lediglich als Teil einer Expansionsgeschichte westlicher Konzepte. Wird sie dann als Erfolgsgeschichte hin zu Demokratie, Wohlstand und Menschenrechten konzeptualisiert, so die berechtigte Kritik der post-colonial studies, klammere dies die Kosten dieser vermeintlichen Erfolgsgeschichte in der Regel aus. Getragen war sie von einer kolonialen Ausbeutung des globalen Südens, von Rassismus und genozidaler Gewalt, die bis heute einer vollständigen Aufarbeitung harrt.