Die grünen Hügel von Mitford - Die Mitford-Saga: Band 3 - Jan Karon - E-Book
SONDERANGEBOT

Die grünen Hügel von Mitford - Die Mitford-Saga: Band 3 E-Book

Jan Karon

0,0
4,99 €
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Trautes Heim, Chaos allein: Der turbulente Feelgood-Roman »Die grünen Hügel von Mitford« von Jan Karon jetzt als eBook bei dotbooks. Die Liebe fällt, wohin sie will … Endlich ist es soweit: Im idyllischen Städtchen Mitford läuten die Hochzeitsglocken – und diesmal steht Pfarrer Tim selbst vor dem Altar! Seine kecke Nachbarin Cynthia hat es geschafft, sein Herz für sich zu erobern, und nun steht dem großen Glück nichts mehr im Wege … bis Cynthia prompt beschließt, das ganze Pfarrhaus umzukrempeln und Tims behagliche Gewohnheiten durcheinander zu wirbeln. Als Tim dann plötzlich auch noch seine Kirchenarbeit mit dieser verflixten neuen Computertechnik modernisieren soll, ist klar: Eine Auszeit muss her. Doch ist ein Camping-Trip mit einer Horde Teenager dafür wirklich die beste Lösung? Wer einmal durch die heimeligen Gässchen von Mitford geschlendert ist, wird stets wiederkommen wollen: zauberhafte Geschichten mit Glücksgefühlgarantie, wie Leser es aus den Romanen der Bestsellerautorinnen Debbie Macomber und Inga Lindström kennen und lieben. »Jan Karons Mitford-Romane sind eine gesunde kleine Wohlfühl-Oase.« The Wall Street Journal Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der berührende Roman »Die grünen Hügel von Mitford« von Jan Karon – Band 3 der großen Mitford-Saga. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 619

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Die Liebe fällt, wohin sie will … Endlich ist es soweit: Im idyllischen Städtchen Mitford läuten die Hochzeitsglocken – und diesmal steht Pfarrer Tim selbst vor dem Altar! Seine kecke Nachbarin Cynthia hat es geschafft, sein Herz für sich zu erobern, und nun steht dem großen Glück nichts mehr im Wege … bis Cynthia prompt beschließt, das ganze Pfarrhaus umzukrempeln und Tims behagliche Gewohnheiten durcheinander zu wirbeln. Als Tim dann plötzlich auch noch seine Kirchenarbeit mit dieser verflixten neuen Computertechnik modernisieren soll, ist klar: Eine Auszeit muss her. Doch ist ein Camping-Trip mit einer Horde Teenager dafür wirklich die beste Lösung?

Wer einmal durch die heimeligen Gässchen von Mitford geschlendert ist, wird stets wiederkommen wollen: zauberhafte Geschichten mit Glücksgefühlgarantie, wie Leser es aus den Romanen der Bestsellerautorinnen Debbie Macomber und Inga Lindström kennen und lieben.

»Jan Karons Mitford-Romane sind eine gesunde kleine Wohlfühl-Oase.« The Wall Street Journal

Über die Autorin:

Jan Karon wurde 1937 in North Carolina geboren. Sie arbeitete in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Die Bände ihrer Mitford-Saga eroberten im Folgenden regelmäßig die New-York-Times-Bestsellerliste. Heute lebt sie in Virginia, wo sie ein historisches Farmhaus aufwendig restaurierte und zu ihrem Zuhause machte.

Bei dotbooks erscheint in der »Mitford-Saga«:

»Daheim in Mitford«

»Der Himmel über Mitford«

»Die grünen Hügel von Mitford«

»Sehnsucht nach Mitford«

»Das Herz von Mitford«

***

eBook-Neuausgabe September 2019

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1996 by Jan Karon

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel »These High Green Hills« bei Lion Publishing, Oxford.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

This edition published by arrangement with Viking, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock /Sean Lema / ewjohnson00 / Konstanttin / Parisian / gizele / K. 32 Stock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-799-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Die grünen Hügel von Mitford« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Jan Karon

Die grünen Hügel von Mitford

Roman

Aus dem Amerikanischen von Michaela Link

dotbooks.

Für meine geliebte Großmutter,Fannie Belle Bush Cloer,die Geschichtenerzählerin* 1893 †1993

KAPITEL 1Durch die Hecke

Er stand am Küchenfenster und sah zu, wie sie durch die Hecke schlüpfte.

Was schleppte sie bloß diesmal rüber? Es schien sich um eine Schüssel und einen Krug zu handeln. Oder war es ein Stapel Bücher, auf dem eine Vase thronte?

Der Pfarrer nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und wischte sie dann mit einem Taschentuch ab. Es handelte sich tatsächlich um eine Schüssel und einen Krug. Wie sie es geschafft hatten, all dieses Zeug aus dem kleinen, gelben Haus nebenan ins Pfarrhaus zu bringen, ging über seinen Horizont.

»Für deine Kommode«, sagte sie, als er ihr die Tür aufhielt.

»Aha!«

Das letzte, was er wollte, waren eine Schüssel und ein Krug auf seiner Kommode. Die Oberfläche seiner Kommode war sein sicherer Part, sein Trost, sein Fels in einem Meer der Veränderung. Das war der Platz, an dem seine Autoschlüssel residierten, seine losen Münzen, seine diversen Kreuze, seine Manschettenknöpfe, seine Brieftasche, sein Scheckbuch, sein Schulring und ein kleiner Topf mit Knöpfen, einer Nadel und Garn.

Es war ebenfalls der Platz, an dem er den Spiegel aufbewahrte, der ihm der gelegentlichen Begutachtung seines Schädels diente. Er hoffte immer noch, daß durch irgendeine mysteriöse und ersehnte Umkehrung der Dinge sein Haar wieder zu wachsen begann.

»Cynthia«, sagte er, während er seiner blonden und wohlgeformten Ehefrau die Treppe hinauffolgte, »was diese Schüssel und den Krug betrifft ...«

»Die Farbe ist prachtvoll. Sieh dir nur diese Blautöne an. Sie wird dein ewiges Burgunderrot und Braun auflockern!«

Er wollte nicht, daß sein Burgunderrot und Braun aufgelockert wurde.

Er sah es kommen.

Seit ihrer Hochzeit am siebten September hatte sie an dem Plan gesponnen, diesen verwünschten Schrank für das Gästezimmer des Pfarrhauses rüberzuschleppen.

Das Schleppen war eine Sache; es war das Zurückschleppen, vor dem ihm graute. Er erinnerte sich nur ungern an den orientalischen Teppich, der in Cynthias Keller aufbewahrt wurde. »Zehn Fuß auf zwölf!« verkündete sie und stellte damit fest, daß er genau die richtige Größe für den kahlen Fußboden im Speisezimmer des Pfarrhauses hatte. Also wurde der schwere Teppich ins Pfarrhaus geholt.

Nachdem sie den Tisch und die Stühle in den Flur gewuchtet hatten, rollten sie den Teppich aus. Sie hätten damit weitermachen können, bis sich seine Kanten am Kronleuchter wiedergetroffen hätten.

»Das ist ein Teppich für eine Turnhalle!« sagte er und wischte sich den Schweiß ab, der ihm über die Stirn strömte.

Sie schien maßlos verblüfft zu sein, daß er nicht paßte, und das Ende vom Lied war gewesen, daß sie ihn wie die Packesel zurück durch die Hecke hieven mußten.

Die Entscheidung, beide Häuser zu behalten und zu benutzen, war natürlich ein Geniestreich gewesen. Das Licht im Pfarrhaus würde niemals so gut sein wie das ihres Studios nebenan, wo sie bereits ihre Bücher, ihre Farben und ihr Zeichenbrett stehen hatte. Das bedeutete, daß sein Arbeitszimmer unverändert bleiben konnte – seine Bücher durften weiterhin auf denselben Regalen stehen, und sein gewaltiger Vorrat an Predigtnotizbüchern in den Einbauschränken brauchte auch nicht zu weichen.

Wenn man mit über sechzig Jahren zum ersten Mal heiratete, war das schon Veränderung genug. Es war ein segensreicher Luxus, daß das Leben seinen gewohnten Gang weitergehen konnte. Die einzige echte Veränderung war das willkommene Teilen von Tisch und Bett.

Eines Morgens beim Frühstück wagte er es, sein Interesse an der endgültigen Klärung der Möbelfrage zu bekunden.

»Warum können wir die Dinge nicht einfach so lassen, wie sie sind ... In ihrem jetzigen Zustand? Es scheint doch alles bestens zu funktionieren ...«

»Ja, hm, mir gefällt es, daß unsere Häuser getrennt sind, aber ich möchte gleichzeitig, daß sie eins sind und eine Art organischer Ganzheit bilden.«

»Man schafft keine organische Ganzheit, indem man einen Schrank durch die Hecke schleift und wieder zurück. Sie sieht ohnehin schon aus, als wäre eine Herde Elefanten durchgezogen.«

»Timothy! Sei doch nicht immer so pedantisch! Dein Haus muß ein wenig lebendiger werden, und meins braucht etwas mehr Zurückhaltung. Deine Chippendalestühle würden meinem Eßtisch zum Beispiel einen nüchterneren Anstrich geben.«

»Dein Eßtisch könnte seiner Größe nach ohne weiteres in unserem Kindergarten verwendet werden. Meine Stühle würden daneben geradezu gigantisch aussehen.«

Sie sagte genau das, was er erwartet hatte. »Wir könnten es ja mal ausprobieren.«

»Cynthia, vertrau mir einfach in dieser Sache. Meine Stühle würden sich neben deinem Tisch nicht gut machen, genausowenig wie dieser handbemalte Zeitschriftenständer meinen Armsessel nicht direkt verschönern würde.«

»Nun, welchen Sinn hatte es dann überhaupt, zu heiraten?«

»Wie bitte?«

»Ich meine, wenn keiner von uns sich verändert, wenn wir beide einfach so bleiben, wie wir seit ewigen Zeiten sind, welchen Sinn hatte es dann?«

»Ich glaube, ich verstehe, worauf du hinaus willst. Mußt du dich denn mit nichts Geringerem zufriedengeben als einem Versuch, diese Stühle in dein Haus zu bugsieren? Und was ist mit meinem eigenen Tisch? Dem fehlen dann die Stühle. Irgendwie leuchtet mir die ganze Sache nicht ein.« Er wäre am liebsten durchs Fenster gesprungen, um im Laufschritt geradewegs bis zur Staatsgrenze zu stürmen.

»Immer schön eins nach dem anderen«, sagte sie freudestrahlend. »Es wird sich schon alles finden.«

Lieber Stuart,

danke für Dein Schreiben, und Dank an Martha für die Einladung, nach der Diözesan-Sitzung meine Füße unter Euren Tisch zu stecken. Ich muß jedoch gleich danach nach Hause – hoffe, du verstehst.

Da ich schon mal beim Thema bin, möchte ich Dich etwas fragen:

Warum müssen Frauen immer irgendwelche Dinge durch die Gegend schleppen? In der Sonntagsschule hat Jena Ivey gerade die Jugendgruppe dazu angestiftet, die Bücherregale des Kindergartens an die gegenüberliegende Wand zu schieben.

An der Heimatfront hat meine Haushaltshilfe einen Stuhl von meinem Schlafzimmer in den Flur verfrachtet, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, daß ich vierzehn Jahre lang meine Hosen über die Lehne gehängt und meine Schuhe auf den Sitz gestellt habe, so daß ich sie im Notfall schnell finden konnte.

Und eines dürfte feststehen: Wenn C. mich in meinem Sessel hochheben und während meines Mittagsschläfchens zum Fenster rüberschleppen könnte, würde sie auch das tun.

Zweifellos hast Du wichtigere Dinge zu bedenken. Aber sag mir eins, wie geht man mit so etwas um?

Ich eile mich hinzuzufügen, daß ich nie in meinem Leben glücklicher gewesen bin. Um die Wahrheit zu sagen, ich bin vollkommen verblüfft, daß ein solches Glück – noch dazu in solchem Maße – überhaupt existiert.

Er unterschrieb den Brief, den er auf seiner Royal getippt hatte, und empfand einmal mehr Dankbarkeit dafür, daß Stuart Cullen nicht nur sein Bischof, sondern seit den friedvollen Tagen im Seminar auch sein engster persönlicher Freund war.

Bruder Timothy Kavanagh,Kapelle Unseres Herrn und ErlösersAlte Kirchgasse, Mitford, N. C.

Lieber Timothy:

Wahrhaftig, es ist schon beunruhigend, wenn die eigene Haushaltshilfe, die Sonntagsschullehrerin und die Ehefrau alle zur selben Zeit so etwas tun.

Mein Rat ist folgender: Wehr Dich nicht dagegen. Das verläuft sich.

Sein Friede mit dir,

Stuart

PS Martha würde einen Gruß dazuschreiben, aber sie hat alle Hände voll damit zu tun, meine Kommode auf die andere Seite unseres Schlafzimmers zu schieben. Da ich mit einer dringenden Angelegenheit in Sachen Bischofskonferenz beschäftigt bin, habe ich mich nicht dazu verdonnern lassen, ihr zu helfen. Daher hat sie die Kommode nun auf eine alte Tagesdecke manövriert, und ich kann hören, wie sie das Ding im oberen Stockwerk über den Fußboden schleift. Dieses spezielle Bedürfnis hat jetzt annähernd sieben Jahre lang in ihr geschlummert und ist plötzlich wieder hervorgebrochen. Vielleicht liegt es ja an irgendeinem Stoff im Wasser.

Er hatte ziemlich schnell begriffen, daß die Betten ein Problem darstellten, das einer schnellen Lösung bedurfte.

Ihre Hochzeitsnacht hatten sie in seinem Bett im Pfarrhaus verbracht, wo sie von ihrer jeweiligen Seite in die Mitte gerollt und dort zusammengestoßen waren.

»Was hat dieses Loch in deinem Bett zu suchen?« fragte sie. »Das ist die Stelle, wo ich schlafe«, sagte er und kam sich dabei ein wenig töricht vor.

Während der ganzen Nacht hatten sie zusammengepreßt wie die Sardinen nebeneinander gelegen. Er hatte das sehr genossen, sie indes nicht. »Meinst du, das ist es, was die Worte ›die beiden sollen ein Fleisch sein‹ bedeuten?« murmelte sie, als ihre Wange abermals gegen die seine gepreßt wurde.

In der folgenden Nacht war er mit seinem Pyjama und seiner Zahnpasta in einer Einkaufstüte des ›Ladens‹ durch die Hecke marschiert.

Ihr Bett war riesengroß, das größte Möbelstück überhaupt in ihrem winzigen Haus.

Ihm kam es vor, als ob es sich – was die Größe anbetraf – mit den Ausmaßen des Staates von Texas vergleichen ließ, oder vielleicht mit dem Territorium von Saskatchewan. War das eine Büffelherde, die aus der Ferne auf ihn zugestürmt kam, oder ein Rudel Schlittenhunde? »Cynthia!« rief er quer über die weite Fläche ihres Bettes und wartete auf das Echo.

Gleich nach der Rückkehr aus ihren Flitterwochen in Stuart Cullens Sommerhaus hatten sie eine neue Matratze für das Pfarrhaus bestellt. Dort, an der felsigen Küste von Maine, hatten sie ihre Zeit damit verbracht, dem Ruf der Seetaucher zu lauschen, Händchen zu halten, am Ufer entlangzugehen und bis früh in den Morgen hinein zu reden. Die Sonne hatte Cynthias heller Haut zur Farbe von leicht angeröstetem Toast verholfen, wie er fasziniert festgestellt hatte; und er hatte beobachtet, wie drei Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken in Erscheinung traten wie Sterne, die erst nachts am Himmel erschienen. Ganz gleich, was sie miteinander taten, sie wußten, daß sie glücklicher waren als je zuvor in ihrem Leben.

Eines Abends, kurz nachdem im Pfarrhaus die neue Matratze in Gebrauch genommen worden war, fand er sie, als er aus der Dusche kam, aufrecht im Bett sitzend.

»Ich habe eine wunderbare Idee, Timothy! Ein Kamin! Gleich da drüben, wo die Kommode steht.«

»Und was soll ich dann mit meiner Kommode machen?«

Sie sah ihn nachsichtig an wie einen kleinen Jungen, der aus dem Kindergarten gestolpert kommt. »In den Erker stellen natürlich.«

»Dann könnte ich ja nicht mehr aus dem Fenster sehen.«

»Aber wieviel Zeit verwendest du darauf, aus dem Erkerfenster zu sehen?«

»Als du mit Andrew Gregory herumstolziert bist, eine ganze Menge Zeit.« Bei diesem Eingeständnis schoß ihm die Röte ins Gesicht, aber ja, er war eifersüchtig auf den gutaussehenden Antiquitätenhändler gewesen, der ihr einige Monate lang den Hof gemacht hatte.

Sie lächelte und legte den Kopf auf jene so typische Art und Weise zur Seite, der er kaum widerstehen konnte. »Ein Kamin wäre so romantisch.«

»Hm.«

»Warum muß ich eigentlich die Romantikerin in der Familie sein, während du den konservativen Standpunkt vertrittst nach dem Motto: Laß uns nur ja keine Veränderungen vornehmen?«

Er setzte sich neben sie. »Wie schnell du doch vergißt. Als wir noch keine feste Beziehung hatten, fandest du mich ungeheuer romantisch.«

Sie lachte und küßte ihn auf die Wange. »Und ich hatte natürlich recht. Es tut mir leid, mein alter Schatz.«

Es mißfiel ihm, ein alter Schatz für sie zu sein.

»Selber alter Schatz«, sagte er verschnupft. »Ich bin schließlich nur sechs Jahre älter als du.«

»Nach dem Kalender«, antwortete sie hochtrabend und spielte damit wohl auf irgend etwas Altväterliches in seiner allgemeinen Lebenseinstellung an.

Aber wie dem auch sei, das Thema Kamin wurde nicht noch einmal angeschnitten.

In Wahrheit hatte er keine Worte für sein Glück. Es wurde mit jedem Tag tiefer und erstaunte ihn durch seine Wärme und seine Kraft. Er schien sogar über sein Gesicht die Kontrolle zu verlieren, das, wenn man den Stammgästen der Grillstube an der Hauptstraße Glauben schenken durfte, ein fortwährendes, törichtes Grinsen zeigte.

»Ich liebe dich ... furchtbar«, sagte er in dem Bemühen, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

»Ich liebe dich auch furchtbar. Es ist beängstigend. Was, wenn es enden sollte?«

»Cynthia, allmächtiger Gott ...«

»Ich weiß, ich sollte nicht vom Ende reden, wo dies doch ein wunderbarer Anfang ist ...«

»Dann tu's auch nicht«, sagte er und meinte es absolut ernst.

Daß Barnabas so bereitwillig seinen Platz am Fußende seines Bettes aufgegeben hatte, um in Zukunft auf einem Läufer im Flur zu schlafen, war eine Geste, die er ihm nie vergessen würde. Sein Hund liebte nicht nur die Dichter des achtzehnten Jahrhunderts und unterwarf sich ohne Groll seinem wöchentlichen Bad, sein Hund war obendrein noch ein Gentleman.

Die Entscheidungen wurden getroffen, und beide Parteien erreichten schließlich friedliche Übereinstimmung.

Sie wollten überwiegend im Pfarrhaus schlafen, gelegentlich aber auch in dem kleinen, gelben Haus nebenan. Obwohl Cynthia dort wie immer arbeitete, behandelten sie es wie ein zweites Zuhause, das sie zur Entspannung und als privaten Rückzugsort benutzten.

Er versprach, seine Predigt grundsätzlich bis Samstag nachmittag unter Dach und Fach zu haben, so daß ihm Zeit blieb, sich einige Mußestunden mit ihr zusammen zu gönnen, und am Sonntag morgen wollte er stets das Frühstück bereiten.

Er zeigte ihr, wo sein Testament lag, und versprach, ein neues zu machen. Sie gestand ihm, daß sie überhaupt kein Testament hatte, und versprach, eines erstellen zu lassen.

Wenn es, was Gott verhüten mochte, jemals ein Mißverständnis zwischen ihnen geben sollte, wollte keiner von ihnen hinüber in sein altes Haus laufen, um zu schmollen.

Er würde sich weiterhin der Hilfe der fröhlichen und unternehmungslustigen Puny Guthrie, geborene Bradshaw, erfreuen, die an drei Tagen die Woche das Pfarrhaus saubermachte, und Cynthia würde ihre Dienste nebenan an einem vierten Tag beanspruchen.

Sie würden weiterhin ihre getrennten Bankkonten führen, einige gemeinsame Investitionen machen, sich miteinander beraten, wenn es um Geschenke ging, und niemals mehr als eine bestimmte, festgelegte Summe ausgeben, ohne vorher die Zustimmung des anderen einzuholen.

Er schlug fünfzig Dollar als Grenze vor.

»Hundert!« konterte sie.

Er war froh, daß er niedrig eröffnet hatte. »Also gut, dann hundert, und ich behalte dieses alte Jackett, das du für den Wohltätigkeitsbasar beiseite gelegt hast.«

»Abgemacht!«

Sie lachten.

Sie schüttelten sich die Hände.

Sie waren erleichtert.

Eine Ehe von Anfang an in die richtigen Bahnen zu lenken, war schließlich keine Kleinigkeit.

»Ich schätze, Sie sind total durch den Wind«, sagte Percy Moseley, der in der Grillstube die Rechnung für seinen Lunch eintippte.

»Was heißt das?« erkundigte sich der Pfarrer.

»Ich meine, da sie jetzt verheiratet sind und alles, werden Sie bestimmt nicht mehr so regelmäßig herkommen.« Der Besitzer der Grillstube fühlte sich gekränkt und verraten, das war deutlich zu spüren.

»Das haben Sie falsch verstanden, mein Freund.«

»Ach ja?« sagte Percy. Seine Miene hellte sich auf.

»Ich werde so regelmäßig kommen, wie das überhaupt nur möglich ist. Meine Frau ist selbst berufstätig; sie ist ja eine bekannte Kinderbuchautorin – Texte und Bilder. Sie wird mir bestimmt nicht jeden Tag ein heißes Mittagessen auftischen – ganz bestimmt nicht.«

Percy sah ihn argwöhnisch an. »Und was ist mit dem Frühstück?«

»Das«, sagte der Pfarrer, während er sein Wechselgeld einsteckte, »ist eine ganz andere Geschichte.«

Percy runzelte die Stirn. Er sah es gern, wenn seine Stammgäste mit seinem Lokal verheiratet waren.

Er blickte von seinem Stuhl im Arbeitszimmer auf. Lockenwickler. Schon wieder.

»Ich muß Lockenwickler tragen«, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Ich fahre morgen nach Lowell.«

»Nach Lowell? Weshalb das denn?«

»In die Schule. Ich soll dort dem Französischkurs Violet fährt nach Frankreich vorlesen, und dann habe ich noch ein Programm in der Aula.«

»Mußt du das tun?«

»Muß ich was tun? Violet fährt nach Frankreich lesen? Sie haben mich gebeten, dieses Buch zu lesen.«

»Nein, mußt du nach Lowell fahren?«

»Hm, ja.«

Er wollte nichts so Idiotisches sagen, aber er würde sie so vermissen, als hätte sie sich ans Ende der Welt begeben.

Es folgte ein langes Schweigen, während sie sich auf dem Sofa zusammenrollte und eine Zeitschrift aufschlug. Er versuchte zu lesen, konnte sich aber nicht konzentrieren.

Er hatte kein einziges Mal daran gedacht, daß sie wegen ihrer Arbeit würde reisen müssen. Beklommen versuchte er, sich mit dieser Neuigkeit auszusöhnen. Lowell. Dort war mal jemand am hellichten Tag erschossen worden.

Und noch etwas – Lowell war ganze hundert Meilen entfernt. Hatte sie gute Bremsen? Genug Benzin? Wann hatte sie den letzten Ölwechsel machen lassen?

»Was ist mit deinem Öl?« fragte er ernsthaft.

Sie lachte, als hätte er etwas umwerfend Komisches gesagt. Dann stand sie vom Sofa auf, kam zu ihm und küßte ihn auf die Stirn. Er roch ihr Blauregenparfüm und war augenblicklich hin und weg. Mit weichen Knien.

Sie sah ihm in die Augen. »Ich finde es herrlich, wenn du so redest. Mein Öl ist in Ordnung, was ist mit deinem?«

»Cynthia, Cynthia«, sagte er und zog sie auf seinen Schoß.

»Wissen Sie was?« fragte Emma, die gerade ein Foto von ihrem neuen Enkelkind an die Wand neben ihrem Schreibtisch klebte.

Das war das Lieblingsspiel seiner Sekretärin, und eines, das er selbst von Herzen verabscheute. »Was denn?«

»Raten Sie!«

»Mal sehen. Sie werden Ihren Job bei den Episkopalen kündigen und in Zukunft für die Baptisten arbeiten.«

»Ich wünschte, ich könnte es«, sagte sie und rollte mit den Augen. »Versuchen Sie es noch mal.«

»Verflixt, Emma, ich hasse dieses Spiel.«

»Es ist gut für sie, Training fürs Gehirn.«

»Nächste Woche erscheint in der kulinarischen Spalte der New York Times das Rezept von Esther Bolicks Orangenmarmeladenkuchen.«

»Sehen Sie! Sie versuchen es ja nicht mal. Sie reden einfach nur so drauflos. Aber einen Versuch haben Sie noch.«

»Geben Sie mir wenigstens einen Tip.«

»Es hat was damit zu tun, daß jemand übergeschnappt ist.«

»Der Kirchenvorstand. Es muß etwas mit dem Kirchenvorstand zu tun haben.«

»Falsch. Soll ich es Ihnen erzählen?«

»Ich bitte darum.«

»Marge Wheeler hat letzten Juni nach dem Brunch für den Bischof ihren besten Korb in der Küche stehenlassen und Flora Lou Wilcox hat ihn beim Wohltätigkeitsbasar verkauft. Jemand hat hundert Dollar dafür hingelegt und ist damit davonspaziert! Können Sie sich das vorstellen? Hundert Dollar für einen Korb mit einem losen Griff? Marge schäumt vor Wut, sie hat damit gedroht zu klagen. Aber Flora Lou sagte, sie hätte nicht den Hauch einer Chance, da Sie im Kirchenblatt immer die Aufforderung drin stehen haben, die Leute sollten ihre Sachen abholen, die sie in der Küche stehengelassen haben.«

»Hm. Halten Sie mich auf dem laufenden.«

»Der Brunch ist jetzt vier Monate her, daher verstehe ich Flora Lous Argument, daß Marge den Korb schon lange hätte abholen und mit nach Hause nehmen können. Außerdem, woher sollte Flora Lou wissen, daß der Korb neunzehnhundertzwanzig von irgendwelchen Navajoindianern in Handarbeit hergestellt worden ist?« Emma seufzte. »Ich verstehe natürlich auch Marges Standpunkt, Sie nicht auch?«

Er verstand durchaus, war aber klug genug, sich nicht einzumischen, es sei denn, man forderte ihn eigens dazu auf.

Er blätterte die Post durch. Ein Brief von seinem Vetter Walter und dessen Frau, Katherine, die letztes Jahr mit ihm in Irland gewesen waren ...

Lieber Timothy,

da Irland ja jetzt vertrautes Gelände ist, warum wollt Ihr beide, Du und Cynthia, nicht nächsten Sommer mit uns noch mal hinfahren? Ich dachte, wir setzen jetzt schon mal die Saat, damit sie während des Winters sprießen kann.

Wir werden nie vergessen, wie prächtig Du auf der anderen Seite der Kanzel ausgesehen hast, wie Du da neben Deiner schönen Braut standest. Wir lieben sie genauso, wie wir Dich lieben, und das heißt von ganzem Herzen. Alles Gute, Deine Katherine.

PS: Bitte um Deinen Rat, ob Hanf und Lilienzwiebeln im Herbst getrennt werden sollten. Ich versuche, mir ein Hobby zuzulegen, das nichts mit einem Nudelapparat zu tun hat.

Dein Walter

Er wühlte sich bis auf den Grund des Poststapels durch.

Aha!

Ein Brief von Dooley Barlowe aus dieser feudalen Privatschule, für die sein ältestes Gemeindemitglied, Miss Sadie Baxter, echtes Geld bezahlte.

Hallo. Mir gefällt's hier nicht. Das Gehirn in dem Glas, das sie uns gezeigt haben, kommt aus einem medizinischen Institut. Aber ich weiß immer noch nicht, wessen Gehirn es ist. Wann kommen Sie wieder her? Bringen Sie Barnabas mit und Großvater und Cynthia, 'n Zwanziger kam mir nich ungelegen. Dooley

Na also! Kein einziger Fluch, und vollständige Sätze von Anfang bis Ende. Halleluja!

Wer hätte gedacht, daß dieser Junge, der seinerzeit kaum imstande war, vernünftig Englisch zu sprechen, einmal eine angesehene Schule in Virginia besuchen würde?

Kopfschüttelnd betrachtete er den Brief.

Es war kaum mehr als zwei Jahre her, daß Dooley Barlowe schmutzig, zerlumpt und barfuß im Pfarrbüro aufgetaucht war. Sein Großvater war zu krank gewesen, um den Jungen zu versorgen, den ein abtrünniger Vater und eine alkoholkranke Mutter verlassen hatten. Auf diese Weise war Dooley im Pfarrhaus gelandet. Allein durch Gottes Gnade war es ihm und Dooley gelungen, gefährliche Zeiten zu überstehen.

»Ich habe nachgedacht«, sagte Emma und sah ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Wird Cynthia mit anfassen und in der Kirche aushelfen?«

»Sie kann so viel oder so wenig tun, wie sie möchte.«

»Ich fand immer, daß eine Pfarrersfrau mit anfassen sollte.« Sie verzog das Gesicht zu genau jener Grimasse, die ihm so mißfiel. »Wenn Sie mich fragen, was Sie nicht getan haben, wird die Gemeinde es erwarten.«

Ja, tatsächlich, wenn er die Baptisten dazu bringen konnte, ihm Emma Newland abzunehmen, würde er drei Kreuze machen.

»Miss Sadie«, sagte er, als sie in Fernbank an den Apparat ging. »Ich habe einen Brief von Dooley bekommen. Er schreibt, es gefiele ihm nicht auf dieser feudalen Schule.«

»Es ist völlig egal, ob es ihm gefällt oder nicht. Darum geht es nicht«, sagte sie freundlich.

»Wenn Sie zwanzigtausend Dollar im Jahr auf den Tisch des Hauses legen, können Sie ganz schön unnachgiebig sein, Miss Sadie.«

»Wenn ich nicht unnachgiebig sein könnte, Pfarrer Tim, hätte ich keine zwanzigtausend, um sie auf den Tisch des Hauses zu legen.«

»Sie werden sich sicher freuen zu hören, daß der Direktor mit ihm zufrieden ist. Er begreift manchmal ein bißchen langsam, kommt ansonsten aber mit diesen reichen Bürschchen gut mit. Übrigens sind sie gar nicht alle reich. Mehrere haben ein Stipendium und kein größeres Vermögen als unser Dooley.«

»Gut! Vergessen Sie nicht, die Sache kann ihm nur nützen. Und daß Sie sich ja nicht weichklopfen lassen und ihn mitten in der Nacht da raushauen.«

»Sie können sich auf mich verlassen«, sagte er.

»Louella und ich haben uns von dem ganzen Theater im Juni beinahe wieder erholt ...«

»Der Juni war ein echter Hammer, das stimmt.«

»Schließlich sind wir keine jungen Hüpfer mehr.«

»Sie könnten aber glatt noch dafür durchgehen.«

»Ich werde bei meinem nächsten Geburtstag neunzig und Louella verrät nicht, wie alt sie ist. Übrigens, wir wollten Sie und Cynthia mal zum Abendessen einladen. Was sollte es noch gleich geben, Louella?«

Er hörte Louellas Mezzosopran aus einer Ecke in der großen Küche schallen: »Brathuhn, Kartoffelpüree, Soße und Krautsalat!«

»O Mann!« zitierte er eine beliebte Äußerung Dooleys.

Die Speisekarte war jedoch noch nicht zu Ende. »Heiße Biskuits, gedünstete Äpfel, gefüllte Eier, Brot und Buttergürkchen ...«

Barmherziger! Ein akuter Schub seiner Diabetes würde ihn in die Notaufnahme befördern, noch bevor die anderen ihre Stühle vom Tisch zurückgeschoben hatten.

»Und was sollte es noch zum Nachtisch geben?« trällerte Miss Sadie in der Ferne.

»Selbstgebackenen Kokoskuchen!«

Ah, das bedeutete endgültig das Koma. Kaum ein einziges seiner Gemeindemitglieder dachte daran, daß er mit dieser elenden Krankheit geschlagen war, die Information schien bei den meisten zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder herauszugehen.

»Fragen Sie Louella, ob sie mich heiraten will«, sagte er.

»Louella, der Pfarrer will wissen, ob du ihn heiratest ...«

»Sagen Sie ihm, er hätt 'n kurzes Gedächtnis. Wo er doch gerade erst Miss Cynthia zum Altar geführt hat.«

Er lachte, dankbar für die Labsal dieser alten Freundschaft. »Sie brauchen nur zu sagen, wann«, sagte er. »Wir werden da sein.«

Der Herbst hielt Einzug in den Bergen.

Hier setzte er den roten Ahorn in Brand, dort zeichnete er Eichen rostrot und gelb. Dicke Persimonen nahmen die Farbe geschmolzenen Goldes an und warteten nur darauf, daß der Frost ihr bitteres Fleisch zu Honig machte. Sassafras, Hartriegel, Pappel und Judasbaum wurden von dem tollkühnen Feuer des Herbstes entflammt und zeigten ihren farbenprächtigen Teppich auf jedem Kamm, jeder Kuppe, in jedem Tal und jeder Schlucht.

Am elften Oktober standen die Ahornbäume, deren Reihe sich von der Ersten Baptistengemeinde bis zu Winnie Iveys Cottage am Mitforder Bach hinzog, voll in Flammen.

»So schön wie nie!« sagten viele Dorfbewohner. Sie holten ihre Fotoapparate heraus, um diese einzigartige Pracht festzuhalten.

Der Chef der Lokalzeitung, J. C. Hogan, verknipste ganze sechs Filme. Zum ersten Mal seit der Zweihundertjahrfeier der Nation sahen die Leser einen Vierfarbdruck auf der Titelseite der Mitford Muse.

Allerorten beschleunigte sich das Lebenstempo in dem blendenden Licht, das jetzt vom Gabriel Mountain hinab schräg auf das ganze Land fiel.

Avis Packard hängte ein Transparent über die grüne Markise des ›Ladens‹: Jetzt frischer Dorfschinken, demnächst Kohl.

Dora Pugh dekorierte im Landhandel das Schaufenster neu und stellte Laubharken, Fahrradluftpumpen, lebende Kaninchen und gußeiserne Kasserollen aus. »Welches Motto hat denn Ihr Schaufenster?« fragte jemand. »Das Leben«, erwiderte Dora.

Die Bibliothek stellte ihr Leseprogramm für den Herbst vor und lud die Autorin der Violet-Bücher zu einem Gespräch darüber ein, woher sie ihre Ideen bezog. »Ich habe keine Ahnung, woher ich meine Ideen habe«, erklärte sie Avette Harris, der Bibliothekarin, »sie sind einfach plötzlich da.«

»Also dann«, sagte Avette, »haben Sie vielleicht irgendeine Idee für ein anderes Thema?«

Die Dorfkirchen kamen überein, daß das von allen Gemeinden veranstaltete Erntedankfest bei den Episkopalen stattfinden sollte und das Weihnachtskonzert der Jugendchöre bei den Ersten Presbyterianern.

In der Kapelle Unseres Herrn schmückte man den Altar nun mit Kürbissen und legte zur Betonung des ganzen Arrangements hier und da Zweige des feurigroten Ahorns aus. Zu dieser Jahreszeit kümmerte sich der Pfarrer gern persönlich um den Blumenschmuck. Er gab auch unumwunden zu, daß ihm diese Zeit des Jahres die liebste war, und seine Predigten waren dann, wie jemand bemerkte, so elektrisierend wie die scharfe, reine Luft.

»Nehmet dies«, sagte er eines Sonntagmorgens, während er den Kelch und die Hostie über den Altar hob, »im Gedenken daran, daß Jesus Christus für Euch gestorben ist, und eßt von seinem Leib mit gläubigem Herzen und Dankbarkeit für eine gute Ernte.«

Seiner eigenen Frau die Hostie zu geben, war etwas, das ihm vielleicht bis ans Ende seiner Tage rühren und erstaunen würde. Mehr als sechzig Jahre des Junggesellendaseins und jetzt dies – zu sehen, wie sie ihm erwartungsvoll das Gesicht entgegenhob, die Wärme ihrer Hand zu spüren, während er ihr das Brot auf die Hand legte. »Dies ist der Leib Christi, der für dich hingegeben wurde, Cynthia.«

Ihm entging auch nicht das farbig schillernde Licht, das durch eines der bunt verglasten Fenster auf ihr Haar fiel, als sollte sie dadurch noch erhöht werden. Es konnte gewiß nichts Himmlisches daran sein, daß sie nun den Rest ihres Lebens mit ihm würde beschließen müssen, mit seinen eingefahrenen Gewohnheiten und seiner teuflischen Diabetes.

Nach dem Gottesdienst klemmte er sich sein Predigtbüchlein unter den Arm, und Hand in Hand gingen sie gemeinsam nach Hause. Er fühlte sich so frei wie ein Schuljunge, so leicht wie Luft. Was hatte er nur getan, um sich Gottes Liebe zu verdienen – und ihre obendrein?

Genau darum ging es. Er hatte nichts getan. Es war reine Gnade, und nichts als Gnade.

Er saß in seinem Sessel am Kamin und las die Zeitung. Barnabas kam aus der Küche und streckte sich zu seinen Füßen aus.

Cynthia saß barfuß und in ihrem Lieblingsmorgenmantel auf dem Sofa und kritzelte etwas in ein Notizbuch. Sie hatte sich eins seiner antiquierten Handtücher um ihr feuchtes Haar geschlungen. Er konnte es immer noch nicht fassen, wenn er sie so auf seinem Sofa sitzen sah, so behaglich, als lebte sie hier – was sie, wie er immer wieder und zu seinem häufigen Erstaunen feststellte, ja auch tat.

»War das nicht wundervoll?« fragte sie.

»War was nicht wundervoll?«

»Unsere Hochzeit.«

»O ja!«

Sie schnitt dieses Thema ziemlich häufig an, und so langsam wußte er nichts Neues mehr dazu zu sagen.

»Ich denke furchtbar gern daran«, sagte sie, schlug ein gesticktes Kissen auf und schob es sich hinter den Kopf. »Frack und Priesterkragen sind eine atemberaubende Kombination.«

»Im Ernst?« Das würde er sich merken.

»Ich finde, du solltest dich, wenn es sich ergibt, wieder so anziehen.«

Er lachte. »Du bist aber bescheiden.«

»Das stimmt, mein Liebster. Nur nicht, was meinen neuen Ehemann betrifft. Auf diesem Gebiet bin ich ganz und gar unbescheiden.«

Wieder spürte er, wie sich dieses lächerliche, unkontrollierbare Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete ...

»Es war eine wunderbare Idee, Dooley darum zu bitten, zu singen. Er war absolut professionell. Und Gott sei gedankt für Ray Cunninghams Videokamera! Ich liebe die Bilder von dir und Stuart in seinem Bischofsornat, wie ihr da auf dem Kirchhof steht ... Und wenn man Miss Sadie und Prediger Greer miteinander lachen sieht ...«

»Noch zwei Herzen, die im selben Takt schlagen.«

»Möchtest du dir das Video nicht noch einmal ansehen? Ich würde uns Popcorn machen.«

»Vielleicht in ein oder zwei Tagen.« Hatten sie den Film nicht erst letzte Woche gesehen?

»Es war so lieb und charmant, wie du darauf bestanden hast, einen Schinken für unseren Empfang zu backen.«

»Ich backe immer einen Schinken für Hochzeitsempfänge in der Kapelle Unseres Herrn«, sagte er. »Eine Gewohnheit, die ich jetzt nicht mehr loswerde.«

»Verrätst du mir etwas ...?«

»Alles!« Würde er ihr wirklich alles verraten?

»Wie hast du es nur geschafft, mir einen Antrag zu machen? Was ist passiert?«

»Mir wurde klar ... das heißt, ich ...« Er hielt nachdenklich inne und rieb sich das Kinn. »Um die Wahrheit zu sagen, ich konnte einfach nicht dagegen an.«

»Hm«, sagte sie und lächelte ihm zu. »Weißt du, ich fand es herrlich, wie du auf einem Knie gehockt hast.«

»In Wirklichkeit war ich durchaus bereit, auf beide Knie runterzugehen. Sobald ich mich jedoch auf eines niedergelassen hatte, wußtest du ja, was kommen würde, und du schienst so glücklich darüber zu sein, daß eine weitere Mühsal meinerseits nicht mehr notwendig war.«

Sie lachte schallend und streckte ihm die Arme hin. »Bitte komm zu mir, mein Liebster. Du bist so weit weg da drüben!«

Das Telefon klingelte gerade in dem Augenblick, in dem im Fernsehen die Nachrichten begannen. Es war sein Arzt und Freund, Hoppy Harper, der aus dem Krankenhaus anrief.

»Wie schnell können Sie hier sein?«

»Hm ...«

»Erklärungen später. Kommen Sie einfach.«

Dreißig Sekunden später war er unterwegs.

KAPITEL 2Brot der Engel

»Dr. Harper ist im Operationssaal, Pfarrer Tim, er kann nicht rauskommen. Er sagte nur, ich solle Sie in sein Büro bringen.«

Schwester Kennedy öffnete eine Tür und schob ihn entschlossen hindurch.

»Er hat gesagt, Sie sollten nach Kräften beten und nicht eher damit aufhören, bis er selbst wieder hier ist. Beten Sie für Angie Burton; sie ist sieben. Dr. Harper sagt, es sei ein Blinddarmdurchbruch, ein septischer Schock. Wir beten alle – außer Dr. Wilson.«

Schwester Kennedy, die im allgemeinen so fröhlich wirkte, zog mit angespanntem Gesichtsausdruck die Tür hinter sich zu.

In Hoppys überfülltem Büro brannte nur eine einzige Lampe.

Angie Burton. Das mußte Sophia Burtons Jüngste sein. Er dachte an Sophia, von der allgemein bekannt war, daß sie mit ihren beiden Töchtern jeden Sonntag morgen bei Regen und bei Sonnenschein zur Ersten Baptistengemeinde kam und ihnen den dreiundzwanzigsten Psalm beigebracht hatte, sobald sie sprechen konnten. Sie arbeitete in der Konservenfabrik in Wesley und schlug sich tapfer allein durchs Leben. Jahrelang hatte sie ihren Ehemann erdulden müssen, der erst ihren Wagen zu Schrott gefahren, dann versucht hatte, ihr Haus abzubrennen, und schließlich mit nur wenigen Schritten Vorsprung vor dem Gesetz nach Tennessee verschwunden war.

Timothy rief zu Haus an und bat Cynthia, ebenfalls zu beten, dann ließ er sich neben Hoppys Schreibtisch auf die Knie sinken.

»Gott, der Du unser Tröster bist, unsere einzige Hilfe in Zeiten der Not, steh in Deiner unendlichen Güte der kleinen Angie bei ...«

Es war beinahe Mitternacht, als Hoppy die Tür öffnete. »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte er. »Ich hätte Sie bitten können, zu Hause zu beten, aber ich hatte nur einen Gedanken, nämlich Sie hier zu haben – im Krankenhaus.«

Der Pfarrer hatte diesen Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes schon zuvor gesehen. Es war ein Ausdruck tiefster Erschöpfung. »Wie ist es gelaufen?«

Es folgte eine lange Pause. Hoppy blickte auf und schüttelte den Kopf. »Wir haben alles getan, was wir konnten.«

Müde ließ er sich auf den Stuhl an seinem Schreibtisch fallen. »Seit wir bei Olivias Transplantation gebetet haben und ich sah, welche Wunder damals geschehen sind, habe ich für meine Patienten gebetet. Eines Tages habe ich Schwester Kennedy gefragt, ob sie nicht ebenfalls beten könne. Sie hat dann mit Schwester Baker gesprochen, und schon bald stellte sich heraus, daß der ganze Operationssaal betete.

Ich habe nie mit Ihnen darüber gesprochen, aber ich dachte immer, ich würde ... wir haben einige Male erlebt, daß sich das Blatt wendete. Kein Wunder vielleicht, aber Wendungen zum Besseren. Wir konnten spüren, daß da etwas Machtvolles im Gange war, etwas, das wir erkunden wollten.«

Hoppy nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Tatsache ist jedoch, wir haben gebetet, Sie haben gebetet, aber Angie Burton ist nicht durchgekommen.«

Was konnte er dazu sagen?

Angie Burtons Tod war etwas, das das Dorf kaum verkraften konnte.

Winnie Ivey war gramgebeugt – Angie und ihre Schwester Liza waren nach der Schule oft in die Leckerbäckerei gekommen. Sie war für die beiden Oma Ivey gewesen und hatte ihre Schulzeichnungen in der Küche der Leckerbäckerei aufgehängt.

Der Redakteur der Muse, der kaum je mit einem Kind sprach oder es auch nur zu Kenntnis nahm, war beim Frühstück in der Grillstube plötzlich zu Tränen gerührt und erhob sich fluchtartig von seinem Tisch.

Coot Hendrick ging mit einer Pastete, die seine alte Mutter gebacken hatte, zu Sophias Haus, lief aber, da er nichts zu sagen wußte, wieder fort, bevor jemand die Tür öffnete.

Die Mitglieder der Ersten Baptistengemeinde trauerten um das Kind. So viele von ihnen hatten Anteil an Angies Leben genommen, hatten sie als Säugling im Arm gehalten, sie in der Sonntagsschule unterrichtet und dafür gesorgt, daß sie und Liza regelmäßig einen Karton mit anständigen Kleidern bekamen. In den letzten Jahren hatte jemand ohne Aufhebens die Apothekenrechnung bezahlt, als die Mädchen Grippe hatten.

Nach der Beerdigung machte der Pfarrer mit seiner Frau einen Besuch in dem gemieteten Haus hinter Low Boyds Exxon-Tankstelle, die den meisten Dorfbewohnern noch als Esso-Tankstelle bekannt war.

Er sagte nicht viel, sondern saß auf dem Sofa und hielt Sophias Hand, während man im Hintergrund das Gemurmel der Nachbarn hören konnte, die das Essen in die Küche brachten.

Neben ihm hatte Cynthia Liza auf dem Schoß und strich liebevoll über die feuchte Wange, die sich an ihre Schulter lehnte.

Als Liza zu schluchzen begann, begann Cynthia leise mit ihr zu weinen. Irgendwie weinten sie dann alle und kauerten sich so auf dem Sofa zusammen.

Es war furchtbar und wunderbar zugleich. Es war ihm egal, daß er plötzlich keine Kontrolle mehr über die Dinge hatte, daß seine Trauer sich unabhängig von seinem Willen Bahn brach.

Sie hielten einander in den Armen, bis die Woge ihres Kummers vorüber war und er wieder beten konnte. Sie alle wußten, daß er keine Antworten hatte, obwohl sie es vielleicht gehofft hatten.

Als er mit Cynthia zurück zu ihrem Wagen ging, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen nur »Verdammt«.

Sie sah ihn an, sah, wie dieser Tod ihn berührte und erschütterte. Im Wagen nahm sie seine Hand und legte sie sich an die Wange. »Ich bin so froh, daß du ein so warmherziger Priester bist.«

Er kam sich nicht warmherzig vor. Er kam sich hilflos und ausgelaugt vor.

»Das oberste wird zuunterst gekehrt, und alles stürmt im Galopp nach hinten«, hatte der neue Baptistenprediger ihm gestern versichert.

Der sonst so fröhliche Prediger sah aus, als hätte er eine Dosis Rizinusöl geschluckt. »Rechnen Sie damit, daß Sie die ersten sechs Monate in Elend und Verwirrung verbringen werden und die nächsten sechs Monate nur in Verwirrung.«

Für jemanden, der kaum in der Lage war, eine Tasse Kaffee im Mikrowellenherd zu erhitzen, schien der Gedanke an das, was vor ihm lag, schier unausdenkbar. Aber trotz all der Unkenrufe, die er zu diesem Thema gehört hatte, wußte er, daß sein Kirchenvorstand recht hatte – es mußte sein. Tod, Steuern und Computersysteme. Das war das Gesetz des Landes, und niemand konnte sich ihm entziehen.

»Emma, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll. Der Kirchenvorstand möchte, daß wir auf Computer umstellen.«

Sie sah ihn über den Rand ihrer Brille an. »Was? Was haben Sie gesagt?«

»Ich sagte, der Kirchenvorstand will, daß wir auf Computer umstellen. Der Bischof glaubt, daß sich auf diese Weise eine gewisse Übereinstimmung in die Angelegenheiten der Diözese bringen läßt. Und wahrscheinlich wird es für die Angelegenheiten der Kapelle Unseres Herrn von großem Nutzen sein. Sie werden das bestimmt auch bald sagen, wenn wir den Bogen erst einmal raus haben.«

»Ohne mich!«

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und tat etwas mit ihrem Mund, das sie wie Dschingis Khan mit Ohrringen aussehen ließ.

»Diese Sache könnte niemandem mehr zuwider sein als mir«, sagte er. »Aber es muß sein.«

»Ich arbeite jetzt seit vierzehn Jahren hier, tagein, tagaus, und das ist der Dank? Ich schufte wie ein Sklave über diesen Büchern, hüte jeden Penny, überprüfe jede Summe, und wie viele Fehler habe ich gemacht?«

»Nun«, sagte er, »da war dieser Bürgschaftsbericht vor fünf Jahren ...«

»Wirklich eine große Sache! Als wären schäbige vierzehntausend Dollar ein Grund zur Aufregung ...«

»... und die Sache mit Sam McGee ...«

»Sam McGee! Dieser alte Knicker! Jeder kann behaupten, er hätte tausend Dollar in den Klingelbeutel gelegt, und die Sekretärin hätte den Scheck verschlampt! Ich hoffe, Sie wollen mir nicht erzählen, ein Computer hätte diesen dummen Scheck finden können, den McGee wahrscheinlich überhaupt nie ausgestellt hat!«

»Ah, hm ...«

»Na also!« sagte sie und atmete tief ein. »Dann suchen Sie sich eben ein junges Ding mit einem Rock, der gerade mal über den Hintern reicht, und zahlen einen Lohn, daß Ihnen Hören und Sehen vergeht. Hat der Kirchenvorstand sich überlegt, wieviel Geld Sie für so eine Sekretärin ausspucken müssen, während das Geld, das Sie an mir sparen, in Bücher für die Sonntagsschule und Suppenküchen fließt? Ha! Der Gedanke ist denen bestimmt nie gekommen, wenn Sie mich fragen!«

Er hatte einen Vulkanausbruch erwartet – und er hatte ihn bekommen.

Sie lagen im Bett, im Rücken die gewaltigen Kissen, die sie in Abfallsäcken aus ihrem Haus herübergeschleppt hatte. Er mußte zugeben, daß diese weichen Gänsedaunen bequem waren. Er kam kaum über die erste Seite seines Buches hinaus, ohne einzunicken.

»Timothy, schnarche ich?«

Er mochte es, wie ihre Fragen manchmal einfach aus dem Blauen geschossen kamen, ohne irgendeinen ersichtlichen Zusammenhang. Eine gute Übung für einen Kirchenmann.

Er nahm die Brille ab und sah seine Frau an. »Ob du schnarchst? Meine Liebe, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber du bringst geradezu die Fensterscheiben zum Klirren. Ich denke jedoch, es ließe sich überwinden, wenn du mit geschlossenem Mund schlafen würdest ... was vielleicht auch das Sabbern etwas einschränken würde.«

»Timothy!«

»Siehst du jetzt, wie das ist? Du hast mir gesagt, ich würde im Schlaf murmeln und mit den Zähnen knirschen. Also, wie du mir, so ich dir.«

»Bitte sag mir, daß du nur Spaß machst. Ich schnarche doch nicht wirklich, oder?«

»Um die Wahrheit zu sagen, nein. Du schnarchst nie. Vielleicht ein Schnauferchen hier und da, aber nichts Ernstes.«

»Und kein Gesabber?«

»Nicht, daß ich wüßte.«

Sie sah ihn selbstgefällig an. »Aber du murmelst wirklich im Schlaf.«

»Es gibt schlimmere Fehler.«

Er hörte nie auf zu staunen, wie sich all das entwickelt hatte. Wenn er gewußt hätte, daß das Zusammensein so tröstlich war, hätte er früher kapituliert. Warum hatte er nur solche Angst vor der Ehe gehabt, vor Intimität, vor Liebe?

Erst heute morgen hatte er wieder die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten gelesen, und, wie Gott sie auf wundersame Weise versorgt hatte. Manna jeden Tag, und sie brauchten es nur einzusammeln.

»Brot der Engel aßen sie alle«, hatte der Psalmist es ausgedrückt.

Irgendwie schien ihm das auch seine Ehe zu beschreiben. Jeden Tag wurde ihm ohne sichtbare Anstrengung seinerseits Gottes außerordentliche Zuteilung an Zufriedenheit geschenkt – sie wartete einfach auf ihn, jeden Tag, wenn die Sonne aufging; er brauchte sie nur noch einzusammeln.

»... Brot der Engel«, sagte er leise.

»Siehst du! Du murmelst ja schon, bevor du richtig eingeschlafen bist!«

»Ich wußte nie so recht, was ich tat, bis du und Dooley Barlowe in mein Leben gekommen seid.«

Sie lehnte sich in ihrem gestreiften Schlafanzug an ihn und gähnte glücklich.

»Du bist so ein Trost, Timothy. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich jemanden wie dich finde – manchmal weiß ich kaum noch, wo ich aufhöre und wo du anfängst.«

Dasselbe traf auf ihn zu, aber er sagte nichts.

»Ich glaube, unsere Liebe läßt sich in die Kategorie Wunder einordnen«, sagte sie.

»Gleich neben die Sache mit dem Roten Meer, meiner Meinung nach.«

»Glaubst du, daß die Menschen, die dich lieben, sich für uns freuen? Fühlt sich die Gemeinde nicht ein wenig ... betrogen?«

»Niemals. Sie sind glücklich darüber, daß sich jemand um mich kümmert, damit sie das nicht mehr tun müssen. Andererseits mußten sie das natürlich nie tun, aber unverheiratete Priester bedürfen landläufiger Auffassung nach zusätzlicher Aufmerksamkeit.«

Er legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie an sich.

Sie küßte ihn aufs Kinn. »Mein Liebster?«

»Hin?«

»Wollen wir diesen Samstag den Schrank rüberholen?«

Aus blauem Himmel, schon wieder! Er mußte schnell sein. »Diesen Samstag wollte ich dich zu einer kleinen ... Spritztour einladen.«

»Ich liebe Spritztouren! Was machen wir?«

Sein Leben lang war er außerstande gewesen, einen freien Tag zu gestalten. Als Junggeselle hatte es ihn immer wieder maßlos erstaunt, mit welcher Sorgfalt die Menschen eben diese Sache planten. »Was hast du dieses Wochenende vor?« fragte zum Beispiel jemand, und der Befragte spulte daraufhin eine verblüffende Liste von Aktivitäten ab – ein Ballspiel, ein Kinofilm, ein Essen im Restaurant, ein Spiel, eine Wanderung, ein Picknick und Gott weiß, was sonst noch. Wenn man ihm eine solche Frage stellte, kratzte er sich stets sprachlos den Kopf. Er wußte nie, was er unternehmen wollte, bis er es wirklich tat.

»Es wird eine Überraschung«, erklärte er.

»Gut! Ich liebe Überraschungen!«

»Cynthia, Cynthia. Was liebst du eigentlich nicht?«

»Autoabgase, Filme, die fürs Fernsehen produziert werden, und Kuchen aus einer Backmischung.«

»Ich schwärme für Frauen, die wissen, was ihnen gefällt – und was nicht.« Er räusperte sich. »Was mich betrifft, mir gefällt das.«

»Das was?«

»Das ... Zusammenleben mit dir.«

»Warum hast du dich dann mit Zähnen und Klauen gegen mich gewehrt? Und das länger, als der Bau der Brooklyn Bridge dauerte?«

»Keine Vorstellungskraft«, gab er zu. »Keine Phantasie. Keine ...«

»Keine blasse Ahnung vom Paradies?«

»Du sagst es.«

»Na dann ...«

Er beugte sich vor und küßte sie genüßlich auf den Mund.

»Ach, du meine Güte«, murmelte sie schließlich. »Wer hätte je gedacht ...?«

»Barnabas!« rief er und trat in die Küchentür.

Es war Freizeit angesagt, und er machte besser ernst damit. Sonst würde er zur Eisenwarenhandlung rüber müssen, um sich eine Rückenbandage und Tragegurte für den Transport des elenden Schranks zu leihen.

Barnabas kam aus dem Arbeitszimmer, rutschte auf einem Flickenteppich durch die Küche und sprang hoch, um seinem Herrn ausgiebig das linke Ohr abzulecken.

»Wenn wir aber unsere Sünden bekennen«, beeilte sich der Pastor aus dem ersten Johannesbrief zu zitieren, »so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.«

Barnabas machte erst Sitz, dann legte er sich hin, seufzte und blickte zu seinem Herrn auf.

Er besaß den einzigen Hund auf Erden, den das Wort Gottes unweigerlich in seine Schranken wies. Wenn die ganze Menschheit in ähnlicher Weise reagieren würde ...

»Ich bin fertig!« rief Cynthia und trat aus dem Arbeitszimmer. Sie trug Bluejeans und ein Sweatshirt, Tennisschuhe und einen Parka und sah aus wie ein junges Mädchen.

»Fertig wofür?« fragte er grinsend.

»Was du sagtest ...«

Er war aufgeregt wie ein kleiner Junge, dagegen ließ sich nichts tun.

»Los geht's«, sagte er und hielt ihr seinen Arm hin.

Barnabas lag im hohen Gras, und die Zunge hing ihm nach dem langen Marsch bergauf aus dem Maul.

Sie waren zweimal um den Mitforder See gelaufen. Von der scharfen Luft waren ihre Wangen gerötet. Sie hatten Lunch aus einer Papiertüte gegessen, auf einem Baumstamm gesessen und gelacht und waren dann die Alte Kirchgasse hinaufgelaufen, um sich auf der Steinmauer auszuruhen, von der aus man einen Blick über die ganze »Tagesdeckenlandschaft« hatte, wie er sie nannte.

Im Tal mit seinen Kirchtürmchen und Getreidefeldern, seinen winzigen Häusern und dem funkelnden Fluß konnten sie überall den Rückzug des Herbstes beobachten. Nur ein schwacher Hauch von Farbe war in den Bäumen verblieben.

»Ich habe eine wunderbare Idee«, sagte er.

»Schieß los!«

»Warum unternehmen wir nicht jede Woche so etwas? Wir versinken alle beide in unserer Arbeit, und vielleicht wäre das ein geeignetes Gegenmittel. Wir wollen uns in Zukunft vornehmen, ein bißchen rauszugehen, und sei es nur für ein paar Stunden.« Er lernte gerade etwas Neues, er spürte es direkt. Wer sagte, daß man einem alten Hund keine neuen Kunststückchen mehr beibringen konnte?

»Himmlisch!«

Mit wachsender Begeisterung sprach er weiter. »Selbst mitten im Winter!«

»Wunderbar! Ich bin absolut deiner Meinung.«

So. Nach all dem Gerede über Bankkonten, über die Frage, wo sie schlafen sollten und wieviel sie ohne die Zustimmung des anderen ausgeben wollten, war dies ihr erster wichtiger Pakt.

»Hand drauf«, sagte sie.

Sie saßen auf der Mauer, bis ein scharfer Wind von Norden aufkam, dann gingen sie mit schnellem Schritt die Alte Kirchgasse hinunter und durch den Baxterpark.

»Sieh nur«, sagte er. »Da ist unsere Bank.«

»... auf der wir gesessen haben, als es anfing zu regnen ... auf der du gesagt hast, du fühltest dich wie dünne Suppe, mich eingeladen hast, mit dir zum Bischof zu fahren.«

Das Gedächtnis seiner Frau beeindruckte ihn, da er selbst sich nicht daran erinnern konnte, etwas über dünne Suppe gesagt zu haben.

»Ach, übrigens«, überlegte er laut, »wer wollte heute abend eigentlich das Essen kochen?«

»Daran kann ich mich nicht erinnern«, sagte sie und zog die Stirn kraus.

Percy schlurfte zum letzten Tisch und schenkte dem Pfarrer, der zu einem frühen Mittagessen hereingekommen war, Kaffee ein. »Wie gefällt es Ihnen denn?«

»Am liebsten so wie immer. Schwarz.«

»Das meine ich nicht.«

»Was meinen Sie denn dann?«

»Wie gefällt Ihnen die Ehe?«

»Gut. Sehr gut.«

Das war das erste Mal seit seiner Rückkehr aus den Flitterwochen, daß einer der Leute aus der Grillstube ihn ernsthaft nach seinen neuen Lebensumständen fragte. Weder Percy Moseley noch Mule Skinner oder J. C. Hogan hatten ein einziges Wort über die Sache verloren.

Er konnte sich nur den einen Reim darauf machen, daß es sie restlos überfordert hatte, wie jemand, den sie seit fast fünfzehn Jahren kannten, plötzlich einfach mir nichts dir nichts heiratete.

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich's noch mal tun würde«, sagte Percy.

»Sie wissen, daß Sie es tun würden. Woher hätten Sie denn sonst diese wunderbaren Enkelkinder kriegen sollen?«

»O, ja«, sagte der Grillstubenbesitzer, und seine Miene hellte sich auf.

»Ich würde es auf der Stelle wieder tun«, sage Mule, während er sich an den Tisch setzte. »Fancy sieht heute besser aus als an dem Tag, an dem ich sie geheiratet habe.«

J. C. nahm auf der anderen Seite Platz. »Ich würde diese Sache nicht mal mit spitzen Fingern anfassen. Mich kriegten sie nicht mal für eine Million Dollar dazu.«

»Vor oder nach Abzug der Steuern?« erkundigte sich Mule.

J. C. tupfte sein Gesicht mit etwas ab, das wie ein Stück von einem Papiertaschentuch aussah. »Einmal war schon einmal zuviel. Lieber würde ich mich von einem Exekutionskommando erschießen lassen.«

»Ist das Kaffee mit oder ohne Koffein?« fragte Mule. »Fancy hat mich auf entkoffeinierten Kaffee gesetzt; ich versuche jetzt schon seit zwei Tagen vergebens, richtig wach zu werden. Geben Sie mir ein kleines Schlückchen von beidem.«

J. C. hielt Percy seine Tasse hin. »Ich hab's eine Woche lang mit Entkoffeiniertem versucht und die Zeitung nur mit knapper Not gedruckt bekommen. Wir haben das elende Ding auf vier Seiten zusammengekürzt; ich konnte nicht mal eine Anzeige einkleben, ohne lang hinzuschlagen und ein Nickerchen zu machen.« Er blies auf den dampfenden Kaffee. »No, Sir, nicht für allen Tee in China würde ich noch mal heiraten. Die Frauen wollen einem lediglich sagen, wo es langgeht – sie setzen einen auf Diät, nehmen einem den Schinken weg, setzen einen auf Margarine, nehmen einem das Koffein weg.«

»Sie sind heute aber mächtig redselig«, sagte Mule.

»Ich war die halbe Nacht bei der Feuerwehr. Omer Cunninghams alter Heuschober hat Feuer gefangen und die Funken sind auf den Schuppen übergesprungen, in dem er dieses antike Flugzeug stehen hat. Die Feuerwehr ist angerückt, und bis drei Uhr morgens stand es auf Messers Schneide.«

»Ich dachte, ich würde vielleicht auch mal ein bißchen Zeitung machen«, sagte Mule, »aber ich hab's überwunden.«

»Wenn dieses Flugzeug Feuer gefangen hätte, hätten Sie vielleicht ein Fahrgestell auf Ihrer Veranda gefunden.«

»Es war Benzin drin, wie?«

»Sie kennen doch Omer, er ist immer startbereit. Er braucht lediglich einen ungepflügten Acker. Jetzt, meint er, würde er es in einen Hangar auf dem Flugplatz verlegen.«

Mule rührte Salme in seinen Kaffee. »Irgend jemand hat mir erzählt, Mack Stroupe würde für die nächste Bürgermeisterwahl kandidieren.«

»Mack steht für Veränderung«, sagte J. C. »Entwicklung, Fortschritt und Veränderung – das ist sein Programm.«

»Mir gefällt das Programm, das wir haben«, sagte der Pfarrer. »In Mitford sind wir füreinander da!« zitierte er im Einklang mit Mule.

Jeder in Mitford kannte Bürgermeisterin Esther Cunninghams Programm, einschließlich der Schüler der Mitforder Schule, die es auf ein Nylontransparent gemalt hatten. Dieses Transparent wurde bei der Parade zum Unabhängigkeitstag alljährlich die Hauptstraße entlanggetragen.

»Wissen Sie noch, wie er seinen Hot-Dog-Stand gebaut hat, als er glaubte, Percy müßte sein Geschäft aufgeben? Jetzt will er diese Seite des Gebäudes zum Hauptquartier für seinen Wahlkampf machen.«

»Genau«, sagte J. C. »Und ich bin der Papst. Sie würden diese Stadt nicht dazu kriegen, für irgend jemand anderen als Esther Cunningham zu stimmen, und wenn Sie ihm bares Geld zahlten. Die Leute werden sie erst in ihrem Sarg aus dem Büro tragen.«

»Er wird nie gewählt«, sagte der Pfarrer, »also können wir die Sache einfach vergessen. Mack ist kein Genie, aber er ist auch nicht dumm.«

Mule beugte sich in den Gang und hielt Ausschau nach Velma. »Bestellen wir jetzt, oder bin ich hergekommen, um was für meine Gesundheit zu tun?«

»Also deshalb sind Sie bestimmt nicht hergekommen«, sagte J. C.

Percys Frau, Velma, stand plötzlich wie aus dem Nichts mit ihrem Bestellblock da. »Bestellen Sie das Sonderangebot.«

»Was ist es?« erkundigte sich der Pfarrer.

»Hackfleischpastetchen belegt mit Ananas.«

»Wie ist die Ananas geschnitten?« wollte Mule wissen. »Ich hab sie gern in Scheiben, nicht in Stücken.«

Velma runzelte die Stirn. »Es sind Stücke.«

»Dann nehme ich einen überbackenen Käse. Nein, warten Sie.« Mule trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Bringen Sie mir eine Schale Suppe und ein Hot dog mit allem Drum und Dran. Fancy hat mir Käse verboten.«

»Ich nehme einen doppelten Cheeseburger mit allem Drum und Dran, viel Senf und Mayonnaise, und dazu eine große Portion Pommes frites.« J. C. gab seine Bestellung mit lauterer Stimme auf als gewöhnlich, um klarzustellen, daß er ein freier Mann war.

»Sie brauchen nicht so zu schreien, sonst platzen mir noch die Trommelfelle«, sagte Velma.

Mule seufzte. »Wenn ich so drüber nachdenke, lassen Sie bei mir die Zwiebeln weg, davon krieg ich immer Verdauungsstörungen.«

Velma beäugte den Pfarrer, den die frische Schärfe der Oktoberluft inspirierte. »Rindereintopf!« erklärte er.

»Tasse oder Terrine?«

»Terrine!«

»Brötchen oder Kräcker?«

»Kräcker.«

»Ändern Sie meine Bestellung und bringen Sie mir auch den Rindereintopf«, sage Mule. »Es ist immer lecker, was er bestellt. Aber für mich keine Kräcker, ich nehme das Brötchen. Und lassen Sie die Butter weg.«

»Ich habe noch nie gehört, daß Rindereintopf in der Tasse serviert wird«, sagte J. C.

»Kräcker sind was für Kranke«, sagte Mule.

»Barmherziger!« Velma riß die Bestellung von ihrem Block und reichte sie an Percy weiter.

Mule wandte sich an den Pfarrer. »Eine Sache will mir nicht aus dem Kopf ...«

»Und die wäre?«

»Wie kommen Ihr Hund und Cynthias Katze miteinander aus?«

»Violet wohnt im Haus nebenan und Barnabas geht im Pfarrhaus seiner Wege.«

Genaugenommen gab Cynthia Violet um fünf Uhr ihre Abendmahlzeit und kam dann durch die Hecke zum Pfarrhaus, woraufhin Violet sich auf Cynthias Sofa zusammenrollte und schlief, bis ihre Herrin am nächsten Morgen zur Arbeit wiederkam und eine dieser Konservendosen öffnete, deren Duft einen Mann schier umhauen konnte.

»Eine Katze mit eigenem Haus«, sagte J. C. »Das ist doch was. Cynthias Katze und Ihr Hund kommen sich also nicht in die Quere?«

»Nicht, wenn wir es verhindern können.«

»Sie haben mir mal erzählt, Barnabas schliefe in Ihrem Bett.«

»Jetzt schläft er im Flur.«

Es folgte nachdenkliches Schweigen.

»War in letzter Zeit mal jemand oben auf dem Hügel?« fragte der Pfarrer.

Er war gerade vom Bauplatz des Hauses der Hoffnung gekommen, des Pflegeheims für fünf Millionen Dollar, das Sadie Baxter der Kapelle Unseres Herrn gestiftet hatte. So wie es aussah, würde es noch ein Jahr dauern, bis das Haus fertiggestellt und mit Personal ausgestattet war.

»Ich habe am Mittwoch zwei Rollen Film da oben verknipst. Nächste Woche kommt eine Sonderseite.«

»Das wird 'ne runde Sache«, sagte Mule. »Ich hätte nichts dagegen, selbst einzuziehen. Wie ich höre, soll es in der Empfangshalle sogar einen Springbrunnen geben.«

»Und ein Vogelhaus im Speisesaal«, ergänzte der Pfarrer stolz.

Mule kratzte sich am Kopf. »Hab ich nicht auch gehört, daß das Haus eine eigene Kirche bekommen soll?«

»Eine Kapelle. Eine kleine Kapelle. Mit Fensterrose. Alles erste Klasse.«

Velma balancierte zwei Lunchteller auf dem linken Arm und einen dritten auf der rechten Hand.

Mule sah sie beifällig an. »Das ist ein Kunststück, das ich immer bewundert habe.«

»Rindereintopf mit Kräckern. Rindereintopf mit Brötchen, ohne Butter. Doppelter Cheeseburger mit allen Schikanen und einer großen Portion Fritten.« Velma stellte die Teller willkürlich irgendwohin und stolzierte davon.

Die Männer senkten die Köpfe, während der Pfarrer das Tischgebet sprach.

»Amen«, sagte Mule und rieb sich die Hände.

»Wie geht es Ihrem Jungen?« fragte J. C., der eifrig Salz auf seinen Burger und seine Pommes frites streute.

»Sehr gut. Könnte nicht besser sein. Er kommt zum Erntedankfest nach Hause.«

»Diese vornehme Schule steigt ihm doch wohl nicht zu Kopf, oder?«

»Bestimmt nicht. Nicht Dooley Barlowe.«

»Haben Sie meinen Artikel über Rodney gelesen? Daß er eine Frau eingestellt hat?« J. C. bot wirklich keinen schönen Anblick, wenn er mit vollem Mund sprach.

»Das ist nicht Ihr Ernst!«

»Und ob es das ist! Sie fängt Mitte November an. Eine Frau in Polizeiuniform ... Ich kann gar nicht hinsehen.«

»Warum eigentlich nicht?«.

»Würden Sie eine Frau in Ihrer Kanzel haben wollen?« fragte J. C. und verschüttete etwas Kaffee auf seine Krawatte.

»Käme ganz auf die Frau an.«

»Ich kann mir eine Frau mit Pistole in der Hand nicht vorstellen.«

»Wie kommt es eigentlich, daß sie was gegen Frauen haben?« fragte Mule. »Ich mag Frauen.«

»Ich hab' es Ihnen doch erklärt. Weil die Damen ständig irgend etwas instandsetzen oder besser noch: generalüberholen müssen.«

»Vielleicht würde es Ihnen gar nicht schaden, ein wenig ›generalüberholt‹ zu werden.«

»Ich bin schon mal generalüberholt worden, Kamerad. Ich habe fünfzig Pfund abgenommen, mir das Rauchen abgewöhnt, kein rotes Fleisch mehr gegessen und keine Schundromane mehr gelesen. O ja. Ich habe mir sogar Spritzen gegen Schweißfüße geben lassen. Und hat das genügt? Weit gefehlt. Das war übrigens in dem Jahr, in dem die Dallas Cowboys die Denver Broncos mit siebenundzwanzig zu zehn geschlagen haben.«

»Großes Jahr«, sagte Mule. »Die Yankees haben die World Series gewonnen.«

»Ganz zu schweigen davon, daß die Chicago Daily News pleite gemacht hat.«

Aus keiner dieser Bemerkungen vermochte der Pfarrer zu entnehmen, von welchem Jahr die Rede war, und er hatte auch nicht die Absicht nachzufragen.

»Und?« fragte Mule, »haben die Spritzen gewirkt, oder haben Sie immer noch Schweißfüße?«

Ein Mittagessen in der Grillstube, dachte Pfarrer Tim, sorgte stets dafür, daß man mit beiden Beinen im Leben blieb. Er mußte jedoch gestehen, daß er es kaum erwarten konnte, ins Büro zurückzukommen und den Aufsatz von C. S. Lewis zu Ende zu lesen, dessen Titel lautete: »Gedanke, Imagination, Sprache«.

Als er durch die Hintertür kam, begrüßte Cynthia ihn mit einer Umarmung. »Miss Rose und Onkel Billy haben uns für heute abend auf einen Bananenpudding eingeladen.«

»O nein! Bitte, nein!«

»Sei nicht so pomadig, Schatz.«

»Pomadig? Miss Rose hat zweimal mit Ptomainvergiftung im Krankenhaus gelegen – und ein Gemeindemitglied der Presbyterier zu seinem Schöpfer geschickt. Du bist der einzige Mensch in der Stadt, der freiwillig seine Füße unter ihren Tisch stellen würde.«

»Dann bete um göttlichen Schutz, und laß uns hingehen«, sagte sie mit erwartungsvoller Miene.

Es brauchte wirklich nicht viel, um Cynthia Kavanagh glücklich zu machen. Nein wirklich, es brauchte beinahe gar nichts. Und mehr noch, sie genoß es förmlich, sich in tödliche Gefahr zu begeben.

»Außerdem haben sie uns praktisch seit meiner Ankunft in Mitford zu einem Bananenpudding eingeladen, daher dürfen wir sie nicht enttäuschen.«

»Natürlich nicht.«

»Und für nächsten Mittwoch«, fuhr sie fort, »haben Miss Sadie und Louella uns zum Abendessen eingeladen.«

»Stimmt.«

»Zu Brathuhn und Kartoffelpüree.«

»Wir werden pünktlich sein.«

»Und selbstgemachtem Kokoskuchen!«

»Ich habe mir schon mal ein Plätzchen in der Notaufnahme reservieren lassen«, erklärte er, während er sich an den Küchentisch setzte.