Die großen Western 278 - Frank Callahan - E-Book

Die großen Western 278 E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Nr. Der dumpfe Druck in meinem Magen wollte nicht weichen. Ich wußte aus Erfahrung, daß dies nichts Gutes bedeutete. Ich trat vor das Hauptgebäude meiner kleinen Ranch und sog die frische Morgenluft in meine Lungen. Die Sonne ging hinter den Berggipfeln auf und tauchte das Land in goldenes Licht, das mich blendete. Bodennebel hingen zwischen den Schuppen, Stallungen und Scheunen. Ich setzte mich auf die Bank vor dem Haupthaus, drehte mir eine Zigarette und zündete sie an. Ich war nicht mehr der Jüngste, fühlte mich aber mit meinen knapp vierzig Jahren noch wie ein Zwanzig­jähriger. Die Zigarette wollte mir nicht schmecken. Ich warf sie weg und wollte zum Korral hinübergehen, um eins meiner Pferde zu satteln. In diesem Augenblick sah ich einen Reiter, der hinter einer kleinen Waldinsel auftauchte und zielstrebig auf die Ranch zuhielt. Der Reiter näherte sich schnell. Ich erkannte ihn schon von weitem an der Art, wie er im Sattel saß. Es war mein Nachbar Tyron Power. Er zügelte sein Pferd vor der Veranda, nickte mir zu und kletterte umständlich aus dem Sattel. "Hallo, Frank", sagte er und trat näher. Er zog seinen rechten Fuß hinterher. Die Verletzung hatte er sich bei einem Sturz vom Pferd geholt. Tyron litt sehr darunter.

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Leseprobe: Pulverrauch in Abilene

Es war an einem Mittag im April. Der Himmel war basaltfarben und mit düsteren Wolken verhangen. Sonst erstreckte sich in dieser Jahreszeit über Kansas ein strahlendblauer Himmel. Aber in diesem Jahr war es anders. Der Frühling kam nur träge über das Land, über die Sandsteppen, über die Weite der Prärie. Das Büffelgras auf der Weide war noch genauso grau und verwaschen wie die tiefhängenden Wolken. Die Rinder ließen ihre Köpfe hängen. Die Cowboys saßen mit eingezogenen Schultern in den Sätteln. Es waren vier Männer, die an den Korrals vorbei auf die Stadt zuritten. Die Cowboys blickten auf und sahen zu den Reitern hinüber. Cass Hoxter war der erste. Viehagent nannte sich der Bandit neuerdings. Niemand wußte genau, wie er an die kleine Herde gekommen war, die er vor wenigen Tagen drüben in Topeka verkauft hatte. Sie hatten Bucks in den Taschen, die Männer, die zu seiner Crew zählten. Cass Hoxter mochte vierzig Jahre sein. Er war ein grobknochiger, hagerer Mann. Sein Gesicht war durch eine brandrote Narbe seltsam verzerrt. Ein Siouxindianer hatte ihm vor Jahren das Gesicht buchstäblich mit einem Messer in zwei Hälften gespalten. Die Narbe zog sich vom rechten Augenwinkel unter der vorspringenden Nase vorbei bis zur Kinnspitze. Aber auch ohne diese schauerliche Narbe wäre Cass Hoxters Gesicht abschreckend gewesen.

Die großen Western – 278 –

Der Vernichtungskampf

Frank Callahan

Serie: Die großen Western

Nr. 278 (159c)

Titel: Der Vernichtungskampf

Autor: Frank Callahan

Der dumpfe Druck in meinem Magen wollte nicht weichen. Ich wußte aus Erfahrung, daß dies nichts Gutes bedeutete.

Ich trat vor das Hauptgebäude meiner kleinen Ranch und sog die frische Morgenluft in meine Lungen.

Die Sonne ging hinter den Berggipfeln auf und tauchte das Land in goldenes Licht, das mich blendete. Bodennebel hingen zwischen den Schuppen, Stallungen und Scheunen.

Ich setzte mich auf die Bank vor dem Haupthaus, drehte mir eine Zigarette und zündete sie an.

Ich war nicht mehr der Jüngste, fühlte mich aber mit meinen knapp vierzig Jahren noch wie ein Zwanzig­jähriger.

Die Zigarette wollte mir nicht schmecken. Ich warf sie weg und wollte zum Korral hinübergehen, um eins meiner Pferde zu satteln. In diesem Augenblick sah ich einen Reiter, der hinter einer kleinen Waldinsel auftauchte und zielstrebig auf die Ranch zuhielt.

Der Reiter näherte sich schnell. Ich erkannte ihn schon von weitem an der Art, wie er im Sattel saß. Es war mein Nachbar Tyron Power.

Er zügelte sein Pferd vor der Veranda, nickte mir zu und kletterte umständlich aus dem Sattel.

»Hallo, Frank«, sagte er und trat näher. Er zog seinen rechten Fuß hinterher. Die Verletzung hatte er sich bei einem Sturz vom Pferd geholt. Tyron litt sehr darunter.

Tyron Power war in meinem Alter. Früher waren wir die dicksten Freunde gewesen und hatten manches Faß aufgemacht.

Gemeinsam waren wir vor über zwanzig Jahren nach Texas getrailt und hier seßhaft geworden. Seine Ranch war größer als meine. Das lag wohl daran, daß Tyron Power schon immer ein Bursche war, der seine Ellenbogen gebrauchte und alles in den Boden stampfte, was sich ihm in den Weg stellte.

Tyron schob nun seinen staubigen Stetson in den Nacken und musterte mich finster. Der harte Zug um seine Mundwinkel gefiel mir nicht. Irgend etwas war hier nicht in Ordnung, das spürte ich ganz deutlich.

Ich nickte ihm zu.

»Schön, dich zu sehen, Ty«, sagte ich.

»Das wird sich gleich herausstellen, Frank«, antwortete er. In seinen Augen lag eine stumme Drohung.

»Spuck aus, was du auf dem Herzen hast, Ty«, knurrte ich. »Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«

»Wo ist Johnny? Wo ist dein Sohn?«

»Er ist gestern nach Laredo geritten, um einige Besorgungen zu machen. Was willst du von ihm?«

Tyron Power lächelte düster.

»Wann erwartest du ihn zurück?«

»Im Laufe des Tages. Und nun möchte ich wissen, was du von Johnny willst?«

»Du wirst es gleich erfahren, Frank. Bist du sicher, daß Johnny wirklich bald auftauchen wird?«

Ich wurde ärgerlich. Seine Fragerei ging mir ganz schön auf den Wecker.

»Warum sollte er nicht zurückkommen? Hier ist sein Zuhause. Außerdem wird er einmal meine Ranch übernehmen. Er ist ein ausgezeichneter Rindermann geworden.«

Tyron Power legte den Kopf leicht schief und musterte mich, als hätte er ein seltenes Insekt vor sich.

»Er ist mit Jennifer abgehauen. Was sagst du dazu?«

»Das nehme ich dir nicht ab, Ty. Warum sollte Johnny mit deiner Tochter verschwinden? Das paßt doch überhaupt nicht zusammen. Die beiden kennen sich kaum. Du hast doch immer alles getan, um Jenny von der Außenwelt fernzuhalten.«

Powers Gesicht wirkte nun wie aus Stein gemeißelt. Ein fast brutaler Zug lag um seine Mundwinkel.

»Du hast wieder einmal keine Ahnung, Frank!« stieß er dann hervor. »Johnny ist seit vielen Monaten hinter Jennifer her wie der Teufel hinter einer armen Seele. Ich habe deinen Sohn einmal zur Rede gestellt und ihn dann davongejagt. Ich drohte damals, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, wenn er nicht seine schmutzigen Pfoten von meiner Tochter läßt.«

»Davon hat mir Johnny nichts erzählt«, erklärte ich wahrheitsgemäß. Ich fühlte langsam heißen Zorn in mir aufsteigen. Es paßte mir überhaupt nicht, wie Power über meinen Sohn sprach.

»Hör zu, Ty«, brummte ich ärgerlich. »Du siehst Gespenster. Johnny wird in wenigen Stunden zurück sein. Und wo sich Jennifer aufhält, kann ich dir nicht sagen. Außerdem finde ich nichts dabei, wenn sich Johnny wirklich in deine Tochter verliebt hätte. Sie ist nun mal das schönste Girl im Umkreis von hundert Meilen. Ich habe sie auf dem letzten Sommerball gesehen. Nach ihr lecken sich bestimmt sämtliche Jungs der Umgebung die Finger ab.«

»Das kann schon sein«, dröhnte die Stimme des Cattle Kings. »Ich habe aber etwas dagegen, wenn sie sich mit deinem Sohn abgibt. Das habe ich ihr auch gesagt. Eine Verbindung zwischen meiner Tochter und Johnny kommt nicht in Frage.«

Er starrte mich feindselig an.

»Du hast wohl noch immer nicht vergessen, Ty«, sagte ich. »Oh, was bist du nur für ein Narr. Du wirfst mir wohl noch immer vor, daß ich vor über zwanzig Jahren Dorothy geheiratet habe. Sie hat sich damals für mich entschieden, und wir waren viele Jahre lang sehr glücklich. Ich hatte immer geglaubt, du hättest ihre Entscheidung respektiert.«

Sein Blick wurde noch feindseliger. Sein Gesicht rötete sich wie ein Backstein.

Ich kannte seinen Jähzorn von früher. Tyron Power wollte immer mit dem Kopf durch die Wand.

Er schnaubte wie ein wütender Büffelbulle, dem man ein rotes Tuch vor die Nase hielt, und stieß zornig hervor: »Du hast mir Dorothy damals weggenommen, Frank. Irgendwie ist es dir gelungen, das Girl einzuwickeln mit ­irgendwelchen frommen Sprüchen. Okay, Dorothy ist vor über zwanzig Jahren deine Frau geworden. Ich habe mich damit abgefunden. Verziehen habe ich es dir nie. Und ich will unter keinen Umständen, daß sich dein Sohn mit meiner Tochter abgibt!«

Ich schüttelte zornig den Kopf.

»Johnny ist fast zwanzig. Deine Tochter ist achtzehn, Ty. Die beiden sind wohl alt genug, um ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.«

Tyron Power trat einen Schritt zurück. Dann zog er seinen Colt. Ich starrte verblüfft in die dunkle Mündung des Revolverlaufes.

*

»Steck das Eisen weg, Ty!« knurrte ich. »Nun scheinst du gänzlich verrückt geworden zu sein!«

Seine Lippen preßten sich hart zusammen und erinnerten an eine schlecht verheilte Narbe. Eine kleine Ader pulsierte im steten Schlag des Herzen auf seiner Stirn.

»Ich lege dich um, Frank«, stieß er wütend hervor. »Das hätte ich schon vor über zwanzig Jahren tun sollen. Ich lösche dich und deinen Sohn aus!«

Ich staunte ihn mit offenem Mund an und schüttelte dann den Kopf.

»Weg mit dem Colt!« sagte ich. Meine rechte Hand senkte sich auf den Griff meines Revolvers. Sein Blick wurde unsicher. Er wußte zu genau, daß ich noch immer ein As mit dem Colt war. In den letzten zwanzig Jahren war zwar viel geschehen, doch ich war noch immer der schnelle Bursche, der mit seinem Colt zaubern konnte.

»Du wirst Johnny folgen und ihn zurückholen, Frank«, sagte er dann mit befehlsgewohnter Stimme. »Und meine Tochter natürlich auch. Ich gebe dir einen Vorsprung von fünf Stunden. Dann schicke ich meine Leute hinterher. Diese Chance gebe ich dir und Johnny. Und sollte er meine Tochter angerührt haben, dann breche ich ihm sämtliche Knochen. Darauf kannst du dich verlassen.«

Er holsterte den Revolver.

Gnadenloser Haß leuchtete in seinen Augen, als er mich nun ansah. Seine Zähne mahlten.

»Du bist ein Narr, Tyron Power. Ein gottverdammter Narr. Was haben deine Tochter und mein Sohn mit der alten Sache zu tun? Nichts, überhaupt nichts. Und wenn sie sich wirklich lieben, so wie du behauptest, dann geht es nur die beiden etwas an. Glaubst du vielleicht, mein Sohn hätte es auf dein Rinderreich abgesehen? Darauf pfeift er, Tyron. Johnny wird es selbst einmal zu etwas bringen. Außerdem wird er eines Tages meine Ranch übernehmen.«

Tyron Power grinste falsch.

»Ich habe mich mal umgehört, Frank. Mit deiner Ranch steht es nicht zum Besten. Die Schulden auf der Bank werden dich irgendwann er­drücken. Du hast es in den letzten Jahren ein wenig lasch angehen lassen. Deine Drei-Kühe-Ranch ist nicht mehr viel wert. Das weißt du genau.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Es liegt nicht an mir, daß mein Besitz an Wert verloren hat«, antwortete ich. »Ein harter Winter, eine Rinderseuche und Viehdiebe haben meine Longhorns dezimiert. Das hat mich natürlich zurückgeworfen, Ty. Für mich zählt jedes verlorene Rind doppelt und dreifach.«

»Um Ausreden bist du nie verlegen gewesen«, sagte er. »Meine Ranch kriegt dein Sohn nicht. Das schwöre ich dir. Und ich widersetze mich mit allen Mitteln einer Heirat zwischen den beiden. Ich würde Jennifer sogar enterben. Falls du in dieser Richtung Pläne hast, Frank Sumner, dann solltest du sie schleunigst aufgeben!«

Ich war an und für sich ein Mann, den nichts so leicht aus der Ruhe bringen konnte. In diesen Sekunden verlor ich aber meine Beherrschung. Zu oft hatte ich mich vor Power geduckt, nur um des lieben Friedens willen.

Ich schlug ansatzlos zu. Meine Faust traf Powers Kinn. Der Big Boß wurde zurückgestoßen, als wäre er in den Huftritt eines auskeilenden Mustangs gelaufen.

Er prallte gegen sein Pferd, das grell aufwiehernd zurückwich. Dann setzte sich Tyron Power auf seinen Hintern und zog ein reichlich dämliches Gesicht.

Ich war ihm gefolgt, stand nun mit geballten Fäusten vor ihm und wartete darauf, daß sich der mächtige Cattle King erheben würde.

Power blieb sitzen. Blut sickerte zwischen seinen zuckenden Lippen hervor. Sein Gesicht verzerrte sich. Heiseres Stöhnen brach aus seinem Mund.

Ein irrer Ausdruck stand in seinen Augen. Seine Rechte tastete hoch zum Kinn, das leicht anschwoll. Ich trat zurück, holte mehrmals tief Luft und brachte meine Erregung unter Kontrolle.

Tyron Power erhob sich und schwankte leicht. Mein Hieb war nicht von schlechten Eltern gewesen. Seine Hand näherte sich dem Revolver an der Hüfte.

»Wenn du ziehst, Tyron Power«, klirrte meine Stimme, »dann fährst du zur Hölle!«

Der Big Boß verharrte wie versteinert. Nur in seinen Augen funkelte es. Dann quetschte er zwischen zusammengepreßten Lippen hervor: »Das wirst du bereuen, Sumner. Du wirst diese Stunde noch verfluchen. Das schwöre ich dir. Fünf Stunden gebe ich dir, um meine Tochter zurückzuholen. Fünf Stunden und keine Minute länger. Wenn ich bis dahin nicht Jenny in meine Arme schließen kann, mache ich dich und deinen Sohn fertig!«

Nach diesen Worten wandte sich Tyron Power um, trat zu seinem Pferd und kletterte ächzend in den Sattel. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, ritt er davon.

Zurück blieb eine Staubwolke, die träge im leichten Wind zerfaserte.

*

Die Sonne stand bereits hoch im Zenit, als ich Laredo erreichte. Von hier aus konnte man nach Mexiko spucken, so nahe befand sich die Stadt an der Grenze.

Ich hatte gehofft, meinen Sohn unterwegs zu treffen. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als in der texanischen Grenzstadt nach ihm zu forschen.

Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel, als ich die staubige Main Street entlangritt. Die Stadt wirkte wie ausgestorben. Jedermann, dem es irgendwie möglich war, hielt Siesta, wie die mittägliche Ruhepause von den Mexikanern genannt wurde.

Vor Tim Harpers General Store kletterte ich müde aus dem Sattel und wischte mir die Schweißtropfen von der Stirn. Die Ladenglocke schepperte blechern, als ich eintrat.

Tim Harper war nicht zu sehen. Ein paar Fliegen umsummten mich, als sahen sie in mir eine willkommene Beute. Ich trat zum Tresen und pochte mehrmals hart dagegen.

Schritte näherten sich. Der kleingeratene Storekeeper trat mir gähnend entgegen. Sein mürrisches Gesicht wurde freundlicher, als er mich erkannte.

»Hallo, Frank«, sagte er und gähnte erneut. Ich sah seine nikotingelben Zähne und konnte nur mit Mühe selbst ein Gähnen unterdrücken.

»Was führt dich zu mir?« fragte er dann und reichte mir seine schwielige Hand. Tim und ich waren seit vielen Jahren befreundet und mochten uns.

»Ich suche Johnny«, erklärte ich. »Er ist schon gestern nach Laredo geritten, um einige Dinge zu besorgen. Er müßte auch bei dir aufgetaucht sein.«

Harper fuhr sich durch sein schütteres Haar und schüttelte dann den Kopf.

»Tut mir leid, Frank. Ich habe Johnny schon lange nicht mehr gesprochen. Ich habe ihn auch in der Stadt nicht gesehen.«

In meinem Gesicht zuckte es. Tim sah mir an, daß mir seine Worte überhaupt nicht schmecken wollten. Er trat hinter den Tresen, holte eine Whiskyflasche und zwei Gläser hervor und schenkte von dem goldgelb funkelnden Bourbon ein.

Wir tranken uns zu.

»Was ist mit deinem Sohn?« fragte er dann. »Heute in der Früh war Roy Ballentine hier und erkundigte sich ebenfalls nach Johnny.«

»Ballentine?«

Tim Harper nickte.

Roy Ballentine war Tyron Powers Vormann. Ein harter Bursche, ungefähr dreißig Jahre alt. Er hatte sich vom einfachen Cowboy bis zum Vormann der mächtigen Power-Ranch hochgedient.

Ich wußte, daß Power seinem Vormann blind vertraute. Er war schon seit Jahren die rechte Hand seines Bosses. Und wie ich hörte, sollte Roy Ballentine sehr schnell mit seinem Revolver sein. Unter den Viehdieben hatte er mächtig aufgeräumt, was auch mir zugute gekommen war.

Trotzdem verlor ich einige hundert Rinder, die bei mir sehr ins Gewicht fielen. Einmal war es Johnny und mir gelungen, fünf Viehdiebe zu stellen. Zwei der Burschen überlebten die Schießerei nicht. Die anderen Halunken konnten entkommen.

»Was ist los mit dir?« fragte Tim Harper und riß mich aus meinen Gedanken. Ich lächelte und zuckte mit den Schultern.

»Sorgen?«

Mein langjähriger Freund legte mir seine Hand auf den Arm. Dann wollte er die Gläser nochmals auffüllen, doch ich schüttelte den Kopf.

»Keinen Drink mehr, Tim. Ich muß Johnny unbedingt finden. Wenn ich nur wüßte, wohin er geritten ist!«

»Ist er vielleicht abgehauen?«

»Fast sieht es so aus. Power ist bei mir auf der Ranch gewesen und behauptet, Johnny habe etwas mit seiner Tochter.«

Tim staunte mich an.

»Sag bloß, du hast davon nichts gewußt?«

»Nicht die Bohne, Tim. Sonst hat Johnny alles mit mir beredet. Wir sind wie Freunde gewesen. Es gab niemals Geheimnisse zwischen uns.«

Ich schüttelte den Kopf, starrte auf mein leeres Whiskyglas und überlegte, ob ich nicht doch noch einen Drink in die Kehle kippen sollte.

»Ich habe Jennifer und Johnny einmal hier im Laden überrascht, als beide gleichzeitig einkauften. Sie küßten sich in einer dunklen Ecke, bekamen rote Köpfe und sausten dann auseinander, als wäre eine Dynamitpatrone zwischen ihnen explodiert.«

»Das hättest du mir sagen müssen«, knurrte ich übellaunig.

»Ach was, Frank. Dein Sohn ist alt genug, um ein Mädchen zu küssen. Außerdem habe ich gedacht, du wüßtest Bescheid. Wenn du mich fragst, dann sind die beiden nach Mexiko geritten, um sich dort von einem Padre trauen zu lassen.«

Mir wurde es bei diesem Gedanken fast schwindelig.

»Heiliger Rauch«, stöhnte ich. »Ty Power wird in die Luft gehen, wenn das wirklich stimmt. Der hat etwas gegen eine Verbindung zwischen Jenny und meinem Sohn. Der glaubt, Johnny habe es auf sein Rinderreich abgesehen.«

»Der spinnt wie immer, Frank. Johnny ist ein Bursche, der kräftig zupacken kann, der stellt von alleine etwas auf die Beine und braucht Powers Kingdom nicht.«

Ich nickte und deutete auf das Whiskyglas.

»Schenk noch mal ein, alter Junge. Anschließend reite ich über die Grenze. Den Weg zu der alten spanischen Mission kenne ich. Vielleicht finde ich die beiden Ausreißer.«

Tim Harper lächelte.

»Ich drücke dir die Daumen, Frank. Hey, vielleicht wirst du schon bald Großvater.«

Ich verschluckte mich am Whisky, hustete und würgte, daß es eine wahre Pracht war. Tim bearbeitete meinen Rücken, als hätte er einen Amboß vor sich. Dabei grinste er. Anscheinend stellte er sich vor, wie ich ein Baby auf meinen Armen schaukelte.

»Nun hab ich dich aber mächtig erschreckt, nicht wahr, Frank?« feixte er. »Ehrlich gesagt, dich kann ich mir überhaupt nicht als Großvater vorstellen.«

»Ich mich auch nicht«, entgegnete ich wütend und stiefelte ins Freie. Bald lag Laredo hinter mir.

*

Ich hatte den Rio Grande überquert und befand mich nun auf mexikanischem Boden. Vor mir reckten sich die Gipfel der Sierra Madre gegen den blauen Himmel.