Die Grenzen für Leben und Überleben setzen Physik, Chemie, Informtion und Geist - Siegbert Gorbach - E-Book

Die Grenzen für Leben und Überleben setzen Physik, Chemie, Informtion und Geist E-Book

Siegbert Gorbach

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Beschreibung

Den egoistischen Imperativ "Seid fruchtbar und mehret euch, füllet die Erde und machet sie euch untertan ..." (1.Mose 1,28) kann nur ein vom Menschen erdachter Gott formuliert haben. Gott als unpersönliche Urkraft schuf im Universum, unweit des absoluten Temperaturnullpunkts, einen winzigen sehr labilen Existenzbereich, in dem Leben entstehen konnte. In sehr langen Zeiträumen entwickelten sich zahlreiche Lebensformen, darunter der "Homo sapiens", zum wissensgeprägten Menschen der Neuzeit. Die Menschheit hat gesetzte Grenzen erreicht und muss die heute verfügbare Summe ihres Wissens nutzen und sofort klug handeln, damit Leben, aber auch Überleben für alle Lebensformen gewährleistet bleibt. Der Versuch einer Analyse.

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Seitenzahl: 319

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Vorwort

Begriffe, Einheiten

Zur Sache

Erkenntnis, Glaube

Kräfte, Energie und Materie

Das Atom, die Elemente

Das Elektrom

Anorganische Materie

Organische Materie

Leben

Information

Information in der Biologie

Organisch–kognitive Intelligenz

Anorganisch-kognitive Intelligenz

Digitales Denken

Wir sind uns bewusst

Geist – Zentrum des Lebens

17.1 Die Dualisten

17.2 Die Monisten

17.3 Das Erklärungslückenargument

17.4 Der freie Wille

17.5 Gefühle

Schuf Gott den Menschen oder der Mensch Gott

Problem Überleben

Problem Weltbevölkerung

Problem Energie und Klima

21.1 Fossile Energiequellen

Alternative Energiequellen

22.1 Energiequelle biologisches Material

22.2 Energiequelle bewegtes Wasser

22.3 Energiequelle Wind

22.4 Direkte Nutzung der Energiequelle Sonne

22.5 Atomenergie

22.6 Speicherung und Transport von Energie

Problem Medizin

Problem Brot für die Welt

Problem Arbeit/Maschine, KI, Soziales, Überlebensstrategien

Fazit

Anhang: Literaturverzeichnis, Index, Dimensionen, Hinweise

Index

1 Vorwort

Das Buch ist kein Fachbuch, in dem Fakten nach wissenschaftlichen Kriterien beschrieben und Ergebnisse nachprüfbar veröffentlicht werden. Vielmehr ist es ein Sachbuch, in dem versucht wird, die allgemein zugänglichen Erkenntnisse und die in einem langen Leben gesammelten Erfahrungen so zu präsentieren, dass der Leser im Rahmen des Themas auch ohne Spezialwissen die für uns existenziellen materiellen aber auch geisteswissenschaftlichen Zusammenhänge erkennen kann. Zusammenhänge, die nicht nur für die Entstehung von menschlichem Leben, seiner geistigen Entwicklung, sondern auch für das Überleben des Menschen unabdingbar waren und sind. Obwohl wir selbst und alles um uns herum letztendlich der Domäne der Chemie angehören, ohne die kein Leben möglich ist, wird die Chemie in breiten Bevölkerungsschichten als menschengemachte lebensfeindliche geheime Kunst oder schlicht als giftig empfunden. Im sogenannten Gleichgewicht mit der Natur – voll bio – überlebte nur eine kleine Schar von Jägern und Sammlern die vielen Eis- und Warmzeiten. Unsere heutige Lebensentität lässt sich nicht einfach in bio und nicht bio aufteilen oder z.B. die Klimaneutralität aller Einflussgrößen erzwingen. Es wird uns nicht gelingen, geologische und klimatische Veränderungen auf unserem Globus auch nur für 1000 Jahre anzuhalten, sozusagen einzufrieren. Er, der Globus, ändert sich unaufhaltsam, wie schon seit Millionen Jahren, und unter menschlichem Einfluss beschleunigt. Die Giga-Menschenzahl, die sich in den letzten zehntausend Jahren entwickelte, hat keine Chance, die künftigen Jahrtausende zu überleben, wenn sie nicht alle naturwissenschaftlich möglichen Techniken geistreich und exzessiv nutzt, um das naturgegebene Auf und Ab zu überleben. Anderenfalls steht der Menschheit schon sehr bald eine chaotische Endzeit bevor.

Beabsichtigt ist darzulegen, dass die Bewältigung dieser gewaltigen real zu erbringenden Leistungen nicht auf Geglaubtes, Gewünschtes, Metaphysisches, sondern unnachgiebig konsequent auf naturwissenschaftlich gesicherte Fakten gegründet werden muss. Technologisch sind wir in der Lage, diese spezielle Herausforderung zu meistern. Aber der dafür nötige globale Paradigmenwechsel wird nur dann gelingen, wenn der Mensch als Einheit agiert, sich wirklich sozialisiert, zum »homo socialis« mutiert, wie es schon der Quantenphysiker Erwin Schrödinger aufzeigte.

Es gibt einen Vorläufer zu diesem Buch (s. Siegbert Gorbach (2007)). Einige Textpassagen wurden daraus wörtlich übernommen.

Für die tatkräftige Hilfe bei der Abfassung des Textes danke ich Eva Ludwig.

Das Buch ist meiner Frau Marianne gewidmet, die mich über 65 Jahre begleitet hat und der ich sehr viel verdanke.

2 Begriffe, Einheiten

Im Titel des Buches werden vier Begriffe genannt, die beschreiben, was Leben ist.

Die Evolution schenkte dem Menschen die Fähigkeit zu erkennen, welche Grundvoraussetzungen für das gegeben sein müssen, was wir Leben nennen. Neben der Fähigkeit, darüber überhaupt nachzudenken, musste der Mensch physisch derart beschaffen sein, das Gedachte zu formulieren, es auszusprechen und das gesprochene Wort so zu speichern, dass es stets unverfälscht wiedergegeben werden kann.

Der Evangelist Johannes (s.a. Kapitel 18) brachte es bereits auf den Punkt. Er schrieb: »Im Anfang war der Logos«. Und weiter: »Der Logos ist Gott«. Luther übersetzte Logos mit »Wort«, und nach einigen Zeilen wird in Vers 14 des Evangeliums kundgetan: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt«. Ohne die physische Fertigkeit, uns zu artikulieren, hätten wir wahrscheinlich nie gelernt, Begriffe zu formulieren. Und wie wahr – auch wenn die Theologen das Johannes-Evangelium so nicht ausgelegt wissen wollen. Die Menschheit lernte, viele Begriffe wortreich zu beschreiben: Liebe, Geist, Bewusstsein, Freiheit, Vaterland, Gerechtigkeit, Glaube, Materialismus, Idealismus, Humanismus, Krieg, Frieden usw. Die Beschreibungen der Begriffe, ihr Wandel im Lauf der Zeit, ihr »Für und Wider« füllen Bibliotheken. Ein Blick in eine Enzyklopädie (z.B. Wikipedia) eröffnet jedem das weite Feld der unterschiedlichen Definitionen.

Wir sind auf Begriffe angewiesen, um uns zu verständigen. Begriffe sollten eindeutig sein, um Interpretationsstreit zu vermeiden. Unterschiedlichen Kulturen, Zivilisationsebenen, Bildungsgraden, Sprachbarrieren und anderen Gegebenheiten geschuldet, ist Eindeutigkeit nur schwer zu erreichen. Weitgehende Eindeutigkeit gibt es bisher für Begriffe der Mathematik, der Naturwissenschaften und ihrer technischen Anwendung. Dafür waren langwierige Konferenzen zum einheitlichen Sprachgebrauch, zu Symbolen und Einigungen auf Bezugseinheiten nötig. Ein zentraler Begriff ist Eigenschaft. Er wird im Folgenden häufig gebraucht. Eigenschaften der unbelebten und belebten Materie sind es, die uns das Leben ermöglichen. Hier ein leicht nachvollziehbares Beispiel: Ohne die Eigenschaft von Kohlenstoff, vornehmlich im Temperaturbereich von etwa –20° bis 200° Celsius mit Wasserstoff, Sauerstoff und einigen anderen Elementen eine gewaltige Anzahl unterschiedlicher Moleküle zu bilden, wäre unsere Form von »Leben« nicht entstanden. Zu diskutieren, warum der Kohlenstoff diese Eigenschaften hat und wer sie ihm verlieh, ist interessant, aber zunächst unbedeutend im täglichen Ablauf der Biochemie der Lebewesen.

Schon der Titel dieses Buches besagt, dass für die nachfolgenden Beschreibungen vor allem naturwissenschaftliche Begriffe, insbesondere aus der Physik, der Chemie und der Informatik benötigt werden. Der Begriff Energie hat für den Menschen in seiner jüngsten Geschichte eine besondere Bedeutung gewonnen. Es ist daher unvermeidlich, schon eingangs dieses interessante aber etwas trockene Thema näher zu behandeln. Es wird versucht, diese die Leselust vernichtende Barriere niedrig zu halten. Die Physik kennt 7 Basisgrößen und man hat sich international auf einheitliche Symbole und Einheiten geeinigt.

SI-Einheiten (Système International d’unités):

Größe

Symbol

SI-Einheit

SI-Symbol

Länge

L

Meter

m

Masse

M

Kilogramm

kg

Zeit

T

Sekunde

s

E-Stromstärke

I

Ampere

A

Temperatur

Θ

Kelvin

K

Stoffmenge

K

Mol

mol

Lichtstärke

J

Candela

cd

Eine Maßeinheit für den Informationsgehalt ist das »Bit«. Es ist der Informationsgehalt, der in zwei gleich wahrscheinlichen Möglichkeiten, die zur Auswahl stehen, enthalten ist. Das Bit ist keine SI-Einheit.

Auf der Grundlage der SI-Basisgrößen ist die Definition der davon abgeleiteten Begriffe z.B. in der klassischen Physik – die des Isaac Newton – wie Geschwindigkeit, Kraft, Energie (Arbeit), Leistung und andere widerspruchsfrei.

Die Energiemenge Joule (J) und die Leistung Watt (W) sind wesentliche Begriffe, die im Folgenden sehr häufig genannt werden. Sowohl die Wärmeenergie als auch die Energie der elektromagnetischen Strahlung (z.B. Sonnenlicht), die chemisch gebundene Energie, die Atomenergie und andere umfasst die SI-Einheit Joule.

Die im Haushalt benötigte Energie ist im Alltagssprachgebrauch der Verbrauch von Strom. Das Wort Verbrauch ist hier irreführend. Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden (s.a. Kapitel 5). Der Betrag an Joule ist vor und nach getaner Arbeit derselbe. Geändert hat sich der Energiezustand, sein Potenzial, z.B. die Temperatur. Die SI-Einheit der Temperatur K (Kelvin) wurde als Einflussgröße bisher noch nicht genannt. Ihr Nullpunkt liegt bei –273° Celsius und ist nach oben offen. Für uns ist die Temperatur neben der Schwerkraft ein im Alltag sehr bewusst empfundenes Phänomen. Alles um uns herum, ob fest, flüssig oder gasförmig, hat eine Temperatur, die wir als eisig, kalt, angenehm, warm, heiß, brennend heiß oder vernichtend beschreiben. Jedenfalls handelt es sich hier um ein überaus dominantes Phänomen des Lebens und unseres Wohlbefindens. Die physikalische Beschreibung der Natur der Temperatur war und ist nicht trivial und ist z.B. unter dem Namen Thermodynamik für viele Studierende ein ungeliebtes Studienfach.

Das Phänomen Temperatur kann am Beispiel der Mischung von kaltem und warmem Wasser veranschaulicht werden. Wassermoleküle (H2O) bewegen sich in flüssigem Wasser. Je schneller sie sich pro Sekunde bewegen, umso höher ist ihre Bewegungsenergie und umso wärmer ist das Wasser. Stoßen schnellere auf langsamere Wassermoleküle, z.B. nach Mischen mit kaltem Wasser, verlieren die schnelleren solange Bewegungsenergie an die langsameren (Arbeit wird geleistet), bis alle Moleküle dieselbe Bewegungsenergie erreicht haben. Das Wasser ist danach etwas kälter als die ursprünglich wärmere Portion und etwas wärmer als die ursprünglich kältere Portion. Energie floss von warm nach kalt, ihr Gesamtbetrag bleibt unverändert.

Der Prozess ist irreversibel, d.h. er ist nicht umkehrbar. Der alte Traum der Menschheit, diesen Prozess trickreich reversibel zu machen, blieb und bleibt unerfüllt.

Die Wärmemengen in den Ausgangsportionen verbleiben als Anteile vollständig in der Mischung. Was sich verändert hat, sind die Temperaturen. Bildlich gesprochen hat sich die Unordnung, das Energiepotenzial der herumzappelnden Wassermoleküle in der wärmeren Portion als Anteil in der Mischung verringert und in der kälteren erhöht. Die Änderung der Energiequalität wird als Entropieänderung bezeichnet, d.h. die Entropie des warmen Wassers hat sich erniedrigt und die des kälteren erhöht.

Der Mensch ist eine Komposition sehr vieler organischer wohlorganisierter Zellen, die spezifische Aufgaben erfüllen, also Arbeit leisten, und zwar solange die dafür erforderliche Energie ständig angeliefert wird, um die bestehende Ordnung zu erhalten. Die zugeführte Energiemenge wird nach getaner Arbeit in die Umwelt abgeführt. Die Entropie der Umwelt wird dadurch erhöht. Ist die Entropie der Umwelt zu hoch, kehrt sich der Energiefluss um und erhöht die Entropie der Lebensprozesse, und zwar solange, bis die komplizierte Organisation in der Zelle nicht mehr aufrechterhalten werden kann. (s.a. Kapitel 10). Übersetzt heißt das: Wenn es draußen dauernd mehr als 50 Grad warm ist, schwitzen wir uns zu Tode.

Entropie (S) ist eine Zustandsgröße. Ihre Einheit im SI-System ist S=J/K, (Kelvin). Der energetische Zustand der Materie ist vielfältig. Die Materie besteht aus chemischen Verbindungen, deren Stoffmenge (Anzahl der Moleküle pro Mol) die SI-Einheit Mol hat. Meist liegen Gemische von Verbindungen vor. Stoffumwandlungen sind mit Änderungen des energetischen Zustandes gekoppelt und Änderungen des Aggregatzustandes ebenfalls. Die Änderung (d) des Energiezustandes von einer zu der darauffolgenden chemischen Verbindung wird Enthalpie genannt (dH) und hat die SI-Einheit (Joule/Mol). Sie ist eine bedeutende Zustandsgröße und wird im Folgenden verallgemeinernd als chemische Energie bezeichnet.

Aber auch die unterschiedliche Masse (Kilogramm, kg) der chemischen Verbindungen und Gemische bewirkt z.B. unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung Gravitationskräfte unterschiedlicher Energie: in SI-Einheit ausgedrückt Joule pro Kilogramm.

Wo nötig, versuchen wir durch bestmögliche technische Maßnahmen die Nutzung und den Abfluss von Energie zu minimieren, d.h. mittels bestmöglicher Isolation uns warm zu halten. Im offenen System bestimmt der Energiefluss die zeitliche Entwicklung des physikalischen Systems. Im obigen Beispiel ist die Energieform thermisch. Andere Energieformen sind die potenzielle Energie, wie z.B. der Stausee, die kinetische Energie wie z.B. der Wind oder der heranrasende Komet, die elektrische Energie wie z.B. der Strom im Haus, aber auch der Blitzschlag, die schon oben erwähnte chemische Energie und nicht zuletzt die Kernenergie.

Die Dimensionen der Einheiten sind in der Praxis oft wenig handlich, denn wenn wir z.B. Elektrizität benötigen, sind das meist nicht nur wenige Watt, sondern 1.000 Watt oder sogar sehr viel mehr. Die Notationen kW, mW usw. sind dann handlicher. Eine Tabelle der Dimensionen und hilfreicher Hinweise für Umrechnungen sind im Anhang zu finden. Übrigens ab Mai 2019 ist das aus Platin bestehende Urkilogramm, dessen Gewicht sich verändert (Standort, Reinigungsschwund), nicht mehr der Standard. Wie schon das Meter und die Sekunde ist auch das Kilogramm inzwischen durch Naturkonstanten eindeutig definiert, was die SI-Einheiten in sich stimmig macht. Das Kilogramm wog am Äquator nämlich schwerer als an den Erdpolen.

3 Zur Sache

Wie schon der Titel dieser Schrift besagt, ist Leben etwas Ganzes, geformt nach den Gesetzen der Physik, der Chemie, der Information und des Geistes. Das ist sicherlich zunächst eine etwas ungewohnte Art, den Begriff Leben zu beschreiben. Alle Lebewesen sind ein wohlgeordnetes Ganzes, bestehend aus chemischen Verbindungen, die den Gesetzen der Physik und Chemie unterworfen sind und die mit einem gewaltigen bordeigenen Informationsnetz und Informationsfluss die belebte Materie bilden. Während die Physik und die Chemie durch Naturkonstanten determiniert sind, gilt das für die Information nur eingeschränkt, aber auch sie gibt es nur zusammen mit einer physischen Entität. Die Beschreibung sowohl der belebten als auch der der unbelebten Natur ist derzeit nur auf der Grundlage dieser Begriffsinhalte möglich. Die Evolution aller Lebewesen wurde seit Anbeginn unter anderem durch den Erwerb von bewusstem Wissen erst ermöglicht. Unterschiedliche Arten mit sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen entstanden, die sich den wandelnden Umwelteinflüssen anpassen mussten und immer noch müssen. Aber wie auch immer die belebte Materie sich dabei wandelt, sie konnte und kann den von der Natur gesetzten Rahmen nicht verlassen. In sehr langen Zeiträumen konnte sich aus der gewaltigen Masse der Lebewesen aufgrund ihrer speziellen physischen und psychischen Eigenschaften eine Art entwickeln, die schließlich zum »Homo sapiens« führte. Eine Art, die sich zunehmend so verhält, als gälten die naturgegebenen eingrenzenden Rahmenbedingungen für sie nicht mehr.

Es fehlt in der Literatur und in den Medien keineswegs an ernsthaftem Bemühen, die Menschen auf die bestehenden Rahmenbedingungen hinzuweisen und die Gefahren zu nennen, die Verletzungen der von der Natur gesetzten Grenzen nun einmal verursachen. Aber die Warnungen werden nicht richtig verinnerlicht, verschwinden auch in der täglichen Informationsflut, widersprechen dem Zeitgeist und werden herausgefiltert. Zu hoffen, durch einen weiteren Beitrag den Mangel an Aufmerksamkeit zu beheben, erscheint daher wenig erfolgversprechend. Dennoch sollte die Anzahl informierender Beiträge zu diesem Thema weiter anwachsen, denn die allgemein zugängliche Informationsdichte und Vielfalt wird dadurch erhöht, und die Wahrscheinlichkeit, dass die notwendigen Informationen »rüberkommen«, ebenfalls.

Dass wir den Gesetzen der Physik unterworfen sind, wird jedem spätestens dadurch bewusst, dass er Arbeit leisten muss, um von A nach B zu kommen, einen Kasten Mineralwasser ins dritte Stockwerk zu tragen, im Winter ein warmes Zimmer zu haben usw. Mit der Chemie ist das so eine Sache. Der rote Apfel, wenn er aus kontrolliertem Anbau kommt, ist «bio« und daher gesund und hat mit Chemie nichts gemein. Kommt er aus konventionellem Anbau, ist er nicht »bio«, ist mineralisch gedüngt, pestizidbelastet, kurz gesagt »giftige Chemie«. Chemie ist für den sogenannten informierten Bürger alles, was von der chemischen Industrie in den Verkehr gebracht wird, wie z.B. Haushalts-Chemikalien, Medikamente, Kunststoffe, Kunstdünger, Pflanzenbehandlungs- und Vorratsschutzmittel und vieles mehr. Übrigens: Sieben Milliarden Menschen würden auf unserem Globus ohne die moderne Chemie keine zwei Jahre überleben. Noch vor einhundert Jahren wurden Menschen selbst in dünn besiedelten Landstrichen mit guten landwirtschaftlichen Bedingungen von Hungersnöten geplagt. Die Ernteerträge waren aus heutiger Sicht »bio« und so niedrig, dass sie selbst für die damals geringen Populationsdichten nicht immer ausreichten.

Der Mensch empfindet sich selbst nicht als raffinierte Chemikalienfabrik. Sehr vielen Menschen fehlt jede Kenntnis der komplizierten chemischen Reaktionen wesentlicher biologischer Stoffwechselprozesse. Der Mensch fühlt sich eigentlich nicht als Mitglied der übrigen belebten Natur, vielmehr als ein bedeutendes mit Geist ausgestattetes Lebewesen, das physisch leider wie alle Lebewesen essen, ausscheiden und sich reproduzieren muss, und das gefühlt auch noch ganz ungerechtfertigt stirbt. Aber unausweichlich bestehen wir alle aus einer riesigen Zahl komplizierter chemischer Moleküle, die sich vorübergehend zu einem lebendigen Ganzen zusammenfinden. Allerdings erscheint es befremdlich, den Menschen auf ein Produkt aus Chemie und Physik zu reduzieren und den menschlichen Geist in den Begriff Information einzubetten. Weniger befremdlich hingegen wird der Zusammenhang, wenn die Frage gestellt wird, wie sich derart viele Moleküle zu einem Lebewesen, insbesondere dem Menschen, zusammenfinden können. Hierfür bedarf es offensichtlich schon auf molekularer Ebene eines gewaltigen Informationsaustauschs und eines ebenso gewaltigen fortlaufenden Informationsflusses, ohne den auch Geistiges nicht artikuliert werden könnte.

Informieren muss sich jedes Lebewesen, um leben zu können. Die vornehmlich benötigte Information ist: Wo finde ich Stoffe, die mir die nötige Energie zur Erhaltung meiner Lebensprozesse bereitstellen – ein Prinzip, das die Metapher »Fressen und gefressen werden« kurz und bündig beschreibt. Es folgt ein Bündel notwendiger Informationen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Art. Die primitive Metapher hierfür ist: »Erst das Fressen, dann der Sex.«

Die Erhaltung der Art ist mit einem Optimierungsprozess gekoppelt, der zumeist darin besteht, dass der Stärkste sich weiter vermehren darf. Und weil lebende Materie so verletzlich und unbeständig ist, werden besonders an der Basis der Nahrungskette gewaltige Zahlen (Redundanz) von Einzelobjekten ins Rennen geschickt, jedes ausgestattet mit der gesamten Information, die notwendig ist, um sich selbst zu reproduzieren und die beabsichtigte Art zu erhalten und zu verbessern. Das Prinzip: Einige werden es schaffen. Ein Prinzip, das auch die Artenvielfalt fördert. Sodann bestimmen die jeweils herrschenden klimatischen Bedingungen, aber auch die Hierarchie der Arten in der Nahrungskette, welche Arten unter den gerade gegebenen Umweltbedingungen leben können. Das hört sich extrem vereinfacht an, aber ist eine geeignete Grundlage, um ein halbwegs realistisches Existenzszenario für alle Lebewesen zu entwerfen.

Und, wiederum stark vereinfacht, hat sich der Mensch an die Spitze nicht nur der Nahrungskette emporentwickelt. Seine vor allem intellektuelle Dominanz hat ihm sehr viel Macht über die belebte Umwelt gegeben. Selbst die unbelebte Umwelt bleibt vor dem Eingriff des Menschen nicht verschont, und zwar in einem Maße, dass die Erdoberfläche geordnete Strukturen aufweist, die es auf unbelebten Himmelskörpern so nicht gibt. Nur die vorgegebenen chemischen und physikalischen Grenzen und die von ihrer Mächtigkeit her nicht beeinflussbaren Ereignisse wie z.B. tektonische (Vulkanismus und Erdbeben), atmosphärische und astronomische Einflüsse sind dem menschlichen Zugriff noch weitgehend enthoben.

Die menschliche Dominanz und der Zugriff auf zahlreiche unterschiedliche Energiequellen bringen die Menschheit »selbst« in Gefahr. So z.B. erlauben moderne Landwirtschaft, Hygiene und Medizin Populationsdichten aufzubauen, die schon bei geringsten Störungen des Systems zum Kollaps der Art führen könnten. Das Gebot »Mehret euch und macht euch die Erde untertan«, strikt befolgt, führt derzeit zwangsläufig zu Übervölkerung, zwingt zu progressivem Verbrauch unserer begrenzten Ressourcen. Das Gebot, das noch vor wenigen Jahrhunderten den Völkern half, nicht auszusterben, sich wehrhaft durchzusetzen, wird bei der jetzt erreichten Populationsdichte zum Problem. Dennoch halten nicht nur die Religionen an diesem speziellen Gebot fest (s.a. Kapitel 18).

Obwohl also eine Fülle naturwissenschaftlicher Informationen darüber, wie alles entstand, in Büchern, Hörsälen, Medien und im Internet angeboten wird, bleiben selbst in entwickelten Ländern breite Bevölkerungsschichten diesbezüglich uninteressiert und sträflich uninformiert. Es herrscht eine eigenartige Gemengelage in den Köpfen der Menschen bezüglich des Wissens realer Fakten und geglaubter Fakten, die mangels besseren Wissens galten und immer noch gelten. Jacques Monod schrieb in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts: »Der Alte Bund zwischen Gott und dem Menschen ist zerbrochen. Der Mensch weiß endlich, dass er in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Universums allein ist, aus dem er zufällig hervortrat.«

Der Satz ist nicht tröstlich, und die meisten Menschen können sich dieser Aussage aus überlieferter Tradition und aufgrund archaisch einprogrammierter Denkmuster nicht anschließen. Aber die naturwissenschaftlichen Fakten lassen keine andere Schlussfolgerung zu. Monod fordert die Menschheit auf, ihr Denkmuster nicht von transzendenten und obsoleten Denkmustern abhängig zu machen, sondern es auf Basis von naturwissenschaftlich gesichertem Wissen vernunftbetont zu gestalten.

Dem Menschen ist entwicklungsgeschichtlich der Glaube an Übermächtiges, Metaphysisches, ja Unrealistisches, dem man schicksalhaft ausgeliefert ist, einprogrammiert. Auf dieser Basis mussten sich die Völker organisieren, und entsprechend waren ihre Weltanschauung und ihre Verfasstheit. Die rasante Enthüllung naturwissenschaftlicher Fakten schuf eine Realität und menschliche Lebensqualität, die mit der bisherigen Verfasstheit in Konflikt gerät. Deutlich wird der Konflikt, wenn man die Einhaltung religiöser Gebote mit denen in nationalen Verfassungen vergleicht. Zum Teil ergeben sich krasse Widersprüche. Diese werden im täglichen Leben der entwickelten Länder meist ausgeblendet. Sehr viele Menschen, besonders in urbanen Ballungszentren, begehen Gottesdienste jeder Couleur nur noch, wenn es gesellschaftlich förderlich oder weil es »einfach so Tradition« ist. Ihr Glaube zerbröselt angesichts naturwissenschaftlicher Fakten, die herkömmliche metaphysische Begriffsinhalte fast unbewusst eliminieren. Mancherorts veröden nicht nur in der Christenheit die monumentalen klerikalen Bauwerke zu musealem Kulturgut.

Dagegen erheben einige Völker ihre Religion zur Staatsreligion und setzen die Einhaltung ihrer spezifischen Gebote mit Nachdruck durch. Erstaunlich ist, dass selbst diejenigen, die sich der Technik, der elektronischen Datenverarbeitung, ja sogar der künstlichen Intelligenz bedienen, metaphysischreligiösen und irrationalen Weltanschauungen anhängen. Ein deutliches und alles andere als friedliches Beispiel ist Israel, in dem ein Teil der Bevölkerung wissenschaftlich und technologisch hoch entwickelt ist und eine Parallelgesellschaft orthodoxer Juden toleriert, die fast unbehelligt eine archaische Gesellschaftsordnung praktiziert.

Weltweit besteht eine Kluft zwischen den Verfasstheiten der Völker, und daraus erwachsen immer noch blutige Konfrontationen.

Wir stehen vor einer wachsenden Anzahl von Problemen, die gelöst werden müssen, wobei allein die strikte Einbeziehung der Gebote der Naturwissenschaften zum Erfolg verhelfen kann. Es muss uns gelingen, schon bestehendes naturwissenschaftliches Wissen, das uns sagt, wo unsere Grenzen sind, in die Köpfe aller Schichten der menschlichen Gesellschaften einzuprogrammieren, und zwar so, dass es vernunftbetont zu unserem Wohle angewendet wird. Dafür ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Gelingt er, so bestünde die kleine Chance, den Planeten »Erde« für uns als Lebensraum über einen langen Zeitraum zu erhalten und nicht unbewohnbar zu machen. Der Paradigmenwechsel ist kein Zuckerschlecken, denn auf unserem Planeten wird die hohe Populationsdichte noch lange anhalten. Sie bedingt hohen Nahrungsmittelbedarf, Energiebedarf, Organisation von Menschenmassen in Ballungsräumen, medizinische Versorgung, Altenpflege, Transport, Arbeit, und vor allem genug Einkommen. Letzteres wird durch den zunehmenden Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung und durch den Einsatz von elektronisch gesteuerten Maschinen zu einer besonderen Herausforderung. Und je höher die Populationsdichten in den Ballungszentren werden, umso stringenter ist der erforderliche Organisationsgrad der Population, und umso enger wird für jeden Einzelnen der persönliche Freiheitsgrad.

Alles um uns herum, ob anorganisch oder organisch, ist also durch und durch eine Domäne der Chemie, und die erforderliche Energie, die alles in Bewegung hält, ist eine Domäne der Physik. Und nicht zuletzt: Gäbe es nicht den auf eine materielle Basis angewiesenen Informationsfluss, so gäbe es im weitesten Sinne weder Leben noch Geist noch Seele.

4 Erkenntnis, Glaube

Erkenntnis und Glaube sind zwei Begriffe, die flüchtig gesehen nicht sehr viel gemeinsam haben. Erkenntnis ist das Ergebnis eines Prozesses, in dem ein Sender Muster von Informationen sendet, die vom Empfänger als verwertbar erkannt, entschlüsselt, verstanden werden und in dem die gewonnenen Erkenntnisse als Wissen gespeichert werden. Entschlüsseln ist ein langwieriger Prozess. Ein Blitz z.B. zuckt blendend und donnernd vom Himmel. Etwas Gewaltiges geschieht, Tod und Brand drohen, aber was genau ist eigentlich der Blitz? Es dauerte sehr lange, bis man verstand und wusste, dass es besser ist, einen Blitzableiter zu bauen, als auf Gott zu vertrauen.

Enzyklopädien bezeichnen den Begriff Erkenntnis unterschiedlich und somit als nicht einheitlich definiert. In einer ersten Annäherung wird Erkenntnis als erworbenes Wissen bezeichnet, das als Ergebnis aus der Verarbeitung von Erfahrung und Einsicht gewonnen wurde. Damit nähert sich die Definition der oben beschriebenen.

Das Statement »Ich glaube …« wird im Alltag in jeder Diskussionsrunde und im Alltagsgespräch im Sinne von »eine wahrscheinlich richtige Aussage« gebraucht. Der Begriff »Glaube« bietet eigentlich nur ein Art Benutzeroberfläche, die etwas Unbestimmtes, auch Metaphysisches, umhüllt. Erfährt der Mensch einen Blitzschlag, der tötet, eine Scheune in Brand setzt, so ist das zunächst ein für ihn unerklärliches Phänomen, wie sehr viele andere auch. Mangels verständlicher Information »glaubte« man an nicht real erfassbare metaphysische Mächte. Bekräftigt wurde der Glaube für die Gläubigen in Wort, Bild und Schrift von Schamanen, Geistlichen, Wahrsagern, Astrologen. Vermeintlich beherrschten metaphysische Mächte, die nicht analysiert werden konnten, das Schicksal der Menschen. Und sehr viele Menschen glauben das noch heute. Für Theologen ist »Glauben« der zentrale Begriff, der den Gläubigen darin bestärkt, Erhofftes und Ersehntes zu erhalten, von wem auch immer. Der Begriff beinhaltet meist einen vollständigen Lebensentwurf.

Allerdings: Wird das Metaphysische enthüllt – der Blitz ist eine elektrische Entladung – so ist das Geglaubte eliminiert und obsolet (s.a. Kapitel 17,2 eliminativer Materialismus).

Es ist zu kurz gegriffen, den Begriff »Erkenntnis» ausschließlich auf den Menschen zu beziehen, denn jedes Lebewesen gewinnt aus Erfahrung, Erfolg und Misserfolg u.a. Erkenntnisse, die zum Überleben oder auch nur für ein besseres Leben notwendig sind.

Lebewesen verfügen über Sensoren, die geeignet sind, lebenswichtige Informationen zu empfangen und an ihre spezifische Informationsverarbeitungszentrale zur Veranlassung notwendiger Aktionen weiterzuleiten (Nervenzentren, Gehirn).

Es erscheint selbstverständlich, dass die Erkenntnisse einer Spinne, eines Hundes, eines Schimpansen und letztlich des Menschen jeweils eigene Kategorien bilden. Der Mensch beginnt nach dem zweiten Lebensjahr, sich seiner selbst bewusst zu werden: Er erkennt sich im Spiegel. Danach besitzt er ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und gewinnt Erkenntnis bewusst. Es wird argumentiert, nur bewusst sei Erkenntnisgewinn möglich, also nur dem Menschen sei Erkenntnis vorbehalten. Aber den Spiegeltest bestehen die uns nahestehenden Menschenaffen, wie z.B. Schimpansen, Orang-Utans und teils auch Gorillas. Der Schimpanse wischt sich vor dem Spiegel die ihm auf die Nase aufgebrachte rote Markierung ab, die, das ist ihm bewusst, seine eigene Nase ungewöhnlich sichtbar macht, also sofort weggewischt werden muss. Die Frage, ob der intelligenteste Schimpanse, der Feuer machen, darauf Essbares erwärmen und das Feuer mit Wasser löschen kann (Video, 3sat am 7. Sept. 2018), nur dressiert ist, oder ob er sich seiner durchgeführten Handlungen tatsächlich bewusst ist, bringt das Phänomen auf den Punkt. Viele Erkenntnisse sammelt das Kind in den ersten zwei Jahren unbewusst, meist durch Abgucken bei Älteren, und zwar auch dann noch, wenn es zweijährig und seiner selbst bewusst geworden ist. Somit erscheint es schwierig, die bewusste Erkenntnis allein dem Menschen zuzuschreiben. Es gibt die schon erwähnten Kategorien.

Letztlich ist das Erkennen vorhandener nutzbarer Information eine unverzichtbare Eigenschaft des Prinzips Leben. Auch der Ablauf des komplizierten Prozesses des bewussten Erkennens ist physiologisch vorprogrammiert.

Zwei unterschiedliche Begriffsinhalte vermengen sich, »selbst« und »bewusst«. In Enzyklopädien findet man zu jedem Begriff zahlreiche Inhalte aufgeführt, und zwar aus der Umgangssprache (dem Alltagsvokabular) sowie aus der Philosophie, der Medizin, der Psychologie usw. In »bewusst« steckt der Begriff »Wissen«, und der Begriff Wissen ist wiederum mit dem Begriff »Denken« verwoben, Denken wiederum mit »Zusammenhänge erkennen«, also Erkenntnisse und Lösungen für reale Probleme zu finden. Damit wiederum stellt sich die Frage, was überhaupt »real« ist, usf. Es folgen Fragen wie diese: Besteht die Welt nur aus Physischem oder gibt es auch Metaphysisches? Anschließend folgen zwangsläufig die Gottesfrage und die Frage, wie der Mensch mit der Erde, die er glaubt, sich untertan gemacht zu haben, in Zukunft umgeht, und wie lange er seinen Herrschaftsanspruch und vor allem sich selbst auf dem Planeten Erde erhalten kann. Und vieles mehr.

»Was die Welt im Innersten zusammenhält«, wollte schon Johann Wolfgang von Goethe wissen – und er wusste im Vergleich zu dem, was wir heute wissen können, weitaus weniger.

Praktisch alle physischen Fakten, die wir bisher bewusst erkannt haben, hält unser Universum schon seit jeher bereit. Die physikalischen und chemischen Fakten sind seit Anbeginn des Universums so wie sie sind, und ihre Eigenschaften konnten schon lange vor dem Auftritt des »Homo sapiens« jederzeit von jedem dazu Befähigten ebenfalls bewusst erkannt werden.

Erkenntnis erschließt sich allerdings nicht von selbst; der Mensch musste sie in einem für ihn mühevollen Prozess erarbeiten, sie sich bewusst machen und verfügbar halten. Und dieser Prozess unterscheidet die Spezies Mensch von der übrigen Welt des Lebendigen.

Wie noch ausführlich zu beschreiben sein wird, dauerte die Entwicklung von Leben Milliarden von Jahren, bis sich die so spezielle Spezies »Homo sapiens«, der vernünftige, weise Mensch, herausbildete. Es dauerte weitere Millionen Jahre, bis sich der heute lebende Typ »Mensch« entwickelte. In einem mühsamen, aber im Vergleich zu einem Erdzeitalter kurzen, plötzlich einsetzenden, quasi Picosekunden schnellen, rasanten Prozess, erwarb in den letzten drei Jahrhunderten eine geringe Anzahl von Menschen einen signifikanten und verwertbaren Erkenntnisgewinn, der es dem »Homo sapiens« ermöglichte, neue Lebensräume zu gewinnen, hoch organisierte Populationen aufzubauen und die Erdoberfläche eigennützig zu verändern. Wie bewerkstelligte es diese Spezies, für sich ein so herausragend selbstbestimmtes Dasein zu führen, das in der belebten Natur einzigartig erscheint und das für die Entwicklung unseres Planeten und damit unseres weiteren Schicksals so bedeutend ist? Der Erwerb kognitiver Potenz und die Möglichkeiten der Speicherung erworbenen Wissens (Alphabet, Buchdruck, EDV) waren hierfür Vorbedingungen. Damit steht heutzutage fast allen Menschen eine umfangreiche Wissensbasis über physikalische und chemische Gesetzmäßigkeiten, aber auch über das Prinzip »Leben« zur Verfügung. Letzteres erweist sich als ein besonders kompliziertes, vernetztes, sehr empfindliches, ständig mutierendes Etwas, dessen Prinzipien sich eben nur schwer erkennen lassen.

Die Deutung der Zukunft ist dem Menschen besonders wichtig, und sie ist auch notwendig, denn die heutige Populationsdichte ist mit den Techniken und Ressourcen vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende nicht aufrechtzuerhalten. Zudem erzeugte die enge Verflechtung von Hochtechnologie mit unserem biologisch geprägten Leben ein neues Problem, das in dieser Dimension noch keinem Lebewesen (auf unserem Planeten) aufgebürdet worden ist.

Wie eingangs schon erwähnt, müssen nicht nur einige wenige, sondern praktisch alle Menschen die Parameter erkennen, die für unser Überleben entscheidend sind; aber auch diejenigen, die uns dabei helfen, unseren Wunsch, ja unseren Anspruch auf ein erfülltes Leben ohne Angst, Hunger, Krankheit und Diskriminierung zu verwirklichen.

»Erkennen«« bedeutet mehr, als das Wissen aus Hörsälen, aus Büchern oder aus dem Fernsehen passiv an sich vorbeiziehen zu lassen. Der Erkenntnisprozess muss so gestaltet werden, dass er, sozusagen wie selbst erlebt und verinnerlicht, nachhaltig im Bewusstsein verankert bleibt. Das jedoch ist leichter gefordert als zu erreichen.

Es ist wohl leider wahr: Das Grauen eines Krieges verinnerlicht nur derjenige, der ihn selbst erlebt hat.

Das vorliegende Buch zu lesen wäre demnach nicht hilfreich oder gar ein Gewinn. Doch kann man nicht oft genug mögliche Wege aufzeigen, die jeder gehen kann, um letztlich zu verinnerlichen, was und wer wir eigentlich sind. Einsicht und Selbsterkenntnis sind wichtige Voraussetzungen, die uns befähigen, die menschliche Zukunft zu gestalten.

Die Mehrzahl der Menschen muss erkennen, dass nachprüfbares Wissen für das Leben die bessere Basis bietet als der Glaube an Irrationales. Wie zäh der Prozess des Paradigmenwechsels vom Glauben zur Akzeptanz der Faktenrealität ist, zeigt der Fall des Galileo Galilei. Die katholische Kirche machte ihm 1632/1633 den Prozess und Galilei wurde erst postum 1992 von der katholischen Kirche rehabilitiert. Auch diejenigen, die glauben, die Welt und der Mensch seien vor ca. 5000 Jahren in sieben Tagen erschaffen worden, folgen immer noch Texten aus Religionsbüchern einer Zeit, in der Glaube als reales Wissen galt. Und wenn selbst heute noch junge Menschen massenhaft Mitmenschen und sich selbst in Fetzen sprengen, weil ihnen versprochen wird, sie kämen dann aus ihrer derzeitigen Bedeutungslosigkeit in ein Paradies, in dem 72 Jungfrauen auf grünen Wiesen an silbrigen Bächen lagernd auf sie – die Mörder – warten, erscheint der notwendige Paradigmenwechsel eigentlich nicht möglich.

Doch die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Fakten und die Verankerung ihrer Akzeptanz im Alltagsleben muss unverdrossen und zäh weiterhin erfolgen. Zugänglich für jedermann geschah und geschieht das in den Medien, zum Teil mit beeindruckenden Videoanimationen. Dennoch: Jede weitere Schrift, also auch die vorliegende, die dazu beitragen kann, den noch herrschenden Zeitgeist und seine inhärenten Heucheleien zu marginalisieren, muss und sollte willkommen sein.

Die Evolution unseres Planeten ist nun einmal ein kosmisches Phänomen und erfolgte nach den physikalischen und physikalisch-chemischen Gesetzmäßigkeiten, die für unseren Kosmos gelten. Aus dieser Sicht erleben wir unseren Planeten vor allem als das, was er nachweislich ist: als Materie. Es ist eine aufregende Geschichte, wie daraus entgegen aller Wahrscheinlichkeit das Leben und letztlich der wissende Mensch entstand.

5 Kräfte, Energie und Materie

Die Existenz von Materie und ihren Eigenschaften ist eine notwendige Voraussetzung für lebende biologische Systeme, und diese wiederum sind die Voraussetzung für die Existenz von Geistigem in unserer als real empfundenen Welt.

Wir kennen folgende vier Naturkräfte (s.a. Kapitel 2):

die Gravitationskraft (Erdanziehung, Schwerkraft)

die elektromagnetische Kraft (z.B. Licht und Elektrizität)

die starke Kernkraft

die schwache Kernkraft

Die Schwerkraft ist eine Kraft, die jeder schweren Masse innewohnt, sie ist eine Eigenschaft der Materie. Der Erdball hat eine große Masse, und seine Gravitationskraft ist die Kraft, der jedes Lebewesen, also auch der Mensch, von Anbeginn ausgesetzt ist. Jeder Mensch bewegt sich wie selbstverständlich in seiner Wohnung, in seiner Kommune, auf Feld und Flur und inzwischen auch im erdnahen Weltall. Er verspürt sehr deutlich die Schwerkraft des Erdballs, z.B. wenn er sich selbst und einen Kasten Bier eine Treppe hochquält oder auf einen harten Stein fällt. Der Kasten Bier hat mit seiner Masse sein eigenes Schwerkraftfeld, das aber so schwach ist, dass es keinen praktisch fühlbaren Einfluss hat. Die Gravitationskraft ist eine schwache Kraft, aber sie hat eine unendliche Reichweite. Frei bewegliche Massen werden durch die Schwerkraft beschleunigt und die Materie speichert kinetische Energie. Damit kann die eigentlich schwache Kraft für den Menschen zum tödlichen Impuls werden, z.B. wenn ihn ein vom Dach herabfallender Ziegel trifft, ein Steinschlag überrollt oder Erdbebentrümmer ihn verschütten. Verheerend ist die Wirkung beim Einschlag eines tatsächlich gar nicht großen Meteoriten; nur wenige Kubikkilometer reichen aus, und schon hat nicht nur die Menschheit, sondern der Planet Erde ein massives Problem. Denn die beim Einschlag freigesetzte Energie des Impulses (p) ist proportional einem Produkt aus Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit; Meteoriten sind sehr, sehr schnell. Die freiwerdende Energie einer Wasserstoff-Atombombe ist dagegen vergleichsweise harmlos.

Die Gravitationskraft ist die Kraft (auch mit dunkler Energie und dunkler Materie?), die zusammen mit dem Impuls maßgeblich das heute bestehende räumliche Bild des Universums prägt. Sie formt die Sonnenmaterie zu einer riesigen Kugel, deren Schwerkraftfeld ihre Planeten in ihre Umlaufbahnen zwingt.

Die Beschreibungen der Dynamik und der Eigenschaften und Zustände der Objekte im Universum sind durch Beobachtungen, Messungen und kleine Ausflüge des Menschen in den erdnahen Weltraum, aber auch durch Experimente weitgehend gesichertes Wissen. Die dabei erarbeiteten Formeln und Terme sind die Grundlage für weitere Theorieansätze. Die eigentlich als schwache Kraft apostrophierte Schwerkraft wird extrem wirksam, wenn riesige ausgebrannte Sterne zu extrem massereichen Objekten kollabieren und Supernovaeexplosionen verursachen. Die Schwerkraft extrem dichter Materieobjekte ist derart gewaltig, dass selbst Licht diesen Objekten nicht mehr entkommen kann; sie erscheinen schwarz und werden als schwarze Löcher bezeichnet. Selbst Sterne, die einem schwarzen Loch zu nahe kommen, werden zerrissen und aufgesaugt.

Die elektromagnetische Kraft ist hingegen eine unendlich weit wirkende starke Kraft. Die wärmenden Strahlen des lodernden Feuers, der kraftvolle Blitz, das Licht der Sonne und der Sterne, die Lang- Mittel- Kurz- und Ultrakurzwelle, der Röntgenstrahl, die Gamma- Alpha- und Betastrahlung, der elektrische Strom, sie alle gehören der Kategorie der elektromagnetischen Kraft an, und die Wortteile –strahlung und –welle deuten auf die Natur dieser Kraft hin. Sie ist eine sich wellenförmig ausbreitende Kraft. Kennzeichnend für eine Welle sind ihre Wellenlänge und ihre Frequenz, d.h. wie oft pro Zeiteinheit ein Wellenmaximum und ein Wellenminimum erscheinen. Je kürzer die Wellenlänge, umso höher ist ihre Frequenz. Ordnet man die verschiedenen Erscheinungsformen nach diesem Kriterium, so erhält man das sogenannte »elektromagnetische Spektrum«. Die kürzeste Wellenlänge besitzt die Höhenstrahlung; mit zunehmender Wellenlänge folgen z.B. die Gammastrahlen, das Röntgenlicht, das sichtbare Sonnenlichtspektrum, der Kurzwellenbereich, die Radiowellen und die von uns genutzten elektrischen Wechselströme.

Der leistungsstarke Elektromotor und selbst das wärmestrahlende Feuer sind sehr deutliche Repräsentanten für die Nutzung der »elektromotorischen Kraft«. Wie noch zu beschreiben sein wird, ist sie in unserer greifbaren Welt verantwortlich für die meisten alltäglichen Erscheinungsformen der Materie, sie ist dafür die bestimmende Kraft.

Energie ist ein zentraler Begriff in der öffentlichen Diskussion, insbesondere in der Klimadebatte. Energie ist keine Eigenschaft der Materie, sondern ein Zustand der Materie, der in der Lage ist, etwas zu erwärmen, zu bewegen, kurz, Arbeit zu leisten. So ist es z.B. eine Eigenschaft von Wasser, sich bei 0°C in die energieärmere geordnete kristalline Struktur umzubilden, also den Aggregatzustand Eis zu bilden, und bei 100°C im Aggregatzustand Wasserdampf (Dampfmaschine) Arbeit zu leisten. Die Einheit der Energie ist im SI-System (s.a. Kapitel 2) das Joule und das Produkt aus Kraft (Newton) und Weg (N*m), wobei die Kraft von 1 Newton die Masse von 1 kg in einer Sekunde von null auf die Geschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde beschleunigt. Im Alltag erfahren wir vorwiegend die thermische, elektrische und kinetische Form von Energie. Wenn Energie Arbeit leistet,