Die großen Western 165 - Frank Callahan - E-Book

Die großen Western 165 E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Als der Schuss fiel, reagierte Johnny Riverbee mit der Schnelligkeit eines angegriffenen Tigers. Er warf sich seitwärts aus dem Sattel, rollte über den steinigen Boden und lag im nächsten Augenblick in Deckung eines großen Felsbrockens. Zwei weitere Schüsse krachten, und Gesteinssplitter flogen dem hageren Mann um die Ohren. Und dann sagte hinter ihm eine knarrende Stimme: "Lass deinen Colt stecken, Hombre. Oder du bekommst eine Kugel in deinen dummen Schädel." Seufzend nahm Johnny Riverbee die Hand vom Revolverkolben und kam langsam auf die Beine. In der letzten Zeit hatte er verdammt viel Pech gehabt. Alle Teufel der Hölle schienen sich gegen ihn verschworen zu haben. Er war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, doch in seinem Gesicht gab es Spuren, die darauf deuteten, dass er das Leben kannte und schon einige raue Meilen hinter sich hatte. Die blauen Augen lagen tief in den Höhlen. Die abgeschabte und zum Teil zerrissene Kleidung wies darauf hin, dass der junge Mann schon bessere Tage gesehen hatte. Johnny starrte auf drei Männer, die sich zwischen den Büschen hervorschoben. Sie machten ebenfalls einen abgerissenen Eindruck. Halstücher bedeckten Mund und Nase. Drohend waren ihre Revolver auf Riverbee gerichtet. "Nimm die Pfoten hoch, Mister", sagte einer der Männer. Seine Augen funkelten. "Und komm nur nicht auf die Idee, den Helden spielen zu wollen. Wir wollen nur dein Geld, dann lassen wir dich laufen. Hast du mich verstanden?" Der hagere Mann nickte. "Da habt ihr aber großes Pech gehabt, Jungs", sagte er spöttisch. "Ich bin pleite. Könnte selbst ein paar Bucks gebrauchen. Ihr solltet euch eure

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Die großen Western – 165 –

Kopf hoch, Johnny Riverbee

Frank Callahan

Als der Schuss fiel, reagierte Johnny Riverbee mit der Schnelligkeit eines angegriffenen Tigers. Er warf sich seitwärts aus dem Sattel, rollte über den steinigen Boden und lag im nächsten Augenblick in Deckung eines großen Felsbrockens. Zwei weitere Schüsse krachten, und Gesteinssplitter flogen dem hageren Mann um die Ohren. Und dann sagte hinter ihm eine knarrende Stimme: »Lass deinen Colt stecken, Hombre. Oder du bekommst eine Kugel in deinen dummen Schädel.«

Seufzend nahm Johnny Riverbee die Hand vom Revolverkolben und kam langsam auf die Beine. In der letzten Zeit hatte er verdammt viel Pech gehabt. Alle Teufel der Hölle schienen sich gegen ihn verschworen zu haben.

Er war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, doch in seinem Gesicht gab es Spuren, die darauf deuteten, dass er das Leben kannte und schon einige raue Meilen hinter sich hatte. Die blauen Augen lagen tief in den Höhlen. Die abgeschabte und zum Teil zerrissene Kleidung wies darauf hin, dass der junge Mann schon bessere Tage gesehen hatte.

Johnny starrte auf drei Männer, die sich zwischen den Büschen hervorschoben. Sie machten ebenfalls einen abgerissenen Eindruck. Halstücher bedeckten Mund und Nase. Drohend waren ihre Revolver auf Riverbee gerichtet.

»Nimm die Pfoten hoch, Mister«, sagte einer der Männer. Seine Augen funkelten. »Und komm nur nicht auf die Idee, den Helden spielen zu wollen. Wir wollen nur dein Geld, dann lassen wir dich laufen. Hast du mich verstanden?«

Der hagere Mann nickte.

»Da habt ihr aber großes Pech gehabt, Jungs«, sagte er spöttisch. »Ich bin pleite. Könnte selbst ein paar Bucks gebrauchen. Ihr solltet euch eure Opfer vorher besser ansehen.«

Spott färbte Riverbees Worte.

»Wir werden uns selbst überzeugen«, schrillte die Stimme des Banditen. Er nickte dem anderen Mann des Trios zu.

Mit raschen Schritten eilte er hinter Johnny, zog dem jungen Mann den Revolver aus dem Halfter und begann, seine Taschen zu durchsuchen.

»Nichts«, sagte er dann ungläubig. »Der Kerl ist arm wie eine Kirchenmaus.«

»Sieh in den Satteltaschen nach«, brummte der Anführer des Banditenrudels missmutig.

Doch auch dort konnten die Wegelagerer keinen lumpigen Cent entdecken. Einer hatte Johnnys Colt aufgehoben und überprüfte die Waffe.

»Der hat nicht einmal mehr eine Patrone im Revolver. Wir haben uns wirklich den falschen Mann angelacht.«

Er steckte Riverbee den Colt ins Halfter zurück. Achselzuckend ging er zu seinen Gefährten. Der Anführer kratzte sich mit dem Revolverlauf unterm Kinn.

»Schwing dich auf deinen Klepper, mein Junge, und zieh Leine. Vergiss möglichst, was du in den letzten Minuten erlebt hast. Ist das klar?«

Johnny nickte nur, trat zu seinem Pferd, das leicht tänzelte, und zog sich in den Sattel. Ohne noch einen Blick auf die Banditen zu werfen, ritt er davon.

Vor ihm schlängelte sich das graue Band der ausgefahrenen Wagenstraße. Er sah verbrannte Prärie, karge Vegetation und hin und wieder ein paar Bäume und Sträucher, die Inseln in der Weite der Landschaft glichen.

Den Fellows geht es genauso dreckig wie mir, dachte er. Bestimmt sind es ebenfalls entlassene Soldaten der Südarmee, die hier in Texas verzweifelt nach einem Job suchen, jedoch nirgends Arbeit bekommen. Als letzter Ausweg bleibt nur, zum Banditen zu werden.

Auch Johnny Riverbee war schon seit Wochen auf Arbeitssuche, doch nirgendwo wollte man ihm eine Chance geben. Es war einfach kein Geld vorhanden.

Während des Bürgerkrieges hatten sich die Rinder wie Karnickel vermehrt, doch sie waren nicht einmal die Haut wert. Noch waren die Absatzmärkte, deren Knotenpunkte einmal Abilene und Dodge-City werden sollten, nicht erschlossen.

Texas war arm geworden, und ein Dollar kam den Leuten so groß vor wie ein Wagenrad. Und immer mehr Männer wurden zu Banditen.

Johnny Riverbee ritt schneller. Sein Magen gab Geräusche von sich, als hätte sich dort ein Rudel hungriger Wölfe eingenistet. Seit zwei Tagen hatte er keine Mahlzeit mehr eingenommen.

Er sah einen Präriehund in einiger Entfernung, doch seine Hand, die zur Winchester im Scabbard gezuckt war, blieb auf dem Schaft der Waffe liegen. Auch für das Gewehr besaß der junge Mann keine Munition mehr.

Johnnys Lippen pressten sich hart aufeinander. Er unterdrückte einen Fluch und ritt eine Anhöhe hoch. In einiger Entfernung erkannte er eine kleine Town.

Der hagere Mann schien zu überlegen, doch dann lenkte er sein Pferd in Richtung der kleinen Stadt. Die einzige Straße war menschenleer.

Vor dem Saloon zügelte Johnny Riverbee sein Pferd. Ein dicker Mann stand hinter dem Tresen und spülte Gläser. Er warf Johnny einen misstrauischen Blick zu, während eine Hand unter der Theke verschwand.

»Lassen Sie Ihren Schießprügel nur stecken«, sagte Riverbee mit staubtrockener Stimme. »Haben Sie vielleicht einen Job für mich? Ich mache alles.«

Der dicke Salooner schüttelte den Kopf.

»Sorry, Mister. Arbeit hätte ich genug, doch ich kann keinen Lohn zahlen. Warum, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu erklären.«

Johnnys Mundwinkel verzogen sich zu einem bitteren Grinsen. Dann zuckte er nur mit den Achseln.

»Für eine warme Mahlzeit und einen Drink packe ich einige Stunden mit an. Ist das nicht ein Vorschlag, Mister?«

Der Dicke schüttelte den Kopf.

»Tut mir leid, Mister. Bitte verlassen Sie meinen Saloon. Hier in unserer Town gibt es genug Jungs, die sich diese Mahlzeit verdienen wollen.«

Riverbee holte tief Luft.

»Dann geben Sie mir wenigstens einen Schluck Wasser. Ich reite dann weiter.«

Der Salooner füllte ein Glas und schob es Johnny hin, der es ergriff und durstig austrank.

»Lausige Zeiten, Mister, doch nicht meine Schuld. Wir haben nun einmal den Krieg verloren. Hier kommt jeden Tag ein halbes Dutzend Jungs vorbei, die um einen Job bitten. Verlassen Sie dieses Land, und versuchen Sie es woanders. In Oregon oder Wyoming soll es genug Arbeit geben. Hier wird sich wohl auf längere Zeit nichts ändern.«

»Danke«, sagte Johnny und stellte das leere Glas klirrend auf den Tresen zurück. Er machte kehrt und stiefelte ins Freie. Eine schon ältere Frau wich erschrocken zur Seite, als sie den abgerissen wirkenden Mann sah.

Riverbee grinste bitter, schwang sich in den Sattel und ritt los. Die Hufe seines Pferdes ließen kleine Staubfontänen tanzen. Bald hatte der hagere Mann das Ortsende erreicht.

Vor ihm lag die weite Prärie.

*

Johnny Riverbee saß zusammengesunken im Sattel seines narbenbedeckten Pferdes. Eine längst erloschene Zigarettenkippe klebte in seinem Mundwinkel.

Die Sonne ging wie eine fruchtige Orange hinter den fernen Bergen unter. Die Schatten der Nacht krochen aus den Bodenspalten und Talsenken über das wilde und weite Land.

Endlich spuckte Johnny die Zigarettenkippe aus und schob seinen angestaubten Stetson in den Nacken. Sein Pferd begann, unruhig zu tänzeln. Beruhigend tätschelte der junge Mann den staubverkrusteten Hals des Tieres.

Vier weitere Tage waren vergangen, ohne dass Johnny einen Job bekommen hatte. Von einer Ranch hatte man ihn sogar mit einer Bullpeitsche gejagt.

Am Tage vorher war es Riverbee gelungen, einige Forellen zu fangen und zu braten. Doch er wusste, dass er ohne einen Job und ohne Munition bald vor die Hunde gehen würde.

Sein verzweifelter Plan war gefasst. Er wollte das Land verlassen, doch dazu benötigte er einige Dollars.

Und diese wollte er sich nun besorgen.

Plötzlich ging ein Ruck durch Johnnys Körper. Er starrte zu dem grauen Band der Wagenstraße hinüber und erkannte in einiger Entfernung eine Staubwolke, die sich rasch näherte.

Dann konnte er die Postkutsche erkennen, die, von sechs Pferden gezogen, herangejagt kam. Er vernahm die anfeuernde Stimme des Kutschers, der die Stage Coach vor einer kleinen Steigung nochmals in Fahrt bringen wollte.

Der hagere Mann zog seinen Revolver. Wie festgeschweißt lag er in der sehnigen Faust des Mannes. Ein hartes Lächeln kerbte seine Mundwinkel.

Er ritt zu einem dichten Gebüsch hinüber. Nur wenige Yards von dort entfernt musste die Kutsche vorbeikommen.

Das Rollen der Räder und die stampfenden Hufe der Pferde wurden schnell lauter. Nun war die Concord-Kutsche nur noch 100 Yards entfernt.

Es war mittlerweile fast völlig dunkel. Kaltes Mondlicht sickerte zur Erde.

Johnny Riverbee band sich sein Halstuch vor Mund und Nase und trieb sein Pferd an. Er hatte den richtigen Moment abgepasst. Der Kutscher sah ihn erst, als der Maskierte auf gleicher Höhe mit ihm war.

Der auf ihn gerichtete Colt redete eine deutliche Sprache. Der Begleitmann versuchte zwar, sein Gewehr hochzureißen, doch dann ließ er fluchend die Arme wieder fallen.

Nach 100 Yards kam die Stage Coach zum Stehen.

»Keine unvorsichtige Bewegung!«, bellte Johnnys Stimme auf. »Das ist ein Überfall!«

»Dachte ich mir schon, mein Junge«, knurrte der Fahrer. »Ich nahm nicht an, dass du uns nur um etwas Tabak bitten wolltest.«

»Keine Volksreden«, klang Riverbees harte Stimme. »Los, runter vom Bock!«

Die beiden Männer folgten dem Befehl. Mit erhobenen Händen standen sie nur wenige Yards von dem Maskierten entfernt und blickten ihn grimmig an.

»Was geht hier vor?«, kam es barsch aus dem Innern der Kutsche. Die Tür öffnete sich, und ein etwa vierzig Jahre alter Mann kletterte ins Freie.

Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt. Ein buschiger Texanerbart hing ihm übers Kinn. Der Mann war sehr gut gekleidet und machte einen wohlhabenden Eindruck.

Er reckte seinen muskulösen Körper. Als er den Maskierten sah, legte sich ein hartes Lächeln um seine Mundwinkel. In seinen Augen blitzte es böse auf.

»Nehmen Sie die Hände hoch«, knurrte Johnny. »Ich habe einen verdammt nervösen Zeigefinger, Mister. Ist sonst noch jemand in der Kutsche?«

Die Antwort erübrigte sich, denn eine junge Frau schob sich heraus. Sie erstarrte, als sie den Maskierten sah.

Sie war rothaarig, ungefähr Mitte zwanzig und sehr hübsch. Das graue Reisekostüm umschmiegte ihren Körper wie eine zweite Haut. In ihren dunklen Augen stand Angst, während die Mundwinkel zu zucken begannen.

Johnny leckte sich über die ausgetrockneten Lippen. Dann nickte er leicht.

»Sorry, Ma’am. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Bitte verhalten Sie sich ruhig.«

Der Mann mit dem Texanerbart trat einen langen Schritt nach vorn. Langsam senkten sich seine Hände.

Johnny Riverbees Colt ruckte hoch. Der Mann lachte jedoch nur heiser.

»Also, was willst du, Bandit? Mein Geld? Gut, dann hole es dir. Es befindet sich in der Coach.«

Sein harter Blick traf den jungen Mann, der sichtlich nervös wurde. Ein leichter Schweißfilm ließ seine Stirn wie mit Öl eingerieben glänzen.

»Also, was ist?«

Nun klang die befehlsgewohnte Stimme voller Spott. Die beiden Fahrer der Kutsche schoben sich näher heran.

»Zurück, oder ich schieße!«

Riverbees Stimme klang um eine Nuance zu schrill, obwohl er versuchte, ihr einen festen Klang zu geben.

»Hör mir mal gut zu, mein Junge«, sagte der wie ein Rancher aussehende Mann. »Das scheint wohl dein erster Überfall zu sein. Du gehörst bestimmt zu den vielen rauen Jungs, die nach dem verlorenen Krieg den Anschluss verpasst haben und irgendwann vor die Hunde gehen. Noch kannst du auf deinem gefährlichen Weg umkehren. Wir werden dann auch alles vergessen. Also, entscheide dich, junger Mann.«

Johnny Riverbees Augen blickten starr. Heftiger Zorn funkelte in seinen dunklen Augen.

»Sie hätten Wanderprediger werden sollen, Mister«, knurrte er böse. »Los, lassen Sie die Hände oben und treten Sie einige Schritte zurück. Ich möchte kein Blutvergießen, doch wenn Sie mich dazu zwingen, kann ich verdammt rau werden.«

Der hochgewachsene Mann schüttelte stur den Kopf.

»Verschwinde, Bandit!«, bellte er. »Ich bin unbewaffnet. Wenn du mein Geld willst, dann musst du mich schon umlegen.«

Er trat einen weiteren Schritt auf den Maskierten zu.

Nun standen große Schweißperlen auf Johnnys Stirn. Seine Revolverhand bewegte sich unruhig.

»Stop!«

Riverbees Stimme klang heiser und krächzend. Das zufriedene Lächeln auf den Lippen des bärtigen Mannes verstärkte sich.

»Ich mache dir einen Vorschlag, Bandit«, sagte er und grinste jovial. »Ich schenke dir hundert Dollar. Dann kannst du deinen knurrenden Magen füllen und dir neues Zeug zum Anziehen kaufen. Doch dann solltest du viele Meilen reiten und diese Gegend verlassen. Also, überleg es dir gut, entscheide dich jedoch schnell, denn ich habe es verdammt eilig. Hundert Dollar, mein Junge, ist das nicht ein nobles Angebot?«

Johnny schluckte mehrmals. Sein Blick flackerte. Fassungslos starrte er auf den Rancher.

»Hören Sie, Mister«, stieß die rothaarige Lady hervor. »Jesse McMarren meint es nur gut mit Ihnen. Wenn Sie es weiter mit Gewalt versuchen, werden Sie nicht weit kommen. McMarren ist in der Lage, über zwei Dutzend raue Jungs auf Ihre Fährte zu setzen. Sie hätten nicht den Hauch einer Chance.«

Die schöne junge Frau meinte es ernst. In ihren grünen Augen lag ein bittender Ausdruck.

Wieder verspürte Johnny Riverbee einen Kloß in seiner Kehle. Er räusperte sich. Gespannt wurde er von den drei Männern und der Frau gemustert.

»Hör auf die Lady«, sagte nun auch der Fahrer der Postkutsche. »Der Gentleman ist wirklich Mr Jesse McMarren. Er besitzt die größte Ranch im Distrikt. Du müsstest ihn schon töten, um an sein Geld heranzukommen. Doch dann würdest du seiner Rache nicht entgehen können. Du siehst nicht wie ein tollwütiger Killer aus, mein Junge. Nimm die hundert Dollar und verschwinde.«

Der Rancher langte nun vorsichtig in seine Westentasche und brachte eine Handvoll Münzen daraus hervor.

»Nehmen Sie das Geld und reiten Sie weiter, Mister«, sagte er leise. »Ich lege die Münzen hier auf diesen Stein. Dann besteigen wir alle wieder die Postkutsche und fahren los … Savvy?«

Johnny starrte erst auf seine Waffe und dann auf den mächtigen Rancher.

»Steig ein, Gina«, befahl McMarren. »Ich hoffe, dass der Bursche vernünftig genug sein wird, um mein Angebot zu akzeptieren.«

Er half der jungen Frau in die Kutsche und folgte ihr. Johnny schaute regungslos zu.

Was sollte er auch sonst tun?

Er hatte nicht im Traum daran gedacht, auf die Menschen zu schießen. Außerdem war sein Revolver leer geschossen.

Old Sam, der Fahrer der Stage Coach, schnaufte erleichtert auf. Er nickte seinem Partner zu, der ebenfalls zufrieden grinste.

»Vergiss das Geld nicht, mein Junge«, sagte er freundlich. »Doch versuche niemals wieder einen Postkutschenüberfall. Das ist nicht der richtige Job für dich.«

Die beiden Männer kletterten auf den Kutschbock. Dann knallte Old Sam mit der langen Peitsche. Seine donnernde Stimme und der Knall ließen die Pferde anrucken.

Johnny Riverbee wurde gleich darauf von einer großen Staubwolke eingehüllt.

Wie erstarrt saß er im Sattel. Sein Blick war auf die Dollarmünzen gerichtet, die vom bleichen Mondlicht angeleuchtet wurden.

Ein leichter Wind rauschte in den Bäumen. Von irgendwoher kam der klagende Ruf eines Käuzchens.

Die Anspannung der letzten Minuten legte sich in Johnny Riverbee. Er halfterte seinen Colt, schwang sich aus dem Sattel und hob die Dollarmünzen auf.

»Heiliger Rauch!«, murmelte er. »Das ist wirklich noch einmal gut gegangen. Ich glaube, der Rancher ahnte, dass sich in meinem Colt keine Patrone mehr befand.«

Er steckte die Münzen in seine verschmutzte und an einigen Stellen zerrissene Jacke und kletterte wieder auf sein schnaubendes Pferd. Langsam ritt er davon.

Hundert Dollar, dachte er. Das ist in dieser lausigen Zeit ein Vermögen. Doch wie tief bin ich nur gesunken. Noch vor ein paar Monaten war ich Lieutenant bei der Armee der Südstaaten, und nun überfalle ich eine Postkutsche.

Vielleicht ist das Geld für mich ein neuer Anfang. Ich werde dieses Land verlassen und woanders neu beginnen. Doch zuvor werde ich mir in der nächsten Town ein Essen genehmigen, mich neu einkleiden und vor allem Munition kaufen.

Johnny Riverbee ritt schneller.

*

Kurz vor Mitternacht erreichte Johnny die kleine Stadt, die den Namen Bunch-Town trug. Freundlich und voller Wärme fielen einige Lichtbahnen auf die staubige Main Street.

Vor dem Saloon waren über ein Dutzend Pferde angebunden.

Stimmenlärm schlug dem jungen Mann entgegen, als er die Pendeltüren aufstieß. Es roch nach Schweiß, Nikotin und den Ausdünstungen der vielen anwesenden Männer, die den Tresen umlagerten oder an den Tischen saßen.

Johnny wurde von allen Seiten gemustert, doch dann ließ das Interesse schnell nach.

Der junge Mann trat an den Tresen. Der dicke Wirt musterte ihn misstrauisch und fuhr sich über seine spiegelnde Glatze. Dann zog er eine Augenbraue hoch.

»Kennen wir uns nicht?«, fragte er. »Was soll’s denn sein, Mister?«

»Ein Glas Bier und etwas zu essen, aber eine doppelte Portion. Ich habe Hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Außerdem brauche ich eine Matratze, an der ich heute Nacht horchen möchte.«

Die Augen des Salooners verengten sich. Dann rieb er Daumen und Zeigefinger gegeneinander.

Johnny nickte verstehend, zog ein Dollarstück aus seiner Weste und schob es dem Wirt über den Tresen.

Der Dicke grinste plötzlich freundlich.

»Okay, Fremder. Sie bekommen Ihr Bier, ein Essen und auch ein Zimmer für die Nacht. Ist es recht so?«

»Okay.«

Johnny bekam sein Bier, und eine halbe Stunde später saß er vor einem riesigen Steak, das er innerhalb von wenigen Minuten gegessen hatte. Er wischte sich mit dem Handrücken über die fettigen Lippen und leerte sein Glas.

»Lassen Sie nochmals die Luft raus, Mister. Dann möchte ich zahlen, auch das Zimmer.«