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Obwohl hundert Jahre her, steckt die Große Inflation "den Deutschen" immer noch in den Knochen. Georg von Wallwitz zeichnet nach, was damals wirklich passiert ist. Er erzählt von den traumatischen Ereignissen um die rasende Geldentwertung nach Ende des Ersten Weltkriegs und am Beginn der Weimarer Republik. Er berichtet, warum so viele Geld und Vermögen verloren und andere ausgerechnet in dieser Zeit ein Vermögen machten, warum die Grundlagen für die Hyperinflation lange vorher mit aberwitzigen Manövern zur Finanzierung des Krieges gelegt wurden – und warum vier Männer sterben mussten, damit der Spuk ein Ende fand. Wie bei allen Büchern dieses Autors dürfen die Leser sich freuen über verständlich vorgetragene wirtschaftliche Erkenntnisse aus den Ereignissen von damals für das 21. Jahrhundert.
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Seitenzahl: 352
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Georg von Wallwitz
Als Deutschlandwirklich pleite war
Einleitung
Prolog
Händler und Helden
Geld spielt keine Rolle
Der Griff in die Darlehenskasse
Rathenaus Planwirtschaft
Die verpasste Stunde null
Das allgemeine Händeringen
Nach Versailles
Geld spielt doch eine Rolle: Erzbergers Reform
Havensteins Bank
Der Londoner Kassensturz
Die Große Inflation
Erfüllungspolitik
Spaß und Elend in der Inflation
Rathenaus Tod und das Ende des Geldes
Land ohne Währung
Nie wieder Inflation
Havensteins Ende und die Geburt der Rentenmark aus der Roggenmark
Meine Kredite sind eure Schulden
Inflation und Befindlichkeit
Anfang und Ende der Geldillusion
Literaturhinweise
Mit einer Leichtigkeit wie nie zuvor und nie danach wurden in der Inflationszeit gewaltige Vermögen gemacht und wieder verloren. Aus den Ruinen des protestantisch-sittsamen Kaiserreichs tastete sich eine finanziell, moralisch und politisch unsichere Gesellschaft hervor, in der die Schieber, Spekulanten, Raffkes und Kriegsgewinnler das große Los gezogen zu haben schienen (und es jedem und jederzeit zu zeigen bereit waren), während die große Masse derer, die weder gewitzt noch wendig waren, nicht mehr wussten, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollten, nachdem sie das Tafelsilber und das vorletzte Hemd versetzt hatten. In den Großstädten tummelte sich eine amüsierwillige Jugend, die eben dem Krieg entronnen war, die gegen jede Erwartung ein Leben hatte und es auskosten wollte, als könnte sich der Umstand des Am-Leben-Seins doch noch als ein Irrtum erweisen. Die jungen Frauen tauschten Mieder und Reifrock gegen kurze, zu kurze Kleider, und die Veteranen, wenn sie nicht traumatisiert oder verkrüppelt waren, nahmen jede Einladung zum Tanz gerne an, als sei es ihr letzter. Das Geld verlor seinen Wert, was die einen dazu brachte, es möglichst schnell zu verjubeln oder zu investieren, während die anderen ihre Notgroschen, ihren Erbteil, ihren Lohn oder ihre Rente sich in Luft auflösen sahen. Während die windigen Schwarzmarkthändler ihr Glück zu fassen versuchten, wussten Beamte, Pastoren und die meisten anderen Stützen der Gesellschaft kaum, wie ihnen geschah. Die Umwälzung der Preisverhältnisse führte zur Umschichtung der Besitzverhältnisse und produzierte damit sozialen Sprengstoff erster Güte. Die politischen Extreme fanden immer mehr Zuspruch, und bürgerkriegsartige Gewalt erschütterte das Land in immer kürzeren Abständen. Es war eine Zeit und eine Gesellschaft ohne Halt, ohne Ziel, in der sich die meisten Menschen, enttäuscht vom Staat und den Eliten, bald nur noch um sich selbst drehten, gedankenlos den nächsten unberechenbaren Tag erwartend. So fasste es zu Anfang der 1950er Jahre einer zusammen, der die Vorgänge aus nächster Nähe beobachten konnte: »›Inflationszeit‹, das ist für alle, die sich noch daran erinnern: Hungerblockade, Ablieferung von Sachwerten an fremde Mächte, politische Rechtlosigkeit. Umschichtung der Bevölkerung, Aufstieg dunkler Gestalten zu plötzlichem Reichtum. Substanzverlust der bisher vermögenden Klassen, Verarmung der groß-, mittel- und kleinbürgerlichen Schichten. Korruption in Regierungsund Beamtenkreisen, politische Geschäftemacherei zwischen den Parteien, der Wehrmacht und den Ministerien. Wachsende Kindersterblichkeit, wachsende Kriminalität, rachitische Verkrüppelung der Jungen, früher Tod der Alten.«1
Dies ungefähr ist das Bild, das bis heute das kollektive Gedächtnis der Deutschen prägt. Daran ist vieles richtig, insbesondere die Anekdoten von der guten Stimmung in den Varietés und den Millionenbeträgen, die für eine Straßenbahnfahrt aufgewendet werden mussten. Aber viele Vorstellungen von der Inflationszeit, die heute weit verbreitet sind, haben wenig mit der historischen Wahrheit zu tun. In der Inflationszeit herrschte fast immer Vollbeschäftigung, und die Nationalsozialisten blieben eine Randerscheinung (bei der Reichstagswahl am Ende der Inflationszeit im Mai 1924 erhielten sie 6,5 % der Stimmen). Da insbesondere das Besitzbürgertum sein Geldvermögen verlor, war die Inflationszeit eine Phase abnehmender Ungleichheit. Die tatsächlich geleisteten Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg sind kaum unter die Hauptursachen der Inflation zu zählen. Viele der gängigen Vorstellungen von der Inflationszeit 1914–1923 verschwimmen mit denen von der Weltwirtschaftskrise nach dem Schwarzen Freitag 1929, als es zu einer Deflation kam, die zu Massenarbeitslosigkeit und dem Aufstieg Hitlers führte.
Das finanzielle Gedächtnis als Teil des kulturellen Gedächtnisses ist ein Erfahrungsschatz, der von Generation zu Generation weitergereicht wird. Familien, Regionen und Länder pflegen ihre eigene, über Generationen stabile Einstellung zu Geld und den passenden Umgang damit. In Deutschland ist der Referenzpunkt des finanziellen Gedächtnisses die Geldentwertung. Dabei scheint es diesem Phänomen zu ergehen wie dem geheimnisumwitterten Titelhelden in F. Scott Fitzgeralds 1925 erschienenem Roman The Great Gatsby, der weithin sichtbar ist und doch ein Mysterium bleibt. Viele reden über die Inflation, aber kaum einer versteht sie. Ihre Reputation scheint eine eingehendere Beschäftigung mit ihr zu verhindern.
Da Geld eine in alle Lebensbereiche hineinreichende Ordnungsfunktion hat, wirkt seine Zersetzung wie ein Krebsgeschwür in der Gesellschaft. Inflation bedeutet das Ende aller Planung und Hoffnung, sie reduziert den Zeithorizont auf den täglichen Überlebenskampf. Und wie ein Tumor breitet sie sich plötzlich an Stellen aus, wo niemand sie erwartet hätte. Die Furcht vor der Inflation ist wohlbegründet, denn sie bringt weit mehr mit sich als nur den Verlust des Geldes.
Um sie zu begreifen, muss man sie vielleicht erfahren haben, so wie Erfahrung des Hungers nicht durch gelegentliches Fasten zu machen ist. Von der Hand in den Mund zu leben ruft ein grimmiges Gefühl hervor. Und wer es einmal erfahren hat, der vergisst es nicht wieder. Der Verlust der Ersparnisse ist ein ebensolches existenzielles Erlebnis. Diese Erfahrung lässt sich nicht wieder abschütteln. Generationenlang.
Mit diesem festen, aber unreflektierten Haltepunkt sind die Deutschen ein Volk, das in seinen finanziellen Angelegenheiten eine Verunsicherung ausstrahlt, die kaum mit seinem Wohlstand unter einen Hut zu bringen ist. Ihr Umgang mit Schulden ist bis heute von großer Naivität gekennzeichnet.2 Sie pflegen eine Sparquote, deren Höhe nur mit einer verzweifelten Angst vor der Zukunft zu erklären ist. Als folgten sie dem Motto penny-wise and pound-foolish, ziehen sie, auch wenn sie es nicht müssen, in ihren Anlagen häufig grotesk niedrig verzinste Girokonten, Sparbücher, Bargeld unter der Matratze und Lebensversicherungen allen sinnvollen Alternativen vor. Sie suchen für ihre Zukunft – und insbesondere ihre finanzielle Zukunft – oft eine Sicherheit, die vollkommen unrealistisch ist. Die Erfahrung des finanziellen Totalverlusts sitzt tief.
Es gibt hinreichend Anlass, sich mit dem Thema Inflation über das tradierte Wissen hinaus zu beschäftigen. Wir leben zwar in einer Zeit zahmer Inflationszahlen. Die Kerninflationsrate bleibt seit Jahren allzu weit unter dem erklärten Ziel der Zentralbanken von 2 %. Aber die Begleitumstände der außerordentlichen Maßnahmen, die diese seit der großen Finanzkrise von 2008/09 eingeleitet und immer weiter verstärkt haben, assoziieren wir normalerweise mit Zeiten der Geldentwertung. Die Sparer können nicht mehr vom Zins leben, und oft genug müssen sie sogar negative Zinsen ertragen. Die Hausse an den Aktienmärkten ist an der Mittelschicht, aus der die klassischen Sparer nach wie vor stammen, weitgehend vorübergegangen. Weite Teile der Bevölkerung beschleicht ein finanzielles Panikgefühl: Egal wo ich meine Ersparnisse investiere, wahrscheinlich gehen sie zum Teufel. Wie in den frühen 1920er Jahren gibt es eine neue Klasse von Spekulanten, und wie damals wird das Abenteuer Finanzmarkt nicht für alle gut ausgehen. Es tut sich eine Schere auf zwischen den neuen Schichten der Gewinner der digitalen Revolution und den vielen Verlierern der Umwälzung. Das wiederum führt zu Ressentiment, politischer Polarisierung und Korruption. Das Vertrauen in das staatliche Geld schwindet: Deutlichstes Zeichen ist der Aufstieg von Bitcoin, Ethereum und Dogecoin, die manche Merkmale eines Notgeldes aufweisen.
Weiten Teilen der Bevölkerung ist tief im Herzen die Geldschöpfung aus dem Nichts durch Zentral- und Geschäftsbanken unheimlich geblieben. Wie kann eine Zentralbank, etwa in den Jahren der Finanz-, Euro- oder Coronakrise, einfach riesige Summen Geldes schaffen, denen keine Wirtschaftsgüter gegenüberstehen, die nicht Produkt von Arbeit, sondern eine reine Kopfgeburt sind? Wie sollen die Menschen nicht bald ihren Glauben an das Geld verlieren, wenn es nur eine Setzung ist, deren Grund ein juristischer und kein wirtschaftlicher ist? Warum sollten die Menschen eine solche Währung halten und nicht lieber Gold oder Bitcoin? Viele denken heute in Deutschland so. Und wer wollte es ihnen verübeln, nach der immerhin zwar einhundert Jahre zurückliegenden, aber dennoch traumatisch nachwirkenden Erfahrung der Hyperinflation?
Die Entwicklung zur Großen Inflation hat nur in der Rückschau die Notwendigkeit, die ihr gerne zugesprochen wird. Die Kombination von Staatsverschuldung, hohen Reparationsforderungen nach dem Ersten Weltkrieg, Staatsfinanzierung durch die Reichsbank (so der damalige Name der deutschen Zentralbank) und Ausweitung der Geldmenge, der Verlust des Vertrauens in den Staat und das Defizit in der Leistungsbilanz ergaben zwar ein toxisches Gemisch, aber es hätte lange Zeit auch anders kommen können. Die Gläubigerstaaten, insbesondere die Amerikaner, hätten erkennen können, dass viele ihrer Forderungen wertlos waren, die Deutschen hätten Kredit bekommen können, die finanzielle Reform in Deutschland hätte konsequenter verfolgt werden können. Inflation ist kein Schicksal, sie ist meistens nicht mehr als der monetäre Ausdruck politischer Entscheidungen. In diesem Falle folgte sie aus dem Konsens, die Inflation sei das beste Mittel, die Reparationsforderungen aus dem Versailler Vertrag ins Leere laufen zu lassen, den Staat zu entschulden und im Krieg verlorengegangene Exportmärkte so schnell wie möglich wieder zu besetzen.
Lord D’Abernon, der Botschafter des Vereinigten Königreichs in Berlin während der Inflationszeit, assoziierte die Hauptursachen der Inflation mit bestimmten Persönlichkeiten. Die Schuld an der fahrlässigen Finanzierung des Staatsdefizits durch die Notenbank schrieb er dem Reichsbankpräsidenten Havenstein zu, für die Zwietracht und das Klima der Missgunst machte er den zum Agitator gewandelten Ökonomen Karl Helfferich verantwortlich, das Interesse der deutschen Exportindustrie an einer schwachen Mark sah er in Hugo Stinnes, dem »König der Inflation«, verkörpert, und schließlich lastete er die merkwürdige Idee der Erfüllungspolitik, die Zahlungsunfähigkeit durch den Ruin der eigenen Währung zu demonstrieren, Walther Rathenau an, dem von ihm sonst hochgeschätzten Industriellen, Schriftsteller und Außenminister. Der bemerkenswerte Zufall, dass diese vier innerhalb kurzer Zeit vor dem Ende der Inflation starben – und nur einer von ihnen eines natürlichen Todes –, ist den Zeitgenossen nicht verborgen geblieben. D’Abernon behauptete später sogar, diese vier mussten sterben, um die Inflation wirksam zu beenden.
1Schacht: 76 Jahre meines Lebens, S. 206.
2Carl-Ludwig Holtfrerich: »Die Deutschen können nicht mit Schulden umgehen«. Interview in der Zeit vom 10.6.2021.
Es nieselte am 11. November 1918 in London, als die Straßen sich mit Menschen, immer mehr Menschen füllten, die instinktiv zum Buckingham-Palast strebten. Als der König in Admiralsuniform um 11:15 Uhr, wenige Minuten nach Inkrafttreten des Waffenstillstands, zusammen mit der Königin und dem Herzog von Connaught auf den Balkon trat, kannte der tränenreiche Jubel der Menge keine Grenze mehr. Die Irische Garde intonierte die Nationalhymne und Rule Britannia. Es war ein Fest der Dankbarkeit, der Erleichterung, des Stolzes, aber auch des Gedenkens an die Opfer.
Am frühen Nachmittag versammelte sich das Unterhaus, wo der Premierminister Lloyd George auf eine lange Rede verzichtete, mit den berühmten Worten: »This is no time for words. Our hearts are too full of a gratitude to which no tongue can give adequate expression.« Dann schlug er vor, einen Gottesdienst abzuhalten, in St. Margaret’s. Dort trafen die Unterhausabgeordneten auf die Lords, angeführt vom Lordkanzler. Es war ein einfacher Gottesdienst, ohne Pomp und Triumph, gehalten in der Hoffnung, dass der Albtraum nun vorbei war und ein dauerhafter Frieden folgen würde.3
In den frühen Morgenstunden hatten im Speisewagen eines im Wald von Compiègne (75 Kilometer nordöstlich von Paris) geparkten Zuges der französische Marschall Ferdinand Foch und der Staatssekretär ohne Portefeuille Matthias Erzberger ein Abkommen unterschrieben, welches den Ersten Weltkrieg beendete. Die Deutschen hielten das Abkommen für einen Waffenstillstand, denn so war es betitelt (»Armistice«). Franzosen und Engländer hielten es aber für eine Kapitulation, denn das war das Dokument seinem Inhalt nach: Die Deutschen erhielten keine Gelegenheit, die von den Alliierten aufgestellten Bedingungen zu verhandeln. Marschall Foch erschien nicht einmal zu den Gesprächen, nur für die Unterschrift. So endete der große Krieg, wie er begonnen hatte, mit einem großen Missverständnis.
Zurück in Paris informierte Foch den Präsidenten der Republik, Raymond Poincaré, über den Waffenstillstand. Poincaré nahm die Nachricht eher zurückhaltend auf, wie er in seinen Memoiren schildert. »Foch sagt mir, dass die Deutschen die Bedingungen akzeptiert haben, die er ihnen gegeben hat, aber sie haben sich nicht für besiegt erklärt, und das Schlimmste ist, dass sie glauben, dass sie es nicht sind. Foch ist außerdem überzeugt, dass die deutsche Armee ohne Unterzeichnung des Waffenstillstands bald zu einer allgemeinen Kapitulation gezwungen worden wäre. Wäre es nicht sicherer gewesen?« Doch daran war nun nichts mehr zu ändern. Am Nachmittag trat in Paris das Kabinett unter dem Premierminister Georges Clemenceau zusammen, der Poincaré freudig begrüßte: »Ich bin seit heute Morgen von mehr als fünfhundert Mädchen geküsst worden.«4 Jedenfalls schwiegen ab 11 Uhr die Waffen und in ganz Europa läuteten die Glocken. In Paris war die Freude unbeschreiblich. Zivilisten und Soldaten, viele von ihnen aus den fernsten Ländern des Britischen Empire und den USA, tanzten in den Straßen, schmückten die Balkone mit den Flaggen der Entente, häuften sich auf Autos und Pferdegespannen, um in seliger Freude fahnenschwenkend durch die Straßen der Stadt zu fahren. Die älteren Herren saßen in den Brasserien und tranken auf einen Sieg, durch den die Schmach von 1871 geheilt und Elsass-Lothringen zurückgewonnen wurde.
In der Führung des Landes war am Abend die Stimmung deutlich nüchterner. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Poincaré vertraute einem seiner Generäle an, »Wir haben den Krieg gewonnen, und das nicht ohne Schmerzen. Jetzt müssen wir den Frieden gewinnen, und das wird vielleicht noch schwieriger (…), insbesondere mit allen unseren Alliierten.«5 Und Clemenceau, den Freunde wie Feinde nur den »Tiger« nannten, beschlich um dieselbe Stunde eine üble Vorahnung: »Es wird alles umsonst sein.«6
Der Krieg war also nicht wirklich zu Ende, er wurde nur mit finanziellen Mitteln weitergeführt. Und wenn der Waffenstillstand nicht das Ende des Krieges war, dann war das Folgende die Geschichte einer langen Kapitulation, die erst fünf Jahre später, mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch in der Hyperinflation, ihr Ende fand.
3Marriott: Modern England, 1885–1945. A History of My Own Times, S. 420.
4Zitate in Poincaré: Au service de la France, Band 10: Victoire et armistice, S. 413.
5Mordacq: L’Armistice du 11 novembre 1918. Récit d’un témoin, S. 105.
6Zit. nach Wormser: La République de Clemenceau, S. 341.
Der Krieg liebt den Sieg und nicht die Dauer.
Sun Tzu
Die Redakteure von Brockhaus’ Conversations-Lexikon in der Jubiläums-Ausgabe von 1908, es handelte sich um die 14. Auflage, befanden den Begriff der Inflation keines eigenen Eintrags für würdig. Lediglich einen Satz hatte die Enzyklopädie übrig für die Partei der Inflationisten, die im fernen Amerika »eine möglichst große Vermehrung der auf Kredit beruhenden Umlaufsmittel verlangt, (…) welche den Geschäftsgang beleben, den verschuldeten Produzenten eine Erleichterung ihrer Last verschaffen und auch den Steuerzahlern bei der Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld zu gute kommen würde«. Kein Wort über den Hintergrund der Debatte. Keine Erklärung, was Inflation ist, wie sie entsteht und was sie bedeutet. Die Deutschen waren nicht nur nicht auf eine Inflation vorbereitet, sie hatten kaum einen Namen dafür – weshalb sie diesem Phänomen gegenüber lange blind blieben. Im nationalen Gedankengut spielte die Geldentwertung keine, aber auch gar keine Rolle, und entsprechend begriffsstutzig reagierte das Land, als sie so plötzlich aus dem toten Winkel auftauchte.
Zu den wenigen, die einen klaren und deutlichen Begriff von der Inflation hatten, zählte Karl Helfferich, zu dieser Zeit einer der bekannteren Ökonomen und wichtigsten Geldtheoretiker Deutschlands. Das Schicksal wollte es, dass er 1915, im ersten vollen Kriegsjahr, für die Finanzen des Reichs verantwortlich zeichnete, als Staatssekretär im Reichsschatzamt – Finanzminister würden wir heute sagen. Er war kein geborener Politiker, und sein Lebensweg war so schief (und wurde bis zu seinem unschönen Ende 1924 immer schiefer), wie ihn nur Zeiten des Umbruchs hervorbringen können. Die entscheidenden Weichenstellungen zur Finanzierung des Krieges verantwortete damit ein ungewöhnlich intelligenter und kompetenter Mann, dem es nicht an Wissen mangelte, wohl aber an Weitsicht und, wie viele meinten, an Charakter.
Helfferich, 1872 geboren in eine national gesinnte Familie von Kleinindustriellen, war eine unscheinbare Gestalt, mit stets kurzgeschorenen Haaren, Schnauzbart und nach vorn gerecktem Hals. Wie es oft bei Gelehrten der Fall war, hatte das Bücherstudium seiner Wirbelsäule einen leichten Buckel eingeschrieben. In seiner Militärzeit als einjähriger Freiwilliger stürzte er vom Pferd, brach sich mehrere Rippen und verletzte sich so schwer an der Lunge, dass er für den Rest seines Lebens körperliche Anstrengungen möglichst vermeiden musste. Er sollte die Studierstube, die er nach seiner Genesung in Straßburg bezog, nur ausnahmsweise verlassen, so der ärztliche Rat, und darüber hinaus eine strenge Diät halten. Fortan widmete er sein Leben der Arbeit.
Nach seiner Promotion bei Georg Knapp, einem bedeutenden Geldtheoretiker, ging Helfferich nach Berlin, um dort seine Habilitationsschrift über die Währungsunion im Deutschen Reich und den Goldstandard vorzubereiten. Mit der Empfehlung seines Doktorvaters knüpfte er schnell ein Netzwerk, das ihn mit den wichtigsten Gestalten des politischen und wirtschaftlichen Establishments verband. Er war von konservativer Grundhaltung, aber dennoch fortschrittsgläubig wie ein Linkshegelianer, da er eine historische Notwendigkeit im Aufstieg Deutschlands zu erkennen glaubte. Um dieser Entwicklung willen akzeptierte er bereitwillig Gewalt als Teil des Kampfes der Nationen um ihre (imperiale) Stellung in der Welt. Allerdings ging er davon aus, dass die Kriege der Zukunft kurz und begrenzt sein würden, zu eng war die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit der Großmächte.
Helfferich entwickelte sich zu einem Sprachrohr der aufgeklärten Geschäftselite in Berlin. Man wurde aufmerksam auf den sprachgewandten, gelehrten und ambitionierten jungen Mann, der hervorragend in seine Zeit passte. Insbesondere eignete er sich als Publizist, denn er konnte schreiben, verstand etwas von der Sache und hatte wenig zu verlieren. Er hielt Vorlesungen an der Berliner Universität, gelegentlich auch in Hamburg und Kiel, zu geldtheoretischen Themen. Fleißig saß er tagtäglich von morgens um acht bis spät in den Abend hinein an seinem Schreibtisch und arbeitete an seinem Ruf, unterbrochen nur durch ein »Abendessen« in der Mitte des Nachmittags. Aus Rücksicht auf seine fragile Gesundheit rauchte er nicht, trank keinen Alkohol und aß nicht viel (er selbst behauptete, er stehe aus Zeitmangel niemals satt auf vom Tisch).
Ab 1902 durfte er sich zwar Professor der Staatswissenschaften nennen, realisierte aber gleichzeitig, dass das Gelehrtenleben nichts für ihn war. Er empfand sich nun als einen Mann der Tat, als Technokrat, der lieber im Staat aktiv war, als ihn bloß zu beschreiben. So ergriff er die Gelegenheit, in die Kolonialabteilung des Außenamts einzutreten, um sich dort um Währungsfragen zu kümmern. Er zeigte sich äußerst intelligent und engagiert und empfahl sich für höhere Aufgaben. Sein Aufstieg geriet allerdings kurzzeitig ins Stocken, als er die Aufmerksamkeit des württembergischen Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger erregte, dem Experten der Zentrumspartei für Kolonial- und Finanzpolitik, der es sich in dieser Zeit zur Hauptaufgabe gemacht hatte, die Missstände in den Überseegebieten scharf zu kritisieren.
Erzberger war ein junger Wilder in der Politik, der mitunter den Honoratioren der Zentrumspartei hemdsärmelig begegnete, dem lautes Auftreten nicht fremd war und der gerne mit gleicher Münze zurückzahlte, wenn er angegriffen wurde. Er war in der katholischen Arbeiter- und Sozialbewegung Württembergs groß geworden, nahm aber auch gerne ein Aufsichtsratsmandat bei Thyssen an. Er verstand es, mit der öffentlichen Meinung zu spielen, ein Medienprofi, der seinen erlernten Beruf als Journalist noch als Reichstagsabgeordneter ausübte. Seine Redekunst und Umtriebigkeit verhalfen ihm früh zu großer Bekanntheit, machten ihm aber auch viele Feinde in den Regierungsetagen Berlins. Er war ein ausnehmend talentierter Politiker, nicht ohne Interessenkonflikte, mit großer Angriffsfläche, der sich vermutlich nicht viel dabei dachte, als er sich Helfferich zum Feind machte.
Erzbergers Enthüllungen über Korruption, Vetternwirtschaft und Ausbeutung in den deutschen Kolonien führten dazu, dass Helfferich 1906 seinen Posten räumen musste. Als Entschädigung für dieses Bauernopfer erhielt dieser trotz seiner Jugend für seine Verdienste den Kronen-Orden (2. Klasse). Als im selben Jahr der Posten des zweiten Direktors der Anatolischen Eisenbahn frei wurde, ergriff Helfferich die Gelegenheit, seine Sporen an einem der bedeutsamsten Berührungspunkte zwischen Wirtschaft und Politik in dieser Zeit zu verdienen. Die Bahn war ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank und Teil des großen Projekts einer Bagdadbahn, mit welcher Deutschland die Seeherrschaft Großbritanniens auszuhebeln suchte. Eine schnelle und zuverlässige Landverbindung zu den rohstoffreichen Gegenden im Mittleren Osten und zu einem Hafen am Persischen Golf war der große Preis der Außenpolitik, da so ein von Deutschland kontrollierter Handelsweg zum indischen Subkontinent erschlossen würde. Helfferich bewegte sich geschickt durch das politische Minenfeld, zu dem der Aufbau einer deutschen Infrastruktur im Osmanischen Reich unweigerlich werden musste. Es gelang ihm, die osmanische Regierung davon zu überzeugen, Franzosen und Engländer hätten imperiale Gelüste und wollten politischen Einfluss im Osmanischen Reich gewinnen, während Deutschland vorgeben konnte, rein kommerzielle Interessen zu verfolgen. Auch die 1908 an die Macht gelangten »Jungtürken« konnte Helfferich in diesem Sinne beeinflussen. Es sprach für sein diplomatisches Geschick, dass er mit diesem Argument Glauben fand. Der Bau der Bagdadbahn gehörte zu den wenigen diplomatischen Erfolgen des Wilhelminischen Deutschland in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.7 Diese Aufgabe löste er zur größten Zufriedenheit seiner Förderer. 1908 wurde er, im Alter von nur 36 Jahren, Vorstand bei der Deutschen Bank.
Das eröffnete ihm den Zugang zu den höchsten Kreisen in Berlin, bis hinauf zum Kaiser, mit dem er bald ein besonders gutes Verhältnis pflegte. Nichts befeuert den Ehrgeizigen so sehr wie der Erfolg. Helfferichs Ambitionen richteten sich nun immer stärker auf die Politik. Er verfasste 1913, zum silbernen Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm II., eine Schrift über Deutschlands Volkswohlstand 1888–1913, eine Lobrede auf das tatsächlich beeindruckende Wachstum in beinahe allen wirtschaftlichen Belangen. Mit Stolz stellte er fest, dass das Nationaleinkommen sich durch den Fleiß der Deutschen seit 1896 verdoppelt hatte und nunmehr größer war als die Wirtschaftsleistung in Frankreich, das sich zu sehr auf seinem hergebrachten Reichtum ausruhte (»Frankreich ist das Land der Rente, Deutschland das Land der Arbeit.«). Er hob hervor, dass Deutschland mehr Eisen und Stahl produzierte als England, sah aber auch, dass die USA in dieser Hinsicht »auf Grund ihrer gewaltigen Vorkommen allen anderen Ländern weit voraus«8 waren. Den Kaiser freute diese Betrachtung, die zweifellos auch als eine Bewerbung für noch höhere Ämter zu lesen war.
Helfferich war bei Ausbruch des Krieges noch immer nicht alt, 42 Jahre, aber was für eine Karriere! Er trug den Professorentitel, war ein angesehener Ökonom, erfolgreicher Diplomat und Vorstand der Deutschen Bank. Im politischökonomischen Establishment Berlins war er zu einer festen Größe gereift, sein Wort hatte Gewicht und seine finanziellen Möglichkeiten suchten ihresgleichen. Er strahlte Energie und Tatendrang aus und verstand es, sich auch in großen Bürokratien durchzusetzen. Und er glaubte an die historische Mission Deutschlands und seiner Monarchie, an die kulturelle, wirtschaftliche, institutionelle und moralische Überlegenheit seines Vaterlandes.9
Helfferichs Berufung zum Finanzstaatssekretär wurde dennoch als Überraschung empfunden. Die Aufgabe war kolossal: Ein Jahr nach Kriegsbeginn, als er seinen Haushalt für das Jahr 1916 vorlegte, war es längst klar, dass dieser Konflikt nicht mit den kurzen und weitgehend schmerzlosen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts vergleichbar war. Er würde lange dauern und die Kosten an Menschen und Material immens sein. In seinem Amt schloss Helfferich sich der allgemeinen Auffassung an, dass am Ende des Krieges Deutschland den Verlierern eine gewaltige Rechnung präsentieren würde. Daher legte er ein äußerlich konventionelles Budget vor, in welchem die üblichen Einnahmen und Ausgaben, wie es sie auch in Friedenszeiten gegeben hätte, ausgeglichen waren. Die Kosten des Krieges wurden in einem Sonderhaushalt verbucht, als dessen wesentliche Einnahme die Erlöse aus dem Verkauf von Kriegsanleihen ausgewiesen wurden. Außerordentliche Haushalte hatte es immer wieder gegeben. Prinzipiell waren darin enthaltene Ausgaben nur für Investitionen vorgesehen, die sich in der Vorstellungswelt der Haushaltspolitiker über die Zeit von selbst finanzierten. So sollte es auch mit dem Kriegshaushalt sein, in welchem man den Verlierern gewissermaßen Geld vorstreckte, das sie zurückzahlen würden, wenn man ihnen nach der Kapitulation die Rechnung präsentierte.
Der Posten eines Finanzministers war im Krieg nicht dazu geeignet, seinem Inhaber zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Helfferichs Lage war aber noch ein Stück unbequemer als die seiner europäischen Kollegen. Auf der einen Seite hatte er es mit Generälen zu tun, die sich stets vor dem entscheidenden Durchbruch wähnten und für ihre Männer das nötige Material forderten. Kein Land möchte einen Krieg verlieren, bloß weil an der falschen Stelle gespart wurde. Wer wollte sich mit buchhalterischen Kleinigkeiten aufhalten, wenn draußen die größten Schlachten der Menschheitsgeschichte tobten? Sein Ehrgeiz richtete sich also nicht darauf, als Sparkommissar in die Geschichte einzugehen. Einen Besuch bei der Obersten Heeresleitung nutzte Helfferich daher lediglich dazu, das bisherige Motto »Geld spielt keine Rolle« durch »Wer die Millionen nicht ehrt, ist der Milliarden nicht wert« zu ersetzen. Wer mit solchen launigen Sprüchen vor Hindenburg und Ludendorff auftrat, konnte allerdings nicht viel erwarten. Jedenfalls weder Respekt noch Sparsamkeit.
Auf der anderen Seite sah Helfferich sich mit einem Problem konfrontiert, welches aus der Konstruktion der Bismarck’schen Reichsverfassung resultierte: Die Länder verteidigten hartnäckig ihre Hoheit über die direkten Steuern vor dem Zugriff aus Berlin. Das Reich schulterte gewaltige Ausgaben für den Krieg, hatte aber kaum Zugriff auf die finanziellen Ressourcen des Landes. Es hätte einer großen Verfassungsreform bedurft, um dem Reich und den Ländern jeweils eigene Steuern zuzuweisen, damit sie unabhängig ihre Aufgaben erfüllen konnten. Dafür war nach Helfferichs Auffassung nun aber nicht die Zeit, und ohnehin gab es rühmlichere Aufgaben als die Reform der Finanzverfassung. Also standen den entgrenzten Ausgaben nur tröpfelnde Einnahmen gegenüber, und in Helfferichs Haushalt türmten sich die Schulden.
Das naheliegendste Mittel zur Eindämmung der Staatsschulden wäre die Erhöhung der Steuern, etwa auf Kriegsgewinne, gewesen – wie es in Großbritannien und wenig später in den USA geschah. Die Erlöse in den kriegswichtigen Industrien kletterten in erstaunliche Höhen und sorgten für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung, die den Gürtel immer enger schnallen musste. Auf diesem Wege wären hohe Steuereinnahmen zu holen gewesen und die Arbeiterklasse, aus der die Mehrzahl der Soldaten in diesem Krieg stammte, hätte nicht das Gefühl haben müssen, die Lasten wären ungleich verteilt. Während die jungen Arbeiter und Bauern an der Front die größten Opfer brachten, machten sich die Industriellen und die Händler die Taschen voll – so lautete der verbreitete Verdacht. Helfferich entschied sich aber gegen Steuererhöhungen und für die Fiktion einer nur vorübergehenden Finanzierungslücke.
Am 20. August 1915 rechtfertigte er in einer emotionalen Rede im Reichstag seinen Kurs.
»Meine Herren, wie die Dinge liegen, bleibt also vorläufig nur der Weg, die endgültige Regelung der Kriegskosten durch das Mittel des Kredits auf die Zukunft zu schieben, auf den Friedensschluß und auf die Friedenszeit. Und dabei möchte ich auch heute wieder betonen: wenn Gott uns den Sieg verleiht und damit die Möglichkeit, den Frieden nach unseren Bedürfnissen und nach unseren Lebensnotwendigkeiten zu gestalten, dann wollen und dürfen wir neben allem anderen auch die Kostenfrage nicht vergessen;
(lebhafte Zustimmung)
das sind wir der Zukunft unseres Volkes schuldig.
(Sehr wahr!)
Die ganze künftige Lebenshaltung unseres Volkes muß, soweit es irgend möglich ist, von der ungeheuren Bürde befreit bleiben und entlastet werden, die der Krieg anwachsen läßt.
(Sehr wahr!)
Das Bleigewicht der Milliarden haben die Anstifter dieses Krieges verdient;
(sehr richtig!)
sie mögen es durch die Jahrzehnte schleppen, nicht wir.
(Sehr gut!)«10
Der Reichstag lauschte offensichtlich in bester Stimmung den Ausführungen des Finanzministers. Im Anschluss an diese Worte sinnierte Helfferich noch kurz darüber, ob die arg geschwächten Kriegsgegner angesichts ihrer »ungeheuren finanziellen Schwächung« überhaupt zu ausreichenden Entschädigungen in der Lage sein würden – aber diesem Gedanken hing er nicht weiter nach und wandte sich praktischen Überlegungen zu, wie die gegenwärtige Kreditaufnahme bewerkstelligt werden konnte.
Insgesamt wurde in Deutschland nicht viel über die Finanzierung des Krieges nachgedacht. Geld spielte in den Köpfen zu dieser Zeit tatsächlich keine Rolle. Helfferich glaubte, wie die überwältigende Mehrheit der Deutschen, an einen kurz bevorstehenden Sieg. Und dennoch, er blieb der Minister, der für die fatale Entscheidung verantwortlich zeichnete, den Krieg über Schulden und nicht über Steuern zu finanzieren. 1915 konnte von einem schnellen Sieg (der die Voraussetzung für die Zahlungsfähigkeit der Verlierer war) nicht mehr die Rede sein und ein kluger Finanzminister hätte das Risiko erkennen müssen, zumindest auf den Schulden bei der eigenen Bevölkerung sitzen zu bleiben.
Indem Helfferich sich dafür entschied, den Krieg gegen den Rest der Welt auf dieselbe Weise zu finanzieren, wie Preußen im 19. Jahrhundert seine Kriege bezahlt hatte, handelte er auf eine Weise, wie man sie in Deutschland oft beobachten konnte. Der Pragmatismus der Engländer bestand in der Tradition des Empirismus darin, sich den Fakten, auch den neuen, zu stellen, ihre Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und daraus das Beste zu machen. Der Pragmatismus der Deutschen hingegen speiste sich, ganz im Sinne Hegels, aus den Lehren der Geschichte: Sie hielten an dem fest, was in der Vergangenheit funktioniert hatte.
Der Staatssekretär im Reichsschatzamt war wie kaum ein anderer darauf vorbereitet, die Gefahren der Inflation zu verstehen. Im Unterschied zum Brockhaus hatte er durchaus einen Begriff von diesem Phänomen. An historischer Bildung mangelte es ihm nicht, und er hatte seine akademische Karriere auf dem Thema Geld gegründet. Inflationen hatte es immer wieder gegeben, insbesondere in Kriegszeiten, und die letzte Hyperinflation lag nur gut hundert Jahre zurück, als die Revolution in Frankreich zwar das ancien régime verschlang, aber auf dessen Schulden und dem eigenen Versprechen besserer Lebensbedingungen für alle sitzen blieb. Allerdings waren seine Auffassungen über den Ursprung der Inflation alles andere als theoretisch gefestigt, gerade weil er sich als Anhänger der Historischen Schule nicht um Modellierungen und Abstraktionen bemüht hatte.
Helfferich war der Überzeugung, die Verschuldung sei unschädlich, solange die Reichsbank sich auf die Zwischenfinanzierung der Kredite beschränkte. Die eigentliche Finanzierung erfolgte durch große Kriegsanleihen, wodurch die Geldmenge nicht stieg, denn der Staat gab nur aus, was ansonsten seine Bürger ausgegeben hätten. Es jagte also nicht eine immer größere Geldsumme nach einer gleichbleibenden oder schrumpfenden Gütermenge. Und so gab es keinen Grund für inflationären Druck.
Dieses Argument ist aber brüchig, denn ein steigendes Kreditvolumen führt erfahrungsgemäß auch zu einem Anwachsen der Geldmenge. Den Krieg über Steuern zu finanzieren hätte einen anderen Effekt gehabt, denn die Abgaben, die der Bürger an den Fiskus leistet, sind für ihn tatsächlich verloren. Steckt er es hingegen in eine Anleihe, so ist er nicht ärmer geworden und kann das Geld immer noch ausgeben, etwa wenn er die Anleihe bei einer Bank als Sicherheit hinterlegt, um einen Kredit zu bekommen. Die Nachfrage nach Gütern wird durch Besteuerung also in ganz anderer Weise gebremst als durch die Begebung von Anleihen. Zudem übersah Helfferich, dass die Anleihe zum größten Teil von Industriellen und Großbürgern gezeichnet wurde. Deren Ersparnisse konnten kaum noch ins Ausland fließen und lagen nutzlos auf Bankkonten herum. Also lag es nahe, diese in Zinspapiere zu investieren. Damit floss im Wesentlichen Geld in die Kriegsanleihen, das ohnehin nicht für den Konsum vorgesehen war (und daher nicht für Preisdruck sorgte). Gleichzeitig stieg die Nachfrage durch den Staat enorm, insbesondere nach militärischen Gütern, die nicht schnell genug produziert werden konnten. Spiegelbildlich war im zivilen Bereich ein schrumpfendes Angebot zu verzeichnen, das eine etwa gleichbleibende Nachfrage durch eine Bevölkerung, die sich noch immer nicht arm fühlte, kaum befriedigen konnte. Das Resultat der Staatsverschuldung waren in diesem Kontext steigende Preise.
Wenige Wochen nach dem Ende des Krieges, als die Kritik am alten Regime möglich wurde, wiesen hellsichtige Kommentatoren auf diese Fehler bereits hin: »Das alte Regime hat diesen Krieg geführt wie ein verzweifeltes Hazardspiel, bei dem alles auf eine Karte gesetzt wurde (…). Auf Geld kam es nicht an, weder auf Preise noch auf Löhne. (…) Sinnlose Überpreise wurden bewilligt, um die Produktion anzuregen. Die hohen Preise zogen hohe Löhne nach sich und umgekehrt. Die bis zu einem gewissen Grade unvermeidliche Inflation nahm einen unheimlichen Umfang an.«11
Auch wenn Helfferich keine gute Erklärung dafür hatte, sank während des Krieges die Kaufkraft der Mark. Er selbst berechnete einen Inflationsindex, der im Jahr 1915 von 106 auf 142 stieg und bis Ende 1917 auf 189.12 Am Ende des Krieges hatten sich die Preise nur gut verdoppelt, was noch kein Katastrophengefühl auslöste, weder beim Volk noch beim Minister. Der entscheidende Grund für die moderate Entwicklung der Inflation war allerdings weniger Helfferichs Handhabung der Kriegsfinanzierung als vielmehr der Umstand, dass die Deutschen, solange sie keinen Begriff von Inflation hatten, auch keine erwarteten. Vielmehr horteten sie ihr Bargeld unter der Matratze oder auf dem Konto, wie es in unsicheren Zeiten ganz natürlich war. Die Geldbasis (Bargeld + Einlagen bei der Reichsbank), die ein guter Indikator für die Kassenbestände war, lag 1919 beim Dreifachen des Vorkriegsniveaus.13 Unter der Annahme stabiler Preise und der Rückkehr zum Goldstandard war das Auffüllen des Sparstrumpfes ein rationales Verhalten. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, eine der entscheidenden Zutaten für die Entstehung einer Inflation, blieb somit verhältnismäßig niedrig. Helfferich hatte als Finanzminister das Glück, dass mit den Inflationserwartungen und der Umlaufgeschwindigkeit zwei wesentliche Faktoren, die außerhalb seiner Einflusssphäre lagen, die Inflation vertagten.
Nach gut einem Jahr schied Helfferich am 9. November 1917, also genau ein Jahr vor Kriegsende, als angesehener Mann aus dem Amt und seine Karriere konnte weitergehen. Er stieg noch ein Stück weiter auf, wurde Vizekanzler. Aber 1917 war dieser Titel nicht mehr viel wert.
Heute gilt in Deutschland allgemein die Finanzierung von Haushaltsdefiziten durch die Zentralbank – mit einer entsprechenden Ausweitung der Geldmenge – als finanzieller Verrat an der arbeitenden und sparenden Bevölkerung. Allein das laute Darübernachdenken zöge auf der Stelle eine derart schlechte Presse nach sich, dass es das Karriereende eines jeden Politikers oder Bundesbankers bedeuten würde. Ist nicht die Entwicklung in Deutschland zwischen 1914 und 1923 nur das prominenteste Beispiel für den Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation? Die ersten Jahre der Weimarer Republik und insbesondere die Staatsfinanzierung durch die Notenbank bleiben der Orientierungspunkt der Deutschen und ihrer Ökonomen, wenn es um Geld und Wirtschaft geht.14
Seit das Geld von jeder materiellen Basis entkoppelt ist, nur noch durch Funktion und nicht mehr durch Form definiert ist, waren Notenbanken immer versucht, mehr Papier (oder seine Äquivalente) in Umlauf zu bringen, als es der Wirtschaftskreislauf vertrug. Und waren diese Banken, seit sie verstaatlicht sind, nicht allzu oft willige Befehlsempfänger der Regierungen, deren Ausgabenwünsche sie finanzierten, ohne sich lange zu fragen, ob der Wohlstand, der hier verteilt wurde, einen realen Grund hatte, ob also dem Geld überhaupt Waren gegenüberstanden? Haben sie den Wohlstand nicht vielmehr oft genug vernichtet, indem sie das Geld schlecht gemacht haben? Rechtfertigt das Destillat aus jenem schmerzhaften Kapitel der Geschichte Deutschlands zwischen 1914 und 1923 etwa nicht ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Staatsschulden? Ist der Status, den Gold bis heute als Währungsreserve genießt, nicht ein deutliches Zeichen, dass die Zentralbanker ihren Kollegen kaum mehr Vertrauen entgegenbringen als einem Pferdehändler?
Geld und Schulden entstehen, grob gesagt, indem eine Bank dem Kreditnehmer auf dessen Konto ein Guthaben einbucht. Dieses Geld wird nicht einem anderen weggenommen, es entsteht neu, aus dem Nichts. Mit den Bankschulden wächst also auch die Geldmenge.15 Die Schöpfung des Geldes aus heiterem Himmel ist für viele Menschen schwer zu akzeptieren, auch wenn sie jeden einzelnen Schritt und die Funktionsweise des Bankensystems nachvollziehen können. Nichts daran ist obskur, und dennoch bleibt ein Unbehagen. Der einzige Trost mag darin liegen, dass eine gewisse Unverständlichkeit weder selten ist noch schädlich sein muss – solange das Vertrauen in die handelnden Personen gut begründet ist. Friedrich Schlegel hat – in einem ganz anderen Kontext – darauf hingewiesen, dass es in menschgemachten Verhältnissen häufig vorkommt, dass auch das Wichtigste »irgendwo an einem solchen Punkte [hängt], der im Dunkeln gelassen werden muß, dafür aber auch das Ganze trägt und hält, und diese Kraft in demselben Augenblicke verlieren würde, wo man ihn in Verstand auflösen wollte«.16 Es gibt nicht den einen Archimedischen Punkt, aus dem sich der Wert des Geldes wie in einer mathematischen Formel stringent herleiten ließe, sondern nur Buchungen, Funktionen und Kontrollmechanismen, die, wenn sie verantwortlich gehandhabt werden, ihren Zweck erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger.
Privatpersonen machen Schulden meistens zum Erwerb oder zur Schaffung neuer Wirtschaftsgüter. Die durch die entsprechenden Buchungen bei der Bank gestiegene Geldmenge steht dann einer gestiegenen Menge an werthaltigen Wirtschaftsgütern (wozu Kriegswaffen nicht zählen, die in der Regel schnell kaputtgehen und nicht zur Produktion von etwas Neuem taugen) entgegen, so dass in der Regel kein inflationärer Effekt entsteht – zumal die Kredite irgendwann zurückbezahlt werden müssen, wodurch die Geldmenge wieder schrumpfen kann. Der Staat ist in einer anderen Situation: Da er (theoretisch) das ewige Leben hat, muss er seine Schulden nicht zurückzahlen, sondern kann sie bei Fälligkeit durch neue ersetzen (»rollen«), sofern er noch kreditwürdig ist. Und wenn er weder willige Geldgeber findet noch seinen Steuerzahlern zusätzliche Bürden zumuten möchte, kann er die Notenbank anweisen, die ausstehenden Staatsanleihen zurückzukaufen (zu monetisieren). Das vergrößert die Geldbasis, löst aber kurzfristig das Finanzierungsproblem. Da der Staat also die Möglichkeit hat, in schwierigen Situationen mit Hilfe der Zentralbank unbegrenzt Geld zu schaffen, das er oft nur langsam (oder gar nicht) zurückzahlt, ist der Zusammenhang zwischen hoher Staatsverschuldung und anschließender Geldentwertung theoretisch plausibel und in der Praxis oft beobachtet worden.
Dennoch gibt es hier keinen Automatismus. Eine hohe Staatsverschuldung ist (ebenso wenig wie eine stark wachsende Geldmenge) weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für eine Inflation. Im Zweiten Weltkrieg stiegen die Schulden Großbritanniens auf 250 % der Wirtschaftsleistung an. Obwohl der Krieg lange Zeit ungünstig für Großbritannien verlief, kam es nicht zu einer Schuldenkrise. In dieser Situation höchster Unsicherheit war offensichtlich die Nachfrage nach einem sicheren Hafen für die Ersparnisse hoch. Japan ist für die Gegenwart ein Beispiel für Stabilität und niedrige Inflationsraten, obwohl dort die Notenbankliquidität seit 2013 dramatisch angewachsen ist und die Staatsverschuldung nach Jahrzehnten struktureller Defizite ebenfalls bei etwa 250 % der Wirtschaftsleistung liegt – ohne dass ein merklicher Einfluss auf die Zinsen oder die Inflationserwartungen spürbar wäre. In diesem Fall legt ein guter Teil der gealterten Bevölkerung ihr Geld in Staatsanleihen an und sorgt dadurch für Stabilität und niedrige Zinsen. Auch der Umstand, dass die Bank of Japan einen immer größeren Teil der Staatsschulden hält, ist seit Jahrzehnten unproblematisch. Die Europäische Zentralbank und die Bank of England halten heute etwa 35 % der jeweiligen Staatsschulden, ohne dadurch eine bemerkenswerte Inflation auszulösen. Olivier Blanchard, ehemaliger Chefökonom des Weltwährungsfonds, stellt angesichts dieser Entwicklung (die in Europa und den USA nicht unähnlich ist) die Überlegung an, ob Staatsschulden für Länder, die sich in eigener Währung verschulden können, überhaupt ein Problem darstellen müssen. Solange sie ihre Zinskosten unterhalb der Rate des Wirtschaftswachstums (und damit des Wachstums der Steuereinnahmen) halten können, zahlen sich demnach die Schulden praktisch von allein zurück und es gibt keinen Grund, sich um die Höhe der Schulden Sorgen zu machen.17 Demnach wäre auch nicht das Verhältnis von Schulden zu Wirtschaftsleistung die entscheidende Größe bei der Beantwortung der Frage: Wie viele Schulden sind zu viel? Die relevante Größe wäre der Anteil der Wirtschaftsleistung, der für den Schuldendienst aufgewendet werden muss. Ein Land, in dem für Staatsanleihen niedrige Zinsen gezahlt werden, kann sich höhere Schulden leisten als ein Land mit hohem Zinsniveau.
Es gibt bis heute keine vollständig befriedigende Theorie zur Inflation. Aber es gibt eine Reihe von Faktoren, die immer wieder im Zusammenhang mit Inflation auftauchen, wie die Täter am Ort des Verbrechens. Die Staatsverschuldung zählt dazu. Ebenso wie die Geldmenge, die von der in den 1970er und 1980er Jahren beliebten Quantitätstheorie der Inflation als wesentliche Ursache ausgemacht wurde.
7Zur deutsch-britischen Konkurrenz vor dem Ersten Weltkrieg und den Parallelen zum chinesisch-amerikanischen Antagonismus in der Gegenwart vgl. Markus Brunnermeier et al.: »Beijing’s Bismarckian Ghosts: How Great Powers Compete Economically«. In: The Washington Quarterly, Vol. 41/3 Herbst 2018, S. 161–176.
8Helfferich: Deutschlands Volkswohlstand 1888–1913, S. 100 und S. 63.
9Zu Helfferich gibt es nur eine brauchbare Biographie, aus der alle hier erwähnten Angaben zu seiner Lebensgeschichte stammen: Williamson: Karl Helfferich.
10Das Protokoll der Reichstagssitzung findet sich unter https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003402_00235.html.
11Felix Pinner: »Entfesselte Instinkte«. In: Berliner Tageblatt, 21. 12. 1918, Abendausgabe, S. 4.
12Vgl. Williamson: Karl Helfferich, S. 146. Diese Berechnungen stimmen ungefähr überein mit Holtfrerich: Die deutsche Inflation 1914–1923, S. 15.
13Holtfrerich: Die deutsche Inflation 1914–1923, S. 185ff.
14Vgl. beispielsweise Hans-Werner Sinn: Corona und die wundersame Geldvermehrung in Europa. Vortrag gehalten am 14. 12. 2020 am Ifo-Institut München. https://www.ifo.de/vortrag/2020/weihnachtsvorlesung/corona-und-geldvermehrung.
15Anders verhält es sich, wenn der Schuldner (privat oder staatlich) Geld aufnimmt, indem er eine Anleihe auf dem Kapitalmarkt begibt. Dann fließt bestehendes Geld und es entsteht kein neues – oder nur wenn der Käufer der Anleihe sich die entsprechende Summe bei einer Bank leiht.
16Schlegel: Über die Unverständlichkeit, S. 370.
17Blanchard: »Public Debt and Low Interest Rates«. Dagegen ist eingewandt worden, dass ein Land seine Zinskosten nicht vollständig selbst kontrollieren kann. Es handelt sich teilweise um eine endogene Größe, die von der Markteinschätzung der Schuldentragfähigkeit eines Landes abhängt.
Money in its significant attributes is, after all, a subtle device for linking the present to the future.
John Maynard Keynes, »General Theory« (1936)
Deutschlands finanzielle Probleme hatten schon in den Wochen vor dem Kriegsausbruch begonnen. Die Industrie des Reiches zeigte sich leistungsfähig wie kaum eine andere und produzierte beinahe alle kriegswichtigen Güter schnell und in großer Menge. Allein die Geldbeschaffung, ein entscheidender Faktor in jedem Krieg, gestaltete sich schwierig, denn Deutschland fehlte ein international vernetzter und liquider Finanzplatz, der es mit London oder Paris hätte aufnehmen können. Seine Banken waren zwar groß, aber meist auf den Binnenmarkt ausgerichtet. Um die Forderung der Generalität zu erfüllen, Geld dürfe für die Kriegsanstrengung keine Rolle spielen, nutzten die Berliner Beamten den langen Sommermonat zwischen dem Attentat von Sarajewo und dem Kriegsbeginn, um die Kassen so prall wie möglich zu füllen. Bereits am 4. August 1914 verabschiedete der Reichstag ein ganzes Bündel von Gesetzen zur Finanzierung des Krieges. In einem Nachtragshaushalt genehmigte er kriegsbedingte Sonderausgaben von fünf Milliarden Mark – dies entsprach knapp einem Zehntel der Wirtschaftsleistung Deutschlands, die 1913 bei 52 Milliarden Mark gelegen hatte. Also begab das Kaiserreich im September eine Kriegsanleihe in Höhe von 4,5 Milliarden Mark, die erste von insgesamt neun großen Anleihen, die als patriotisches Opfer vermarktet wurden und bei der sparenden Bevölkerung generell lebhaften Absatz fanden.
Die Mark war zu dieser Zeit dem Goldstandard unterworfen. Es galt das Prinzip der Dritteldeckung, wonach für jede Goldmark im Tresor der Reichsbank nur drei Papiermark ausgegeben werden durften. Das sollte die im Umlauf befindliche Geldmenge begrenzen und den Tausch in andere, ebenfalls auf Gold bezogene Währungen erleichtern. Woher sollten unter diesen Umständen die Milliarden kommen, die der Staat für einen Krieg gegen fast alle Großmächte dieser Welt benötigte? Im System des Goldstandards war ein so großer zusätzlicher Geldbedarf nicht vorgesehen. Das Gold ließ sich nicht magisch vermehren und damit auch nicht die darauf bezogene Mark.