Feindschaft - Howard Duff - E-Book

Feindschaft E-Book

Howard Duff

0,0

Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Morgen, denkt Ben Garson, werde ich zwei Kälber in die Stadt bringen und verkaufen. Mein Gott, was bin ich müde. Er zieht, schon im Bett liegend, die Lampe etwas näher heran, wirft noch einen Blick auf sein Gewehr, das geladen am Kopfende des Bettes in seiner Reichweite steht. Dann bläst er die Lampe aus. Es ist still im Haus. Draußen ist dunkle Nacht. Er schläft ein, aber er kann noch nicht länger als eine Viertelstunde geschlafen haben, als er sich jäh aufrichtet und lauscht. Irgendwo draußen ist ein Geräusch gewesen. Garson streckt die Hand nach der Lampe aus. Der Zylinder ist noch warm, also hat er kaum geschlafen. Und während er die Hand zurückzieht, einen vorsichtigen Blick zum Fenster wirft, hört er es nun deutlich. »Hallo, ist da jemand?« Ben richtet sich ganz auf, greift blitzschnell nach seinem Gewehr und ist schon aus dem Bett. Der Ruf kommt von der Westseite, also von der Seite des Stalles her. »Hallo!« Das ist doch eine Frau, denkt Garson überrascht und hastet an das Fenster. Es ist Mitternacht, und da ruft eine Frau? Mitten in der Nacht? Er stößt das Fenster auf, bleibt aber an der Seite und hört den Ruf jetzt wieder. Blitzschnell streckt er den Kopf nach draußen, hört nun nichts mehr und ruft scharf: »Wer ruft dort?« »Hier, ich, Mister! Ich bin hier an den Büschen beim Eckpfosten des Zaunes!« Nun sieht er undeutlich den kleinen Schatten. Er geht schnell aus dem Haus, kommt an den Zaun und hat keine dreißig Yards zu gehen, dann sieht er am Zaun eine Frau sitzen. »Hallo«, sagt er ruhig, aber

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 164

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western – 217 –

Feindschaft

Howard Duff

Morgen, denkt Ben Garson, werde ich zwei Kälber in die Stadt bringen und verkaufen.

Mein Gott, was bin ich müde.

Er zieht, schon im Bett liegend, die Lampe etwas näher heran, wirft noch einen Blick auf sein Gewehr, das geladen am Kopfende des Bettes in seiner Reichweite steht. Dann bläst er die Lampe aus.

Es ist still im Haus. Draußen ist dunkle Nacht.

Er schläft ein, aber er kann noch nicht länger als eine Viertelstunde geschlafen haben, als er sich jäh aufrichtet und lauscht.

Irgendwo draußen ist ein Geräusch gewesen.

Garson streckt die Hand nach der Lampe aus. Der Zylinder ist noch warm, also hat er kaum geschlafen. Und während er die Hand zurückzieht, einen vorsichtigen Blick zum Fenster wirft, hört er es nun deutlich.

»Hallo, ist da jemand?«

Ben richtet sich ganz auf, greift blitzschnell nach seinem Gewehr und ist schon aus dem Bett.

Der Ruf kommt von der Westseite, also von der Seite des Stalles her.

»Hallo!«

Das ist doch eine Frau, denkt Garson überrascht und hastet an das Fenster. Es ist Mitternacht, und da ruft eine Frau? Mitten in der Nacht?

Er stößt das Fenster auf, bleibt aber an der Seite und hört den Ruf jetzt wieder.

Blitzschnell streckt er den Kopf nach draußen, hört nun nichts mehr und ruft scharf:

»Wer ruft dort?«

»Hier, ich, Mister! Ich bin hier an den Büschen beim Eckpfosten des Zaunes!«

Nun sieht er undeutlich den kleinen Schatten. Er geht schnell aus dem Haus, kommt an den Zaun und hat keine dreißig Yards zu gehen, dann sieht er am Zaun eine Frau sitzen.

»Hallo«, sagt er ruhig, aber seine schnellen Blicke huschen über den Buschstreifen und die Umgebung hinweg. Es ist jedoch niemand außer dieser Frau da, die erst nun den Kopf hebt.

»Bleiben Sie sitzen, ich helfe Ihnen schon, Lady.«

Er betrachtet sie, als das Mondlicht auf ihr Gesicht fällt, gründlicher und sieht ein schwarzhaariges, vielleicht zwanzig Jahre altes Mädchen, das den Hut im Nacken hängen hat und das linke Bein umklammert. Der Stiefel sitzt prall. Das stellt er mit einem Blick sofort fest. Ihr kariertes Hemd ist am Ellbogen aufgerissen, an ihrer Wange sind einige Schrammen. Sie trägt einen achtunddreißiger Colt an der Seite im Halfter und hat eine nasse Hose.

Anscheinend ist das Mädel durch den Bach gelaufen.

»Sind Sie Garson?« fragt sie da auch schon.

Er kennt sie nicht, aber sie scheint ihn zu kennen, zumindest seinen Namen. Sie hat ein schmales, ausdrucksvolles Gesicht, einen nun im Schmerz fest zusammengepreßten Mund und hellblaue Augen.

»Ja, Lady. Ben Garson. Moment, legen Sie sich auf den Rücken.«

Er hebt sie langsam hoch und trägt sie dann um den Stall bis in die Küche.

»Augenblick, ich muß die Tür aufmachen, Lady.«

Er hebt das Knie an, stößt dann die Tür auf und findet in der Dunkelheit seinen Weg bis zum Sofa. Dort legt er sie vorsichtig so hin, daß ihre Beine gleich über das Kopfteil kommen und sie im Knie das Polster hat.

»Ich mache Licht, Lady.«

Nach kaum einer Minute brennt die Lampe. Die Lady liegt still, die linke Hand am Knie, und sieht ihn groß an.

»Wie sind sie hierher gekommen, Lady?«

»Ich erinnerte mich, daß mein Vater etwas von Ihrer Ranch hier gesagt hat. Sie soll am Bach liegen, aber wo, das hat er nicht gesagt. So bin ich hergelaufen, so gut es gegangen ist. Oberhalb der Sweet-Gras-Quelle ist mein Pferd auf dem Hang einer Geröllhalde ausgerutscht und gestürzt.«

»Und dann haben Sie noch den Weg mit dem Sattel und dem Gewehr gemacht?« fragt er erstaunt, denn es sind mindestens zehn Meilen bis zu ihm, bis zu den Lorraines aber nur etwa acht. »Sie hätten zu der anderen Seite gehen sollen, zu den Lorraines.«

Er bemerkt das kaum wahrnehmbare Zucken in ihrem Gesicht, und so etwas wie Widerwillen in ihrem Ausdruck, als sie sagt:

»Zu den Lorraines? Das wäre vielleicht das Letzte, was ich täte, Garson. Nun, ich habe meinen Sattel mitgenommen, weil ich neben anderen Dingen eines gelernt habe: Ein Reiter darf seinen Sattel niemals liegenlassen. Oh, was machen Sie, Garson?«

»Tut mir leid, das Bein muß etwas höher, Lady. Ich schneide die Stiefelnaht durch, es geht ganz gut. Schön geschwollen, sehe ich. Sie sind nicht zeitig aus dem Sattel gekommen, wie?«

»Es ging so schnell. Wird es schmerzen?«

»Kaum, Lady. So, Ihr Vater hat von mir gesprochen?«

»Ja. Er hat gesagt, daß Sie hier eine kleine Ranch haben, ein prächtiges Haus und viel mehr hat er nicht gesagt, Garson. Ich bin anderthalb Jahre in Minneapolis gewesen. Eine schreckliche Zeit ohne viel Blickfeld und frische Luft, aber etwas habe ich dort gelernt, weil er es so gewollt hat.«

»So, Minneapolis? Ziemlich weit entfernt, Lady. Wird Ihr Vater Sie suchen?«

Donnerwetter, denkt Ben, ich stoße sie mit der Nase darauf, mir endlich zu sagen, wer sie ist, aber dieses Girl sagt es nicht. Das ist doch eine verdammte Geschichte.

»Sicher, bestimmt suchen sie jetzt schon. Ich wollte nach Ringling reiten, um meine Freundin zu besuchen. Auf dem Rückweg dann…« Sie sieht ihn plötzlich groß an und lächelt mühsam. »Oh, Sie wissen ja gar nicht, wer ich bin, Garson. Nun, Ward Talbot ist mein Vater. Au – aua!«

Er hat den Stiefel in der Hand, betrachtet ihren Fuß, streift vorsichtig die Hose etwas höher und zeigt sein Erstaunen kaum. Also Wards Tochter.

»Versuchen Sie die Zehen zu bewegen.«

Es geht, wenn auch nur wenig.

»Nichts gebrochen, Sie haben recht, Lady. Ich hole Binden, um einen festen Verband zu machen. Etwas Wasser ab und zu über die Binden gegossen, wird dann helfen.«

»Oh, daß ich Närrin allein reiten mußte. Die Straße sollte ich nehmen, aber ich bin den Paßweg über die Berge geritten.«

»Dann hätten Sie den Lorraines begegnen können, wie?«

»Sie würden sich hüten, mir etwas zu tun. Diese Burschen sind nicht alle so schlimm, wie man es sagt, aber in der Nacht möchte ich nicht hingehen. Und dann – es würde den alten Mann zu sehr ärgern.«

»Ja, ich denke, Ihr Vater hat früher etwas Ärger gehabt mit den Lorraines«, murmelte er von der Küche her und kommt mit den Binden und der Flasche essigsaurer Tonerde wieder zurück. »Es geht mich nichts an.«

»Sind Sie sicher?« fragt sie ihn da überraschend.

Sie furcht die Brauen, blickt ihn an und sagt dann unvermittelt:

»Kommen die Lorraines oft, Garson?«

»Sie sind einmal zu Anfang des Hausbaues hiergewesen, aber auch nur um zu fragen, ob ich das Land gekauft hätte.«

»Sie haben es gekauft?« fragt sie erstaunt. »Ich habe gedacht, Sie hätten es von Big Ward gepachtet, Garson. Es ist wirklich Ihr Land?«

»Natürlich«, sagt er verwundert. »Big Ward hat es mir verkauft.«

Das Mädchen ist beinahe verstört, jedenfalls sieht es ihn an wie jemand, der geradewegs vom Himmel gefallen ist.

»Er hat es verkauft«, stammelt sie verwirrt. »Das begreife ich nicht, das ist doch unmöglich. Er verkauft sein Land, um das er Adam Lorraine… Nein, das verstehe ich nicht. Er hat mir auch nichts davon gesagt. Du lieber Gott, wozu denn das nun wieder? Manchmal verstehe ich ihn gar nicht. Was hat er verlangt, Garson?«

»Genau tausend Dollar für einen Streifen von zehn Meilen Länge und sieben Meilen Breite beiderseits des Bachlaufes«, antwortete Ben. »Was ist daran so verrückt, Lady? Und was haben die Lorraines mit diesem Land zu tun?«

»Hat Ihnen niemand etwas gesagt?« fragt sie ihn hastig und streckt das linke Bein lang aus. »Ach, es brennt nicht mehr so arg, Garson. Hat Ihnen kein Mensch etwas gesagt?«

Was ist das? denkt Garson bestürzt. Die Lady tut so, als stehe für sie die Welt auf dem Kopf, nur weil ihr Vater mir ein gutes Stück Land verkauft hat.

»Nein«, gibt er zurück. »Niemand hat mir etwas gesagt. Ich lebe hier allein, reite alle zwei Wochen mal in die Stadt, und kenne kaum jemanden. Wer sollte mir etwas sagen? Was ist mit diesem Land, Lady?«

»Sie wissen es also nicht?« fragt sie und schüttelt matt den Kopf. »Garson, wissen Sie nicht, daß mein Vater, vor zehn Jahren Adam Lorraine hier auf diesem Stück Land erschossen hat, als der sein Vieh zum Weiden herauftreiben wollte?«

Garson blickt das Mädchen kühl und beherrscht an. So sehr ihn diese Nachricht überrascht, er zeigt es nicht, aber es ist ihm, als wenn er etwas auf sich zukommen sieht, das wie eine gewaltige, düstere Gewitterwand drohend am Himmel aufragt und ihn zu erdrücken droht.

»Er hat Adam Lorraine hier erschossen?« fragt er langsam. »Ist es denn nicht immer sein Land gewesen?«

»Nicht immer«, erwiderte sie gepreßt. »Er hat es vor zehn Jahren heimlich gekauft, kurz vor der Zeit, als Adam Lorraine seine Rinder hier heraufgetrieben hat. Sie wissen es tatsächlich nicht, Garson. Adam Lorraine war von den beiden Lorraine-Brüdern der wildeste. Jake Lorraine der Schlaukopf. Vater hat einmal gesagt, daß er den falschen Mann erschossen hat.«

»So«, sagt Ben Garson langsam. »Er hat also den Falschen erschossen. Warum haben die Lorraines diese Weide haben wollen, Lady?«

»Weil sie in den Bergen nicht genug Gras im Sommer haben, Garson.«

»Ich verstehe«, erwiderte er knapp. »Jetzt ist es in Ordnung mit dem Bein, Miss Talbot, damit ist alles in Ordnung.«

Er dreht sich um, geht in die Küche und nimmt die Kanne vom Herd, weil er urplötzlich einen ganz trockenen Mund und einen schalen Geschmack im Hals hat.

Ben Garson gießt sich einen Becher voll Kaffee und trinkt.

Darum, denkt er, hat er mir Land angeboten. Wir haben uns zufällig getroffen, als ich beim Sheriff war und davon geredet habe, daß ich nicht mehr reiten wollte. Dieser schlaue, alte Halunke Ward Talbot, er muß es vom Sheriff erfahren haben, nur von dem. Sicher, nicht ich habe ihn angesprochen, er war es. Und dann hat er mir sein Land angeboten, der Bursche. Dieser verdammte, schlaue Bursche.

Ich sitze also auf dem Land, um das ihm die Lorraines einmal die Pest an den Hals jagen wollten. Es sollte mich nicht wundern, wenn es ewig Streit um diesen Streifen gegeben hat.

Ward Talbot hat mich hierher gelockt.

Oh, ich verdammter Narr, ich sitze hier und gehe nicht weg. Und das weiß er. Dieser schlaue, alte Bursche.

»Garson…«

»Ja?« fragt er heiser. »Wollen Sie etwas trinken, Miss Talbot?«

»Mich friert ein wenig. Haben Sie eine Decke für mich?«

Er geht in sein Schlafzimmer, nimmt aus dem Schrank eine Decke und geht dann in das Wohnzimmer hinüber.

Das Mädchen liegt auf dem Sofa und sieht ihn groß an.

Garson deckt sie zu, stopft ihr dann ein Kissen unter den Kopf und sieht ihr schwaches Lächeln. Sie ist prächtig, denkt er, viel zu schade für diesen alten, verdammten Rinderkönig, den der Teufel holen soll.

»Wenn hier jemand schießt, dann hört man es bis in die Berge«, sagt Ben Garson sanft. »Ich denke, sie werden schnell kommen, wenn sie es hören.«

Wie er wohl aussieht, wenn er lächelt, denkt sie. Er lächelt kaum, er ist immer ernst und ruhig.

»Garson«, sagt sie plötzlich, als er schon in der Tür ist. »Garson, in drei Tagen ist die Unabhängigkeitsfeier. Es wird für Old Ward ein ziemliches Fest werden, weil ich endlich wieder zu Hause bin. Nun, würden Sie kommen?«

Er blickte sie groß an und nickt dann.

»Vielleicht, Lady, wenn Ihr Vater nichts dagegen hat.«

»Wir werden in Harlowton feiern, nicht bei uns zu Hause. Das ist eine Einladung, Garson.«

»Danke«, murmelt er und lächelt nun wirklich. »Ich werde kommen, Lady.«

Er geht hinaus, tritt vor die Tür und nimmt den Lauf seines Karabiners hoch. Sie hört den ersten Knall, der sich am Stall bricht, dann den zweiten und dritten. Danach kommt er wieder herein, geht zum Schrank und nimmt drei Patronen heraus, mit denen er die Waffe wieder auflädt.

Mitten im Laden hebt er den Kopf und lauscht.

Von der Ferne kommt es dünn und peitschend über die Hügel hinweg: Die Antwort auf seine drei Schüsse.

»Sie haben es gehört«, murmelt er. »Es wird nicht lange dauern, dann sind sie hier, Miss Talbot.«

»Der alte Mann wird wütend sein, weil ich über die Berge geritten bin«, erwiderte sie. »Er poltert immer, das ist so seine Art. Garson, was immer die Leute über ihn sagen, er ist nicht ungerecht, ich weiß es.«

»Aber schlau und hart«, sagt er nachdenklich. »Er ist ein Mann, dessen Schläue vielleicht gefährlich werden kann.«

»Er sagt, Jake Lorraine sei noch schlauer als er.«

»Ich kenne Jake Lorraine nicht, Lady.«

»Ist er noch niemals hier gewesen?« fragt sie erstaunt. »Sie werden glauben, daß jemand hereinkommt, der vor dreißig Jahren mit einem Anzug in dieses Land gekommen ist und ihn seitdem nicht mehr ausgezogen hat. Viele sagen, er wäre ein Despot, denn er regiert die ganze Familie.«

Er lauscht und tritt in den Flur. Es ist ihm, als wenn der Westwind das Trommeln von Hufen mitbringt. Es schallt in der Stille der Nacht von den Bergen herab. Dort kommen Reiter.

»Zehn Minuten, dann sind sie hier«, sagt er ruhig. »Reiten können Sie sicher, Lady. In zwei, drei Tagen werden Sie auch kaum noch etwas von dem Fuß merken.«

»Hoffentlich«, erwidert sie lä­chelnd. »Garson, ich tanze gern, sind Sie ein guter Tänzer?«

»Man sagt es, aber ich bin nicht so sicher, Lady. Seit zwei Jahren habe ich kaum irgendeine Feier mitgemacht. Und hier habe ich genug Arbeit. Dieses Haus und meine Rinder, kaum Besuch!«

»Ja«, murmelt sie. »Dieses Haus, es erweckt einen bestimmten Eindruck, ich weiß nur nicht, wie ich es sagen soll. Vielleicht fühlt man sich in ihm wohl. Es ist so ruhig und gemütlich, Garson. Man kann hier liegen und träumen, glaube ich. Vielleicht werde ich manchmal vorbeikommen, um hier zu sitzen und an nichts zu denken.«

Ben Garson blickt sie seltsam an und lächelt leicht.

»Ich werde Sie nicht stören, wenn Sie hier sitzen wollen, Lady. Nur, was wird Big Ward dazu sagen?«

»Vater? Ich bin alt genug, um jemand zu besuchen, Garson. Manchmal kann ich genauso dickschädelig sein wie er, das weiß er zu genau. Da, ich höre es wieder, sie kommen – schade.«

»Tatsächlich?« fragt er leise. »Sie sagen wohl immer genau das, was Sie denken, wie? Seltsam, ich mag Menschen, die nicht um die Dinge herumreden.«

»Und ich bin manchmal neugierig«, erwidert sie mit einem kleinen, ihn verwirrenden Lächeln. »Garson, ich möchte herausfinden, wie Sie wirklich sind, wer Sie sind. Wollen wir wetten, daß ich es herausbekomme?«

»Vielleicht«, brummt er und blickt an ihr vorbei. »Vielleicht wird es besser sein, wenn Sie es nicht herausfinden, Lady. Es ist oft nicht gut, neugierig zu sein. An mir ist nichts, das Sie interessieren könnte.«

Sie blickt auf das Fenster und sieht ihn nicht mehr an.

»Mr. Ben Garson hat also Angst, daß ich zuviel über ihn erfahren könnte«, sagte sie dann leise.

»Vielleicht auch das, Lady. Ich möchte meine Ruhe haben und niemandem einen Grund geben, an mich Fragen zu stellen. – Sie kommen zum Hof!«

*

Er dreht sich um und geht hinaus. Die Reiter tauchen in einem Keil am Zaun auf. Sie benutzen den Weg zum Bachlauf. Jemand ruft scharf:

»Boß, hier liegt ein Sattel und das Gewehr!«

»Nimm es mit, Milton! Hallo, Garson?«

Garson erkennt den alten, weißhaarigen und großen Mann, der vor einem halben Dutzend seiner Reiter im Sattel sitzt, als das mächtige Pferd mit dem Alten durch die Büsche fegt.

»Ja«, erwidert er knapp. »Talbot, deine Tochter ist hier. Sie kann reiten, nur der Fuß ist verstaucht.«

Er entdeckt Samsons kühles, hageres Gesicht hinter Ward Talbot, Billy Richards ein Stück weiter hinten und neben ihm Clay Johnson, den alten, grauhaarigen Vormann der Talbot-Ranch, ein Mann, der aus Stahl und Leder zu bestehen scheint.

»Ich werde sie an den Haaren nach Hause schleifen«, sagt der alte Ward Talbot knurrend wie ein hungriger Löwe und kommt genau auf die Tür zu. »Was sie sich in den Kopf setzt, das macht sie auch. Clay, steig ab, halte mein Pferd!«

Clay Johnson wirf Ben einen aufmerksamen, tastenden Blick zu, steigt dann ab und hält das Pferd des alten Löwen, der seine Mannschaft fest am Zügel hat. Es ist irgendwie interessant, die sture Treue des Vormannes zu beobachten, der genau jeden Befehl seines Ranchers ausführt. Und doch ist es Ben, als wenn Johnson etwas sagen möchte.

»Sie hat gesagt, sie reitet über die Straße«, brummt der Alte, der nun am Boden ist und auf die Tür und Ben zukommt. »Man kann sich niemals auf diese langhaarigen Frauenzimmer verlassen. He, Tochter, wo, zum Teufel, steckst du wieder? Habe ich dir nicht gesagt, daß du die Straße nehmen sollst? Hallo, Garson, wie lange ist sie hier?«

»Etwa eine Stunde, Talbot.«

Wieder hebt Johnson den Kopf und sieht Garson seltsam an. Vielleicht wundert er sich darüber, daß Garson seinen Boß einfach mit dem Namen und nicht mit Mr. Talbot anredet. Es gibt Dinge, die der Alte für so selbstverständlich hält, daß sie zur Gewohnheit für alle und jeden geworden sind. Dazu gehört auch, daß man ihn bereits bei der Anrede als großen Mann respektiert. Jedoch scheint Garson jeder Respekt zu fehlen.

Wortlos, ohne zu fragen, ob er ins Haus kann, stampft der Alte über den Vorbau, tritt dann in das Zimmer und blickt seine Tochter mit gefurchten Brauen an.

»Ich werde dich an den Haaren auf die Ranch schleifen! Hast du verstanden, Tochter?«

»Sagtest du, ich soll hierbleiben?«

»Ach, zum Teufel, mußt du immer mit deinem dicken Kopf durch die Wand, Eve? Schon gut, schon gut, ich bin friedlich. Alle Wetter, ganz schön geschwollen. Nichts gebrochen?«

»Nein, Garson hat nachgesehen. Er meint, ich merke in zwei, drei Tagen nichts mehr davon. Hör mal, warum hast du alter Mann mir nicht gesagt, daß du dieses Land an ihn verkauft hast? Seit wann erfahre ich das nicht?«

Garson, der an der Wand steht, kann im Spiegel der Kommode deutlich die steilen Falten auf der Stirn des alten Rinderkönigs sehen.

»Das ist nicht interessant genug, um es dir zu sagen. Hm, du weißt es also?«

Er dreht sich jäh nach Garson um, blickt Ben unter seinen buschigen Augenbrauen hinweg scharf an und fragt knarrend:

»Was hat dieses langhaarige Wesen noch alles geredet, Garson? Sie redet immer das, was sie grade denkt.«

»Das habe ich schon gemerkt«, erwidert Garson, »aber sie hat kaum etwas gesagt.«

»Garson, es hat keinen Sinn, etwas zu verschweigen. Also gut, du alter Mann, ich habe ihm die Sache von Adam erzählt. Und einige Dinge mehr.«

»Daß dich doch…«

Ward Talbot brummt nach diesen drei Worten nur noch, wendet sich dann scharf um und sagt wild:

»Clay, komm herein! Bring Miltons Pferd für Eve vor die Tür.«

»Ja, Boß.«

Schweigend hebt der Alte seine Tochter hoch. Dann trägt er sie zur Tür. Eve sagt beinahe fröhlich:

»Danke, Garson. Dann also bis in drei Tagen!«

»Nichts zu danken, Lady.«

Der Alte zuckt zusammen, sagt aber nichts und bellt erst draußen seine Leute an:

»Ihr reitet schon voraus, aber langsam. Ich komme mit Clay nach, verstanden?«

Garson sieht ihn das Mädchen auf das Pferd heben, dann dreht sich der Alte um und kommt. Clay Johnson geht hinter ihm her, lehnt sich an die Tür und wartet, während Talbot hereinkommt und ans Fenster tritt.

»Was ist in drei Tagen, Garson?« fragte er grimmig. »Antworte schon, ich will es wissen!«

»Du bist hier nicht auf deiner Ranch, Talbot«, erwidert Ben kühl und fest. »Aber gut, du kannst sicher nicht anders sein, glaube ich. Sie hat mich eingeladen, zu der Feier zu kommen.«

Talbot blickt ihn einen Augenblick durchbohrend an, dann runzelt er die Stirn und brummt halblaut: