Komplott der Ehrlosen - Howard Duff - E-Book

Komplott der Ehrlosen E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Draußen strömt der Bach vorbei und führt Hochwasser, das aus den Bergen kommt. Und innen fließt Whisky in Strömen. Männer trinken, Mädchen lachen. Ein Bursche, von dem man nicht weiß, ob er seinen Revolver zum Spaß trägt, flucht, als ein anderer ihn anstößt. Und mitten in dem Gewühl, in der Menge, die sich im Empire drängt, steht ein Mann auf unsicheren Beinen. Jimmy Ballinger hat Durst. Es ist schön, Geld zu haben, und es ist schlecht, wenn man keins hat und der Whisky nicht zu bezahlen ist. »Käse«, sagt Jimmy Ballinger heiser, »alles Käse. He, Billy!« Der drängt sich durch die Menge, er gebraucht seine Ellbogen. Und wenn er auch angetrunken ist, so viel Verstand hat Jimmy noch, daß er Bill erkennt. Bill hat Geld, Bill wird in die Tasche greifen. Und wenn nicht? Dann mach' ich den Mund auf, denkt Jimmy. Und dann werden sie ihn greifen und fertigmachen. Danach aber aufhängen. Billy dreht sich um, als Jimmy ihn erreicht und am Ärmel packt. »He, Billy, warte mal.« Jimmy ist groß, hager, ein sehniger Mann – und ein Trinker. Vielleicht ist Bill keiner, aber das kümmert Jimmy Ballinger in diesem Moment den Teufel. »Was… Ah, Jimmy, was willst du? Mensch, du stinkst ja wie eine ganze Schnapsbrennerei. Wieder mal betrunken, was? Hast du noch immer nichts dazugelernt, Mann? Du bist betrunken, und wenn du nicht meinen Ärmel losläßt…« »Was dann?« Jim Ballingers Tonfall ist gar nicht der eines Betrunkenen. Seine hellen Augen blicken Bill so stechend an, daß der seine Drohung schon bereut. Mit Jimmy ist es so eine Sache. Ist er nicht betrunken, dann

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Die großen Western – 229 –

Komplott der Ehrlosen

Howard Duff

Draußen strömt der Bach vorbei und führt Hochwasser, das aus den Bergen kommt.

Und innen fließt Whisky in Strömen. Männer trinken, Mädchen lachen. Ein Bursche, von dem man nicht weiß, ob er seinen Revolver zum Spaß trägt, flucht, als ein anderer ihn anstößt.

Und mitten in dem Gewühl, in der Menge, die sich im Empire drängt, steht ein Mann auf unsicheren Beinen.

Jimmy Ballinger hat Durst.

Es ist schön, Geld zu haben, und es ist schlecht, wenn man keins hat und der Whisky nicht zu bezahlen ist.

»Käse«, sagt Jimmy Ballinger heiser, »alles Käse. He, Billy!«

Der drängt sich durch die Menge, er gebraucht seine Ellbogen. Und wenn er auch angetrunken ist, so viel Verstand hat Jimmy noch, daß er Bill erkennt. Bill hat Geld, Bill wird in die Tasche greifen.

Und wenn nicht?

Dann mach’ ich den Mund auf, denkt Jimmy.

Und dann werden sie ihn greifen und fertigmachen.

Danach aber aufhängen.

Billy dreht sich um, als Jimmy ihn erreicht und am Ärmel packt.

»He, Billy, warte mal.«

Jimmy ist groß, hager, ein sehniger Mann – und ein Trinker. Vielleicht ist Bill keiner, aber das kümmert Jimmy Ballinger in diesem Moment den Teufel.

»Was… Ah, Jimmy, was willst du? Mensch, du stinkst ja wie eine ganze Schnapsbrennerei. Wieder mal betrunken, was? Hast du noch immer nichts dazugelernt, Mann? Du bist betrunken, und wenn du nicht meinen Ärmel losläßt…«

»Was dann?«

Jim Ballingers Tonfall ist gar nicht der eines Betrunkenen. Seine hellen Augen blicken Bill so stechend an, daß der seine Drohung schon bereut. Mit Jimmy ist es so eine Sache. Ist er nicht betrunken, dann ist er gefährlich. Und schnell, ganz verdammt schnell.

Bill blickt an Jimmy herab und auf seine leere Hüfte. Er hat keinen Revolver mehr, der gute Jimmy, was? Aber auch ohne Revolver…

»Nichts«, erwidert Billy heiser. »Ist schon gut, Jimmy. Was willst du von mir?«

Er zieht ihn mit aus dem Gewühl in eine Ecke des Raumes. Hier ist niemand. Die Ecke führt zum Nebenraum, in dem sich die Leute manchmal versammeln, um über irgend etwas zu beraten.

»Na, was willst du, Jimmy?«

Jimmy blickt ihn schief an und grinst.

Ich hätte es nie getan, denkt Jimmy, soweit bin ich also, aber ich habe meine Stellung wegen dieser Halunken verloren. Und was anderes, als mit Pferden umzugehen, habe ich nie gelernt. Na gut, jemand ist schuld daran, daß ich meinen Job verloren habe, daß die Leute auf mich mit Fingern zeigen. Warum sollen sie nicht dafür bezahlen?

»Geld!« sagt Jimmy scharf. »Ich hab’ nichts mehr, Bill, ich bin abgebrannt, verstanden? Ich brauche Geld!«

»Geld?«

Bills Augen verengen sich. Er starrt Jimmy bissig an.

»Mensch, bist du irr? Du willst doch nicht sagen, daß du schon wieder blank bist?«

»Genau das sage ich«, antwortet Jimmy trocken. »Der Durst, weißt du, Bruder. Man trinkt und trinkt, und am Ende wundert man sich, wenn man pleite ist.«

»Du kannst doch unmöglich fünfzig Dollar in drei Tagen durchgebracht haben, Mann? Bist du verrückt? Ich habe kein Geld.«

Jimmy blickt einen Moment in den Saal und sieht den Town-Marshal mit einem der Männer reden.

»Sieh dich mal um, Freund Bill«, sagt er leise und warnend. »Du kannst doch noch sehen, was? Wer ist denn dahinten?«

Bill dreht jäh den Kopf herum. Auch er entdeckt den Marshal zwischen der Menge und holt einmal tief Luft.

»Was soll das, Jimmy?« fragt er dann stockheiser. »Mann, was heißt das? Willst du mir etwa drohen?«

»Drohen?« erkundigt sich Jimmy kühl. »Ich drohe niemandem, aber ich denke immer, weißt du, mein lieber Bill. Das ist eine schlimme Sache, du kannst mir ruhig glauben. Wenn ich so daran denke, was ich heute alles haben könnte – einen guten Ruf, verstehst du? Eine anständige Arbeit, lauter ehrliche Freunde und gute Bekannte – aber ich habe keine mehr, das ist das schlimmste an der Sache, Freund Bill. Und darum muß ich immer denken. Es ist, als wäre in meinem Kopf ein Uhrwerk. Man zieht es auf, und es läuft und läuft ohne aufzuhören. Ich habe einen kleinen Mann im Kopf, Freund Bill, einen so kleinen.«

Er hält die rechte Hand hoch und zeigt zwischen Daumen und Mittelfinger eine winzige Größe an.

»So klein ist er«, sagt Jimmy gedehnt und blickt Bill nun fest in die Augen. »Aber er redet, hörst du, Bill, er redet dauernd. Er sagt, es wäre meine Schuld gewesen, er sagt, ich hätte nichts getaugt, ich wäre ein schlechter Partner. Er redet den ganzen Tag, hörst du, Bill? Er redet auch in der Nacht. Es ist ganz still in meiner Hütte. Ich liege auf meiner Pritsche und denke, daß ich schlafe, aber ich schlafe gar nicht, verstehst du, ich schlafe nicht. Dann meldet er sich, der kleine Kerl.«

Er kichert und blickt an Bill vorbei auf den Town-Marshal und dessen Gehilfen, der zu ihm tritt.

Der ist verrückt, denkt Bill und muß schlucken. Er hat sie nicht mehr alle beisammen. Was redet er da von einem kleinen Kerl in seinem Kopf? Ist er wahnsinnig, der Narr?

Dann starrt er in Jimmys Augen, die den Whiskyglanz widerspiegeln.

»Mann, was geht mich dein kleiner Kerl an? Ich habe nichts mit ihm zu schaffen, ich nicht. Also, ich habe kein Geld, verstanden?«

»Nein?« fragt Jimmy leise und drohend. »Das verstehe ich nicht, mein Freund.«

Schweiß glänzt plötzlich auf seiner Stirn, Schweiß, der in dicken Tropfen aus den Poren tritt. Seine Hände sind feucht, sie zittern plötzlich, als er sie hebt und sie Bill entgegenstreckt.

»Sieh her«, sagt Jimmy Ballinger leise. »Sieh gut her. Ich habe einmal kräftige Hände gehabt, konnte einen Revolver eine Stunde lang balancieren, ohne daß der Lauf wackelte, das konnte ich. Jetzt sieh sie dir an. Ich habe vor keinem Menschen Angst, aber vor dem Kerl.

Der kommt immer wieder und ist so klein, daß ich ihn nicht greifen kann. Ich habe schon gedacht, ich sollte mit einem Revolver ein Loch in meinen Kopf schießen, damit der Kerl endlich hinaushüpfen kann, aber ich habe keinen Mut.

Bill, ich muß trinken, weil er sonst kommt. Wenn ich nicht genug getrunken habe, dann taucht er jede Nacht auf. Nur manchmal, wenn ich voll bin, dann redet er nicht. Darum muß ich trinken – ich muß, hörst du? Gib mir Geld – zehn Dollar. Der da drin, der läßt mir keine Ruhe.«

Er atmet stoßweise. Seine Brust hebt und senkt sich heftig, sein Atem geht rasselnd, sein Gesicht ist so mit Schweißperlen übersät, daß er sich mit der zitternden Hand über das Gesicht wischen muß.

»So?« fragt Bill mit gepreßter und leiser Stimme. »In deinem Kopf ist also ein kleiner Kerl – wirklich, Jimmy?«

»Ja, wenn ich es dir sage, er ist da, er redet mit mir. Und wenn ich nicht genug zu trinken habe – versteh’ doch, Bill, genug zu trinken – dann kommt er wieder.«

»Richtig wieder? Siehst du ihn?«

»Nein, aber er redet doch.«

»Hm, er redet? So ist das also.«

Verrückt, denkt Bill beklommen, großer Manitu, der ist verrückt, tatsächlich übergeschnappt. Was mache ich, gebe ich ihm Geld? Darum trinkt er also.

Er blickt den Mann an, der größer als er und sicher auch viel härter ist, obwohl er schon seit zwei Monaten trinkt. Wenn sich Bill an die Zeit vor diesen zwei Monaten erinnert, dann auch daran, daß es eine Menge Leute gab, die vor Jimmy Ballinger fortgelaufen wären, sobald er die Hand an den Revolverkolben legte. Wenn der alles wüßte, denkt Bill, ich glaube, er würde stocknüchtern und uns alle einzeln umbringen, einen nach dem anderen, was? Aber der Kerl ist verrückt. Verrückte sind nicht zurechnungsfähig. Er hat mir mit dem Marshal gedroht, sieh mal einer an. So verrückt ist er also schon. Und wenn er nun eines Tages wirklich zum Marshal geht, um dem zu sagen, was er weiß, alle Teufel, wenn er das macht, dann sind wir am Ende, dann hängen sie einige von uns.

Er wird wiederkommen, Bill weiß es. Sobald das Geld verbraucht ist, wird Jim wiederkommen und neues fordern. Und geben sie es ihm nicht, damit er sich betrinken kann, wird er zu anderen gehen, die ihm vielleicht für einige aufklärende Worte mehr bezahlen. Er wird dann bei denen reden, um den kleinen Kerl in seinem Kopf endlich zum Schweigen zu bringen.

»Ich habe kein Geld«, sagt Bill rauh und düster. »Tut mir leid, Jimmy, ich habe keins.«

»Ich muß aber welches haben, ich muß, hörst du? Der redet wieder, der macht mich fertig mit seinen Vorwürfen, der kleine Halunke. Er steckt hier drin.«

Jimmy nimmt die Faust hoch und klopft sich an die Stirn. »Hier drin ist er.«

»Was geht mich das an?«

»Was dich das angeht? Ich warne dich. Ich brauche Geld, sonst kann ich nicht schlafen, verstanden? Gib mir Geld, ich sage es dir, sonst…«

»Was sonst?« fragt Bill lauernd. »Was sonst, Jimmy, he?«

»Das werdet ihr dann schon sehen.«

»So ist das, du drohst, mein Freund?«

»Ich drohe nicht, ich will nur, daß der kleine Kerl nicht mehr sein Maul aufmacht. Gibst du mir jetzt Geld oder soll ich erst deinen Boß suchen gehen?«

Ja, denkt Bill blitzschnell, er soll sein Geld haben. Der ist ja gefährlich, dieser Verrückte. Und wie gefährlich. Ich muß ihm etwas geben.

»Na gut, damit dein kleiner Freund den Mund hält«, sagt Bill mürrisch. »Fünf Dollar, mehr habe ich nicht bei mir.«

»Zehn, sage ich, zehn!«

»Zehn? Du bist wohl verrückt, was? Für das, was du getan hast, das bißchen, willst du immer noch mehr Geld.«

»Vier kostet ein Strick«, murmelt Jimmy Ballinger wie im Selbstgespräch. »Vier ganze Dollar – ein schöner, langer Strick, mein Freund. Man kann auch eine Schlinge daraus machen. Und dann braucht man nur noch…«

»Du verdammter Halunke! Also gut, zehn Dollar.«

»Siehst du, ich wußte doch, daß du schlau bist«, erklärt Jimmy Ballinger leise. »Und nun gib es her, ich muß trinken, damit er endlich Ruhe gibt, der kleine Kerl.«

Es ist nun Bill, dem der Schweiß aus jeder Pore des Körpers bricht. Bill hat plötzlich Angst, heiße Angst, die ihm den Atem nehmen will. Wenn der redet, der betrunkene Narr, wenn der jemals redet? Verrückte schwatzen viel, aber man weiß etwas von Jimmy Ballinger, etwas, was man nie gedacht hätte: Jimmy ist feige.

Und weil er feige war, ist ein anderer gestorben.

Bill greift in die Tasche, in der genug Geld steckt. Er löst mit den Fingern das Gummiband, das um die zusammengerollten Scheine gelegt worden ist und nimmt einen Schein. Er fühlt genau nach, ob es auch nur einer ist, dann zieht er die Hand aus der Tasche.

»Ich lasse sie fallen, da liegen sie. Es braucht keiner zu sehen, daß ich dir Geld gebe, verstanden? Nimm es, und sei verdammt, du Erpresser!«

»Erpresser?« fragt Jimmy grimmig. »Ich will keinen erpressen, ich will nur meinen gerechten Anteil dafür haben, daß ich nirgendwo mehr eine anständige Stelle bekommen kann. Erpresser? Nun gut, sage du, daß ich einer bin. Dann sage ich dir auch was. Weißt du, was du bist, du heimtückischer, hinterlistiger Schurke? Du bist ein…«

»Halt dein Maul, du verfluchter Narr!«

Jimmy grinst, als er ihn ansieht und die jähe Angst in Bills Augen lesen kann.

»Davor hast du Angst, was?« fragt er glucksend. »Ich kann es laut sagen, so daß die Leute es hören, wie? Nur, ich sage es nicht, weil du mir zehn Dollar gegeben hast, mein Freund. Noch sage ich nichts.«

Bill schluckt und würgt. Verdammt, wenn der verrückte Kerl es laut geschrien hätte?

Er dreht sich um und geht schnell davon. Seine Knie sind plötzlich weich wie Watte. Und die Angst steckt in ihm.

Wenn der redet, was dann?

Als er aus der Tür kommt und die kühle und klare Abendluft einatmet, bleibt er links der Tür an der Wand stehen. Er hört die Stimmen der Männer, das Lachen der Mädchen, das Singen eines Betrunkenen wie aus weiter Ferne.

Und die Angst ist da, daß Jimmy reden könnte.

Er darf nicht reden, denkt Bill und schluckt schwer, er darf es nicht.

Dann hastet er los. Der Boß muß wissen, daß Jimmy nicht mehr ganz normal ist.

*

Jim bückt sich, hebt den Schein auf und spürt, daß er kaum noch in der Lage ist, sich zu krümmen. Der Schnaps in ihm – es dreht sich um ihn leicht, als er sich aufrichtet und den Schein glättet.

Sieht keiner zu ihm hin?

Niemand sieht ihn an, keiner beachtet ihn. Männer sind genug im Saloon, aber keiner achtet auf die dunkle Ecke, in der Jimmy steht und seinen Schein glattstreicht.

Jimmy torkelt auf den Tresen zu und schiebt sich neben einige Männer, denen er keine Beachtung schenkt.

»Whisky, Dan, gib mir eine Flasche.«

Er bekommt die Flasche und wirft den Schein hin, der zwei Sekunden später verschwunden ist.

Zehn Dollar für eine Flasche Whisky. Ein ungeheurer Preis in den Black Hills, aber wo man Gold findet, da steigen die Preise. Zehn Dollar. Das ist schändlich, aber billiger bekommt man sie nicht.

Jim gießt das Glas randvoll und setzt es dann an die Lippen. Als er den Kopf hebt, bemerkt er neben sich den Mann, der ihn offen ansieht.

Jimmy verschluckt sich, den Mann kennt er, es ist Paulsen, einer der Postfahrer.

»Hallo, Paulsen«, sagt Jimmy und hustet zweimal. »Schöner Tag heute, was?«

Paulsen blickt ihn an wie eine ekelerregende Kröte, wie menschlichen Abschaum und wendet ihm abrupt den Rücken zu.

Keine Antwort?

Was habe ich ihm getan? denkt Jimmy. Ach so ist das? Sie wollen mich nicht mehr kennen, sie wollen nicht mehr mit mir sprechen. Ich bin Luft für sie, einfach nicht da.

Er trinkt schneller. Paulsen rückt von ihm ab, auch Gainsborough, der zweite Mann, der ebenfalls zur Postkutschen-Linie gehört, wendet ihm nun den Rücken zu.

Und dann kommt Tony zum Tresen. Tony ist jung, er ist ein Spaßmacher. Tony hat mit Jimmy gearbeitet, auf demselben Wagen gesessen, Blödsinn gemacht, gesungen und Witze gerissen.

Als Tony kommt, hat Jimmy sein drittes oder viertes Glas hinuntergespült.

Tony sieht zu ihm hin. Dann dreht er sich auch zur Seite.

Jimmy hatte eine Menge Freunde, nun will keiner mehr etwas von ihm wissen. Auch Burdett wird mit ihm fertig sein, auch John Burdett, sein bester Freund. Oder nicht?

Jim Ballinger, ein Trinker.

*

»Jimmy! Mein Gott, so wach doch auf, Jimmy!«

Er ächzt, wird gerüttelt und hört die Stimme nun ganz deutlich.

»Ja – ja, ich wache ja auf.«

»Mein Gott, Jimmy, wie siehst du aus?«

»Ich – ich sehe gut – gut sehe ich aus, was?«

Er lacht, greift nach dem Arm, der ihn hält und zieht sich hoch. Als er steht und den ansieht, der ihn hochgezogen, der ihn gerüttelt und angerufen hat, zuckt er zusammen.

Es ist kein Mann, der ihm geholfen hat.

Diese Erkenntnis kommt Jimmy Ballinger in einem lichten Moment, auch wenn er noch so betrunken ist. Er blickt das Mädel, schwankend auf den Beinen stehend und ihre Bemühungen, ihn zu stützen, groß und verwirrt an.

Das Mädel. Was ist denn passiert? Wo ist er?

»Hallo, Suzy«, sagt er lallend. »Hallo, danke, aber…«

Er torkelt auf den Balken zu, an dem zwei, drei Pferde stehen, an dem aber noch Platz genug ist, die matten Arme aufzustützen.

»Ich habe getrunken, damit du es weißt. Und ich werde immer weiter trinken, bis ich am Ende bin, Suzy. Geh zum Teufel, laß mich in Ruhe. Ich will nichts von dir, verstehst du? Ich will meine Ruhe haben, sonst nichts.«

»Mein Gott, Jimmy, was ist mit dir los? Du darfst nicht mehr trinken, du…«

»Hau ab«, sagt er keuchend und hebt den Kopf, als sie neben ihn tritt. »Ich will dich nicht sehen, ich mag dich nicht mehr, Suzy. Ich will dich nicht, deinen Vater nicht, deine Leute, alle nicht. Laßt mich in Ruhe. Verstehst du endlich, du Närrin!«

»Oh, Jimmy, wie redest du?«

»Wie ich endlich mit dir reden muß. Ich tauge nichts, ich bin ein Trinker, jawohl, ich bin ein Säufer. Dein Vater hat ganz recht, ich tauge nicht für seine Tochter. Ich habe dich nie gemocht, ich mag dein Schafsgesicht nicht…«

Sie erschrickt und sieht ihn starr an. Dann senkt sie den Kopf und schluckt.

»Du – du meinst das nicht so, Jimmy.«

»Ich meine es so, genau so. Geh weg, sage ich. Geh zu deinem Vater.«

»Ja, das wird auch wohl das beste sein. Du bist schon wieder einmal betrunken, du taugst wirklich nichts mehr, Jimmy. Trink dich doch zu Tode, du Narr!«

Sie dreht sich bei den letzten Worten, die sie halberstickt sagt, um. Und dann läuft sie weg. Jimmy hängt über dem Balken und sieht ihr nach. Er versucht zu grinsen, aber es wird nichts daraus.

»Suzy«, sagt er leise. »Oh, zum Teufel, Mädel, ich muß dir klarmachen, daß ich nichts tauge, daß ich nichts wert bin. Es hat keinen Sinn. Und wenn ich dir weh tun muß, ich kann nicht anders. Zwischen uns wird nie etwas sein können, niemals. Es ist immer besser, mit Gewalt Schluß zu machen.«

Mit Gewalt Schluß zu machen. Der Gedanke kommt, läßt ihn zusammenfahren.

Mit Gewalt Schluß machen.

Jim Ballinger ist plötzlich nicht mehr müde. Er bleibt auf dem Balken liegen, zieht die Arme an und stemmt sich mühsam hoch.

Die Straße schwankt, als er losgeht, die Hände zittern, seine Knie sind schwach. Aber sein Verstand arbeitet exakt. Er kann denken und weiß plötzlich, daß er Kraft brauchen wird, eine ganze Menge Kraft. Als er über die Straße taumelt und drüben aus dem Tanzpalast das Gelächter, die schrille Musik und das laute Grölen der Männer hört, lehnt er sich an den nächsten Wagen, der am Straßenrand steht und atmet ganz tief durch. Der Whisky, das verdammte Zeug läßt ihn keuchend nach Atem ringen.

Männer kommen, die Mädchen in der Tanzhalle lachen. Er denkt an Suzy, an ihren Vater und die Pferde, die Suzys Vater verkauft. Auch er will nichts mehr von Jim wissen, niemand mehr.

Kraft, denkt Jim Ballinger und schluckt schwer. Ich brauche Kraft, ich muß es tun, endlich reinen Tisch machen. Aber dazu braucht er Hilfe. Wer aber sollte sie ihm anbieten?