Die Industrielle Revolution - Dieter Ziegler - E-Book

Die Industrielle Revolution E-Book

Dieter Ziegler

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Beschreibung

Die Industrialisierung wird zumeist vereinfachend mit Dampfmaschine und Stahlproduktion gleichgesetzt. Tatsächlich jedoch handelt es sich um ein komplexes Bündel von Ereignissen und Beweggründen, das innerhalb von hundert Jahren die menschliche Lebenswirklichkeit so von Grund auf änderte, wie zuvor nur die Sesshaftwerdung und die Entwicklung des Ackerbaus. Dieter Ziegler geht den unterschiedlichen Phasen der Industrialisierung nach: Der leichtindustriellen Phase von 1770 bis etwa 1840, der schwerindustriellen von 1840 bis 1890 und der anschließenden Phase der 'Neuen Industrien' oder der zweiten industriellen Revolution. Deutlich wird dabei auch, wie unterschiedlich die Regionen und Länder an der rasanten Entwicklung teilnahmen. Die Industrialisierung beherrschte das 19. Jahrhundert und legte den Grundstein zu unserer heutigen Welt.

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Seitenzahl: 319

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Geschichte kompakt

Herausgegeben vonKai Brodersen, Martin Kintzinger,Uwe Puschner, Volker Reinhardt

Herausgeber für den Bereich Neuzeit:Uwe Puschner

Berater für den Bereich Neuzeit:Walter Demel, Merith Niehuss, Hagen Schulze

Dieter Ziegler

Die Industrielle Revolution

3. Auflage

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

3., bibliographisch aktualisierte Auflage 2012© 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt1. Auflage 2005Die Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Einbandgestaltung: schreiberVIS, BickenbachSatz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-25604-4

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-73351-4eBook (epub): 978-3-534-73352-1

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Impressum

Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

  I. Die deutschen Staaten und die europäische Industrialisierung

 II. Die leichtindustrielle Phase der Industrialisierung (1770–1840)

1. Die institutionelle Revolution

1.1. Agrarreformen und Agrarrevolution

1.2. Die Aufhebung der Zunftverfassung

1.3. Die Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes

2. Erste regionale Ansätze moderner industrieller Entwicklung

3. Die sozialen Folgen

III. Die schwerindustrielle Phase der Industrialisierung (1830–1890)

1. Der schwerindustrielle Führungssektorkomplex

1.1. Die Transportrevolution

1.2. Der Steinkohlenbergbau

1.3. Die Eisen- und Stahlindustrie

1.4. Der Maschinenbau

1.5. Das Geld- und Bankwesen

2. Die Entstehung montanindustrieller Führungsregionen

3. Die sozialen Folgen

IV. Die Industrialisierungsphase der „neuen“ Industrien (1880–1914)

1. Die nachlassende Dynamik der alten Führungssektoren

2. Die neue Rolle des Staates

3. Der Führungssektorkomplex der „neuen Industrien“

4. Die regionale Verbreitung der Industrialisierung

5. Die sozialen Folgen

  V. Schlussbetrachtung

Literatur

Orts- und Sachregister

Geschichte kompakt

 

In der Geschichte, wie auch sonst,dürfen Ursachen nicht postuliert werden,man muß sie suchen. (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen, europäischen und globalen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

 

Kai BrodersenMartin KintzingerUwe PuschnerVolker Reinhardt

  I. Die deutschen Staaten und die europäische Industrialisierung

Die Industrialisierung Europas war nicht nur ein welthistorisches Ereignis, weil sie mittelfristig jeden Winkel der Erde in der einen oder anderen Weise tangierte, sondern sie besaß sogar eine menschheitsgeschichtliche Dimension. Denn nicht zu Unrecht sehen zahlreiche Historiker in der Geschichte der Menschheit nur einen mit der Industrialisierung vergleichbaren Einschnitt: die Sesshaftwerdung des Menschen im Neolithikum und die folgende Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht. Aus dieser mehr als zehntausend Jahre umfassenden Perspektive heraus erscheint die sich über mindestens eineinhalb Jahrhunderte hinziehende Industrialisierung Europas tatsächlich als eine plötzliche Umwälzung, als eine Industrielle Revolution.

„Revolution“ oder „Evolution“

Auch aus der Perspektive der neueren Geschichte ist die Industrialisierung zweifellos ein epochaler Einschnitt. In der jüngeren Forschung wird aber gleichzeitig immer mehr die graduelle Veränderung betont und damit der evolutionäre Charakter der Industrialisierung. So stellt sich die Frage, ob der Umwälzungsprozess nicht sehr viel früher eingesetzt hatte, als man lange Zeit annahm, und ob er – mit Blick auf die Ränder Europas, ganz zu schweigen von Asien, Lateinamerika und Afrika – überhaupt schon zum Abschluss gekommen ist? Am Anfang jeder Diskussion um Revolution oder Evolution sollte deshalb die Definition von „Industrialisierung“ bzw. „Industrieller Revolution“ stehen, um sich über die Merkmale verständigen zu können, die den Beginn und den Abschluss dieses Umwälzungsprozesses markieren.

Nach einer naiven, aber weit verbreiteten Vorstellung wird die „Industrielle Revolution“ mit der Dampfmaschine gleichgesetzt. Danach begann die Industrialisierung mit der Erfindung dieser revolutionär neuen Antriebsmaschine, und ihren Abschluss könnte man mit der Verdrängung der Dampfmaschine durch den Verbrennungsmotor und den Elektromotor datieren. Richtig ist an dieser Vorstellung lediglich, dass die Dampfmaschine, insbesondere die mit Rädern versehene und auf Schienen gesetzte Dampfmaschine (Lokomotive) das Symbol der Industrialisierung darstellt. Aber die Vorstellung, eine technische Erfindung habe die Industrialisierung ausgelöst, ist absurd.

Technischer Fortschritt und Wirtschaftlichkeit

Selbstverständlich ist der europäische Weg der Industrialisierung nicht ohne Kohle und Koks, die Dampfmaschine, die „Spinning Jenny“ als erste Baumwollspinnmaschine oder die Stahlgewinnung durch das „Puddeln“ vorstellbar. Diese und andere technische Errungenschaften stellen insofern eine notwendige Bedingung für die Industrialisierung dar, aber hinreichend sind sie noch lange nicht. Es ist in der Weltgeschichte vieles „erfunden“ worden, das zunächst überhaupt keine praktische Bedeutung erlangte, sondern erst sehr viel später Verbreitung fand. Entscheidend für die wirtschaftliche Durchsetzung einer Maschine oder eines technischen Verfahrens sind vielmehr eine bestehende oder zumindest latente Nachfrage nach dem Produkt, für dessen Herstellung Maschine oder Verfahren benutzt werden können, und die Wirtschaftlichkeit ihrer Anwendung.

E

„Spinning Jenny“Da das Weben auf dem Webstuhl schneller ging als das Spinnen mit dem Handspinnrad, entstand um die Mitte der 18. Jahrhunderts in der britischen Grafschaft Lancashire ein akuter Garnmangel. Die Nachfrage war so groß, dass eine Lösung nur durch eine nachhaltige Steigerung der Arbeitsproduktivität denkbar war. So schrieb die britische Society of Arts 1761 einen Preis aus, wonach eine Maschine gesucht wurde, welche „sechs Fäden aus Wolle, Flachs, Hanf oder Baumwolle auf einmal spinnen und nur eine Person brauchen würde, um mit ihr zu arbeiten und sie zu bedienen“. Damit sollte aber nicht nur der Garnmangel behoben, sondern auch die bisher dezentrale Produktion durch das Heimgewerbe räumlich konzentriert werden. Die Technisierung war demnach auch ein gezielter Versuch des Unternehmers, die Kontrolle über eine wachsende Produktion zu behalten. Die Kontrolle der Produktion wurde zum Dreh- und Angelpunkt der ersten Fabriken, noch bevor es um sinkende Kosten ging.Diese Vorgaben wurden von der „Spinning Jenny“ des Handwebers James Hargreaves (1720–1778) erfüllt. Mit ihr konnte eine Arbeiterin mit einer Handkurbel zunächst sechs Spindeln gleichzeitig antreiben. Später wurde die Handkurbel durch Wasserradantrieb ersetzt, weil die Zahl der Spindeln immer weiter gesteigert wurde. Die wichtigste Konkurrentin der „Jenny“ war die nur wenig später entwickelte „Waterframe“-Spinnmaschine des Perückenmachers Richard Arkwright (1732–1792), die das kontinuierliche Spinnen mit dem Flügelspinnrad nachempfand und von Anfang an größer ausgelegt war, so dass der Wasserradantrieb für sie sogar namensgebend wurde.

Die Leistung von James Watt (1736–1819) bestand nicht darin, die Dampfmaschine erfunden zu haben, und die Leistung von George Stephenson (1781–1848) und seinem Sohn Robert (1803–1859) bestand nicht darin, die Lokomotive erfunden zu haben. Sie haben aber die ersten wirtschaftlich einsetzbaren Maschinen ihrer Art erfunden, wozu erstens eine gewisse Zuverlässigkeit und Stetigkeit der Leistungsabgabe, zweitens aber auch eine wirtschaftliche Relation von Energieeinsatz und Leistungsabgabe zählt. So waren Dampfmaschinen lange vor Watts Erfindung in Steinkohlenbergwerken im Einsatz, um dort die Wasserhaltung zu regulieren. Ihr Einsatz war wegen des hohen Energieverbrauchs aber nur dort wirtschaftlich, wo die Kohle als Antriebsenergie direkt anfiel. Das Revolutionäre an Watts Erfindung war also nicht das technische Prinzip, Steinkohle nicht nur als Wärmeenergieträger, sondern auch als Antriebsenergieträger einzusetzen. Entscheidend für die erfolgreiche Durchsetzung der Dampfmaschine war der wirtschaftliche Einsatz des Energieträgers. Indem Steinkohle nun nicht mehr nur als Brennstoff zum Heizen genutzt wurde, sondern auch zum Befeuern von Dampfmaschinen, wurde für die Steinkohle mittelfristig ein riesiger neuer Markt erschlossen, so dass nicht mehr nur die Anwender der Dampfmaschine in den verschiedensten Bereichen billiger produzieren konnten, sondern auch die Steinkohlenbergwerke dank der Marktausweitung weitere Investitionen tätigten, die es ihnen ermöglichten, billiger – weil in größeren Mengen – zu produzieren.

Diese Wirkung der Dampfmaschine entfaltete sich aber nicht von einem Tag auf den anderen. Denn Dampfmaschinen waren teuer und ihr Kauf für jeden Unternehmer anfangs ein Risiko. Es sollte deshalb Jahrzehnte dauern, bis sich in England die „Dampfmaschinen-Ökonomie“ durchgesetzt hatte. Bis sie in anderen Teilen Europas ankam, dauerte es sogar eine oder mehrere Generationen.

Textilindustrie als Pionier

Es war deshalb auch nicht die Schwerindustrie, die als Pionier der modernen industriellen Produktion gilt, sondern die Textilindustrie, genauer gesagt: die Baumwollspinnerei. Sie bestimmte die erste Phase der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie war aber zunächst nur in Großbritannien und auch dort nur in wenigen Regionen wie der Grafschaft Lancashire mit dem Baumwollhafen Liverpool und dem nicht weit entfernt gelegenen Manchester wirkungsmächtig, der ersten Großstadt der Industrialisierung.

Die Dampfmaschine spielte in dieser ersten Phase noch eine untergeordnete Rolle. Erfindung und Einsatz der ersten Spinnmaschine, der „Spinning Jenny“ in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts, gingen der Wattschen Dampfmaschine sogar um einige Jahre voraus. Zusammen zum Einsatz kamen Spinnmaschine und Dampfmaschine sogar noch viel später. Schon die Bezeichnung des Flügelspinnrades macht das deutlich. In Arkwrights Fabrik in Nottingham wurde zwar erstmals die für die Industrialisierung typische Verbindung zwischen Arbeits- und Kraftmaschine hergestellt. Aber die Spinnräder wurden nicht mit Dampfkraft, sondern mit dem Göpel (Pferdeantrieb) angetrieben. Nachdem diese Fabrik abgebrannt war und Arkwright zu Beginn der achtziger Jahre in Cromford seine zweite Fabrik errichtet hatte, wurden die Spinnmaschinen mit Wasserkraft angetrieben.

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FabrikDie Fabrik ist eine zentralisierte Produktionsstätte, in welcher der Produktionsprozess stärker arbeitsteilig organisiert ist als in der herkömmlichen handwerklichen Produktion. Die Fabrik ist mit einem System von Kraft- und Arbeitsmaschinen ausgerüstet, wobei zur Bedienung der Arbeitsmaschinen in der Frühzeit der Fabrik noch ein hohes Maß an qualifizierter Handarbeit erforderlich war. Bemühungen um eine Reduzierung der Handarbeit bis hin zur Automatisierung der Fertigung setzten zwar schon im 19. Jahrhundert ein, durchgreifende Erfolge zeitigten sie aber erst im 20. Jahrhundert.Für die Belegschaft erschöpfte sich die Bedeutung der Fabrik nicht in ihrer Bedeutung als Produktionsstätte, sondern sie bildete zugleich einen Sozial- und Herrschaftsverband, indem das Unternehmen zur Arena ökonomischer, sozialer und gesellschaftlicher Konflikte wurde. Damit wurde sie auch zu einem Ort für ein neuartiges Verhältnis zur Zeit (also der strikten Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit), gemeinschaftlicher Arbeitserfahrung, Kooperation und Solidarität.

Q

Max Weber (1864–1920) zur Bedeutung von Maschine und Fabrik für den modernen Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 1972, S. 835.

Eine leblose Maschine ist geronnener Geist. Nur, dass sie dies ist, gibt ihr die Macht, die Menschen in ihren Dienst zu zwingen und den Alltag ihres Arbeitslebens so beherrschend zu bestimmen, wie es tatsächlich in der Fabrik der Fall ist. Geronnener Geist ist auch jene lebende Maschine, welche die bürokratische Organisation mit ihrer Spezialisierung der geschulten Facharbeit, ihrer Abgrenzung der Kompetenzen, ihren Reglements und hierarchisch abgestuften Gehorsamsverhältnissen darstellt. Im Verein mit der toten Maschine ist sie an der Arbeit, das Gehäuse jener Hörigkeit herzustellen, in welche vielleicht dereinst die Menschen sich, wie die Fellachen im altägyptischen Staat, ohnmächtig zu fügen gezwungen sein werden.

Erst als die Wasserkraft knapp wurde, weil wegen der vielen Wasserräder an den Wasserläufen in Lancashire die Energie nicht mehr ausreichte, schlug die Stunde der Dampfmaschine. Mittlerweile war die Verbesserung der Maschinen auch soweit fortgeschritten, dass der Kostenvergleich zwischen Investition und Betriebskosten für den Göpel auf der einen Seite und für die Dampfmaschine auf der anderen Seite immer öfter zugunsten der letzteren ausfiel. Durch die Emanzipation vom Wasserantrieb konnte dann auch eine zweite Entwicklung einsetzen, die für die Industrialisierung in den meisten Regionen Europas typisch war, die Konzentration der Produktion in Städten (statt der notwendigerweise dezentralen Produktion an den Wasserläufen).

Ähnlich war die Situation bei den Lokomotiven. Schienenwege gab es schon lange bevor es Lokomotiven gab. Sie wurden mit Loren befahren, die von Pferden gezogen wurden. In der Regel dienten diese Schienenwege für den Transport von Steinkohle oder Roheisen zum nächstgelegenen Fluss oder Kanal. Seit der Wende zum 19. Jahrhundert war es nahe liegend, die natürlichen Pferdestärken durch Pferdestärken einer Dampfmaschine zu ersetzen. Doch alle Versuche scheiterten lange Zeit daran, dass die Lokomotiven zu schwer für die Schienen waren. Leichter gebaute Lokomotiven waren andererseits zu anfällig und nicht sehr leistungsstark.

Robert Stephensons Ruhm gründete sich also ähnlich wie bei Watt nicht auf die Erfindung der Lokomotive, sondern auf die Erfindung der ersten im regelmäßigen Verkehr zuverlässig einsetzbaren Lokomotive. Dies stellte er mit seiner „Rocket“ bei einem Rennen auf dem ersten Teilstück der ersten modernen Eisenbahnstrecke, der Liverpool & Manchester Railway, unter Beweis. Er gewann das Rennen und bekam den Auftrag für die ersten Lokomotiven dieser Eisenbahngesellschaft.

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„Rocket“Bei Baubeginn der Eisenbahnstrecke zwischen Liverpool und Manchester war noch keineswegs sicher, wie die Züge einmal diese Strecke befahren sollten. Lokomotiven, denen man zutrauen konnte, die Strecke im regelmäßigen Verkehr zu befahren, gab es nicht, und so wurde zunächst der Einsatz von stationären Dampfmaschinen erwogen, welche die Züge per Seilzug bewegen sollten. Der leitende Ingenieur George Stephenson konnte die Verantwortlichen der Bahngesellschaft aber davon überzeugen, einen Versuch zu unternehmen.Anfang Oktober 1829 fand auf einem ebenen Gleisabschnitt von eineinhalb Meilen Länge vor den Toren Liverpools ein neuntägiger Wettbewerb („Rainhill Trials“) um die leistungsfähigste Dampfmaschine statt – stationär und lokomotiv. Der Sieger dieses Wettbewerbs war die „Rocket“, eine Lokomotive, die Stephensons Sohn Robert in seiner Fabrik in Newcastle konstruiert hatte. Sie erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 24 Meilen pro Stunde (39 km/h) und befuhr die Strecken mehrfach ohne Störungen. Dieser Erfolg bildete den Grundstein für eine sehr erfolgreiche Lokomotivfabrik, aus der später auch zahlreiche Lokomotiven nach Deutschland exportiert wurden.

Definitionen von „Industrialisierung“

Wenn es also keinen Sinn macht, die Industrialisierung nach technischen Erfindungen zu definieren, weil die Erfindung nur dann zur Innovation wird, wenn ihr die Wirtschaftlichkeit ihres Einsatzes zu einer schnellen Verbreitung (und damit auch zu weiteren technischen Verbesserungen) verhilft, müssen wirtschaftliche Kriterien zur Definition von Industrialisierung gesucht werden. Lange Zeit diente die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums als ein entscheidendes Merkmal der Industrialisierung. Ältere Arbeiten gingen noch davon aus, dass es in Großbritannien seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts zu einer deutlichen Beschleunigung des Wirtschaftswachstums kam. Man sprach deshalb von einer „Industriellen Revolution“. Analog ging man davon aus, dass sich der gleiche revolutionäre Vorgang im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Belgien, der Schweiz, Frankreich, Deutschland und etwas später noch in Österreich-Ungarn, Italien und Skandinavien wiederholte, bis er dann am Ende des 19. Jahrhundert auch das zaristische Russland erreichte.

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WirtschaftswachstumUnter Wirtschaftswachstum wird die Zunahme des realen (d.h. inflationsbereinigten) Bruttosozialprodukts verstanden, also der Wertsumme aller im Inland in einer bestimmten Periode (meist ein Kalenderjahr) erzeugten Güter und Dienstleistungen. Zur Messung der relativen Größe einer Volkswirtschaft wird das Bruttosozialprodukt häufig auch statistisch auf die Köpfe der Bevölkerung verteilt (Pro-Kopf-Einkommen).Heute wird das Bruttosozialprodukt in Deutschland über die Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch das Statistische Bundesamt errechnet. In der vor- und frühindustriellen Zeit gab es solche Behörden noch nicht. Entsprechende Daten für diese Zeit wurden erst später auf der Grundlage sehr lückenhafter Datenüberlieferungen geschätzt. Sie sind deshalb nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen.

Wachstumstempo

Von dieser Vorstellung ist die Forschung aber seit einiger Zeit abgekommen. Insbesondere für Großbritannien konnte nachgewiesen werden, dass das Wachstum dank einer entwickelten handwerklichen Produktion und heimgewerblicher Protoindustrie während der Jahrzehnte vor dem Beginn des „Maschinenzeitalters“, der „Industriellen Revolution“, bisher unterschätzt worden war. Da das Ausgangsniveau des Bruttosozialprodukts in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts demzufolge höher war, als bisher angenommen, konnte das Wachstum nicht so rasant gewesen sein, wie es die älteren Arbeiten noch angenommen hatten. Man geht deshalb von einer graduellen Beschleunigung des Wirtschaftswachstums aus.

In einer ähnliche Richtung wird heute auch von manchen Autoren im Falle der kontinentaleuropäischen Ökonomien argumentiert. Im Falle Frankreichs passte die Vorstellung einer „Industriellen Revolution“ ohnehin nie, weil Frankreich in der Mitte des 18. Jahrhundert bereits ein hohes, mit Großbritannien vergleichbares Niveau des Pro-Kopf-Volkseinkommens aufwies, dann aber von der schneller wachsenden britischen Volkswirtschaft abgehängt wurde. Beim Eintritt in das 19. Jahrhundert war Frankreich den anderen kontinentaleuropäischen Ländern dann aber trotzdem noch deutlich voraus, wurde im Laufe der folgenden Jahrzehnte von einigen Konkurrenten jedoch eingeholt und teilweise auch überholt. Im Gegensatz zur politischen Entwicklung war an der wirtschaftlichen Entwicklung Frankreichs damit immer schon wenig „Revolutionäres“ zu entdecken.

Etwas anders sieht das bei Belgien oder Deutschland aus, die beide innerhalb weniger Jahrzehnte Anschluss an die führende Industrienation herstellen konnten. Im Falle Deutschlands wird aber mittlerweile auch darüber diskutiert, ob das Wirtschaftswachstum vor dem Beginn des „Maschinenzeitalters“ nicht unterschätzt wurde. Dennoch eignen sich Deutschland, Belgien und insbesondere Schweden, die am Ende des 19. Jahrhunderts in Europa am schnellsten wachsende Volkswirtschaft, noch am ehesten für eine Rettung des Konzepts beschleunigten Wachstums als Kriterium für Industrialisierung oder Industrielle Revolution.

Da Industrialisierung heute aber weniger als ein nationalstaatlicher Vorgang, sondern mehr als ein europäisches Phänomen von industrialisierenden Regionen innerhalb politischer Grenzen und auch über Grenzen hinaus gesehen wird, muss eine Definition von Industrialisierung im gesamten europäischen Maßstab Gültigkeit besitzen. Die Wachstumspfade Frankreichs und Großbritanniens reichen aber aus, um das Konzept beschleunigten Wirtschaftswachstums zu verwerfen.

Kapitalintensität

Eine alternative Definition wäre in diesem Zusammenhang das Kriterium einer beschleunigten Kapitalbildung. Denn um die technischen Errungenschaften des „Maschinenzeitalters“ wirtschaftlich einsetzen zu können, bedarf es eines Wandels in der Struktur und Organisation der gewerblichen Produktion. Für die Errichtung von Fabriken, Bergwerken, Schiffswerften, Eisenhütten, Kanälen und Eisenbahnen benötigt man Kapitalsummen, wie man sie bisher für solche Zwecke noch nie eingesetzt hatte.

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KapitalbildungUnter der Kapitalbildung versteht man die Erweiterung des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft durch Neuinvestitionen. Investitionen werden durch ersparte Geldeinkommen finanziert. Sie setzen somit einen Konsumverzicht der Einkommensbezieher zugunsten einer erweiterten Produktionsgütererzeugung voraus. Bei den ersparten Geldeinkommen kann es sich um bereits verteilte Einkommen handeln, die als Kredite (direkt oder vermittelt über die Banken bzw. den Kapitalmarkt) oder als Beteiligungen (meist den Erwerb von Aktien) der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Investitionen können aber auch aus noch nicht verteilten Einkommen finanziert werden, indem etwa der Unternehmensgewinn nicht ausgeschüttet wird, sondern ganz oder teilweise zur Produktionserweiterung in der Unternehmung verbleibt.

Auch diese Definition konnte sich allerdings nicht durchsetzen, und wieder liefert der Pionier der industriellen Entwicklung das entscheidende Gegenargument. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die britische Industrialisierung zunächst keineswegs durch die kapitalintensive Schwerindustrie geprägt wurde, sondern durch die weiterhin sehr arbeitsintensive, aber vergleichsweise wenig kapitalintensive Textilindustrie. Weitaus größere Summen wurden etwa in Getreidemühlen investiert, die überall gebraucht wurden und deshalb lange vor dem Beginn der Industrialisierung über das ganze Land verstreut errichtet wurden. Technisch waren sie als Wind- oder Wassermühlen in ganz Europa noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auf einem vorindustriellen Stand. Angesichts des in dieser Weise vorindustriell investierten Kapitals fielen die modernen britischen Baumwollspinnereien quantitativ kaum ins Gewicht. Für eine statistisch merkliche, womöglich gar ruckartige Steigerung der Kapitalbildung waren die „modernen“ Fabriken viel zu wenige.

Bedeutungsverschiebung der Wirtschaftssektoren

Ein weiteres Kriterium für eine industrielle Wirtschaft und Gesellschaft bildet die Verteilung der Beschäftigten auf die Wirtschaftssektoren. In vorindustrieller Zeit war der bei weitem größte Teil der Bevölkerung im primären Sektor, in der Landwirtschaft beschäftigt. Auch ein hoher Anteil des tertiären Sektors, also bei den Dienstleistungen, war im Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft – anders als heute – noch keineswegs ein Zeichen von „Modernität“. Im Gegenteil, die berufliche Zusammensetzung der im tertiären Sektor Beschäftigten sah im 18. und 19. Jahrhundert gänzlich anders aus als heute. Das gilt besonders für weibliche Beschäftigte. Die typischen „Frauenberufe“ des 20. Jahrhunderts gab es entweder noch gar nicht oder sie spielten zumindest quantitativ noch keine Rolle. Pflegerische und „soziale“ Berufe gab es für Frauen so gut wie noch gar nicht. Insbesondere die Krankenpflege, die Geburtshilfe usw. galten zwar auch schon in vorindustrieller Zeit als „weiblich“, wurden vielfach aber noch „ehrenamtlich“, insbesondere durch kirchliche Einrichtungen, ausgeübt. Die Verkäuferin und die Sekretärin sind hingegen neue Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts. Einen sehr großen Anteil der im tertiären Sektor beschäftigten Frauen bildeten deshalb die Hausangestellten, insbesondere die Dienstmädchen, die quantitativ heute fast gar keine Bedeutung mehr besitzen, sondern in relativ kurzer Zeit während der zwanziger bis fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem Einzug der industriellen Technik in die Haushalte „wegrationalisiert“ wurden.

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WirtschaftssektorenDie Wirtschaft besteht aus drei Sektoren. Der erste (oder primäre) Sektor umfasst die Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei). Der zweite (oder sekundäre) Sektor umfasst das verarbeitende Gewerbe (Handwerk und Industrie) sowie den Bergbau, die Bau- und die Versorgungswirtschaft. Der dritte (oder tertiäre) Sektor umfasst Handel und Verkehr sowie das Dienstleistungsgewerbe und die öffentliche Verwaltung.

Es war vielmehr der sekundäre Sektor, die Beschäftigten in Handwerk und Gewerbe, deren steigender Anteil den Übergang zur industriell geprägten Wirtschaft markiert. Allerdings ist auch dieses Kriterium nicht unproblematisch. Denn die Statistik unterscheidet nicht zwischen den (vorindustriell) tätigen Produktionshandwerkern und den Industriearbeitern. Wenn also ein Handwerksgeselle seine Arbeitsstelle verlor, weil die Kutschen, die sein Meister in dessen Werkstatt produzierte, gegen die Eisenbahn nicht mehr konkurrieren konnten, statt dessen aber ein zusätzlicher Arbeiter in einem Waggonbauunternehmen eingestellt wurde, weil die Nachfrage nach Eisenbahnen durch die erfolgreiche Verdrängung der Kutschen stieg, ändert sich in der Statistik der im sekundären Sektor Beschäftigten nichts, obwohl ein „vorindustrieller“ durch einen „industriellen“ Arbeitsplatz ersetzt worden war. Ähnlich verhält es sich im primären Sektor. Die protoindustrielle Heimarbeit wurde in der Regel auf dem Land von Kleinststellenbesitzern und Kleinbauern im Nebengewerbe betrieben. In der Statistik lässt sich diese Übergangsform zur industriellen Produktion aber nicht erkennen. Denn der Kleinbauer mit einem Nebenverdienst als Heimarbeiter wird genauso zum primären Sektor gezählt wie der Vollbauer. So können also „moderne“ Beschäftigte im primären Sektor und vorindustriell Tätige im sekundären Sektor versteckt sein, ohne dass sich das aus der Statistik erkennen ließe. Aber selbst wenn es gelänge, in der Statistik etwa zwischen im sekundären Sektor beschäftigten Handwerkern und Fabrikarbeitern zu unterscheiden, bliebe die Zahl der Fabrikarbeiter in Deutschland im Vergleich zu der großen Zahl der Handwerker bis weit ins dritte Viertel des 19. Jahrhunderts so gering, dass sie für sich allein genommen eine kaum merkliche Verschiebung zugunsten der Beschäftigtenstruktur des sekundären Sektors auslösen konnten.

Schwankungen des Wirtschaftswachstums

Eine vergleichsweise präzise zeitliche Festlegung des Beginns der Industrialisierung in den Staaten des Deutschen Zollvereins ist in den siebziger Jahren dem Wirtschaftshistoriker Reinhard Spree gelungen, indem er die Wachstumsmuster der modernen, besonders schnell wachsenden Industrien identifizierte und auf ihre Regelhaftigkeit untersuchte. Dabei konnte er feststellen, dass ihr Einfluss auf die Konjunktur seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine solche Bedeutung erlangte, dass die wirtschaftlichen Wechsellagen nicht mehr von den Ernteschwankungen der Landwirtschaft bestimmt wurden, sondern von der Entwicklung der Industriewirtschaft.

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KonjunkturDas Wirtschaftswachstum erfolgt niemals als ein gleichförmiger Prozess mit einem Jahr für Jahr annähernd gleichen Tempo. Die jährlichen Schwankungen können vielmehr beträchtlich ausfallen. In der Frühen Neuzeit wurde die wirtschaftliche Entwicklung ganz wesentlich durch die Schwankungen der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt. Diese Schwankungen waren unregelmäßig und zufällig, weil sie – abgesehen von den Kriegen im 17. und 18. Jahrhundert und deren Folgen – im wesentlichen durch klimatische Faktoren bestimmt wurden.Das industriewirtschaftliche Wachstum setzte in Deutschland im 19. Jahrhundert zunächst in wenigen Branchen und Regionen ein, von denen aus es sich langsam verbreitete. Damit löste sich der Rhythmus des Wachstums von den Zufälligkeiten des Klimas und wurde mit dem Bedeutungszuwachs der Industriewirtschaft in der Gesamtwirtschaft durch die Abfolge von Innovations- und Investitionsschüben und deren Nachlassen bestimmt. Dadurch entstand ein zyklischer Rhythmus, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wegen der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung immer mehr Volkswirtschaften erfasste, deren Wachstumszyklen nun weitgehend synchronisiert waren.

Bis 1873 war das Wirtschaftswachstum in Deutschland, von kurzfristigeren Schwankungen abgesehen, durch eine lange Aufschwungsphase gekennzeichnet. Der Historiker Friedrich Lenger hat erst kürzlich wieder die Kompatibilität dieser Beobachtung mit älteren Vorstellungen einer „Industriellen Revolution“ herausgestellt. Außerdem gibt es bisher kein überzeugenderes Konzept für die empirische Verifikation einer „Industriellen Revolution“ als das von Spree. Aber dennoch beruht Sprees Analyse auf einer ganzen Reihen von statistischen Gewichtungen, die nicht unumstritten geblieben sind. Außerdem ist es nicht erwiesen, ob mit dieser Methode auch ein langsameres Hinübergleiten von einer vorindustriellen in eine industriell geprägte Wirtschaft erfassbar ist.

Statistische Probleme

Ganz abgesehen davon ist die Datengrundlage für die Berechnung des Volkseinkommens in der Frühzeit der Industrialisierung in fast allen europäischen Ländern äußerst lückenhaft. Oft basieren die Datenreihen auf Schätzungen, denen ein bestimmtes Verständnis der industriellen Entwicklung im jeweiligen Land zugrunde liegt. Wenn dann fehlende Daten aufgrund dieses Verständnisses interpoliert werden, können sie auf der anderen Seite nicht hergenommen werden, um genau dieses Vorverständnis zu beweisen. Das wäre tautologisch.

Schließlich sollte berücksichtigt werden, dass alle verfügbaren Daten zur Berechnung von Volkseinkommen, Kapitalbildung usw. immer durch politische Grenzen bestimmt werden. Doch politisch definierte Regionen sind selten gleichzusetzen mit Wirtschaftsregionen. Das gilt für Nationalstaaten ohnehin, selbst für kleine Nationalstaaten wie Belgien oder die Schweiz, aber auch für kleinere Verwaltungseinheiten wie etwa die preußischen Provinzen. Dennoch kann etwa die Verteilung der Erwerbstätigen auf die Wirtschaftssektoren als ein grober Indikator für den Fortschritt der Industrialisierung angesehen werden. Wenn wir beispielsweise das Königreich Sachsen mit dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vergleichen, lässt sich leicht ausmachen, welcher deutsche Staat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts industriell fortgeschrittener war. So waren in Sachsen bereits 1871 nur noch 28 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, während es in Mecklenburg-Schwerin im gleichen Jahr 62 % gewesen waren. Demgegenüber gab es auch innerhalb vieler im Durchschnitt weit entwickelter Verwaltungseinheiten, wie etwa der preußischen Rheinprovinz, Regionen, die, wie etwa die Eifel, nicht nur von der Industrialisierung unberührt geblieben waren, sondern die sogar „deindustrialisierten“, indem Kapital, Arbeitskräfte, technisches und unternehmerisches Know How abwanderten, weil der vorindustrielle Standortvorteil des Holzreichtums im Zeitalter der Steinkohle nichts mehr Wert war, nun aber die periphere Lage und die schwierige verkehrliche Erschließung als Standortnachteile durchschlugen.

Probleme der Periodisierung

Im Gegensatz zu vielen anderen nationalstaatlich definierten Industrialisierungswegen legen fast alle genannten Indikatoren im deutschen Fall eine Industrialisierungsphase zwischen der Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts, nur kurz unterbrochen durch die Revolution von 1848 und ihren Folgen, und der Mitte der siebziger Jahre mit dem Abflauen der Hochkonjunktur nach der Reichsgründung nahe. In der Literatur über die deutsche Industrialisierung wird diese Periode deshalb mit guten Gründen bis heute als die Phase der „Industriellen Revolution“ oder entsprechend der Terminologie älterer industrialisierungstheoretischer Vorstellungen als „Take off“ oder als „Big Spurt“ bezeichnet, der eine vorbereitende Phase, die Frühindustrialisierung, vorgeschaltet war und der nach Überwindung der Wachstumsschwäche der späten siebziger und achtziger Jahre eine Phase der Hochindustrialisierung folgte.

So sinnvoll diese Periodisierung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Zollvereinsstaaten bzw. des Deutschen Kaiserreichs auch ist, sie verdrängt die regionalen Besonderheiten und passt die deutsche Entwicklung viel zu wenig in den gesamteuropäischen Kontext ein. Die Wirtschaftsordnung und die Wirtschaftspolitik, im 19. Jahrhundert insbesondere die Handelspolitik, können zwar Bedingungen schaffen, die nur innerhalb bestimmter politischer Grenzen Gültigkeit besitzen, aber Waren, Kapital, Arbeitskräfte und nicht zuletzt auch Know How zirkulierten auch schon im 18. Jahrhundert über Grenzen hinweg, so dass die britischen Versuche ganz aussichtslos waren, zwar Baumwollgarne und Baumwollstoffe nach Kontinentaleuropa zu exportieren, nicht aber Maschinen und Menschen, die diese Maschinen aufstellen und bedienen konnten. Spätestens nach der Beendigung der Kontinentalsperre und dem kaum gebremsten Zugang englischer Garne und Stoffe auf den kontinentaleuropäischen Markt orientierten sich immer mehr Zeitgenossen in Deutschland am britischen Vorbild, auch wenn die dort zu beobachtenden sozialen und politischen Folgen der Industrialisierung durchaus auch kritisch gesehen wurden.

Industrialisierung als europäisches Phänomen

Immerhin mussten aber die kontinentaleuropäischen „Nachzügler“ das Rad nicht neu erfinden, sondern konnten vom britischen Vorbild lernen und einige der dortigen Errungenschaften auf die eigenen Verhältnisse angepasst übernehmen. Die Kostenersparnis einer intelligenten Nachahmung war beträchtlich und erklärt zu einem Gutteil, weshalb manche kontinentaleuropäische Volkswirtschaften sowie die USA den britischen Vorsprung bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Bereichen ein- und in manchen sogar überholen konnten. Die Erkenntnis, dass sie nicht mehr die „Werkstatt der Welt“ waren und dass es durchaus Sinn machte, von den Nachbarn zu lernen, war für die Briten ein sehr schmerzhafter und deshalb auch langwieriger Prozess. In manchen Bereichen verpassten sie deshalb den Anschluss und holten den Vorsprung, den sich die dynamischsten aller Nachzügler, die USA und Deutschland, vor dem Ersten Weltkrieg etwa in der elektrotechnischen Industrie erarbeitet hatten, nie wieder ein. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten, so prekär sie im Einzelfall auch gewesen sein mag, begann keineswegs mit ihrer Institutionalisierung in den „Römischen Verträgen“ im Jahr 1957 oder gar erst mit dem Beitritt Großbritanniens zur EWG 1973, sondern weitaus früher.

Grenzräume

Abgesehen von der grenzüberschreitenden Bedeutung des wirtschaftlichen Austauschs hielten sich auch die Rohstoffvorkommen, insbesondere die Steinkohle, aber auch Eisenerz und andere Bodenschätze nicht an nationalstaatliche Grenzen, so dass Industrieregionen auf beiden Seiten von Grenzen entstanden. Man denke im deutschen Fall nur an das deutsch-belgische Revier zwischen Lüttich und Aachen, das deutsch-französische Saarrevier oder den sächsisch-böhmischen bzw. den schlesisch-böhmischen Grenzraum. Jeder Versuch, die gegenseitige Befruchtung benachbarter Wirtschaftsräume zu unterbinden, hätte nicht nur dem Nachbarn geschadet, sondern hätte auch die eigene Entwicklung gebremst. Da mögen die Abneigungen der Preußen gegenüber dem aus einer Revolution geborenen Belgien noch so groß gewesen sein, ohne die Impulse aus den belgischen Revieren wäre nicht nur die Geschichte des Aachener Reviers, sondern auch die Geschichte des Ruhrgebiets anders verlaufen.

Verlässt man aber die nationalstaatliche Perspektive ist es nicht mehr möglich, die Periodisierung der Industrialisierung in Frühindustrialisierung, „Take off“ und Hochindustrialisierung aufrechtzuerhalten. Denn während Preußen zum Zeitpunkt der Gründung des Deutschen Zollvereins noch in der Phase der Frühindustrialisierung steckte, war Großbritannien bereits ein Industrieland, das seinen ersten Eisenbahnboom erlebte, während die russische Wirtschaft andererseits noch ganz in den Fesseln des Feudalismus gefangen war.

Im Folgenden soll deshalb einem anderen Periodisierungsschema gefolgt werden. Die Forschung geht heute einhellig davon aus, dass die Industrialisierung ein sowohl sektoral als auch regional ungleichgewichtiger und ungleichzeitiger Prozess war. Das gilt im nationalen Rahmen selbst für einen vergleichsweise kleinen Staat wie Belgien, und demzufolge noch viel stärker für den gesamten Kontinent Europa.

Regionale Ungleichzeitigkeit

Regional ungleichzeitig und ungleichgewichtig bedeutet, dass regionale Wachstumskerne entstanden, die untereinander in Beziehung traten und Impulse auf benachbarte, noch rückständige Regionen absonderten. Sehr schematisch betrachtet handelte es sich dabei, von England ausgehend, um eine West-Ost-Wanderung industrieller Wachstumszonen entlang der Kohlevorkommen von der französischen Kanalküste bis nach Nordböhmen und Oberschlesien sowie um eine Nord-Südwanderung entlang des Rheins bis in das schweizerische Voralpenland und darüber hinaus bis nach Piemont.

Sektorale Ungleichzeitigkeit

Sektoral ungleichzeitig und ungleichgewichtig bedeutet, dass nicht alle Gewerbezweige gleichzeitig von der Industrialisierung erfasst wurden sondern nach und nach. Dabei bildeten sich bestimmte, auf „Basisinnovationen“ wie der mechanischen Baumwollspinnerei, der Eisenbahn oder der Elektrifizierung beruhende industrielle Führungssektoren heraus, die über einen längeren Zeitraum in der Lage waren, den Wachstumsrhythmus maßgeblich zu bestimmen. Die Wachstumsimpulse dieser Führungssektoren hielten in der Regel bei leichten Schwankungen über mehrere Jahrzehnte an, bis sie an Dynamik einbüßten. In diesen schwächeren Wachstumsphasen erfolgte dann der Durchbruch einer neuen Basisinnovation, die sich nach einiger Zeit zu einem neuen industriellen Führungssektor entwickelte und ihrerseits die Wachstumsdynamik bestimmte.

Industrialisierung unter der Bedingung relativer Rückständigkeit

Wenn eine rückständige nationale Volkswirtschaft den Anschluss an die industrialisierenden Volkswirtschaften herstellen wollte, musste sie sich im 19. Jahrhundert in der Regel dem Wachstumsmuster der höher entwickelten Volkswirtschaften anpassen, indem sie etwa ihre geringere Arbeitsproduktivität und Produktqualität durch niedrigere Lohnkosten ausglichen. Während der Boomphasen war die Nachfrage meist so hoch, dass auch die anfangs noch teuren und qualitativ kaum konkurrenzfähigen Produkte ihre Absatzchancen besaßen. Mit der Zeit wurden die Produkte der nachholenden Volkswirtschaften durch Nachahmung dann qualitativ besser, so dass sie dank der weiterhin vergleichsweise niedrigen Lohnkosten zumindest auf dem Binnenmarkt und bei den noch rückständigeren Nachbarn dauerhaft konkurrenzfähig wurden. So konnte ein selbst tragendes Wachstum über die nachholende Industrialisierung in bestimmten Schlüsselbranchen erreicht werden.

Die folgende Darstellung wird sich an diesen langwelligen Industrialisierungsmustern orientieren. Sie gliedert sich in drei Phasen, die durch unterschiedliche Führungssektoren bestimmt wurden: die Phase der Baumwollindustrie von den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts (leichtindustrielle Phase), die Phase des Eisenbahnbaus von den dreißiger/vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts (schwerindustrielle Phase) und die Phase der elektrotechnischen Industrie seit den achtziger/neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (Phase der „neuen“ Industrien).

 II. Die leichtindustrielle Phase der Industrialisierung (1770–1840)

Das 19. Jahrhundert gilt in Europa zwar als ein vergleichsweise friedliches Jahrhundert, aber die Revolutionskriege (1792–1799) und die Napoleonischen Kriege (1799–1815) verhinderten zu seinem Beginn für einige Zeit die Ausbreitung von Wachstumsimpulsen über Großbritannien hinaus. Unter dem künstlichen Schutz der Kontinentalsperre blühten auf dem Kontinent sogar noch eine Weile rückständige Gewerbezweige, auf die ohne die Kontinentalsperre ein erheblich größerer Modernisierungsdruck ausgeübt worden wäre. Ohne diesen Zwang zur nachholenden Industrialisierung hatte sich der Abstand der britischen zur kontinentaleuropäischen Produktionsweise, insbesondere im Textilgewerbe, bis zur Aufhebung der Kontinentalsperre noch wesentlich vergrößert. Er konnte deshalb kaum noch aufgeholt werden.

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KontinentalsperreNach dem Sieg über Preußen verfügte Napoleon im Jahr 1806 eine Wirtschaftsblockade des zu dieser Zeit weitgehend unter französischer Kontrolle stehenden europäischen Kontinents gegen Großbritannien. Durch das Einfuhrverbot britischer Industriewaren und über Großbritannien gehandelter Kolonialwaren sowie durch das Ausfuhrverbot für Getreide nach Großbritannien sollte der Hauptgegner entscheidend wirtschaftlich geschwächt werden. Dieses Ziel wurde allerdings nicht nur verfehlt, sondern im Gegenzug blockierte Großbritannien die kontinentalen Nordseehäfen.Für die kontinentale Gewerbewirtschaft, insbesondere für das Spinnereigewerbe, bedeutete die Kontinentalsperre eine kurze Atempause, die allerdings nicht genutzt wurde, um den britischen Vorsprung einzuholen. Im Gegenteil: Nach der Aufhebung der Kontinentalsperre im Jahr 1813 war der Vorsprung der britischen Maschinenspinnerei gegenüber der kontinentalen, überwiegend handbetriebenen Spinnerei noch größer geworden.

Die erste Phase der europäischen Industrialisierung war demzufolge noch im wesentlichen eine britische. Nichtsdestotrotz entwickelten sich auch auf dem Kontinent schon am Ende dieser ersten Phase einige moderne regionale Wachstumskerne. Viel wichtiger war jedoch, dass vielfach die Voraussetzungen geschaffen wurden, die es weiten Teilen West- und Mitteleuropas ermöglichten, in der Aufschwungphase des zweiten, des schwerindustriell bestimmten Industrialisierungszyklus buchstäblich auf den Industrialisierungszug aufzuspringen.

Das britische Vorbild

Lange Zeit glaubten viele Zeitgenossen auf dem europäischen Kontinent, sie müssten das britische Vorbild nur kopieren, um ähnlich erfolgreich zu sein. Allerdings mischte sich in diese aus heutiger Sicht etwas naive Fortschrittsgläubigkeit immer auch eine gehörige Portion Skepsis. Das galt für den Sozialisten und Theoretiker Karl Marx (1818–1883) in derselben Weise wie für den Viersener Textilverleger Friedrich Diergardt (1795–1869).

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Friedrich Diergardt (1850): „Es ist und bleibt eine anerkannte Wahrheit, dass die Maschinenspinnerei die Bestimmung hat, eine radikale Revolution in der Masse der Produktion hervorzurufen […] Sich gegen die stets wachsende Kraft der Mechanik aufzulehnen ist vergeblich, und man kann England nur den Boden streitig machen, indem man es mit den eigenen Waffen bekämpft.“

Zit. in: R. Boch, Grenzenloses Wachstum. Das rheinische Wirtschaftsbürgertum und seine Industrialisierungsdebatte 1814–1857, Göttingen 1991, S. 156.

Karl Marx (1867): „An und für sich handelt es sich nicht um den höheren oder niedrigeren Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Antagonismen, welche aus den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringen. Es handelt sich um diese Gesetze selbst, um diese mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen. Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft.“

Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, Vorwort zur Ersten Auflage (1867), MEW Bd. 23, S. 12.

Der schweizerische Weg

Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Um den Weg in die industrielle Zukunft erfolgreich beschreiten zu können, mussten die europäischen Nachzügler ein den jeweiligen Bedingungen angepasstes Set von institutionellen Arrangements entwickeln. Dem britischen Industrialisierungspfad am nächsten kam noch die Schweiz, die sich auf hochwertige Textilien und andere Produkte für den Weltmarkt spezialisierte, die durch die britischen Produzenten zunächst vernachlässigt worden waren. Die Schweiz konnte diese Nische nutzen, weil das Land klein war und über billige, aber gleichwohl hoch qualifizierte Arbeitskräfte verfügte, was sich bei dem weiterhin sehr arbeitskräfteintensiven, handwerklich bestimmten schweizerischen Weg als sehr vorteilhaft erweisen sollte. Die Schweiz lieferte damit das erste erfolgreiche Beispiel eines exportorientierten Industrialisierungsweges.

Für größere Volkswirtschaften wie Frankreich, Preußen oder das Habsburger Reich war ein solcher Weg unmöglich. Ein leichtindustrieller Industrialisierungsweg wäre nur über die Massenherstellung von Textilien denkbar gewesen, und dort war der Vorsprung der britischen Produzenten einfach zu groß, um ihnen auf dem Weltmarkt erfolgreich Konkurrenz machen zu können. Für den Binnenmarkt konnten aber auch nach Aufhebung der Kontinentalsperre weiterhin Textilien produziert werden. Einige erfolgreich modernisierende Regionen wie Westsachsen oder das Bergische Land in Deutschland konnten aber die Deindustrialisierungswirkungen der zusammenbrechenden heimgewerblichen (Proto-)lndustrie im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts noch nicht ausgleichen.

Der schwerindustrielle Weg

Für die Nachzügler der ersten Generation wie Belgien, Frankreich und die Staaten des Deutschen Zollvereins sollte sich deshalb der schwerindustrielle Weg der Industrialisierung als der erfolgreiche erweisen. In Großbritannien war die Schwerindustrie zwar auch schon von der Industrialisierung erfasst worden, aber erstens verfügten alle genannten Volkswirtschaften über Steinkohlevorkommen als einer notwendigen Voraussetzung für den schwerindustriellen Weg und zweitens waren die britischen Kapazitäten im Steinkohlebergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie zu Beginn des Eisenbahn-Zeitalters noch nicht annähernd so weit ausgebaut, dass sie die Nachfrage vom Kontinent in ähnlicher Weise billig hätte bedienen können, wie dies im Fall der Textilindustrie nach Aufhebung der Kontinentalsperre der Fall gewesen war.

1. Die institutionelle Revolution

Neue Institutionen Ökonomik

In ihrer kürzlich erschienen Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts haben die Historiker Clemens Wischermann und Anne Nieberding ein neues theoretisches Erklärungsmodell für die Geschichte der Industrialisierung in Deutschland vorgestellt. Dabei bedienen sie sich des zwar nicht mehr ganz neuen Theorieansatzes der Neuen Institutionenökonomik, der bisher aber noch nie auf die gesamte Breite des Industrialisierungsprozesses in Deutschland angewendet worden ist. Die Grundthese dieses auf den Nobelpreisträger Douglas North zurückgehenden Erklärungsansatzes lautet, dass „es letztlich nicht die ‚unsichtbare Hand des Marktes‘