Die Institution - Michael F. Feldkamp - E-Book

Die Institution E-Book

Michael F. Feldkamp

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Beschreibung

Am 7. September 1949, gut viereinhalb Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur, konstituierte sich Bonn der Bundestag als Verfassungsorgan der Bundesrepublik. Damit ist der 7. September 1949 zugleich der Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland. Wie die Arbeit im Bundestag gestaltet und organisiert wird, welchen politischen Einflüssen sowie gesamtgesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Bundestag und seine Mitglieder im Laufe der Geschichte ausgesetzt waren, ist Gegenstand dieses Buches. Der Parlamentshistoriker Michael F. Feldkamp befasst sich seit nahezu 30 Jahren mit der Geschichte des "Hohen Hauses" und präsentiert sie in dem er die Wahlperioden einzeln betrachtet. So werden Unterschiede und Veränderungen in besonderer Weise deutlich und einzigartige historische Blicke auf die Institution und ihre Protagonisten gewährt.

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Seitenzahl: 399

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Michael F. Feldkamp

Die Institution

Der Deutsche Bundestag von 1949 bis heute

„Distanzierungserklärung:

Mit dem Urteil vom 12.05.1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann, so das Landgericht, nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Wir haben in diesem E-Book Links zu anderen Seiten im World Wide Web gelegt. Für alle diese Links gilt: Wir erklären ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten haben. Deshalb distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten in diesem E-Book und machen uns diese Inhalte nicht zu Eigen. Diese Erklärung gilt für alle in diesem E-Book angezeigten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Links führen.“

© 2024 Langen Müller Verlag GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: Deutscher Bundestag / Tobias Koch

Satz und E-Book Konvertierung: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-7844-8505-8

www.langenmueller.de

Inhaltsverzeichnis

„Werkstatt der Demokratie“ – Ein Vorwort

Provisorium ohne Pathos – Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland

Besiegt und besetzt

Von der Bizone zum westdeutschen Teilstaat

Verfassungsschöpfung unter Besatzungsmacht

Die Grundgesetzbestimmungen zum Bundestag

Provisorischer Regierungssitz Bonn

Das Wahlrecht

1. Wahlperiode (1949–1953)Neustart zwischen Tradition und Moderne

Der Bonner Plenarsaal

Fraktionen und Fraktionswechsel

Die Berliner Abgeordneten

Parlamentarische Erfahrung und personelle Kontinuität

Nationalsozialisten im Bundestag

Bundestagspräsident Erich Köhler

Bundespräsident Theodor Heuss

Adenauers Fraktion, Regierung und Parlament

Ungewissheiten im gespaltenen Deutschland

Die Ausschussarbeit

Untersuchungsausschüsse

Abstimmungsverhalten

Hammelsprung und elektronische Abstimmungsanlage

Schumachers Zwischenruf „Der Bundeskanzler der Alliierten“

Köhlers Scheitern

Hermann Ehlers – Pflicht und Dienst für das Volk

Regierung und Opposition

Europäische Integration im Schatten parteipolitischer Auseinandersetzungen

Staatsaufbau

Wirtschaftswunder und soziale Marktwirtschaft

Der Arbeiteraufstand in der SBZ

Ein Nationalfeiertag für die Bundesrepublik: Der 17. Juni 1953

Bilanz

2. Wahlperiode (1953–1957)„Bonn ist nicht Weimar“

Die „Fette Henne“ – Symbol für gute Politik und Wirtschaftswunder

Neues Wahlgesetz für die Wahl zum Zweiten Bundesstag

Konstituierung

Regierung und Opposition

Eugen Gerstenmaier

Frack und Cut im Bundestag

Deutschlands Rückkehr auf die diplomatische Weltbühne

Adenauers Moskau-Besuch

Bundesversammlung und Bundestag in Berlin

Das Saarland als 10. Land der Bundesrepublik

Die Wehrverfassung und der Wehrbeauftragte des Bundestages

Volksaufstand in Ungarn

Die Debatte zur Errichtung der EWG

Bonn und Weimar

3. Wahlperiode (1957–1961)Es gibt nur eine Volkspartei

Absolute Mehrheit für die CDU

Außenpolitische Debatten

Die 3. Bundesversammlung und ein Staatsakt zum 10-jährigen Bestehen der Bundesrepublik

Auflösung der DP-Fraktion

Die SPD will Volkspartei werden: Das Godesberger Programm 1959

Sondersitzung zum Mauerbau

4. Wahlperiode (1961–1965)Das erste Drei-Fraktionen-Parlament

Modernisierung des Wahlkampfes durch die SPD

Konstituierung und Regierungsbildung

Die Spiegelaffäre

Der Élysée-Vertrag

Das Ende einer Ära: Adenauer tritt zurück

4. Bundesversammlung

Rederecht für den Wehrbeauftragten

Ende der Bundestagspräsenz in Berlin

Bilanz der 4. Wahlperiode

5. Wahlperiode (1965–1969)Parlamentsreform und Notstandsgesetzgebung in der Großen Koalition

Konstituierung

Die Kanzlerschaft Erhards

Kurt Georg Kiesinger

Die Ohrfeige

Zur Arbeit der Großen Koalition

Bundestagsbauten

Gerstenmaier geht und von Hassel setzt sein Werk fort

Notwendige Parlamentsreformen in politisch unruhigen Zeiten

Die 5. Bundesversammlung: mit Mühe und Not in Berlin

Keine Verjährung für nationalsozialistische Verbrechen

6. Wahlperiode (1969–1972)Politikwechsel im Fokus der Staatssicherheit der DDR?

Konstituierung

SPD wird Regierungspartei

„Herr Frahm“ wird Bundeskanzler

Politikwechsel

Bilaterale Begegnungen und große Gesten

Reform der Bundestagsverwaltung

Die elektronische Abstimmungsanlage: Eine unendliche Geschichte

Die Stasi und das Misstrauensvotum vom 27. April 1972

Die Vertrauensfrage und die Auflösung des Bundestages

7. Wahlperiode (1972–1976)Die SPD ist stärkste politische Kraft

Konstituierung

Annemarie Renger wird Parlamentspräsidentin

Besonderheiten und Akzente der 7. Wahlperiode

Der Rücktritt von Bundeskanzler Brandt

Bundeskanzler Helmut Schmidt

Die Kanzlerschaft eines Bürgerlichen

Die 6. Bundesversammlung

Reichstagsgebäude

Zentrale Debatten

Beitritt zur UNO

Terrorismus

Bilanz

Die Auflösung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU in Wildbad Kreuth

8. Wahlperiode (1976–1980)Politik zwischen Humor, Intellektualität und Terrorismus

Konstituierung

Karl Carstens

Für lebhaftere Debatten und gegen die Gesetzesflut

Baumaßnahmen

Die neue Geschäftsordnung

Der Deutsche Herbst 1977

Breschnew – der „Staatsbesucher“

Die 7. Bundesversammlung

Richard Stücklen: Auf Socken in den Bundestag

Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus

Bilanz des 8. Bundestages

Das Phantom Jakob Maria Mierscheid

9. Wahlperiode (1980–1983)Das Ende der sozialliberalen Koalition

Konstituierung des letzten „Drei-Fraktionen-Parlaments“

Schmidts letzten Amtsjahre als Bundeskanzler

Themen und Debatten

Die SPD-Fraktion verlangt Solidarität

Besuche und Gespräche

Der erste Sozialdemokrat ...?

Der NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979

Konstruktives Misstrauensvotum

Personelle Veränderungen

Parlamentsauflösung

10. Wahlperiode (1983–1987)Die APO zieht in den Bundestag

Die Grünen kommen in den Bundestag

Reiner Barzel – Bundestagspräsident mit der kürzesten Amtszeit

Selbstverständnisdebatte

Barzels Rücktritt

„..., mit Verlaub!“

Philipp Jenninger wird Parlamentspräsident

Bundeskanzler Kohl

Parteienfinanzierung – eine Initiative des Bundespräsidenten

Ein imperatives Mandat für die Abgeordneten der Grünen?

Moralisierung als politisches Geschäftsmodel

Der Fall Kießling

„Die große Rede“ am 8. Mai 1985

Namentliche Abstimmungen versus Hammelsprung – ein Paradigmenwechsel

Im Wasserwerk

11. Wahlperiode (1987–1990)Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Konstituierung

Adenauers Plenarsaal wird abgerissen

Die Barschel-, Pfeiffer-, Engholm- und Schubladen-Affäre

Eine missverständlich vorgetragene Rede und der Rücktritt von Bundestagspräsident Jenninger

Rita Süssmuth

Das Wüppesahl-Urteil vom 13. Juni 1989

Kontinuitäten und Umbrüche

Der 9. November 1989

Auf dem Weg zur Wiedervereinigung

Die deutsche Einigung am 3. Oktober 1990

Rückblick

12. Wahlperiode (1990–1994)Kontinuität und Neubeginn in der real gewordenen deutschen Einheit

Konstituierung und Regierungsbildung

Der Bundestag in einer deutsch-deutschen Transformationsgesellschaft

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag tritt in Kraft

Der Vertrag von Maastricht

Grundgesetzänderungen

Die Parlamentsarmee

Die 10. Bundesversammlung – Roman Herzog wird Bundespräsident

Berlin wird Sitz von Bundestag und Bundesregierung

Das sogenannte Bonn/Berlin-Gesetz vom 10. März 1994

Vom Wasserwerk in den Behnisch-Bau

13. Wahlperiode (1994–1998)Die Wahlperiode im Behnisch-Bau

Zusammensetzung des 13. Bundestages

Überhangmandate

Stefan Heym – ein Kommunist als Alterspräsident

Jede Fraktion ist im Bundestagspräsidium vertreten

Günter Behnisch: Bauen für die Demokratie

Das „verhüllte“ Reichstagsgebäude 1995

Holocaust-Gedenktag

Auslandseinsätze der Bundeswehr

Gescheiterte und erfolgreiche Gesetzesinitiativen der Regierungskoalition

Der „große Lauschangriff“.

Kohl und Süssmuth werden abgewählt

14. Wahlperiode (1998–2002)Eine rot-grüne „Berliner Republik“

Die Konstituierung

Wolfgang Thierse – der erste „Ossi“ als Bundestagspräsident

Alte Ziele und neue Herausforderungen

Staatsangehörigkeit und Zuwanderung

Die Fertigstellung der Berliner Parlamentsgebäude.

Bundestagsbeschlüsse unter Aufhebung der Fraktionsdisziplin

Die 11. Bundesversammlung – Johannes Rau wird Bundespräsident

Der Untersuchungsausschuss „Parteispenden“

Parlamentsfernsehen und Internetseite www.bundestag.de

15. Wahlperiode (2002–2005)Die unpopuläre Agenda 2010, die gescheiterte Föderalismusreformen und ukrainische Zwangsprostituierte

Die Konstituierung

Thierse – ein parteiischer Präsident?

Der 1. Untersuchungsausschuss „Lügenausschuss“

Die 12. Bundesversammlung – Horst Köhler wird Bundespräsident

Der 2. Untersuchungsausschuss Schleuser/Visa

Die Föderalismuskommission (I)

Agenda 2010

Schlagzeilen und zentrale Beratungsthemen

Das Ende des rot-grünen Zwischenspiels

16. Wahlperiode (2005–2009)Grundgesetzreformen, Konjunkturpakete historischen Ausmaßes und langandauernde Debatten in Zeiten der „Großen Koalition“

Konstituierung

Bundestagspräsident Norbert Lammert

Regierungsbildung

Die Finanzmarktkrise 2008/2009

Weitere Schwerpunkte der Arbeit der 16. Wahlperiode

Bundespräsident Köhler verweigert die Unterschrift

Ausbau des Internetangebotes

Die Föderalismuskommission (II)

Die 13. Bundesversammlung – Horst Köhler wird wiedergewählt

Die drei Untersuchungsausschüsse

Das Ende der 16. Wahlperiode

17. Wahlperiode (2009–2013)Stasi-Vergangenheit, virtuelle Debatten und Wahlrechtsreform

Konstituierung

Norbert Lammert: Das Parlament kontrolliert die Regierung

Zu Protokoll gegebene Reden

Die „Mövenpick-Steuer“ der FDP 2009

Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss

Libyen

Die 14. Bundesversammlung – Christian Wulff wird Bundespräsident

Die Staatsschuldenkrise

Guttenberg unter Plagiatsverdacht und die Aussetzung der Wehrpflicht

Atomkonsens und Energiewende

Die „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)

Der „Fall“ Wulff

15. Bundesversammlung – Joachim Gauck wird Bundespräsident

Gastredner im Bundestag

Letzte Erfolge der Koalition

NS-Belastung von Parlamentariern

Die Stasi und der Bundestag

Ausgleichsmandate als Lösung für eine seit 2008 ausstehende Wahlrechtsreform?

Bundestagsdrucksachen nur noch online

18. Wahlperiode (2013–2017)Die „kleine“ Große Koalition und das Ende der Volksparteien?

Die Konstituierung

Der Hauptausschuss

SPD stimmt der „Großen Koalition“ zu

Untersuchungsausschuss NSA

Die Flüchtlingskrise 2015/2016

Zentrale Gesetze

Die 16. Bundesversammlung 2017

Die „Ehe für alle“

Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Aus dem Sitzungsalltag

Untersuchungsausschuss „Kinder- und Jugendpornografie“

Erneuter Untersuchungsausschuss „NSU“

Untersuchungsausschuss „Cum/Ex“

Untersuchungsausschuss zum VW-Dieselskandal

Richterwahl

Lammerts Schlussansprache

19. Wahlperiode (2017–2021)„Streit nach Regeln“ – der Bundestag in Zeiten der Corona-Pandemie

Konstituierung

Der Alterspräsident

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und das Bundestagpräsidium

Zur Entstehung der Alternative für Deutschland (AfD)

Die AfD im Bundestag

Die Bildung der vierten „Großen Koalition“

Der Parlamentsalltag wird lebhafter

Corona und der Bundestag

Untersuchungsausschüsse

Das Onlineangebot wird ausgebaut

Zentrale Gesetze

20. Wahlperiode (seit 2021)Rot-gelb-grüne Zeitenwende zwischen Erosion demokratischer Werte und Russlands Krieg in der Ukraine

Optionen nach der Bundestagswahl

Konstituierung

Das Vermächtnis des Alterspräsidenten Schäuble

Bärbel Bas

Zum Umgang mit der AfD

Der Hauptausschuss

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine

Bürgerräte

Das Wahlgesetz von 2023

Wiederholung der Bundestagswahl am 11. Februar 2024 in Berlin

Das Ende der Fraktion DIE LINKE

Die 17. Bundesversammlung

Nachbereitung der Corona-Pandemie und Prophylaxe

Energiefragen

Verfassungsgericht

Zwischenbilanz nach zwei Jahren Ampelkoalition

Literatur

Personenverzeichnis

Bildnachweis

Über den Autor

„Werkstatt der Demokratie“

Ein Vorwort

„Der Mensch vergisst zu viel und viel zu schnell.“

Voltaire

Der „Deutsche Bundestag“ – so die offizielle Bezeichnung – ist die Institution in der Bundesrepublik Deutschland. Die Mitglieder des Bundestages, die MdB, vertreten das gesamte deutsche Volk.

Am 7. September 1949, gut viereinhalb Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Ende der Hitler-Diktatur, konstituierten sich gleichzeitig der 1. Bundestag als Gesetzgebungsorgan der Bundesrepublik und der Bundesrat, der sich aus Vertretern der Länder der Bundesrepublik zusammensetzt, verfassungsgemäß als föderatives Gegengewicht zum Bundestag. Dieser 7. September 1949 ist der Gründungstag der Bundesrepublik Deutschland. Seine Mitglieder sind qua Amt zugleich Mitglieder der Bundesversammlung, die das höchste Staatsorgan, den Bundespräsident, wählt.

Der Bundestag stellt mit seinen Aufgaben als Gesetzgeber des Bundes, als Wahlgremium (Wahl der Bundeskanzler oder der Bundesrichter), als Kontrolleur der Bundesregierung und schließlich als „Forum der Nation“ für alle gesellschaftlich relevanten Themen eine einzigartige Öffentlichkeit her. Hingegen werden in den überwiegend nicht-öffentlich tagenden Ausschüssen die Gesetzentwürfe beraten und erarbeitet, bevor sie im Plenum schließlich beschlossen oder abgelehnt werden.

Wie die Arbeit im Bundestag gestaltet und organisiert wird, welchen politischen Einflüssen sowie gesamtgesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Bundestag und seine Mitglieder im Laufe der Geschichte ausgesetzt waren, ist Gegenstand dieses Buches. Es werden historische Einblicke in die Arbeit eines international einzigartigen Parlaments ermöglicht.

Einleitend werden die Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und die Grundgesetzbestimmungen über den Bundestag skizziert, um dann jede einzelne der inzwischen 20 Wahlperioden in einer „Miniatur“ vorzustellen. Diese Vorgehensweise bietet sich aufgrund des allgemeinen Diskontinuitätsprinzips zwischen den einzelnen Wahlperioden an. Diskontinuitätsprinzip bedeutet: Alle parlamentarischen- und gesetzgeberischen Initiativen einer Wahlperiode, die nicht abgeschlossen worden sind, müssen ggf. in der nächsten Wahlperiode erneut eingebracht werden.

Mit der Gliederung des Buches in die einzelnen Wahlperioden fallen die großen Zäsuren in der Geschichte der Bundesrepublik nur vermeintlich zum Opfer. Vielmehr zeigt sich, wie sehr auch einschneidende Ereignisse, wie zum Beispiel die Wiedererlangung der Souveränität 1955, die sogenannten 1968er-Jahre, die Einigung Deutschlands 1990 oder der Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin 1999 eine ganze Wahlperiode prägen konnten und vor allem, wie das jeweils vom Bundestag aktiv begleitet wurde. Die politischen Geschehnisse sind keine singulären Ereignisse. Ihnen gehen vielmehr stets Entwicklungen voraus, die sich in der Arbeit des Bundestages widerspiegeln.

Die Wahrnehmung ist richtig, dass in dem hiermit vorgelegten Überblick zur Geschichte des Bundestages die ersten Wahlperioden ausführlicher behandelt werden. Das liegt vor allem daran, weil in den ersten Wahlperioden zentrale parlamentshistorische Weichenstellungen erfolgten, die bis heute gültig sind und der Erläuterung bedurften. Das betrifft sowohl die Anwendung der Geschäftsordnung als auch die Herausbildung parlamentarischer Gepflogenheiten, die nicht in der Geschäftsordnung stehen.

Jede Wahlperiode hat ihre Besonderheiten. Diese heraus- und darzustellen macht den besonderen Reiz für jemanden aus, der seit seiner Studienzeit die Geschicke des Bundestages begleitet.

Michael F. FeldkampBerlin, den 23. Mai 2024

Provisorium ohne Pathos

Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland

Besiegt und besetzt

Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Damit fand der Zweite Weltkrieg (1939–1945) in Europa sein Ende, denn im Pazifik wurde noch weitergekämpft. Deutschland wurde von den Alliierten Siegermächten, Großbritannien, Frankreich, USA und Sowjetunion, besetzt und in vier Besatzungszonen eingeteilt. Darüber hinaus wurde Groß-Berlin, inmitten der Sowjetischen Besatzungszone gelegen, in vier Sektoren geteilt und zur „Vier-Mächte-Stadt“ erklärt, weil jede der vier Siegermächte auch in der Reichshauptstadt präsent sein wollte.

Gemeinsam wollten die Siegermächte zukünftig Deutschland regieren. Auf der Konferenz von Potsdam (17.7.–2.8.1945) wurden der Alliierte Kontrollrat sowie für Berlin die Alliierte Stadtkommandantur geschaffen. Auch wurde in Aussicht gestellt, dass das deutsche Volk die Möglichkeit erhalten würde, ein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wieder aufzubauen.

Schon 1945 waren politische Parteien in den einzelnen Besatzungszonen zugelassen. Einzig die Gründung der „Christlich-Demokratische Union Deutschlands“ (CDU) und ihrer bayerischen Schwesterpartei „Christlich-Soziale Union“ (CSU) hatten keinen Vorläufer in der Weimarer Republik (1919–1933). Engagierte Katholiken und Protestanten wollten keine katholische Zentrumspartei wiedererstehen lassen und gründeten mit der CDU und CSU eine bi-konfessionelle christliche Sammlungsbewegung, die noch nicht einmal das Wort „Partei“ in ihrem Namen trug. Die CDU war nie eine geschlossene, geschweige denn eine konservative Partei, sondern zeichnete sich stets durch ihren Pluralismus aus.

Bis 1946 wurden nicht nur in allen elf westdeutschen Ländern, sondern auch in den fünf Ländern der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Landtagswahlen durchgeführt. Doch der Aufbau der Länder der SBZ erfolgte nach der Maßgabe „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten“ (so der spätere Staatsratsvorsitzende der DDR Walter Ulbricht, zitiert nach Wolfgang Leonhard). Schon drei Jahre nach Gründung der DDR (am 7. Oktober 1949), wurden die Länder zugunsten einer verwaltungstechnischen und politischen Zentralisierung im Zuge der kommunistischen Gleichschaltung (sog. „Demokratischer Zentralismus“) wieder aufgelöst.

Von der Bizone zum westdeutschen Teilstaat

Der letzte gemeinsame Kontrollratsbeschluss war das Kontrollratsgesetz Nr. 46 zur Auflösung des Staates Preußens vom 25. Februar 1947. Doch es bedurfte einer einheitlichen politischen Ordnung, um eine wirtschaftliche Stabilität der Westzonen zu erreichen, mit dem Ziel, die Besatzungsherrschaft zu beenden.

Ohne Beteiligung der sowjetischen und der französischen Besatzungsmacht schlossen sich die USA und Großbritannien in Deutschland zum 1. Januar 1947 zur „Bi-Zone“ (Bizone) zusammen. Auch wenn Teilungsabsichten nicht bestanden hatten, so war es dennoch ein erster organisatorischer Schritt zur politischen Teilung Deutschlands. In der Folge wurden mit dem Wirtschaftsrat, Ernährungsrat, Verkehrsrat, Finanzrat und dem Verwaltungsrat für Post- und Fernmeldewesen gemeinsame Organe der Länder der Bizone geschaffen. Der Wirtschaftsrat mit Sitz in Frankfurt am Main wurde dann am 25. Juni 1947 zur ersten parlamentsähnlichen, gesetzgebenden Körperschaft erweitert, wenn auch unter Kontrolle der beiden Besatzungsmächte. Der Wirtschaftrat wurde zur wichtigsten wirtschaftspolitischen Einrichtung in der Bizone, die seit Februar 1948 den Namen „Vereinigtes Wirtschaftsgebiet“ führte.

Die Entscheidungen für einen westdeutschen Teilstaat unter Einbindung der französischen Besatzungszone fielen auf der Londoner Sechsmächtekonferenz (23.2.–6.3. und 20.4.–2.6.1948). In Reaktion auf die Londoner Ergebnisse traten die Vertreter der UdSSR am 20. März 1948 aus dem Alliierten Kontrollrat aus. Umso entschlossener verfolgten die USA einen schnellen politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluss der westdeutschen Länder.

Mit dem US-Wirtschaftshilfeprogramm („Marshall-Plan“) vom 16. April 1948 und der Währungsreform am 20. Juni 1948 wurden erste Schritte mit dem Ziel einer autonomen wirtschaftlichen Konsolidierung und staatlichen Organisation für alle drei westlichen Besatzungszonen unternommen. Die UdSSR zog am 16. Juni 1948 auch aus der Berliner Alliierten Stadtkommandantur aus und reagierte auf die Einführung der Deutschen Mark (DM) in den Westsektoren Berlins am 24. Juni 1948 mit der Berlin-Blockade, die erst am 12. Mai 1949 endete. Die Berlin-Blockade war ein erster Tiefpunkt in der Frühphase des Kalten Krieges, der die Bildung einer politischen Einheit Westdeutschlands bedrohlich begleitete.

Dem französischen Sicherheitsbedürfnis entsprach es, ein wirtschaftlich und politisch schwaches Deutschland als Nachbarstaat zu haben. 1914 und 1940 wurde Frankreich militärisch von Deutschland überfallen; auch die Demütigung der deutschen Reichsgründung im Schloss Versailles 1871 war in Frankreich unvergessen geblieben. Nur unter größten Vorbehalten wollte Frankreich einer westdeutschen Staatenbildung zustimmen. So sollten erstens das Saargebiet von Deutschland abgetrennt werden, zweitens das wegen seiner Bodenschätze (Kohle und Erz) wirtschaftlich bedeutsame Ruhrgebiet einer internationalen Kontrolle unterstellt werden, und drittens ein föderalistisches Westdeutschland einer länger andauernden Besatzungszeit entgegensehen.

Verfassungsschöpfung unter Besatzungsmacht

Schließlich wurde auf der Londoner Außenministerkonferenz vom Juni 1948 vereinbart, dass das deutsche Volk die Freiheit erhalten sollte, politische Einrichtungen und Institutionen zu schaffen, die es ermöglichten, allmählich auch Regierungsverantwortung zu übernehmen, bis schließlich die volle Souveränität erreicht ist. Eine deutsche Verfassung sollte dazu beizutragen, die Teilung Deutschlands mittels eines föderalen Staates mit einer angemessenen Zentralgewalt zu überwinden. Der Föderalismus war die Chance, die deutsche Einigung herbeiführen zu können. Die Alliierten wollten mit den „Londoner Empfehlungen“ den Weg zur deutschen Einheit erleichtern.

Die Militärgouverneure Lucius D. Clay (USA), Pierre Kœnig (Frankreich) und Sir Brian Robertson (Großbritannien) übergaben das Ergebnis von London den elf Ministerpräsidenten der drei westdeutschen Besatzungszonen am 1. Juli 1948 in Frankfurt am Main. Die drei „Frankfurter Dokumente“ enthielten die zentralen Anweisungen der Alliierten über die inhaltliche Gestaltung der zukünftigen Verfassung. In einem Besatzungsstatut, das bemerkenswerterweise von deutscher Seite gewünscht worden war, sollte ein „Mindestmaß der notwendigen Kontrollen“ festgelegt werden.

Vom 8. bis 10. Juli 1948 erörterten die Ministerpräsidenten auf dem „Rittersturz“ am Rhein oberhalb von Koblenz die „Frankfurter Dokumente“ der Alliierten. In ihren „Koblenzer Beschlüssen“ verweigerten die Länderchefs ihre Mitwirkung an der Spaltung Deutschlands und schlugen vor, durch einen „parlamentsähnlichen Rat“ eine „provisorische Verfassung“ ausarbeiten zu lassen. Doch bei den „Frankfurter Dokumenten“ hatte es sich tatsächlich um „Anweisungen“ gehandelt. Lediglich den Bezeichnungen „Parlamentarischer Rat“ statt „Nationalversammlung“ sowie „Grundgesetz (vorläufige Verfassung)“ statt „Verfassung“ stimmten die Alliierten zu.

Im Auftrag der Ministerpräsidenten erarbeiteten vom 10. bis 23. August 1948 auf der im Chiemsee gelegenen Insel Herrenchiemsee vor allem westdeutsche Verwaltungs- und Verfassungsjuristen einen ersten Entwurf zum Grundgesetz. Dieser stand in der deutschen Verfassungstradition von 1848/49 und lehnte sich freilich mit ersten neuen an die Verfassung von Weimar an. Der Entwurf von Herrenchiemsee bildete die Arbeitsgrundlage des Parlamentarischen Rates.

In neun Monaten, vom 1. September 1948 bis zur Beschlussfassung am 8. Mai 1949 berieten die 65 Mitglieder (zusätzlich 5 Berliner Vertreter) des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz. 53 Abgeordnete stimmten dem Grundgesetz zu; zwölf Abgeordnete lehnten das Grundgesetz ab, nämlich sechs von acht Abgeordneten der CSU sowie die aus je zwei Abgeordneten bestehenden Fraktionen Deutsche Partei (DP), Kommunistische Partei (KPD) und Deutsche Zentrumspartei (Z oder DZP).

Am 12. Mai 1949 genehmigten die Militärgouverneure das Grundgesetz. Vom 18. bis 21. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in den Landtagen ratifiziert. Nur der Bayerische Landtag lehnte nach einer 14-stündigen Diskussion in den frühen Morgenstunden des 20. Mai 1949 das Grundgesetz mit 101 gegen 63 Stimmen bei 9 Enthaltungen ab. Doch in einer zweiten Abstimmung mit 97 gegen 6 Stimmen bei 70 Enthaltungen erklärte der Bayerische Landtag, dass das Grundgesetz bei seiner Annahme in zwei Dritteln der deutschen Länder auch in Bayern rechtsverbindlich sei. Zum Zeitpunkt dieses Beschlusses hatten erst vier der elf deutschen Länder das Grundgesetz angenommen beziehungsweise ratifiziert. Außer Bayern stimmten alle Landtage für die Annahme des Grundgesetzes.

Daraufhin wurde am 23. Mai 1949 das Grundgesetz in Bonn ausgefertigt und verkündet. Es trat mit Ablauf des 23. Mai, also am 24. Mai 1949 in Kraft.

Die Wahlbeteiligung bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 von immerhin 78,5% wurde als überwältigend große Zustimmung zur neuen politischen Ordnung gewertet. Der erste Wahlkampf wurde mit großer Schärfe und Polemik geführt. CDU/CSU und SPD standen einander gegenüber, wohl wissend, dass der Sieger die zukünftige politische Ausrichtung Deutschlands bestimmen würde. Einer der Wahlkampfhöhepunkte war der Vorwurf des CDU/CSU-Spitzenkandidaten Konrad Adenauer, die SPD habe bei der Grundgesetzarbeit mit der britischen Militärregierung gegen deutsche Interessen kollaboriert.

Die Grundgesetzbestimmungen zum Bundestag

In den Verhandlungen des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates war der zukünftige Bundestag von allen zu schaffenden Organen des Bundes das einzig unumstrittene. Schon die Teilnehmer in Herrenchiemsee waren davon ausgegangen, dass der Bundestag wie bereits der Reichstag der Weimarer Reichsverfassung unmittelbar vom deutschen Volk und nicht von den Landtagen gewählt werden sollte. Das Parlament sollte den Hauptanteil bei der zukünftigen Bundesgesetzgebung erhalten, die Regierung sollte von ihm abhängig sein und alle Mitglieder des Bundestages sollten in der Bundesversammlung an der Wahl des Bundespräsidenten mitwirken.

Der Parlamentarische Rat hatte entschieden, sich zwar an das allgemeine und seit Jahrzehnten praktizierte deutsche Parlamentsrecht anzuknüpfen, aber die Rechte des Parlaments noch mehr zu stärken. Der Bundestag sollte wie der Reichstag der Weimarer Zeit das zentrale, unitaristische Organ des Bundes sein. Die Details im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung wurden im Grundgesetz im Abschnitt „Bundesregierung“ in Artikel 63f., und 66-69 festgelegt. Schon diese Zuordnung macht deutlich, in welch enger Abstimmung mit dem Bundestag zukünftig Regierungshandeln zu erfolgen hatte.

Auf der Suche nach dem Auslöser für das Versagen der Weimarer Demokratie hatte schon der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee erkannt, dass nur ein vernünftiges Wahlrecht gegen ein arbeitsunfähiges Parlament helfe. So sprach sich der Verfassungskonvent für ein Mehrheitswahlrecht aus und wollte die Zahl der Mitglieder des Bundestages auf 400 begrenzen. Erst der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates hatte in Anlehnung an die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 auf eine Bestimmung über die Zahl der Abgeordneten im Grundgesetz verzichtet und diese Festlegung einem künftigen Wahlrecht überlassen.

Im Vergleich zur Weimarer Verfassung war die Stärkung der politischen Parteien neu. Hier sollte die politische Willensbildung erfolgen. Den Parteien oblag die Rekrutierung des politischen Nachwuchses. Durch die Schaffung von Landeslisten wurden die föderalen und personalpolitischen Entwicklungen in den Parteien auch bundespolitisch widergespiegelt und in der Zusammensetzung des Bundestages abgebildet.

Provisorischer Regierungssitz Bonn

Am 10. Mai 1949 hatte sich der Parlamentarische Rat mit 33 von 65 Stimmen für die Universitätsstadt Bonn als „vorläufigen“ Regierungssitz ausgesprochen. Für die Stadt Frankfurt am Main, in der 100 Jahre zuvor die erste deutsche Nationalversammlung tagte, stimmten 29 Abgeordnete.

Am 26. August 1949 beschlossen die Regierungschefs der westdeutschen Länder, den Bundestag am 7. September einzuberufen und die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten am 15. September 1949 zusammentreten zu lassen.

Bis Anfang September 1949 hatten der britische und amerikanische Militärgouverneur alle von ihnen gemeinsam errichteten bizonalen deutschen Verwaltungsbehörden, darunter auch den Wirtschaftsrat, aufgelöst. Mit der Konstituierung von Bundesrat und Bundestag am 7. September 1949 war aus staatrechtlicher Perspektive wie auch nach Auffassung der Alliierten die Gründung der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Auf den Tag genau einen Monat nach Gründung der Bundesrepublik, am 7. Oktober 1949, wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) mit Ost-Berlin als Hauptstadt gegründet. So wahrte die Sowjetunion den Anschein, mit der Gründung der DDR auf die Gründung der Bundesrepublik nur „reagiert“ zu haben. Sinnfällig stiftete Bundespräsident Theodor Heuss am 7. September 1951 „am 2. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“, wie es wörtlich im Erlass hieß.

Unabhängig von dieser staats-, verfassungs- und völkerrechtlichen Ansicht wurde nicht selten der 23. Mai 1949 als „Geburtsstunde“ der Bundesrepublik bezeichnet. Zeitgenössisch mag es dem Wunschdenken geschuldet gewesen sein, möglichst früh zu einer Staatsgründung zu kommen. Sie war der erste Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit und zur Souveränität. Doch gilt festzuhalten: Eine Verfassung macht noch keinen Staat!

Das Wahlrecht

Am 15. Juni 1949 erließen die Ministerpräsidenten auf der Grundlage des Wahlgesetzentwurfes des Parlamentarischen Rates ein Wahlgesetz für die erste Bundestagswahl und Bundesversammlung.

Kern des Wahlrechts war ein sogenanntes „personalisiertes Verhältniswahlrecht“, eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Die Zahl der Bundestagsabgeordneten war auf 400 festgelegt und die Bundesrepublik in 242 Wahlkreise eingeteilt worden, in denen jeweils ein Mandat nach relativer Mehrheit vergeben wurde. Die übrigen 158 Sitze wurden nach dem prozentualen Anteil vergeben, den die Parteien bei der Wahl auf Landesebene erzielten. Jeder Wahlberechtigte hatte nur eine Stimme, mit der er den Kandidaten und dessen Partei wählte. Die Ministerpräsidenten hatten – entgegen dem Vorschlag des Parlamentarischen Rates – die Fünf-Prozent-Sperrklausel eingefügt, nach der eine Partei nur in den Bundestag einziehen konnte, wenn sie in einem Bundesland auf mindestens 5% der Stimmen oder ein Direktmandat kam.

Das Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung schloss Personen vom passiven Wahlrecht aus, die im Sinne der von der Militärregierung erlassenen Entnazifizierungsvorschriften belastet waren. Die damit verbundene Grundrechtsverletzung blieb folgenlos, weil Art. 139 des Grundgesetzes die Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften festgelegt hatte.

1. Wahlperiode (1949–1953)

Neustart zwischen Tradition und Moderne

Der Bonner Plenarsaal

Auf den 7. September 1949, dem Tag der Konstituierung des 1. Bundestages, hatte sich die Stadt Bonn gründlich vorbereitet. Die Innenstadt ertrank in einem Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen. Am Bonner Bahnhof erklang bei Eintreffen der Fernzüge die Lautsprecherdurchsage: „Achtung! Achtung! Es begrüßt Sie die Bundeshauptstadt Bonn“. Die ganze Stadt wurde zuvor von der britischen Militärverwaltung zur entmilitarisierten Zone erklärt und vom 8. bis 13. September 1949 wurde die nächtliche Sperrstunde aufgehoben.

Noch bevor das Grundgesetz am 8. Mai 1949 in der Pädagogischen Akademie in Bonn beschlossen worden war und fünf Tage bevor im Parlamentarischen Rat überhaupt die Wahl auf Bonn als Regierungssitz fiel, wurde bereits am 5. Mai 1949 das Richtfest für den zukünftigen Plenarsaal des Bundestages gefeiert. Das war zwar ein gewisses Risiko, aber gleichzeitig wurden mit dem Baubeginn Fakten geschaffen, die auf Bonn als Regierungssitz hinauslaufen sollten. So wurde auch am 3. November 1949 mit 200 gegen 179 Stimmen Bonn als vorläufiger Sitz der Legislative und Exekutive des Bundes bestätigt. Die daraufhin ausgeweitete Bautätigkeit in Bonn führte schon ein Jahr später am 5. Oktober 1950 zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Hauptstadtfrage, der aufgrund der von der Zeitschrift Der Spiegel angestoßenen öffentlichen Debatte auch „Spiegel-Ausschuss“ genannt worden war.

Der Plenarsaal des Architekten Hans Schwippert war eine selbsttragende Stahlkonstruktion mit zwei Glasfassaden, die sich in „farbiger, beinahe zierlicher Eleganz“ (Tagesspiegel, 8.9.1949) recht harmonisch in die im Bauhausstil erbaute Pädagogische Akademie, dem fortan sogenannten „Bonner Bundeshaus“, einfügte. Selten ist es einem Gebäude gelungen, gleichzeitig symbolisch für Tradition und Moderne zu stehen. Die Bestuhlung ließ nicht nur die 410 Mitglieder des Bundestages Platz finden, sondern konnte auch für die 820 Mitglieder der 1. Bundesversammlung erweitert werden.

In Schwipperts Plenarsaal saßen vom Stuhl des Präsidenten gesehen von links nach rechts KPD, SPD, FDP, Bayernpartei, DP und CDU/CSU. Wobei die KPD-Abgeordneten, nachdem sie keine Fraktion mehr bildeten, in den hinteren Reihen platziert wurden. Jeder Abgeordnete erhielt seinen festen Sitzplatz zugewiesen. Die prominenten Abgeordneten und die Fraktionsvorstände saßen vorne, und in den letzten Reihen die genau deswegen sogenannten „Hinterbänkler“. Eine freie Sitzplatzwahl gab es erst 1986, in der 11. Wahlperiode; und zwar aus der Not heraus. Der Plenarsaal von Hans Schwippert musste dem Neubau des Plenarsaals von Günter Behnisch weichen und im zwischenzeitlich genutzten „Ersatzplenarsaal“ im Wasserwerk in unmittelbarer Nähe zum Rhein war nicht für alle Mitglieder des Bundestages ein Sitzplatz vorhanden war.

Die Frontseite des Schwippert-Baues, also die Wand im Rücken von Bundestagspräsidium, Regierungsbank und der Bundesrats-Bank, zierte während der gesamten 1. Wahlperiode ein Veloursvorhang mit den Wappen der elf Länder der Bundesrepublik sowie der Stadt Berlin (West).

Für die Abgeordneten sowie die ca. 110 Fraktionsmitarbeiter und die 508 Verwaltungsmitarbeiter entstand 1951/52 ein sechsstöckiger Erweiterungsbau des Bundeshauses. Dieses Gebäude wurde im Parlamentsalltag stets „Hochhaus“ genannt. Erst 1969, als mit dem Abgeordnetenhochhaus, dem „Langen Eugen“, das 29 Stockwerke umfassende „Neue Hochhaus“ (NH) fertiggestellt worden war, erhielt das Hochhaus von 19551/52 die Bezeichnung „Altes Hochhaus“ (AH).

Fraktionen und Fraktionswechsel

402 Abgeordnete aus den drei Besatzungszonen der westlichen Alliierten wurden mit der Wahl vom 14. August 1949 in den Bundestag entsandt, dem einzigen direkt vom Staatsvolk gewählten Verfassungsorgan. Mit seinen 402 Abgeordneten hatte der 1. Bundestag die geringste Anzahl von Abgeordneten, die je ein Bundestag umfasste.

Aufgrund der ersten Bundestagswahl ergaben sich folgende Fraktions- und Gruppenbildungen: CDU/CSU 140, SPD 131, FDP/DVP 52, Bayernpartei (BP) 17, Deutsche Partei (DP) 17, Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 15, Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (WAV) 12, Deutsche Zentrumspartei (DZP) 10, Deutsche Reichspartei (DRP) 4 zusammen mit einem Abgeordneten der Nationaldemokratischen Partei insgesamt 5, Fraktionslose 2, Südschleswigscher Wählerverband (SSW) 1.

CDU/CSU, SPD und auch FDP wurden mit deutlichem Abstand die drei stärksten Fraktionen. Der Wahlsieger CDU/CSU, wenn auch nur mit einem knappen Vorsprung gegenüber der SPD, bildete mit Konrad Adenauer als Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers eine bürgerliche Regierungskoalition gemeinsam mit der FDP und DP. Adenauer schloss die damals noch stark sozialistische aber zugleich anti-kommunistische SPD aus der Regierungsverantwortung im Bund aus, ein Regierungsmodell, das hingegen in manchen Ländern der Bundesrepublik durchaus praktiziert wurde. Schon der Parlamentarische Rat zeigte, dass die Unterschiede zwischen beiden Parteien in wirtschaftspolitischen Fragen unvereinbar waren. Private Initiative, Wettbewerb und soziale Marktwirtschaft standen dem Konzept eines staatlich gelenkten Gemeinwohls und einer Vergesellschaftung ganzer Wirtschaftszweige entgegen. Das Wahlergebnis war aber als Zuspruch zur sozialen Marktwirtschaft gewertet worden, wie sie prominent von Ludwig Erhard (CDU/CSU) vertreten worden war. Sie versprach Wohlstand für alle.

Im September 1949 bildeten die WAV und die Zentrumspartei sowie die DP und die FDP jeweils eine Fraktionsgemeinschaft. Gemäß der neuen Geschäftsordnung des Bundestages vom 9. Dezember 1951, die am 1. Januar 1952 in Kraft trat, wurde am 16. Januar 1952 die Mindeststärke einer Fraktion auf 15 Mitglieder festgelegt. Am 14. Dezember 1951 schlossen sich Zentrum und Bayernpartei zur Fraktion „Föderalistische Union“ (FU) zusammen. Die KPD verlor ihren Fraktionsstatus, weil sie seit dem 10. Mai 1950 nur noch 14 Mitglieder zählte; denn der Bundestag weigerte sich, für den von der KPD erzwungenen Rücktritt des als verschollen gemeldeten Abgeordneten Kurt Müller einen Nachrücker zuzulassen.

Von den ursprünglich acht im Bundestag vertretenen Fraktionen gab es somit am Ende der Wahlperiode nur noch fünf Fraktionen. Wie wenig starr die Parteien auch in ihren Inhalten positioniert und festgelegt waren, belegt die außergewöhnlich hohe Zahl von insgesamt 91 Fraktionswechseln alleine in der 1. Wahlperiode.

Die Bayernpartei (BP) zählte zu den kleinen Parteien im Bundestag und war nur bis 1950 ein ernstzunehmender Konkurrent der CSU.

Am 8. Januar 1950 – nach Aufhebung der Lizenzierung von politischen Parteien durch die Alliierten am 28. November 1949 – wurde auf Initiative von Waldemar Kraft in Schleswig-Holstein der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) gegründet. Am 13. Oktober 1950 traten drei Abgeordnete aus der WAV-Bundestagsfraktion aus und bildeten die parlamentarische Gruppe „Deutscher Gemeinschaftsblock der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE/DG)“. Damit war die Partei im Bundestag vertreten. Am 14. November 1952 erfolgte ihre Umbenennung in Gesamtdeutscher Block/BHE. Unter Theodor Oberländer näherte sich der GB/BHE der politischen Konzeption des Bundeskanzlers Adenauer an.

Die Berliner Abgeordneten

Zu den genannten 402 MdB kamen acht und ab dem 1. Februar 1952 zusätzlich 11 Abgeordnete aus Berlin hinzu, die nicht voll stimmberechtigt waren: Es waren von der SPD 5 (+ 4) Abgeordnete, von der CDU 2 (+ 3) und von der FDP 1 (+ 4).

Die Berliner Abgeordneten waren aufgrund eines alliierten Vorbehalts nicht „voll stimmberechtigt“. In ihrem „Genehmigungsschreiben“ zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 interpretierten die Militärgouverneure Artikel 23 und 144 Abs. 2 des Grundgesetzes dahin, dass Berlin (West) eine beschränkte Anzahl von Vertretern zur Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages und des Bundesrates benennen durfte. Dieser Vorbehalt wurde auch durch Artikel 2 und 6 des Deutschlandvertrages vom 26. Mai 1952 und in seiner Fassung vom 5. Mai 1954 explizit aufrechterhalten und erst am 11. Juni 1990, im Zuge der unmittelbar bevorstehenden Wiedervereinigung, beendet.

Der alliierte Vorbehalt galt für alle Sachabstimmungen über Gesetzentwürfe und für die Wahl des Bundeskanzlers. Bei der Wahl des Bundespräsidenten waren die Berliner Abgeordneten erst in der Bundesversammlung 1954 voll stimmberechtigt. Für die namentlichen Abstimmungen erhielten die Berliner eigens gekennzeichnete Stimmkarten, die bei der Auszählung gegebenenfalls rausgenommen werden konnten Beim Hammelsprung blieben die Berliner Abgeordneten auf ihren Plätzen sitzen, wenn zur Zählung der Stimmen alle übrigen Abgeordneten den Plenarsaal verlassen sollten, um dann durch eine der drei Abstimmungstüren „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ in den Plenarsaal wieder einzutreten.

Stimmberechtigt waren die Berliner Abgeordneten bei der Wahl des Bundestagspräsidenten und des Wehrbeauftragten (seit 1956) sowie bei Entscheidungen über die Einsetzung von Ausschüssen, selbständigen Anträgen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, Entschließungsanträgen, Anträgen zu Großen Anfragen, Geschäftsordnungsanträgen und in den Ausschüssen.

Parlamentarische Erfahrung und personelle Kontinuität

Die Konstituierung des 1. Bundestages am 7. September 1949 entsprach einem Neuanfang, war aber kein Novum. „Parlamentarismus“ war 1949 in Deutschland kein Fremdwort, wählten doch die deutschen Länder seit 1946 Verfassungsgebende Versammlungen und Parlament und knüpften an politische Erfahrungen aus den Jahren vor der nationalsozialistischen Zeit bis 1933 an.

Noch bevor bekannt war, dass er tatsächlich das an Lebensjahren älteste Mitglied des Bundestages sein würde, hatte Konrad Adenauer dafür plädiert, dass Paul Löbe (SPD) Alterspräsident in der konstituierenden Sitzung wird. Löbe war nur 22 Tage älter als Konrad Adenauer (CDU/CSU) und war mit einer Unterbrechung von nur wenigen Monaten 1923/24 faktisch von 1920 bis November 1932 Reichstagspräsident gewesen. Er war das personifizierte Bindeglied zwischen Weimarer Reichstag und Bundestag, auf dessen Grundlagen man sich gestellt sah; nur dass man es jetzt besser machen wollte und „ein erneutes 1933“ verhindert wissen wollte. Der Bundestag übernahm am 20. September 1949 die Geschäftsordnung des Reichstags, die er in den ersten Monaten im Einvernehmen mit dem Geschäftsordnungsausschuss immer wieder durch Vereinbarungen des Ältestenrats modifizierte und erweiterte. Löbe selbst entzauberte manche Legenden über den Weimarer Reichstag, der in den nächsten Jahren zur Negativfolie der Bonner Demokratie wurde, zu Unrecht, wie Löbe meinte.

Löbe war nicht der einzige Abgeordnete mit politischen Erfahrungen: 29 MdB waren Mitglied im Reichstag der Weimarer Republik, davon 3 sogar Mitglied der Weimarer Nationalversammlung; 34 MdB waren im Parlamentarischen Rat und insgesamt 84 MdB waren zum Teil gleichzeitig Mitglied in einem der elf westdeutschen Landtage. In der 2. Wahlperiode waren es sogar 174 MdB, die auch in einem Landtag waren. 15 MdB waren zuvor Landesminister und davon waren Rudolf Amelunxen (Zentrum) sogar Ministerpräsident, beziehungsweise Carlo Schmid (SPD) Staatspräsident gewesen. Es gab also zahlreiche Abgeordnete mit parlamentarischer Erfahrung.

Nationalsozialisten im Bundestag

Im 1. Bundestag gab es auch 57 Abgeordnete, die vorher der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) oder einer anderen NS-Organisation angehörten. Alle mussten nach dem Wahlgesetz zuvor in einem Entnazifizierungsverfahren als „entlastet“ eingestuft worden sein.

Wolfgang Hedler (DP) hatte, wie sich später rausstellte, seinen Entnazifizierungsnachweis gefälscht. Er erlangte Aufmerksamkeit, nachdem er sich Ende November 1949 öffentlich antisemitisch geäußert und den militärischen Widerstand gegen Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 als „Dolchstoß“ verunglimpft hatte. Der Bundestag hob Hedlers Immunität auf und die DP-Fraktion schloss ihn am 19. Januar 1950 aus, wenn auch erst auf Intervention des Bundeskanzlers Adenauer. Zwischenzeitlich aufgrund fehlender Beweise freigesprochen, stellte am 10. März 1950 Bundestagspräsident Erich Köhler fest, dass Hedler im Plenarsaal saß, obwohl er weiterhin ausgeladen worden war. Hedler verließ den Plenarsaal. Eine Stunde später saß er im Ruheraum für die Abgeordneten, auch Raucherraum genannt, in unmittelbarer Nähe zum Plenarsaal, mit einem Journalisten zusammen, als „auf Initiative“ von Herbert Wehner und Rudolf-Ernst Heiland eine Gruppe von etwa zehn SPD-Abgeordneten Hedler aus dem Ruheraum und durch die Wandelhalle zum Südeingang drängten. Auf der Außentreppe vor der Eingangstür schlugen und traten die SPD-Abgeordneten auf Hedler ein. Ein Arzt stellte eine Gehirnerschütterung sowie innere Verletzungen und Blutungen am Kopf fest. Die „schweren Tätlichkeiten“, so Köhler am 22. März 1950 im Plenum, waren außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches erfolgt. Dennoch wurde Wehner für zehn und Heiland für acht Sitzungstage ausgeschlossen. Wehner wurde später zusätzlich zur Zahlung von Schmerzensgeld und Hedler zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Während Hedler seinen Entnazifizierungsnachweis gefälscht hatte, wurde Fritz Rössler unter seiner neuen Identität als Franz Richter in den Bundestag gewählt. Am 6. September 1950 wurde er aus der Gruppe der Deutschen Reichspartei ausgeschlossen. Öffentlichkeitswirksam wurde er dann am 20. Februar 1952 im Bundeshaus verhaftet. Richter war, wie sich herausgestellt hatte, als Gauhauptstellenleiter der NSDAP in Sachsen und danach im Reichspropagandaministerium tätig gewesen. Aus der Untersuchungshaft hatte er sein Mandat niedergelegt.

Bundestagspräsident Erich Köhler

Als stärkste Fraktion im Bundestag fiel der CDU/CSU-Fraktion das ungeschriebene Recht zu, den Parlamentspräsidenten zu nominieren. Erich Köhler (CDU/CSU) stand schon in der Funktion des Präsidenten des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am Main als ein Mann des Ausgleichs zwischen der sozialistisch geprägten SPD und der CDU/CSU. Das kam den Ministerpräsidenten der Länder entgegen, die sich eine Große Koalition auch im Bund erhofften. Köhler war einer der wenigen profilierten Protestanten in der CDU/CSU, was ihn seitens der überkonfessionellen, aber katholisch dominierten CDU/CSU für ein Partei- oder Staatsamt besonders attraktiv machte. Der Katholik Adenauer schlug Köhler für das Amt des Bundestagspräsidenten vor, womit Adenauer wiederum seinen eigenen Weg in das Bundeskanzleramt ebnete. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 86,1 % der abgegebenen Stimmen wurde Köhler zum Bundestagspräsidenten gewählt. Vizepräsidenten wurden Carlo Schmid (SPD) und Hermann Schäfer (FDP), letzterer war im Parlamentarischen Rat schon Vizepräsident gewesen.

Bundespräsident Theodor Heuss

Nach dem Grundgesetz musste der Bundeskanzler vom Bundespräsidenten zur Wahl durch den Bundestag vorgeschlagen werden. Deswegen stand als nächstes die Wahl des Bundespräsidenten an. In der 1. Bundesversammlung am 12. September 1949 setzte sich Theodor Heuss (FDP) erst im zweiten Wahlgang gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher und den nordrhein-westfälischen Sozialminister Rudolf Amelunxen (Z) durch. Die Wahl von Heuss war Bestandteil von mündlichen Koalitionsabsprachen der CDU/CSU mit der FDP und der DP.

Auch Heuss war Mitglied im Parlamentarischen Rat gewesen. Die Präambel und die Grundrechte des Grundgesetzes hatten von seinen Formulierungskünsten maßgeblich profitiert. In den Bundestag war er über die Landesliste eingezogen. Ihm schien das Amt des Bundespräsidenten wie auf den Leib geschnitten. Er hielt nichts von „Ellenbogenpolitik“, wie er nach seiner Wahl am 12. September 1949 bekannte, und sah sich als den Gegentypus des Machtpolitikers. Sein Amt sollte „mit einem Menschentum gefüllt“ sein; sich selbst verstand er „als ausgleichende Kraft“. Sein Markenzeichen wurde die Zigarre. Zwischen seinen Fingern war sie kein Lifestyle-Symbol und stand auch nicht für Männlichkeit oder Macht. Allenfalls konnte man bei ihm die Zigarre als ein Attribut für den wirtschaftlichen Erfolg der jungen Bundesrepublik werten.

Adenauers Fraktion, Regierung und Parlament

Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt, den Bundespräsident Heuss zur Wahl durch den Bundestag vorschlug. Mit nur einer Stimme Vorsprung – seiner eigenen – gewann er die Wahl. Sein Regierungsstil ging über die im Grundgesetz (Art. 65) verankerte „Richtlinienkompetenz“ weit hinaus, zeugte von großer Selbstbeherrschung, und war unter dem Etikett „Kanzlerdemokratie“ stilbildend. Nur noch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU/CSU) erreichte während der Monate der deutschen Einigung 1989/90 diesen Führungsstil.

Adenauer hat nicht „durchregiert“, er war kein „eiserner Kanzler“, wie Otto von Bismarck. Er war sensibel für Kritik, auch aus den eigenen Reihen, so wenigstens verstand viele Jahre später Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (CDU/CSU) Adenauers Bemerkung: „Für mich ist das Fegefeuer, wenn ich in die Fraktion muss.“

Adenauer maß der Fraktion höchste Bedeutung zu. Sie war wichtiger als der Parteivorstand, zumal die politische Arbeit einer Partei nirgends größere Beachtung fand als im Bundestag. Das galt für alle Parteien. Hier wurde der Ausgang zukünftiger Wahlen entschieden, das merkt man deutlich, wenn sich eine Wahlperiode zu Ende neigt.

Die CDU/CSU-Fraktion leitete im 1. Bundestag Heinrich von Brentano. Doch, anders als die „Arbeiterpartei“ SPD, waren CDU und CSU keine gefestigten Parteien. Sie verfügten nicht über klar umrissene Wählerschaften, sondern waren als pluralistische Sammlungsbewegungen, weithin getragen vom katholischen Milieu, Volksparteien. Ihre Wähler und Mitglieder vereinten Arbeiter und Bürgerliche sowie Industrielle und Intellektuelle, also alle Schichten und Berufsgruppen. Das machte sich auch in der Bundestagsfraktion bemerkbar. Bei Gesetzesinitiativen wurden auch gegensätzliche Auffassungen offen diskutiert; die zu überwindenden Frontlinien waren nicht selten durch die Konfessionszugehörigkeit vorbestimmt. Nicht umsonst gründete sich die Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) erst am 20. bis 22. Oktober 1950 auf dem Parteitag in Goslar als Bundespartei.

Eugen Gerstenmaier (CDU/CSU) – Präsident des Deutschen Bundestages 1954–1969

Adenauers Kabinett gehörten FDP und DP an. Die DP war eine im Osten Niedersachsens beheimatete Partei, mit der es im Wahlkampf bereits Wahlabsprachen gab, weil es der CDU im protestantischen Teil Niedersachsens nicht gelungen war, eigene Kandidaten für den Bundestag aufzustellen. Daraus speiste sich schon sehr früh in der CDU der Gedanke, die Mitglieder der DP nicht nur an die CDU zu binden, sondern langfristig einen vollständigen Wechsel ihrer Mitglieder in die CDU anzustreben. Die CDU lockte sogar mit hohen Parteiämtern. Es dauerte noch bis 1961, bis sich die DP, die die meisten Mitglieder an die CDU verloren hatte, selbst auflöste. Sie wurde erst im Zusammenhang der Umdeutung von Adenauers Politik Jahrzehnte nach der deutschen Einigung 1990 als „rechte“ Partei bezeichnet, womit man nicht nur ihren prominentesten Mitgliedern wie den Bundesministern Heinrich Hellwege, Hans-Joachim von Merkatz und Hans-Christoph Seebohm unrecht tat.

Schließlich trug die FDP – die Partei von Bundespräsident Heuss und Justizminister Thomas Dehler, der sich schon im Parlamentarischen Rat nicht gerade als Freund der Kirchen erwies – als Koalitionär für eine breite Akzeptanz der Regierungsarbeit Adenauers bei.

Ungewissheiten im gespaltenen Deutschland

Die Erwartungen der Bevölkerung fasste Alterspräsident Paul Löbe (SPD) in seiner Ansprache in der konstituierenden Sitzung treffend zusammen. Er formulierte: Vom Bundestag werde die Schaffung einer stabilen Regierung, einer gesunden Wirtschaft, einer neuen sozialen Ordnung in einem gesicherten Privatleben erwartet, damit „unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand“ entgegengeführt werden könne.

Keiner der Abgeordneten wusste auch nur ansatzweise, was ihn erwarten würde. Die letzten vier Jahre hatte Deutschland unter Besatzungsrecht der jeweiligen Besatzungsmächte gestanden. Das sollte möglicherweise auch noch Jahre so bleiben, auch wenn sich Lockerungen der Besatzungsherrschaft abzeichneten. Zumal die Friedens- und Wiedervereinigungsangebote der Sowjetunion lediglich propagandistische Zwecke verfolgten.

Sehr verhalten und mit wenig Pathos verlief der Gründungsakt der Bundesrepublik am 7. September 1949, der von Linken und Kommunisten sowie der Sowjetunion als Besiegelung der deutschen Spaltung galt. Propagandistisch geschickt wurde deswegen erst am 7. Oktober 1949 für die sowjetische Besatzungszone mit der Gründung der DDR und Ost-Berlin, auch als „Hauptstadt der DDR“ bezeichnet, ein zweiter Staat auf deutschem Boden errichtet. Das Datum war absichtlich ein Monat nach Gründung der Bundesrepublik gewählt worden. Es sollte der Eindruck manifestiert werden, dass die DDR erst in Reaktion auf den westalliierten Alleingang gegründet worden sei. Dass die zahlreichen sowjetischen Alleingänge seit 1945, ihr Veto und ihre Obstruktionspolitik im Alliierten Kontrollrat jegliche Teilungspläne überhaupt erst begünstigten, darf nicht übersehen werden.

Die Ausschussarbeit

Zu Beginn des 1. Bundestages wurden 36 Ausschüsse gebildet; am Ende der Wahlperiode waren es 52 Ausschüsse und weitere Beiräte, die insgesamt zu 4218 Sitzungen zusammenkamen. In allen späteren Wahlperioden betrug die Anzahl der Ausschusssitzungen in einer Wahlperiode durchschnittlich knapp die Hälfte. Es gab also erheblichen Gesprächsbedarf, weswegen sich der 1. Bundestag auch als „Redeparlament“ mit teils legendären Redeschlachten gerierte. Die angemessenen Formen der parlamentarischen Zusammenarbeit mussten in diesem Parlament erst noch gefunden und eingeübt werden.

Für manche zentrale Gesetzesvorhaben gab es eigene Ausschüsse, so beim Beamtengesetz, beim Lastenausgleichsgesetz (am 10. Juli 1952 verabschiedet), bei Grenzlandfragen, bei der Hauptstadtfrage, bei der Mitberatung des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und schließlich für das Londoner Schuldenabkommen. Die Mitberatung des Vertrags über die EVG und das Schuldenabkommen waren aus dem Bedürfnis der oppositionellen SPD entstanden, bei den außenpolitischen Weichenstellungen mitreden und dieses nicht der Adenauer-Regierung alleine überlassen zu wollen.

In den ersten Monaten gab es einen Organisationsausschuss, der den Parlamentspräsidenten in organisatorischen Angelegenheiten beriet und zwar sowohl hinsichtlich der Parlamentspraxis als auch des Aufbaues der Bundestagsverwaltung, die 1950 bereits 508 Bedienstete umfasste. Die Themenpalette reichte von der Einführung der Öffentlichen Anhörungen nach dem Vorbild der US-amerikanischen Hearings bis zur Frage, ob es angemessen sei, im Bundestagsrestaurant neben deutschem Bier auch das US-amerikanische Getränke „Coca Cola“ auszuschenken. Beherzt griff Köhler Anregungen des Ausschusses für eine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages auf.

Zu den bedeutendsten Ausschüssen des 1. Bundestages zählte der Geschäftsordnungsausschuss. Der Bundestag hatte am 20. September 1949 nur eine „vorläufige Geschäftsordnung“ angenommen, die weitestgehend der des Reichstags von 1922 entsprach. Ältestenrat und Vorstand des Bundestages begleiteten die Arbeit des Geschäftsordnungsausschusses unter dem Vorsitz von Heinrich Georg Ritzel (SPD). Der Ausschuss sollte zügig eine „endgültige Geschäftsordnung“ erarbeiten, die im Dezember 1951 verabschiedet wurde und zum 1. Januar 1952 in Kraft trat.

Naturgemäß drangen aus den meist nicht-öffentlichen Ausschusssitzungen nur wenige Informationen an die Öffentlichkeit. Eine Ausnahme bildete jedoch der Auswärtige Ausschuss, aus dem immer wieder Informationen an die Presse durchgestochen wurden. Das hatte unter anderem Kanzler Adenauer veranlasst, im Ausschuss keine vertraulichen Dinge, etwa aus seinen Gesprächen mit den alliierten Besatzungsmächten, preiszugeben.

Untersuchungsausschüsse

Am 2. Februar 1950 wurde ein erster Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Einfuhren in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Gebiet der Bundesrepublik eingesetzt. Schon am 10. Februar 1950 folgte die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Verhältnisse auf dem Gebiet des Kraftstoffvertriebs und am 2. März 1950 der Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der im Raume Bonn vergebenen Aufträge. Weitere Ausschüsse folgten im Laufe der Wahlperiode, darunter am 11. Oktober 1951 der Untersuchungsausschuss zum Dokumentendiebstahl im Bundeskanzleramt sowie zur Überprüfung von Missständen in der Bundesverwaltung (Platow-Ausschuss).

Abstimmungsverhalten

Untersuchungen zum Abstimmungsverhalten im Plenum in den ersten Monaten zeigen, dass die CDU/CSU bei vier von zehn Abstimmungen über hochpolitische Gegenstände gespalten abstimmte, nämlich: Wahl der Bundeshauptstadt, Mitbestimmungsgesetz, die Gesetze zur Neugliederung des südwestdeutschen Raumes. Die DP trat nur einmal nicht geschlossen auf. Die Bayernpartei (BP) war sich lediglich beim Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat uneinig.

Bei den 84 Abstimmungen über wichtige politische Gegenstände war wiederum die CDU/CSU-Fraktion in 13 Fällen die Fraktion mit der lockersten Handhabung der Fraktionsdisziplin. Bei wirtschaftspolitischen Gegensätzen gab es bei den Christdemokraten uneinheitlich Abstimmungsverhalten, wie zur Getreidesubvention, Steuergesetzgebung, Arbeitnehmerfragen und Flüchtlingsfragen, aber auch Fragen, in denen föderalistisch-regionale Überzeugungen und konfessionelle Unterschiede innerhalb der CDU/CSU zum Ausdruck kamen. Bei der SPD stimmten nur einmal acht Juristen für den Antrag der CDU/CSU zum Richterwahlgesetz. Hier obsiegten inhaltliche Überzeugungen gegenüber der eingeforderten Fraktionsdisziplin. Ansonsten hatten SPD, KPD, Zentrum und WAV stets einheitlich abgestimmt. Das kann mit der Oppositionsrolle dieser Fraktionen erklärt werden, aber in jenen Fraktionen, die aus der Weimarer Zeit stammten, war traditionell die „Fraktionsdisziplin“ längst eingeübt und viel strenger beachtet worden. In den ersten Jahren wenigstens kannte man das Wort „Fraktionsdisziplin“ oder gar „Fraktionszwang“ bei der CDU/CSU nicht.

Weil die Ausschüsse nicht öffentlich tagten, fanden die Plenarsitzungen umso größere Aufmerksamkeit. Von Beginn an unterminierten KPD und DKP die Arbeit des Parlaments. Sie provozierten mit Zwischenrufen und durch ungebührliche Auftritte. Auf die Kommunisten fielen alleine 100 Ordnungsrufe von insgesamt 156 Ordnungsrufen in der 1. Wahlperiode. Acht von 17 Sitzungsausschlüssen und zahlreiche Wortentziehungen kamen hinzu.

Hammelsprung und elektronische Abstimmungsanlage

Der Bundestag präferierte seit 1949 zunächst die Abstimmung durch Namensaufruf. Noch 1950 führte man gekennzeichnete Stimmkarten für die namentlichen Abstimmungen ein. Außer in vier Fällen wurden übrigens alle Anträge auf namentliche Abstimmung bis zum Sommer 1951 abgelehnt. Als bei einer Abstimmung am 2. Februar 1950 die Mehrheitsverhältnisse völlig unübersichtlich waren, führte der Parlamentspräsident ohne eine geschäftsordnungsrechtliche Handhabe den ersten Hammelsprung im Bundestag durch. Hierfür verließen alle Abgeordneten den Plenarsaal und traten zur Zählung der Stimmen durch die zu Ja-, Nein- oder Enthaltungstüren erklärten Zugänge in den Plenarsaal ein. Das Ergebnis war mit 162 gegen 177 Stimmen bei einer Enthaltung knapp ausgefallen und rechtfertigte für die Zukunft die Durchführung von Hammelsprüngen. Dadurch, dass zunächst acht, ab 1952 immerhin noch fünf Fraktionen im 1. Bundestag vertreten waren, war es schon bei den einfachen Abstimmungen durch Aufstehen oder durch Handheben für die stimmzählenden Schriftführer nahezu unmöglich, die oft knappen Mehrheiten zuverlässig festzustellen. Das galt für die meisten der 181 Hammelsprünge der 1. Wahlperiode. Der Hammelsprung, der in späteren Wahlperioden wesentlich seltener beantragt wurde, war zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt, ein Instrument der Disziplinierung zu sein, er sollte lediglich ein eindeutiges Ergebnis herbeiführen.

Um die Einführung des Hammelsprungs entbehrlich zu machen, hatte Präsident Köhler am 14. Februar 1950 eine „technische Abstimmungsanlage“ vorführen lassen, die jedoch auf breite Ablehnung stieß, weil sie mit der deutschen Geschäftsordnungspraxis nicht vereinbar war.

Schumachers Zwischenruf „Der Bundeskanzler der Alliierten“

Im November 1949 hatte Kanzler Adenauer in Geheimverhandlungen mit den Hohen Kommissaren für Deutschland das „Petersberger Abkommen“ ausgehandelt, das erste besatzungsrechtliche Erleichterungen mit sich brachte. So sollten deutsche Vertreter in der „Ruhrbehörde“ mit den Alliierten zusammenarbeiten. Etliche – wenn auch noch nicht alle – Industriebetriebe sollten vor einer weiteren Demontage befreit werden und mit Unterstützung des Marshall-Plans sollte der Wiederaufbau in Deutschland vorangetrieben werden. Adenauer hatte das Abkommen in seiner Regierungserklärung am 24. November 1949 erläutert, als in der Debatte, die sich bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages hinzog, die SPD behauptete, die Alliierten hätten Interesse, Adenauers „autoritäres Regime“ zu unterstützen, weswegen die SPD das Petersberger Abkommen ablehnte. Adenauer konterte unter Hinweis auf die Erleichterungen in der Demontage, dass die SPD offensichtlich „eher die ganze Demontage bis zu Ende gehen“ lassen wolle, als die mit dem Abkommen ermöglichten wirtschaftlichen Erleichterungen zu akzeptieren. Als in der hitzigen Debatte vom linken Flügel die Frage an Adenauer erging: „Sind Sie noch ein Deutscher?“, rief der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Kurt Schumacher, spontan: „Der Bundeskanzler der Alliierten!“

Die Vorgeschichte des Ausrufes fand sich im Parlamentarischen Rat, als SPD und KPD dem Parlamentspräsidenten Adenauer im Dezember 1948 vorwarfen, die Alliierten im Streit zwischen den Parteien zu Schiedsrichtern angerufen zu haben und ein Einwirken der Alliierten auf die Grundgesetzarbeit als „Alliiertes Diktat“ verunglimpft wurde. Dabei war es bekanntermaßen die SPD, die mit der britischen Besatzungsmacht kollaboriert hatte, sowohl im Parlamentarischen Rat, wie schon zuvor bei Adenauers Abberufung als Oberbürgermeister von Köln.

Die Höhe des ersten Sitzungsausschlusses im Bundestag von 20 Tagen, die noch in der Nacht im Ältestenrat entschieden wurde, war es, die in den nächsten Tagen zu weiterer Aufregung führte. Der Sitzungsausschluss wurde schon kurze Zeit später zurückgezogen, weil Adenauer auf eine Entschuldigung Schumachers verzichtete.

Köhlers Scheitern

Bundestagspräsident Köhler war es auch in den nächsten Monaten nicht gelungen, die Schärfe der Diskussion zu mildern. Feindseligkeiten und persönliche Verletzungen zwischen den Fraktionen waren an der Tagesordnung. Am 10. November 1949 wies der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende von Brentano darauf hin, dass „die Disziplinlosigkeit des Parlaments“ schlimmer sei „als das zeitweilige Versagen von Dr. Köhler“. Selbst in Fraktionssitzungen kam es seinerseits zu „starken Temperamentsausbrüchen“.