Die großen Western 107 - Howard Duff - E-Book

Die großen Western 107 E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Irgend jemand ging draußen vorbei und schrie über die Straße: "He, Jules, Jim Gane reitet mit dem Mädchen zur Ranch!" Sam Gidding hörte den Mann brüllen und gleich darauf eine Antwort. Aber in seinem Gedächtnis blieb nur der eine Satz. Jim Gane hatte also die Stadt verlassen, und der Sheriff zählte nicht, denn er hatte eine Kugel in der Schulter. Wer, zum Teufel, sollte Gidding nun noch gefährlich werden? etwas gegen Gidding unternehmen konnte. Vielleicht kam irgendein Narr auf die Idee, den Cowboys im Saloon ein paar Runden Whisky zu spendieren, um im Rausch eine Hängepartie zu veranstalten. Allein die Erwähnung des Namens Gane hatte genügt, um Gidding mit den Zähnen knirschen zu lassen. Er fühlte, wie ihm heiß wurde. Es war schlimmer, als nach den Püffen, die er bei seiner Gefangennahme erhalten hatte. Die Hitze kam von dem Haß, der in Gidding zuerst wie ein kleines Feuer brannte, dann aber hell zu lodern begann. Noch nie in seinem Leben hatte Gidding einen derartigen Haß auf einen Menschen in sich gefühlt. Er wäre imstande gewesen, Jim Gane mit seinen bloßen Händen zu erwürgen. Und es hätte ihm sogar Spaß gemacht, einen Mord zu begehen. Wenn dieser verfluchte Jim Gane nicht gewesen wäre, hätte Gidding wie es geplant gewesen war, das Land verlassen können. Und auch Clifton Kinney, der Spieler, dem der Saloon gehörte, der außerdem der Boß der Bande gewesen war, wäre jetzt noch am Leben. Aber Jim Gane hatte ihn erschossen. Kinney hätte ihn bestimmt herausgehauen. Wenn ich Jim Gane erwische, dreh ich ihm den Hals um, dachte Gidding. Oder ich binde ihn an mein Lasso und schleife ihn durch die Stadt, bis nur noch die Knochen von ihm übrig sind.

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Die großen Western – 107 –

Giddings Rache

Howard Duff

Irgend jemand ging draußen vorbei und schrie über die Straße: »He, Jules, Jim Gane reitet mit dem Mädchen zur Ranch!«

Sam Gidding hörte den Mann brüllen und gleich darauf eine Antwort. Aber in seinem Gedächtnis blieb nur der eine Satz. Jim Gane hatte also die Stadt verlassen, und der Sheriff zählte nicht, denn er hatte eine Kugel in der Schulter. Wer, zum Teufel, sollte Gidding nun noch gefährlich werden?

Da Jim Gane mit Bonny Menard zur Ranch hinausgeritten war, gab es wohl keinen Mann mehr in der Stadt, der

etwas gegen Gidding unternehmen konnte.

Vielleicht kam irgendein Narr auf die Idee, den Cowboys im Saloon ein paar Runden Whisky zu spendieren, um im Rausch eine Hängepartie zu veranstalten.

Allein die Erwähnung des Namens Gane hatte genügt, um Gidding mit den Zähnen knirschen zu lassen. Er fühlte, wie ihm heiß wurde. Es war schlimmer, als nach den Püffen, die er bei seiner Gefangennahme erhalten hatte. Die Hitze kam von dem Haß, der in Gidding zuerst wie ein kleines Feuer brannte, dann aber hell zu lodern begann. Noch nie in seinem Leben hatte Gidding einen derartigen Haß auf einen Menschen in sich gefühlt. Er wäre imstande gewesen, Jim Gane mit seinen bloßen Händen zu erwürgen. Und es hätte ihm sogar Spaß gemacht, einen Mord zu begehen.

Wenn dieser verfluchte Jim Gane nicht gewesen wäre, hätte Gidding wie es geplant gewesen war, das Land verlassen können. Und auch Clifton Kinney, der Spieler, dem der Saloon gehörte, der außerdem der Boß der Bande gewesen war, wäre jetzt noch am Leben. Aber Jim Gane hatte ihn erschossen. Kinney hätte ihn bestimmt herausgehauen.

Wenn ich Jim Gane erwische, dreh ich ihm den Hals um, dachte Gidding. Oder ich binde ihn an mein Lasso und schleife ihn durch die Stadt, bis nur noch die Knochen von ihm übrig sind.

Er mußte hier raus, aber wie?

Sie waren nicht gerade sanft mit ihm umgesprungen, als Kinney, dieser Narr, auf den Sheriff schoß. Jeder wußte, daß Gidding und Kinney unter einer Decke gesteckt hatten. Den toten Kinney konnten sie nicht mehr prügeln, also hatten sie ihre Wut an Gidding ausgelassen, als sie ihn ins Gefängnis brachten.

Sam Gidding fuhr sich mit dem Handrücken über die geschwollene Unterlippe und trat ans Fenster der kleinen Zelle.

Er sah ein Stück der Straße, wenn er den Kopf ganz nahe an das Gitter brachte. Er konnte über den Hofzaun des Sheriff Office hinwegblicken. Man müßte eine Brechstange haben, dachte Gidding. Mit der würde er das Gitter herausreißen und fliehen können.

Die Straße war leer, die Stadt schien unter der Vormittagshitze zu schlafen. Sie hatten Sheriff Dewey zum Doc gebracht und die Kugel aus seiner Schulter herausgeholt. Wenn Dewey auf die Beine kam, dann bestimmt nicht vor dem Abend.

Es ließ sich auch niemand sehen, der das Jail bewachte. Sicher bildete man sich ein, daß Gidding hier sicher saß und nicht hinaus konnte.

Fluchend trat Gidding an die Pritsche. Er rüttelte an den dicken Beinen, aber sie gab nicht nach. Das Gestell mit den Längslatten war an der Wand befestigt worden.

»Zum Teufel«, schimpfte Gidding und gab seine Bemühungen auf. »Das Ding sitzt zu fest. Wenn ich wenigstens ein Brett losbekäme. Ich würde es dem ersten, der hier seine Nase hereinsteckt, über den Schädel schlagen.«

Gidding ließ sich auf die Pritsche fallen und lauschte. Nach einiger Zeit hörte er Stimmen und Schritte. Zwei Männer kamen über den Gehsteig und unterhielten sich. Sie blieben in der Seitenstraße neben dem Jail stehen. Gidding konnte jedes ihrer Worte hö-ren.

»… sagt, Dewey muß erst mal ausschlafen und wieder zu Kräften kommen«, sagte der eine heiser. »Vielleicht ist er morgen soweit, daß er wenigstens transportiert werden kann. Die Kugel soll ein mächtiges Loch gerissen haben.«

»Ja, es sah böse aus«, antwortete der andere. »Ich dachte schon, er macht es nicht mehr lange. Aber Dewey ist zäh. Ich frage mich, wer den verdammten Gidding bewachen soll. Bei dieser Hitze im Jail zu sitzen, ist auch kein Vergnügen.«

Sie entfernten sich bald darauf in verschiedene Richtungen.

Gidding ließ sich wieder auf die harte Pritsche fallen und dachte nach. Noch gab es einen Weg für ihn, aus dem Jail zu entwischen. Er hatte diese Möglichkeit, solange der Sheriff nicht zurückkam.

Gidding mußte ausbrechen, ehe der Sheriff kam.

Aber seine Chancen wurden immer geringer.

*

Gidding blieb liegen, obwohl die Schlüssel bereits im Vorraum rasselten und der Mann sich der Tür zum Zellengang näherte. Der Bandit hatte die Arme unter dem Nacken verschränkt und stierte zur Decke des Jails. Im nächsten Moment ging die Tür auf. Die Schlüssel klirrten gegen das Holz. Gidding lag still, obgleich es ihn brennend interessierte, nachzusehen, wer zu ihm kam. Dann stieg ihm ein verlockender Duft in die Nase. Er roch Speck und Bohnen. Und da er hungrig war, schluckte er unwillkürlich.

»Nun, mein Sohn?«

Der Prediger, dieser Narr, dachte Gidding. Er bemühte sich ein möglichst freundliches Grinsen zu zeigen, als er den Kopf wandte.

»Guten Tag, Reverend«, sagte er und setzte sich auf. »Ich mache mir Sorgen um den Sheriff. Wie konnte Kinney nur auf ihn schießen?«

Er gab sich den Anschein, tief betroffen zu sein, und es gelang dem gerissenen Gidding, den Reverend zu bluffen.

»Es war ein schlimmes Unglück«, murmelte der Geistliche. »Man sollte es nicht für möglich halten, daß Menschen so böse sein können. Ich hoffe, du bereust deine Taten, mein Sohn.«

»Ich – ich weiß nicht«, stotterte Gidding, als sei er höchst verlegen. »Ich habe starke Schmerzen. Jemand hat mich auf das Ohr geschlagen. Sagen Sie selbst, Ehrwürden, ob das nötig war. Habe ich vielleicht jemanden umgebracht?«

Der Reverend hob die Schultern.

»Das mußt du selbst am besten wissen, mein Sohn«, antwortete er. »Hier ist eine Suppe für dich. Ich stelle die Schüssel vor das Gitter. Du kannst durchlangen.«

In diesem Augenblick hätte Gidding vor Wut platzen können. Er hatte fest damit gerechnet, daß der Reverend ahnungslos genug sein würde, die Zellentür zu öffnen, um ihm die Suppe hereinzubringen. Gidding hätte ihn niedergeschlagen und wäre draußen gewesen, ehe der Reverend wieder zu sich gekommen wäre. Mit aller Macht beherrschte sich Gidding. Er mußte einen harmlosen, reuevollen Eindruck machen und durfte sich durch nichts verraten. Erriet man seine Absicht auszubrechen, so war diese Chance vorbei. Sie würden ihm ganz sicher zwei Mann Bewachung schicken.

»Ja, das werde ich wohl können, Ehrwürden«, murmelte er und erhob sich. »Geht es Dewey einigermaßen gut?«

Hatte er gedacht, den Reverend durch Reden ablenken zu können, so hatte er sich geirrt. Der Geistliche wich, kaum daß Gidding aufgestanden war, vom Gitter zurück und trat an die Holztür. Konnte der Bursche nicht stehenbleiben, so daß Gidding ihn durch die Gitterstäbe am Kragen packen konnte?

»Es geht ihm den Umständen entsprechend«, gab der Reverend zurück. »Laß dir die Suppe schmecken und halte Einkehr, mein Sohn. Man kann immer noch auf den rechten Weg zurückfinden. Vielleicht schaffst du es auch.«

Gidding brummte irgend etwas, was Zustimmung und auch Ablehnung bedeuten konnte. Der Prediger verschwand rasch wieder. Er schien vor Gidding doch eine Menge Respekt zu haben und schloß die Tür ab. Das hielt er wohl für ausreichend, um Gidding daran zu hindern, die Zelle zu verlassen.

Voller Hast langte der Bandit durch die Stäbe und begann zu essen. Das untere Quereisen des Ganggitters befand sich in einem Yard Höhe, so daß Gidding sitzen mußte. Es war etwas umständlich, den Kopf an die Gitter und den Arm hindurchzubringen, aber es ging. Gidding schlang das Essen buchstäblich in sich hinein. Er leerte die Schüssel in weniger als zwei Minuten und grinste dann vor sich hin.

»Idioten«, sagte er laut und betrachtete den schweren Eisenlöffel.

Es mochte sein, daß der Prediger sich keine Gedanken darüber gemacht hatte, daß einem Gefangenen nur ein Holzlöffel gegeben werden durfte. Jedenfalls hatte Gidding nun ein Werkzeug, wenn es auch ein primitives Gerät war. Gidding hatte gehört, daß Ausbrüche sogar mit Nägel gelungen waren.

Der Bandit klemmte den Löffel unter die Pritsche. Er konnte ihn zwischen Längs- und Querholm zwängen. Dann bog er ihn schnell hin und her. Schließlich brach der Stiel ab.

»Keine Grütze im Schädel«, murmelte Gidding, als er sich ans Fenster stellte und den abgebrochenen Stiel gegen den Mörtel drückte, mit dem jeder Stab festgesetzt worden war. »Teufel, was ist denn das?«

Zu seiner größten Überraschung gab der Mörtel augenblicklich nach. Er bröckelte ab wie ein zu starkes Sandgemisch.

Gidding starrte auf die Mörtelbrokken, als könne er seinen Augen nicht trauen. »Ist nicht wahr. Das Zeug geht ja heraus wie Sand.«

Er begriff immer noch nicht, wie der Prediger hatte so unvorsichtig sein können, ihm einen Löffel zu bringen. Und er verstand nicht, warum man die Stäbe des Gitters nicht mit festerem Mörtel eingemauert hatte.

Es galt die Zeit zu nutzen, bevor jemand kam, um die Schüssel und den Löffel abzuholen.

»Das fehlte noch«, knurrte Gidding. »Vielleicht kommt bald einer und vermißt den Löffel?«

Er mußte zwei Stäbe lösen, um hinauskriechen zu können. Während er ängstlich auf jedes Geräusch achtete, das von der Straße zu ihm drang, bohrte und stocherte er mit dem Löffelstiel so kräftig er konnte neben den Stangen in den Mörtel.

Gidding schwitzte. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Auf seinem Hemd entstanden große dunkle Flekken. Er keuchte heftig. Sein Atem ging bald pfeifend, aber die Furcht vor der Entdeckung trieb ihn, alle seine Kräfte einzusetzen. So gelang es ihm bald, den Mörtel aus dem Loch zu kratzen, in dem der erste Stab steckte. Er hatte das Gefühl, als würden ihm die Muskeln des rechten Arms erschlaffen. Doch als er am Stab rüttelte, bewegte der sich. Das erste Zeichen des Erfolgs ließ ihn seine Anstrengungen verdoppeln. Er arbeitete wechselweise mit der linken und der rechten Hand. Um hochzusteigen, benutzte er den Holzkübel. So gelang es ihm, den Mörtel auch aus dem oberen Loch zu bohren. Er hatte schon befürchtet, daß nur in dem unteren Loch ein Sandkloß ge-sessen hatte, aber nun stellte er

fest, daß die gesamte Mörtelmischung nichts taugte.

Sam Gidding legte das obere Stab-ende frei. Dann packte er mit beiden Händen zu und wuchtete. Es knirschte und knackte laut. Steinbrocken fielen klickernd an der Außenmauer herunter in den Hof. Erschrocken hielt Gidding den Atem an. Er lauschte, aber es rührte sich nichts. Sofort warf er sich mit aller Macht zurück. Der Kübel fiel um, Gidding stürzte zu Boden. Er hatte den Stab in den Fäusten. Das Rund-eisen war einen Meter lang. Wenn jetzt jemand hereinkam, dann konnte der Kerl sich auf etwas gefaßt machen. Gidding probierte sogleich aus, ob er, wenn er weit durch das Gitter des Ganges langte, mit dem Eisenstab die Tür erreichen konnte.

»Das ist gut«, murmelte er, als der Stab an die Tür schlug. »Jetzt sollte nur jemand kommen. Ehe er im Raum stand, würde er schon die Stange über dem Kopf haben.«

Er arbeitete jetzt wie ein Besessener, um auch den zweiten Stab zu lockern. Auch hier glückte es ihm, den Mörtel brockenweise zu lösen. Als der zweite Stab im oberen Loch wackelte, nahm Gidding den ersten Stab und benutzte ihn als Hebel.

Niemand schien das Gepolter zu hören, als sich der zweite Eisenstab aus seiner unteren Verankerung löste. Ein Stück Mauerwerk brach aus und fiel mit dem Stab in den Hof. Es klingelte, als Stab und Stein zusammenschlugen. Gidding fuhr zusammen und spähte durch das Loch zur Straße hin. Es kam niemand.

Die Leute in Willcox schienen taub zu sein. Mit einem Ruck zog sich Gidding hoch. Einen Moment saß er rittlings auf dem Fensterbrett. Dann zwängte er sich durch das Loch. Er atmete keuchend, schob und zerrte, stemmte sich von der Wand ab und war plötzlich draußen.

Daß er am Boden des Hofes neben dem Eisenstab saß, kam ihm so unwahrscheinlich vor, daß er lachen mußte. Er hatte keine halbe Stunde gebraucht, um das Jail zu verlassen.

Gidding war frei, aber er war ohne jede Waffe. Er mußte ins Office, denn dort lagen sein Colt und seine anderen Sachen.

Der Bandit erhob sich. Er schlich geduckt an der Hauswand entlang. Zwar hatte das Office eine Hintertür, aber kein Fenster an der Hofseite. Lediglich vorn befanden sich zwei Fenster und an der Stirnseite war auch eins. Um zu ihm zu kommen, mußte Gidding über den Zaun steigen und in die Seitenstraße treten.

Kaltblütig sah sich Gidding im Hof um. Das Dach des Stalls war frisch geteert worden, am Boden stand noch der Teerkübel. In dem Kübel befand sich eine Schicht Teer, die infolge der Wärmeeinwirkung eine geschmeidige Masse bildete. Gidding öffnete die Stalltür. Er wußte, was er brauchte. Er fand einen alten Sack und rannte hinaus. Den Sack stieß er mit einer Forke in den Teerkessel, bis das Jutegespinst sich vollgesaugt hatte.

Es muß gehen, dachte Gidding. Er steckte die eine Eisenstange unter den Hosenbund auf den nackten Leib und nahm den Sack mit. Dann stieg er nach einem vorsichtigen Blick über den Zaun. Es kam ihm wie ein Wunder vor, daß ihn niemand bemerkte. Die Straße lag wie tot unter der Mittagssonne. Nicht ein Reiter oder ein Wagen war zu sehen. Gidding hatte den Eindruck, als sei die Stadt ausgestorben, als er den geteerten Sack gegen die Fensterscheibe klatschte. Obgleich er sich die Hände beschmutzte, drückte er den Sack gegen die Scheibe. Es knirschte und knackte, gab aber kein lautes Ge-räusch. Hastig tastete Gidding nach den beiden Fensterriegeln. Sie anheben und das Fenster ganz öffnen, war das Werk von wenigen Sekunden.

Immer noch blieb alles ruhig. Es war, als stünde ihm das Glück, das ihn so oft begünstigt hatte, wieder einmal zur Seite. Gidding zog sich hoch, turnte über die Fensterbank und war im Office. Er ließ das Fenster offen. Mit drei Sätzen war er am Schrank, riß ihn auf und holte seinen Revolver heraus. Er warf sich den Waffengurt um, sah den Colt nach und nahm sich eins der Gewehre, eine siebenschüssige Spencer. Munition fand er genug, stopfte sich die Taschen voll und packte dann die Kerosinlampe. Das Kerosin goß er, nach dem er den Docht abgeschraubt hatte, in die Waschschüssel des Sheriffs und reinigte sich die Hände. Gidding stank nach Teer und Kerosin, aber das störte ihn jetzt nicht. Er hatte alles, was er vorläufig brauchte. Jetzt sollten sie kommen. Mit dem Gewehr und dem Colt war er bereit, es gegen die ganze Stadt aufzunehmen.

Er probierte die Hintertür. Sie war verriegelt, jedoch nicht verschlossen. »Jetzt sucht mich, ihr Narren.«

Keine Minute darauf stand er in der Seitenstraße. Er hatte sich die alte Jacke des Sheriffs genommen und auch dessen Hut aufgesetzt, den er tief in die Stirn zog. Gidding war sicher, daß ihn so leicht niemand erkennen würde.

Vor ihm lag die nächste Querstraße, an deren Ende der Mietstall war.

Nach den ersten fünfzig Schritten wurde Gidding ruhiger. Seine gewohnte Kaltblütigkeit ließ ihn so gemächlich gehen, als ob er einen Spaziergang machte. Er hielt den Kopf gesenkt und das Gewehr in der linken Hand. Wer immer ihm begegnen und ihn erkennen würde, der Mann würde sterben müssen.

Mit diesem Vorsatz machte sich Gidding auf den Weg zum Mietstall. Dort konnte um diese Zeit nur Belham, der Stallhelfer, sein.

*

Tony Belham war mit dem Tränken der neuen Pferde fertig. Wie immer um die Mittagszeit sah sein Boß Winslow noch einmal aus dem Fenster.

»Na, ist alles in Ordnung, Tony?«

»Sie haben sich vollgesoffen«, erwiderte Belham. »Ich denke, ich miste am Nachmittag aus, was?«

»Tu das.«

Winslow machte das Fenster zu. Er würde jetzt sein Mittagsschläfchen halten, das wußte Belham. Überhaupt war Winslow ein ganz prächtiger Bursche, der nie zuviel von seinem Stallhelfer forderte. Schlief Winslow, dann konnte sich auch Belham ausruhen. Genau das tat Belham jetzt. Er ging in den Stall, machte die Hintertür auf und warf eine Decke auf das Stroh. Dann legte er sich hin und schloß die Augen.

Belham war schon fast eingeschlafen, als er den Mann kommen hörte. Die Schritte ertönten hinter dem Stall, näherten sich der offenstehenden Hintertür und hielten dort an. Belham, der direkt neben der Tür im Schatten lag, blinzelte.

Im ersten Augenblick glaubte der Stallhelfer den Sheriff vor sich zu haben. Der Mann, der keine zwei Schritte vor ihm stand, trug die Jacke Deweys.

»He, du kannst gehen, du kannst…«

Mehr brachte der verstörte Belham, der schon glaubte, der Sheriff sei wieder auf den Beinen, nicht heraus. Er sah jetzt, wie der Mann die Hand unter der Jacke herausbrachte. In der Hand lag der Revolver. Die Mündung richtete sich auf Belhams Kopf.

Gidding, fuhr es Belham durch den Kopf. Mein Gott, es ist Gidding.

Er klappte vor Schreck den Mund zu und schluckte, als Gidding einmal mit dem Lauf des Revolvers wedelte.

»Halt die Klappe und steh auf«, zischte ihm der Verbrecher zu. »Los, mach schon, Belham.«

Belham fühlte einen Kloß in der Kehle. Seine Knie wurden ihm weich, als er sich erhob. Er ahnte, was Gidding wollte und zog unwillkürlich das Genick ein.

»Mister, ich sag’s noch mal«, warnte ihn Gidding und ging langsam um ihn herum. »Rühr dich nicht und halt den Mund, dann passiert dir nichts. Hast du gedacht, ihr könntet mich im Jail halten? Ehe ihr mich findet…«

Er war nun genau hinter Belham und holte blitzschnell aus. Der Hieb traf den Stallhelfer, der nichts als eine Feuerwand sah. Belham stürzte in sein Stroh.

»Der ist versorgt und aufgehoben«, brummte Gidding. »Weg mit ihm. Man muß ihn nicht gleich sehen.«

Er packte den Mann am Kragen und schleifte ihn in die Sattelkammer. Dort band er ihm Arme und Beine, stopfte ihm zusätzlich einen Knebel zwischen die Zähne und griff nach dem besten Sattel, den er finden konnte. Ihm war klar, daß er die beiden besten Pferde haben mußte, die hier standen. Nach kurzer Suche entschied er sich für einen Falben und eine Stute. Dem Falben legte er den Sattel auf, die Stute bekam den einzigen Packsattel. Jetzt trat Gidding in die Sattelkammer zurück. Er blickte auf den erwachten Belham und stieß ihm den Fuß in die Seite.

»Na?« fragte er höhnisch. »Wieder munter? Dann bestell dem Sheriff, er solle mich suchen lassen. Finden würden sie mich nie. Ehe ihr hier auf-brecht, bin ich zehn Meilen weit weg.«

Belham konnte durch die offene Tür die Pferde sehen. Er wußte jetzt, daß der Bandit die Stadt verlassen würde. Er schloß die Augen.

»Da bist du sprachlos vor Schreck, was? Sag deinem Boß, er solle sich nicht anstrengen seine beiden Pferde wiederzubekommen. Was ich einmal habe, das gebe ich nicht wieder her.«

Danach trat Gidding in den Gang, nahm die beiden Pferde und führte sie hinaus. Belham konnte ihn nur noch hören. Das Klappern der Hufe wurde immer leiser, bis es sich ganz verlor.