Der Galgenbaum - Howard Duff - E-Book

Der Galgenbaum E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Klickklick… klickklick… klick! Die drei Männer fahren zusammen und sehen nach rechts. Dort liegt der vierte Mann hinter einem Felsblock und hat sein Gewehr in der Hand. Und der Mann lädt durch. »Idiot«, sagt der eine barsch. »Was machst du denn, du Tollkopf? Willst du, daß der Schuß losgeht? He, bist du wahnsinnig, jetzt durchzuladen?« Der Mann rechts ist jung und blond. Er hat den Unterbügel des Cannonbell-Repetiergewehrs, durchgerissen. Dreimal… und dreimal kam das Klicken. »Was – was habe ich denn schon gemacht?« fragt der Blonde bestürzt. »Was ist denn, die Patronen sind doch naß geworden! Ich muß neue einstecken!« Die anderen drei sehen ihn jetzt an. Keiner von ihnen ist so ruhig, wie er aussieht. Sie zittern alle innerlich, und jeder fiebert irgendeiner Sache entgegen, die sie lange besprochen und dann beschlossen haben. Heute. Genau achtzehn Uhr. Hier, in den Ausläufern der Berge um den Palo Duro Canyon, achtundvierzig Meilen östlich von Amarillo in Texas, zwischen zwei Flüssen. Jetzt blicken sie alle den Jungen an, dem die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Dann wendet der ältere der Männer langsam den Kopf und blickt auf das Tal. »Ich sage euch«, erklärt er langsam und seltsam singend, »ich sage euch, werdet nicht nervös. Nehmt euch zusammen, denn macht ihr das nicht, dann wird das nicht klappen, was wir genau überlegt haben. Hast du verstanden, Junge?« »Ja, ja, Boß«, sagt der Junge keuchend. »Ich hab's ja verstanden, und ich mach bestimmt keinen Fehler.« »Boß, hör zu, ich denke immer daran, warum nicht auch er?« fragt einer der Männer leise und spröde. »Dies ist keine

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Die großen Western – 199 –

Der Galgenbaum

Howard Duff

Klickklick… klickklick… klick! Die drei Männer fahren zusammen und sehen nach rechts.

Dort liegt der vierte Mann hinter einem Felsblock und hat sein Gewehr in der Hand.

Und der Mann lädt durch.

»Idiot«, sagt der eine barsch. »Was machst du denn, du Tollkopf? Willst du, daß der Schuß losgeht? He, bist du wahnsinnig, jetzt durchzuladen?«

Der Mann rechts ist jung und blond. Er hat den Unterbügel des Cannonbell-Repetiergewehrs, durchgerissen. Dreimal… und dreimal kam das Klicken.

»Was – was habe ich denn schon gemacht?« fragt der Blonde bestürzt. »Was ist denn, die Patronen sind doch naß geworden! Ich muß neue einstecken!«

Die anderen drei sehen ihn jetzt an. Keiner von ihnen ist so ruhig, wie er aussieht. Sie zittern alle innerlich, und jeder fiebert irgendeiner Sache entgegen, die sie lange besprochen und dann beschlossen haben.

Heute. Genau achtzehn Uhr. Hier, in den Ausläufern der Berge um den Palo Duro Canyon, achtundvierzig Meilen östlich von Amarillo in Texas, zwischen zwei Flüssen.

Jetzt blicken sie alle den Jungen an, dem die Schweißperlen auf der Stirn stehen.

Dann wendet der ältere der Männer langsam den Kopf und blickt auf das Tal.

»Ich sage euch«, erklärt er langsam und seltsam singend, »ich sage euch, werdet nicht nervös. Nehmt euch zusammen, denn macht ihr das nicht, dann wird das nicht klappen, was wir genau überlegt haben. Hast du verstanden, Junge?«

»Ja, ja, Boß«, sagt der Junge keuchend. »Ich hab’s ja verstanden, und ich mach bestimmt keinen Fehler.«

»Boß, hör zu, ich denke immer daran, warum nicht auch er?« fragt einer der Männer leise und spröde. »Dies ist keine Sache. Verflucht, lade nicht so hastig, Junge!«

Er fährt herum, als es wieder klickt, und starrt den Blonden gereizt und wütend an.

»Du auch?« sagt der Ältere mit halbem Erstaunen. »Was habe ich gesagt, was habt ihr gewollt? Nun, ist es allein meine Idee? Antworte, Jaques!«

»Natürlich unser aller Idee, unser aller, klar, Bulle, sag was.«

Da ist der letzte Mann, ein bulliger, ein stiernackiger Bursche mit tiefliegenden Augen und einem Gesicht, das irgendwie zerschlagen wirkt.

»Was gibt’s denn da zu sagen, eh? Besprochen ist besprochen. Und abgemacht ist abgemacht. Oder wollt ihr… wollt ihr vielleicht in ein Loch mit Stäben vor den Fenstern und gesiebte Luft atmen?«

Er lacht, und es ist kein gutes Lachen.

»Seht ihr, wenigstens einer. Der Bulle weiß immer, worauf es ankommt. Na, noch immer nicht ruhig, Jaques?«

»No, Boß, verdammt nicht. Sie werden ganz friedlich kommen und dösen, und dann…«

»Hähä«, lacht der Bulle. »Und wie friedlich sie weiterdösen dürfen, was?«

Der Ältere sieht ihn kurz an, schweigt aber und sagt nichts dazu.

Auf einmal denken sie alle an den fünften Mann.

Hugh ist in Giles. Es ist nicht weit von Giles bis hierher. Und genau in dieser Sekunde denkt auch Hugh an sie.

*

Giles hat seine Bedeutung nur als Umschlagstation der Overland Transporting Company.

Und die Overland befördert alles, das weiß jeder.

Heute holt man aus der Umschlag­station nur einige Kisten. Butch Reed geht vorn, die Hand an dem linken Griff der Kiste. Hinter ihm kommt der alte Donald Jefferson. Und daneben geht Wyatt Olsen.

»Oh, verdammt, die Hitze«, sagt der junge Reed und wischt sich mit der rechten Hand über die Stirn. »Don, wie schwer die verdammte Kiste ist, wie?«

»Schrei noch lauter«, brummt Wyatt Olsen von der Seite und sieht sich um. »Es braucht nicht jeder zu hören, oder…«

»Es ist doch keiner da«, murmelt jetzt der Alte.

»Diese Stadt ist voller Taugenichtse und fauler Burschen, sie dösen alle und fangen erst in der Nacht an, lebendig zu werden. Hitze, ich weiß nicht, was das ist!«

Er ist ausgemergelt, er kennt kein Fett unter den Rippen, und darum auch nichts von jener Krankheit, die einen Mann erschlaffen läßt, nichts von der Hitze!

»Ganz schön warm heute«, meint Wyatt Olsen. »Hebt sie hoch, wir packen sie in den Kasten.«

Er wirft einen Blick aus dem Hof der Umschlagstation auf die Straße und sieht weiter nichts als zwei dösende Mexikaner, die auf dem Vorbau des Maxwell-Saloons sitzen. Beide Mexikaner haben ihre Hüte über die Nasenspitze geschoben, so daß von ihren Gesichtern nichts zu sehen ist. Sie scheinen zu schlafen.

Und wirklich schläft einer von ihnen… Der andere, der schläft nicht.

Zwei Kisten haben sie schon getragen und in den Kasten der Kutsche gebracht. Es sind ganz gewöhnliche Kisten, denen niemand ihren Inhalt ansieht.

Vielleicht war die Staatsbank schlau, daß sie gerade Giles zum Umschlagplatz für ihre drei Geldkisten wählten.

In Memphis treibt sich zuviel Gesindel herum, in Amarillo ist es nicht anders. Der Krieg ist erst vier Monate vorbei, und Deserteure, Raufbolde und Schießer bevölkern ganz Texas.

Eben darum war die Staatsbank vorsichtig. Die drei anderen Männer, die auf dem Hof und auf der Straße herumlungern, sind bestimmt nicht als Wachleute der Bank zu erkennen.

Sie sehen wie heruntergekommene Landstreicher aus. Einer steht unter dem Schatten des Stationsdaches, der andere lehnt in der Tür zum Pferdestall, und der dritte Mann hockt in einem Schaukelstuhl.

Und wenn sie alle auch gelangweilt und träge aussehen, sie sind hellwach.

Aber der Mexikaner mit dem riesenhaften Wagenradhut drüben auf dem Vorbau des Saloons, der ist auch hellwach. Er hat in seinen Hut einen Schlitz zwischen dem geflochtenen Stroh gemacht und die drei Männer längst gesehen.

Hugh Mendoza ist zwar ein Mischling, aber man sagt von ihm, daß er gefährlich ist, gefährlich und schlau.

Jetzt sieht er wieder zum Wagen hin, den er durch den Schlitz in seinem Hut genau ausmachen kann.

Drüben macht Wyatt Olsen gerade den Kasten auf, und der alte Jefferson hebt mit Reed die Kiste hoch. Sie senken die Kiste in den Kasten, machen den Deckel zu, und Olsen, der hier die Station der Overland leitet, nimmt das Schloß. Er steckt den Schloßbügel durch die schwere Krampe des Eisenbeschlages, der um den Kasten läuft, und schließt das Hängeschloß ab.

»Fertig«, murmelt Butch Reed und wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Don, bei der Hitze diese Fahrt, was? Nun, auf dem Bock ist es frischer!«

»Junge, auf dem Bock ist es immer frisch«, brummt der alte Kutschenfahrer. »Wyatt, wie weit kommen die drei Burschen da mit?«

Olsen, ein vorsichtiger Mann mit einem schmalen und kühlen Gesicht, sieht sich sichernd um.

»Die drei Mann?« fragt Olsen leise. »Nur ein Stück, dann seid ihr allein.«

»Das gefällt mir nicht«, brummt der Oldtimer. »Wenn was passiert, dann habe ich es hinterher auszubaden. Wyatt, wer hat den Befehl dazu gegeben?«

»Der Boß selber. Der Boß hat es durch den Draht gegeben. Ich habe rückgefragt, das ist alles schon in Ordnung, Alter!«

»Na, wenn der Boß es meint«, sagt Jefferson zweifelnd. »Jake Marvin muß es ja wissen!«

Drüben sitzt immer noch der Mexikaner und sieht die drei Männer jetzt in das Stationsoffice gehen.

Hugh Mendoza rührt sich nicht. Er hat Zeit, viel Zeit. Nur die drei Wächter stehen immer noch gelangweilt auf dem Hof und auf der Straße.

Im Office reicht Olsen Jefferson einen Schein, auf dem die Summe steht, die in der Kiste liegt, und sagt: »Unterschreibe den Empfang, Don, du hast mitgezählt, wie?«

»Genau zwölftausendsechshundertdreißig Dollar und sechzehn Cent«, murmelt der Alte und unterschreibt. »Well, dann wollen wir. Meine Frau hat heute Pflaumenkuchen gebacken, ich habe jetzt schon seinen Geruch in der Nase!«

Olsen folgt ihm in den Hof, bleibt am Stall stehen und sieht den dort stehenden Wächter kühl an.

»Jim, ihr könnt los«, sagt er knapp. »Ihr begleitet sie bis Clarendon, dann dreht ihr um, verstanden?«

»Sicher«, meint Jim Noghes träge. »Ich bin nicht schwerhörig, Olsen!«

Er sieht kurz zu Reed und Jefferson hin, die auf den Bock des Wagens steigen, und geht los. Sein Pferd steht unter dem Schuppendach neben den anderen. Er zieht sich in den Sattel, reitet an und aus dem Hoftor.

Langsam reitet er die Straße hoch. Die Hufe des Pferdes wirbeln den Staub auf, und Noghes erreicht das letzte Haus. Hier hockt er sich im Sattel zurecht und sieht nun die beiden anderen kommen.

Fuller reitet neben der Kutsche her, während Benton ihr im Abstand von sechzig Schritt folgt. Und erst, als sich die Kutsche auf sechzig Schritt genähert hat, reißt auch Noghes sein Pferd herum.

Sie fallen nicht weiter auf, und der Wagen rollt aus der Stadt.

Und der Platz, an dem noch gerade der Mexikaner saß, ist leer.

Hugh Mendoza schlurft über den Vorbau auf die Gasse zu. Er erreicht den Stall, nimmt sein dort angebundenes Pferd und sitzt auf. Sein Umhang, der Poncho, gleitet von seinen Schultern. Er knüllt das Tuch zusammen, stopft es in die Satteltasche und schleudert den breitrandigen Sombrero in eine Ecke des Hofes zu altem Gerümpel. Er angelt in die Satteltasche, nimmt seinen alten Armeehut heraus und stülpt ihn auf. Und während sein Pferd nach links läuft und sich immer weiter vom Wagen weg entfernt, sagt er spöttisch und doch mit einem unruhigen Unterton: »Sie denken wohl, daß niemand in den Hof sehen kann, wie? Drei Kisten im Kasten, aber welche ist es jetzt? Die letzte? Hoffentlich hat Jaques es richtig gemacht. Hoffentlich…«

Woher der Boß wußte, daß heute eine Geldsendung über den Weg gehen würde, das weiß Hugh immer noch nicht. Er hat den Befehl bekommen, herzureiten und sich wie ein Mexikaner zu benehmen. Das hat er getan, und das andere sollte die Sache von Jaques sein.

»So schlau seid ihr nicht, daß ihr in unserem Besitz einen Morsetelegraphen der Armee vermutet, wie?« sagt Mendoza spöttisch grinsend. »Man schneidet einfach die Leitung ein wenig an und liest alles mit. Ich muß sagen, Jaques kann was!«

Er reitet drei, vier Meilen, bis er den Steilhügel vor sich hat und auf seine höchste Erhebung gelangt. Dort hält er und sieht sich um.

Nach kaum fünf Minuten sieht er die Kutsche kommen. Er kann die drei Begleitreiter gut erkennen und flucht heiser vor sich hin.

»Donner, sie reiten immer noch bei ihr«, sagt er bestürzt. »Hat das mit Jaques und dem Morsetelegraphen nicht geklappt?«

Er weiß nicht, was sein Boß in den letzten vierundzwanzig Stunden geplant hat, so lange ist er schon von seinen Männern und Freunden weg.

Bei dem Gedanken, daß es seine Freunde sind, kommen ihm neue Zweifel. Sie sind nicht seine Freunde. Partner sind sie, nun gut, aber mehr auch nicht. Sie waren zusammen auf dem Trail, sie haben Pferde für die Armee und Rinder über Hunderte von Meilen durch Sonne, Schnee und Hitze getrieben.

Von der großen Mannschaft, die einmal für die Südstaatenarmee ritt, von dieser Mannschaft sind nicht viele Männer geblieben.

»Gallagher«, sagt er bissig. »Ben Gallagher, er hat uns aus dem Geschäft gedrängt. Dieser Bursche, wir werden nichts mehr. Die letzte Herde im Llano verloren, die Hälfte der Männer ist weggelaufen, und der Boß muß bezahlen, oder… ins Jail! Wir alle haben die Herde im Stich gelassen. Und das…, das macht kein guter Trailmann.«

Der zusammengewürfelte Haufen, der allein zurückgekommen ist und die Herde verlor, dieser Haufen muß etwas tun, um das Geld zusammenzubekommen.

Er dreht um, reitet im leichten Trab durch das Tal und schwenkt dann nach Westen. Der Weg bleibt immer links von ihm. Und es ist eine Stunde darauf, als er dann wieder auf einem Hügel hält und jetzt Clarendon unter sich sieht.

Es dauert keine fünf Minuten, dann taucht die Kutsche wieder auf, und Hugh Mendoza seufzt tief und erleichtert. Die Kutsche ist ohne Begleitwachen. Die drei Wächter sind in Clarendon zurückgeblieben.

In donnerndem Galopp überholt er die Kutsche in gut zwei Meilen Abstand, schwenkt dann langsam auf den Weg zu und vergrößert seinen Abstand laufend.

Es vergeht keine Stunde, dann sieht er die Felsen, dahinter die hochragenden Berge und die flache Senke des Tales, durch das sich der Weg schlängelt.

Drüben wachsen wie Nadelklippen die Felsen hoch. Er sieht einen Arm winken. Im vollen Galopp nähert er sich, reißt hinter den Felsen hart sein Pferd zurück und springt aus dem Sattel.

Jetzt sieht er die anderen. Er hat die vier Männer vor sich, erkennt die angespannte und etwas nervöse Haltung des Jungen und den fast stumpfsinnigen Blick des Dicken, den schnauzbärtigen Boß und Jaques.

»Verdammte Kiste«, sagt er mürrisch. »Boß, da stimmt doch was nicht. Die drei Wächter sind bis Clarendon an der Stagecoach geblieben, erst dann verschwanden sie. Hat etwas nicht geklappt?«

»Geklappt?« fragt der Schwarzbart grinsend. »Es hat alles geklappt, aber ich dachte, daß es besser sei, sie erst kurz vor der Abfahrt davon zu verständigen, daß die drei Wächter zurückkommen sollten. Wir schnitten einfach den Draht entzwei und flickten ihn nach der Rückfrage von Olsen wieder. Hatte ich mir doch gleich gedacht, daß sie mißtrauisch sein würden.«

»Du?« erkundigt sich Jaques spöttisch. »Das war ich, mein Freund. Ich kenne mich da aus, schließlich habe ich mal für die Overland gearbeitet. Und daß ich in Farwell zufällig einen meiner alten Freunde auf der Telegrafenstation fand, das erst brachte dich auf die Idee, Boß.«

»Na ja«, gibt der Schwarzbart zu. »Er erzählte dir in seinem Whiskyschädel von dem Geldtransport. Und einen Armeetelegraphen zu stehlen, das war schließlich ein Kinderspiel. Was jetzt kommt, das ist kein Kinderspiel mehr!«

Der Junge wird langsam blaß und faßt sich an den Hals, als wenn ihm der Hemdkragen zu eng wird.

»Hat der was?« fragt Mendoza, jäh aufmerksam werdend. »He, Kleiner, was ist mit dir los?«

»Er hat Angst, daß er einen erschießt«, brummt der Schwarzbärtige. »Stell dir vor, er hat doch tatsächlich Angst!«

»Wir hätten dich zu Hause hinter deinem Ofen lassen sollen, Kleiner«, brummt der Bulle halblaut. »Was ist denn, wir brauchen Geld, wir haben immer zusammengehalten und jetzt…«

»Wir brauchen das Geld nicht«, sagt da Jaques scharf. »Es war der Boß, der die Herde verlor, und nicht wir. Wir haben nur gemacht, was er uns sagte. Und das war ein Fehler.«

Der Schwarzbärtige lacht heiser auf.

»Jaques«, meint er grollend, »es war nicht meine Schuld allein, das weiß jeder von euch. Ich hatte keine richtige Mannschaft. Nur wir fünf hielten zusammen. Die anderen wollten nach dem Westen, sie sind einfach weggelaufen, als es die ersten Schwierigkeiten gab. Wie sollte ich mit vier Mann eine ganze Herde ans Ziel bringen, he?«

»Du warst Herdenboß, du hast deine Erfahrungen«, erwidert Jaques trocken.

»Wollt ihr noch lange reden?« fragt da Hugh Mendoza kalt. »Ich schätze, daß die Kutsche kommt. Und wir stehen hier und reden, als wenn wir nichts anderes zu tun hätten. Jaques, es wird mehr Geld sein, als für die Herde zu bekommen war. Wenn du nörgeln willst, dann nimm später deinen Anteil und gehe. Ich werde es dir nicht verübeln. Was sagst du, Boß?«

»Nichts, er kann das machen, wie er will«, antwortet der Schwarzbart.

Der Junge sieht sich um. Er blickt in das Tal hinab auf den Weg und friert auf einmal.

Da kommt eine Kutsche mit zwei Männern. Sie sind ahnungslos, und der Junge kennt sie gut.

Er beißt die Zähne aufeinander, als er sieht, wie sich die anderen verteilen und hinter die Felsen huschen. Dann läuft er zu seinem Platz zwischen Hugh und Jaques, die beide kaltblütig ihre Gewehre nachsehen.

Er ist so in seinen Gedanken, daß er fast die Stimme des Schwarzbartes überhört.

»Ja, Boß, was ist?« Der Junge wendet den Kopf.

»Du schießt auf die Pferde, verstanden? Die Kutsche muß stehen in dem Augenblick, wo sie genau neben dem Busch da vorn ist. Das linke Gespannpferd vorn, verstanden?«

»Ja«, erwidert der Junge und streicht über seine blaue Hose und die hellgelbe Weste, unter der das rote Hemd wie Blut leuchtet. »Ich treffe schon, Boß!«

Der Boß sagt nichts mehr, sieht aber dafür Jaques an.

»Daß du mir den Alten nicht totschießt. Schieß ihn lahm, aber nicht tot. Ich verlasse mich auf dich!«

»Das kannst du, mein Freund. Ich treffe immer da, wo ich treffen will.«

»Gut! Big, du paßt mit Hugh auf, klar? Ich selber erledige Butch Reed.«

Kid umklammert den Gewehrschaft und spürt die seltsame Feuchtigkeit zwischen den Fingern, die seine Hand an dem Schaft leicht kleben läßt. Er muß immer an Butch Reed denken.

Vor einem Jahr noch waren sie Freunde. Sie verloren sich aus den Augen, wie das so ist. Jetzt wird Butch dort unten kommen und ahnungslos mitten in das Visier des Schwarzbartes reiten.

Er schrickt zusammen, als Big trocken sagt: »Da kommt sie. Und nur die beiden Burschen!«

Zwischen den beiden Bergausläufern kommt die Staubfahne herausgezogen, erscheint die Kutsche. Und auf ihr hocken die beiden Fahrer.

Das Würgen ist auf einmal in Kids Kehle. Und die Kutsche kommt schnell näher, immer schneller.

Da vorn ist der Buschstreifen am Weg, und etwa fünfzig Schritt vor dem Ende breitet der einzelne Busch seine Zweige aus.

Dort, dort soll die Kutsche sein, sollen die Pferde genau den Busch schneiden. Und dann soll er schießen.

Mit ihm wird Jaques aus seinem Longrifle schießen. Auch der Boß wird abdrücken. Und Reed…, Reed wird…

Der Gedanke allein läßt ihm übel werden, und dann durchzuckt ihn jäh der Blitz der Erkenntnis.

Er muß schießen, aber nicht auf das linke Pferd. Vielleicht schießt er zweimal. Ja, so kann er es machen.

Er wird auf Reed feuern und ihn in die Schulter schießen. Reed sitzt rechts, die Kugel wird ihn packen und über den Bock schleudern. Reed wird leben. – Wird er leben, wenn der Boß es merkt?

»Macht euch fertig«, sagt der Schwarzbart heiser und grollend. »Und vergeßt ja nicht, daß ihr die Lappen vor eure Gesichter zu nehmen habt.«

Der Junge fühlt nach seinem Gesichtslappen, einem einfachen Stück Tuch mit zwei Augenschlitzen. Fast erfüllt es ihn mit Befriedigung, daß Reed nicht viel passieren wird. Er wird Reed vor dem Tod bewahren.

»Noch hundert Schritt«, sagt der Schwarzbart grimmig. »Laßt sie genau mit der Deichselspitze bis an das Ende des Busches kommen, dann schießt du zuerst, Kid, klar?«

»Ja, ich weiß!«

Und er denkt, er wird schießen, aber nicht auf das Pferd.

*

Der alte Don Jefferson hat die Leinen in der Hand und blickt auf die blanken Hinterenden der Pferde.

Er denkt an seinen Jungen, der mit Ben Gallagher auf dem großen Trail ist und sicher bald nach Hause kommen wird.

»Butch«, sagt er zufrieden. »Wenn du willst, kannst du nachher mit zu mir kommen. Du magst doch Pflaumenkuchen, wie?«

»Sicher mag ich, aber…«

»Na, was ist? Esther etwa, Junge?«

»Ja, Esther, Don, sie wartet auf mich heute.«

»Na, dann ist ja alles gut. Aber Pflaumenkuchen, Junge, das ist was, sage ich dir! So wie meine Frau kann ihn niemand backen!«

Die Pferde sind jetzt genau an dem einzelnen Busch.

Der alte Jefferson denkt nur daran, daß er einen prächtigen Abend haben wird, an nichts mehr.

Und dann hört er den grollenden Knall.

Es grollt einmal fauchend und langgezogen von links herüber. Hart an seinem rechten Arm vorbei faucht die Kugel.

Das schwirrende Fauchen endet jäh neben ihm, und der nächste Knall kommt scharf und singend.

Butch Reed wird von einer Faust angestoßen, kippt jäh nach rechts und neigt sich.