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Was gibt es wohl Banaleres als ein Paar Schuhe? Dennoch kennt heutzutage die Hälfte der Menschheit den Gebrauch von Schuhen gar nicht. In einer Welt, in der der Schuh ein Konsumobjekt geworden ist, haben wir längst vergessen, dass unsere Urgroßeltern ihre guten Schuhe nur zu besonderen Anlässen trugen. Die Industrie hat ihre Pflicht erfüllt, indem sie eine große Menge von Schuhen zu akzeptablen Preisen produziert. Es gab aber eine Zeit, zu der Schuhe ein Symbol der Kraft der römischen Legionen darstellten, der Macht der Herren des europäischen Mittelalters oder auch der Unterdrückung der chinesischen Frauen. Es ist eine lange und faszinierende Geschichte, die die Autorin Marie- Josèphe Bossan mit Genauigkeit und Sachlichkeit wiedergibt. Indem sie sich auf ein ausgewähltes Bildmaterial stützt, adelt die Autorin diese Alltagsobjekte, sie zeigt den Wandel der Mode und spricht gleichzeitig die Werte unserer Gesellschaft an.
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Seitenzahl: 312
Veröffentlichungsjahr: 2015
1. Sandale „Akha“, Kopfbedeckung des Akha-Stammes aus dem Goldenen Dreieck, recycelte Coladose und Samen des Dschungels, 6 cm hoher Absatz aus Stahl, Leder. Trikitrixa, Paris.
Text:Marie-JosèpheBossan
Übersetzung:AndreaStettler
©ConfidentialConcepts,worldwide,USA
©ParkstonePressUSALtd,NewYork,USA
©MiróEstate/ArtistsRightsSociety,NewYork/ADAG,Paris
©ArroyoEstate/ArtistsRightsSociety,NewYork/VEGAP,Madrid
©MagritteEstate/ArtistsRightsSociety,NewYork/ADAGP,Paris
©WarholEstate/ArtistsRightsSociety,NewYork
©KingdomofSpain,Gala-SalvadorDalíFoundation/ArtistsRightsSociety,NewYork,USA/VEGAP,Madrid
©JoëlGarnier,ill.11,35,36,39,45,49,50,51,52,58,59,60,61,63,64,66,71,72,74,75,83,84,89,92,93,94,95,96,97,98A,98B,99,100,101,102,103,104,111,113,114,115,116,117,118,119,126,152,153,154,155,156,157,159,160,161,164,165,166,169,170,171,175,177,178,183,187,194,198,199,200,201,206,207,212,220,223,224,225,226,227,228,229,230,231,232,238,244,247,248,249,250,251,252,253,264,266,272,274,300,301,302,303,304,307,310
©EricDelorme,ill.85
©E.Eylieu,ill.306
©PhotothèquedesmuséesdelaVilledeParis,ClichéMarchand,ill.31,ClichéPierrain,ill.73,ClichéLadet,ill.79,ClichéLifermann,ill.216,234,235,277
©TheMetropolitanMuseumofArt,ill.107
©FondazioneNazionaleC.Collodi,ill.278
ISBN:978-1-78310-629-5
WirdankenderStadtRomansundJoëlGarnier.
WeltweitalleRechtevorbehalten.Soweitnichtandersvermerkt,gehörtdasCopyrightderArbeitendenjeweiligenFotografen.TrotzintensiverNachforschungenwaresabernichtinjedemFallmöglich,dieEigentumsrechtefestzustellen.GegebenenfallsbittenwirumBenachrichtigung.
Marie-JosèpheBossan
DieKunst
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Von der Antike bis heute
Schuhe der Welt
Berühmte Schuhe
Schuhgeschichten, Lebensgeschichten
Der Schuh in der Literatur
Der Schuh in der Kunst
Anhang
Glossar
Bibliographie
2. Fliegerstiefel, ca. 1914. Frankreich.
AlsnotwendigerBestandteildestäglichenLebens,fürdensichZeitgenossenhöchstensausBequemlichkeits-undEleganzgründeninteressieren,nimmtderSchuheineäußerstwichtigeStellunginderKulturgeschichteundeinenichtwenigerwichtigeinderKunstgeschichteein.
AlswirMenschendenKontaktmitderNaturverloren,habenwirauchdietiefereBedeutungdesSchuhsausdenAugenverloren;dochwirwerdensiebaldwiederentdecken,indemwirunswiedermehrmitdemSchuhbefassen,besondersdurchdenSport:Ski-,Berg-,Jagd-,Wander-undFußballschuhe,LeinenschuhebeimTennis,Reitstiefel,sindzumeinennichtwegzudenkendeTeilederSportausrüstungundmanwähltsiemitSorgfaltaus,undzumanderengebensieAufschlussüberverschiedeneTätigkeiten,HobbiesundGeschmäcker.
ZueinerZeit,alsderMenschnochvielmehrvondenklimatischenVerhältnissen,derVegetationundderBodenbeschaffenheitabhängigwarundderGroßteilderBerufeKörpereinsatzerforderte,hattederSchuhfürjedermanneineimmenseWichtigkeit.HeutzutagenimmternurnochfürwenigeMenscheneinesolchwichtigeStellungein.DasSchuhwerkwarnichtüberallgleich:DieMenscheninkaltenRegionentrugennichtdieselbenSchuhewiedieindenTropen,dieimWaldLebendenhattenanderesSchuhwerkalsdieSteppenbewohnerunddasderSumpfgängerunterschiedsichnatürlichvondemderBergsteiger;eswurdenjenachTätigkeitverschiedeneSchuhegetragen,seiesbeiderArbeit,aufderJagdoderbeimFischfang.FolglichgibtunsderSchuhwertvolleAuskünfteüberunterschiedlicheLebensweisen.
InhierarchischgegliedertenGesellschaften,wodieMenscheninKasteno.ä.eingeteiltwaren,wardieKleidungbestimmend.Prinzen,Bürgerliche,Soldaten,KlerusundDienerunterschiedensichauchdurchdas,wassietrugen.DerSchuhbringt–wenigerspektakuläralsderHut,aberdochaufumfassendereWeise–denjeweiligenGlanzderKulturenansLicht,erenthülltdiesozialeKlasseunddieErlesenheitenderVölker:AlsErkennungszeichen,sowiederRing,denmandemdünnstenFingerüberstülpt,wird„dergläsernePantoffel”nurdemzartestenFußpassen.
DasAussehendesSchuhsistvondenunterschiedlichstenGebräuchengeprägt,wasunsEinblickindiesegewährt.ErunterrichtetunsüberdieFußdeformationen,diechinesischeFrauenzuerleidenhatten;erzeigtunswiedieReiternomadenausdemNordenihreSouveränitätaufdemindischenSubkontinentbeweisenwollten,indemsieinIndienungebräuchlicheStiefelaufbewahrten.FilzpantoffelnrufenunsdieHammamsinErinnerung,BabuschendasislamischeVerbot,mitSchuhenKultstättenundHäuserzubetreten.
ManchmalhatderSchuhauchsymbolischenoderrituellenCharakter,istverbundenmiteinemeinschneidendenAugenblickimLeben.Manerzählt,dasshoheAbsätzedazudienten,dieFrauamTagihrerHochzeitgrößerzumachen,umsiedaranzuerinnern,dassdiesdereinzigeMomentsei,indemsieüberihrenManndominierenkann.
DieStiefeldesSchamanenwarenmitTierhäutenundKnochenverziert,umausihmdasAbbildeinesHirscheszumachenundihnzubefähigen,wieeinHirschdurchdieWeltderSinnezulaufen.Manist,wasmanträgt.UndwennmanauchseinenKopfschmückenmuss,umaneinemgehobenerenLebenteilzunehmen,sosindesdochdieFüße,dieeszuverschönerngilt,sobaldesdarumgeht,sichgewandterfortzubewegen.AtheneträgtGoldschuhe,HermesSchuhemitAbsatz.PerseusbeschafftsichbeidenNymphengeflügelteSandalen,umdurchdieLüftefliegenzukönnen.NebenderhohenMythologiesinddaauchnochdieMärchen.SogibtesetwadieSiebenmeilenstiefel,diesichvergrößernoderverkleinern,umentwederdemmenschenfressendenRiesenoderdemDäumlingzupassen,undmitdenenmandasUniversumdurchquerenkann.UnddergestiefelteKatersprichtzuseinemHerrn:„LassenSiemirnureinPaarStiefelanfertigenundSiewerdensehen,dassSiegarnichtsoschlechtgestelltsind,wieSieglauben.“
ReichtesalsoausSchuhezutragen,umdenFuß,deroftalsderbescheidensteundbenachteiligstemenschlicheKörperteilbezeichnetwird,zutranszendieren?Wahrscheinlichmanchmal,aberauchnichtimmer.DennderFußselbstistnichtimmerseinesHeiligenberaubtundkannseinerseitsdavondemSchuhetwasmitteilen.DieFlehendenundVerehrendenhabensichschonimmerdenMenschenzuFüßengeworfen;esistderFußderMenschen,derseineSpuraufdemnassenoderstaubigenBodenhinterlässt,undoftisterdaseinzigeZeugnisihresVorbeikommens.DerSchuhisteinkennzeichnendesKleidungsstück,weswegenerauchdazudienenkann,denjenigengenauerdarzustellen,derihngetragenhat,dervielleichtverschwundenistunddessenSpurenmannichtzuverfolgenwagt:DaswohlcharakteristischsteBeispielhierfürliefertunsderprimitiveBuddhismus,derseinenGründerdurcheinenSesseloderdurchdessenFußabdruckdarzustellenpflegt.
AufGrundderverschiedenstenMaterialien–z.B.Leder,Holz,Stoff,Stroh,stark,wenigodergarnichtverziert–ausdenenerhergestelltwird,wirdderSchuhzumKunstobjekt.MagseineFormauchmanchmalmehrzweckmäßigalsästhetischsein–dasistabernichtimmersoundeswerdennochsehrvieleaberwitzigeFormenzubeschreibensein–,seineStoffdesigns,Stickereien,EinlegearbeitenundFarbendeckendennochsehrgenaudiecharakteristischeKunstauffassungdesLandesauf,woergefertigtwurde.DasInteressefürdenSchuhisthauptsächlichdeswegensogroß,weilernichtnureinereinzigenKasteodereinerbestimmtensozialenGruppevorbehaltenistwieWaffenoderMusikinstrumente,weilernichtdasProduktnureineroderzweiKulturenistwiederTeppichundweilerwederdasklassische„Prunkobjekt“derReichennochdie„Tracht“derArmenist.
DerSchuhwurdeinnerhalballergesellschaftlichenKlassenvonjedemeinzelnenIndividuumgetragenunddasaufderganzenWelt.
Jean-PaulROUX,
DirektordesfranzösischenwissenschaftlichenForschungszentrums(C.N.R.S.)
EmeritierterProfessordesLehrstuhlsfürislamischeKünste
anderEcoleduLouvre
3. Modell eines Halbschuhs aus Lehm mit hochgezogener Spitze aus einem Grab in Aserbeidschan, 13.–12. Jh. v. Chr., Musée Bally, Schönenwerd, Schweiz.
4. Eisenschuh aus Syrien, 800 v. Chr., Musée Bally, Schönenwerd, Schweiz.
Die Vorgeschichte
InvorgeschichtlicherZeitscheintmanSchuhenichtgekanntzuhaben,dennalleunsbekanntenFußspurenstammenvonnacktenFüßen.AberinSpanienentdeckte,voretwavierzehntausendJahrenentstandeneHöhlenmalereienausderAltsteinzeitzeigenschondieMenschenderjüngerenAltsteinzeitmitPelzstiefeln.NachAussagedesAbbéBreuil(1877bis1961),einesfranzösischenPaläontologenundExpertenfürVorgeschichte,bedecktederMenschdesNeolithikumsseineFüßemitFellen,umsichvordenUnbildenderWitterungzuschützen.
AuchwennwirüberkeinekonkretenBeweiseverfügen,scheintes,dassderMenschimmerinstinktivdaraufbedachtwar,seineFüßezuschützen,umsichfortbewegenzukönnen.DasSchuhwerkwarinseinenAnfängenalsozweifellosausschließlichzweckbestimmt.EinenklarenBeweishierzuliefertunsdersogenannteÖtzi,dermumifizierteMensch,denmanineinerGletscherspalteinTirolfand.Ertrug„Stiefel“,dienochhervorragenderhaltenwaren.AusLederhergestellt,dientensievorallemdemSchutzderFüßeundwarendazugedacht,ihmdieÜberwindunggroßerEntfernungenzuermöglichen,dieeralsHändlerzurücklegenmusste.ErstimaltenÄgyptenentwickeltedasSchuhwerkaucheinenästhetischenReiz,esdientederPrachtentfaltungundließdengesellschaftlichenRangseinesTrägerserkennen.
AntikeDerSchuhindengroßenKulturenderAntike
Im4.JahrtausendvorChristusentwickelnsichinMesopotamienundÄgyptendieerstengroßenKulturen.DortbildensichdiedreiHaupttypendesSchuhsheraus:Schuh,StiefelundSandale.EinearchäologischeExpeditionentdeckte1938ineinemTempelderStadtTellBrakinSyrieneinenSchnabelschuhausTon.Erentstandvormehrals3000JahrenvorChristusundbelegtGemeinsamkeitenzwischendieserStadtundderKulturderSumerervonUrinMesopotamien.
Ungefähr2600JahrevorChristusfindetmanDarstellungenvonSchnabelschuhenaufzylindrischenSiegelnausderEpocheAkkad.DieserSchuhtypunterscheidetsichvondemsyrischenModelldurcheinevielhöhereSchnabelspitze.DiesermiteinemPomponverzierteSchuhistinderFolgeausschließlichfürdenKönigbestimmt.DievondenEroberernausdenBergenmitgebrachteSchnabelform,diesichdortausderBodenbeschaffenheiterklärt,wirdspäterimKönigreichAkkadzurgängigenSchuhform,siebreitetsichdannauchinKleinasienausundwirdBestandteilderNationaltrachtderHethiter.
VieleBasreliefs,wiedieimHeiligtumvonYazilikaya(Türkei)ausdemJahre1275vorChristus,legendavonZeugnisab.DiePhönizier,großeSeefahrer,tragenzurVerbreitungdesspitzenSchuhsinZypern,MykeneundaufKretabei.AufdenFreskenindenkretischenPalästen,dieSpieleundZeremonienamköniglichenHofzeigen,isterdargestellt.DieGemälde,diedasGrabvonRekhmire(18.DynastieinÄgypten,1580bis1588vorChristus)schmücken,zeigenKretermitspitzenStiefeln,einHinweisaufBeziehungenzwischenKretaund
5. Abdruck eines zylindrischen Siegels, Akkad-Dynastie, um 2340–2200 v. Chr., Mesopotamien, Höhe 3,6 cm.
6. Tötung eines Löwens durch den König, Flachrelief im Palast von Assurbanipal, Ninive, 638–630 v. Chr. British Museum, London.
Assyrien,dasmesopotamischeKaiserreich,istvom9.biszum7.JahrhundertvorChristusdiebeherrschendeMachtimaltenOrient.AufdenSkulpturenderassyrischenBautenerscheinendieSandaleundderStiefel.DieSandale,einevereinfachteFormdesSchuhs,bestehtauseinerSohleundlangen,schmalenRiemen.DerStiefel,einvonReiterngetragenerSchuhtyp,hateinenhohenSchaftundumhülltdasBein.DerpersischenDynastie,um550vorChristusvonCyrusII.,demGroßengegründet,gelingtdieEinigungdesaltenOrientsfürdenZeitraumvonderMittedes6.JahrhundertsbiszumEndedes4.Jahrhunderts.DieBildhauerhabenaufdenBasreliefsderachämenidischenKönigeeineProzessionvonFigureninSteingehauenundaufdieseWeiseGewänderundSchuhwerkjenerEpochewieaufeinerFotografiedargestellt.DortfindensichStiefel,aberauchSchuheausweichemMaterialundausLeder,diedenganzenFußbedeckenundamKnöchelmitBänderngeschlossenwerden.WillmandieEntwicklungdesSchuhsbiszumheutigenTagverstehen,mussmansichdemGeschehenindengroßenKulturenderAntikezuwenden.DarüberhinausträgteineAnalysederBibeldazubei,dieGeschichtedesSchuhsaufneueundfaszinierendeWeisezu
7. Sandalenmacher, Reproduktion eines Freskos, 18. Dynastie, 1567–1320 v. Chr., Metropolitan Museum of Art, New York.
Ägypten
DieerstenSandalenerscheinenimaltenÄgypten.DerflacheSchuhtypmitRiemenerklärtsichausdenklimatischenundgeografischenGegebenheitenÄgyptens.AlsBeweisfürdieBedeutung,diedemSchuhvonjetztaninderPrachtentfaltungzukommt,zeigtdieSchminktafeldesKönigsNarmer,etwa3100vorChristus,einenDiener,„denSandalenträger“,derhinterdemHerrschergehtunddieköniglichenSandalenaufdemArmträgt.
FrauenundMännerwerdenzwarhäufigbarfußdargestellt,tragenjedochauchmanchmalSandalenausLeder,ausgeflochtenemStrohoderausRiemen,diewiederumausPalmenblätternoderPapyrus,ausSchilfoderdemRohrderSümpfegearbeitetwerden;diePharaonenundWürdenträgerdagegenlassensieausGoldherstellen.InallendiesenFällenbleibt–unddasbestätigtdiegesellschaftlicheBedeutungdesObjekts,daszuAnfangnureinenGebrauchsgegenstanddarstellte–dieSandalejedoch,unddafürlieferndieGräberzahlreicheBeweise,einLuxusgegenstand.DiesebeidenFormen,StiefelundSandale,bleibenwährenddergesamtenDauerderpharaonischenKulturbishinzurkoptischenEpochedeschristlichenÄgyptensunverändert.WennderPharaodenTempelbetratoderseineUntertanendenBegräbniskultindenBegräbniskapellenzelebrierten,ließensieihreSandalenamEingangdesHeiligtumszurück,einBrauch,dervondenMuslimenbeimBetretenderMoscheeübernommenwird.
DieVerbindungzwischendemSchuhunddemSakralen–unddiesbestätigenauchbestimmtebiblischePassagen,vondenenspäterdieRedeseinwird–wirddurchdiesesRitualbezeugt.DasErscheinenderSandaleinÄgypteninderMittedeszweitenJahrtausendsvorChristusistvermutlichaufdenEinflussderHethiterzurückzuführen.SieistderVorläuferdesSchnabelschuhs,einervondenKreuzfahrernausdemOrientmitgebrachtenexzentrischenModedeseuropäischenMittelalters.AlsTeildesGepäcks,dasdenMumienpostmortemmitaufdenWeggegebenwird,werdendieSandaleninTruhengelegtoderaufdendekorativenRegisternimInnernderSarkophageausbemaltemHolzdargestellt.ManschreibtihnenwohleinegewisseprophylaktischeBedeutungzu.TexteausderEpochederPyramidenspielendaraufanunderfüllendieBittedesVerstorbenen:„…mitweißenSandalenaufdenschönenWegendesJenseitseinherschreiten,wodieSeligenlustwandeln.“
8. Holzsandalen mit Goldbeschlägen, Schatz des Tutenchamun, 18. Dynastie, Theben, Museum Kairo.
9. Ägyptische Sandalen aus Pflanzenfasern, Musée Bally, Schönenwerd, Schweiz.
Die Bibel: Der Schuh im Alten Testament
AllerWahrscheinlichkeitnachwirdderSchuhzumerstenMalinderBibelerwähnt.DieseAussagemüssteallerdingsnochinchinesischen,ägyptischenundmesopotamischenTextenüberprüftwerden.DieVölkerderBibel,dieIsraeliten,dasvonGottauserwählteVolk,ihreVerbündetenundihreFeindetragenSandalen.DiesistzwareinBelegdafür,dassdieseSchuhartschonseituraltenZeitenimNahenOstenvorkommt,aberihreFormoderMachartwirdimAltenTestamentseltenbeschrieben.AußerihrerFunktionalswertvollesGehwerkzeugkommtderSandaleinderHeiligenSchriftvorallemsymbolischeBedeutungzu.JenachAnlasswirdsieunterverschiedenenAspektenbetrachtet:dasAblegenanheiligenOrten,dasTrageninFeldzügenoderbeiRechtshandlungenund,nichtzuvergessen,einfachindenGepflogenheitendesalltäglichenLebens.
AlsGottdemMosesimbrennendenDornbuscherscheint,befiehlterihm,seineSchuheauszuziehen:„Trittnichtherzu,ziehdeineSchuhevondeinenFüßen;dennderOrt,daraufdustehst,istheiligesLand!“(Pentateuch,ExodusIII,5)
ImBuchJosuafindenwirdiegleicheSituation,alsdieIsraelitenindasverheißeneLandeinziehen:„Undesbegabsich,alsJosuabeiJerichowar,dasserseineAugenaufhobundgewahrwurde,dasseinMannihmgegenüberstandundeinbloßesSchwertinseinerHandhatte.
UndJosuagingzuihmundsprachzuihm:GehörstduzuunsoderzuunsernFeinden?Ersprach:Nein,ichbinderFürstüberdasHeerdesHerrnundbinjetztgekommen.DafielJosuaaufseinAngesichtzurErdenieder,beteteanundsprachzuihm:WassagtmeinHerrseinemKnecht?UndderFürstüberdasHeerdesHerrnsprachzuJosua:ZiehdeineSchuhevondeinenFüßen;denndieStätte,daraufdustehst,istheilig.“(DasBuchJosuaV,13-14-15)
JosuaundMoseserhaltendengleichenBefehl.WährendsichdieKönigejenseitsdesJordansverbünden,umeinmütiggegenJosuaundgegenIsraelzukämpfen,wollendieGibeoniterumjedenPreiseinenBundmitIsraelschließen.IhreListbestehtdarin,Israelweiszumachen,siekämenauseinemfernenLand:„SienahmenalteSäckeaufihreEselundalte,zerrissene,geflickteWeinschläucheundalte,geflickteSchuheanihreFüßeundzogenalteKleideran.“SogekleidetgingensiezuJosua,dersiefragte:„Werseidihr,undwoherkommtihr?Siesprachen:DeineKnechtesindaussehrfernenLandengekommen…“„…unddieseWeinschläuchewarenneu,alswirsiefüllten,undsiehe,siesindzerrissen;unddieseunsereKleiderundSchuhesindaltgewordenüberdersehrlangenReise.“(DasBuchJosuaIX,5-8-13)
JeneSandalenzeigen,imGegensatzzudenvonMosesinseinerletztenRedeanseinVolkerwähnten,SpurenderAbnutzung.„ErhateuchvierzigJahreinderWüstewandernlassen.EureKleidersindeuchnichtzerrissen,auchdeineSchuhenichtandeinenFüßen.“(DeuteronomiumXXIX,4)
IndenBüchernSamuel,alsdieIsraelitenKrieggegendiePhilisterführen,lesenwirüberdenKampfzwischenDavidundGoliath:„DerhatteeinenehernenHelmaufseinemHauptundeinenSchuppenpanzeran,unddasGewichtseinesPanzerswarfünftausendLotErz,underhatteeherneSchienenanseinenBeinen…“(DasersteBuchSamuelXVII,5und6).
DiezahlreichenbildlichenDarstellungendieserSzene,dieerstlangenachdertatsächlichenBegegnung(zwischen1010und970vorChristi)entstehen,zeigendenRiesenGoliathmitSandalenundBeinschienen,währendderBibeltextnurdieSchienenerwähnt.InDavidsErmahnungenanSalomoerinnertderKönigseinenSohnandenMord,denseinDienerJoabanzweiFeldhauptleutenderArmeenIsraelsbegangenhat:„…wieersieermordethatundsoimKriegvergossenesBlutimFriedengerächtundunschuldigesBlutandenGürtelseinerLendenundandieSchuheseinerFüßegebrachthat.“
Jesaja,derProphetdermessianischenErlösung,sprichtvonderBedrohungdurcheinfernesVolk;dieassyrischeArmeeundihreBogenschützensindalleinanihrenSandalenzuerkennen:„Keinerunterihnenistmüdeoderschwach,keinerschlummertoderschläft;keinemgehtderGürtelaufvonseinenHüften,undkeinemzerreißteinSchuhriemen.IhrePfeilesindscharfundalleihrBogengespannt.“(JesajaV,27)
ZuderZeit,alsAssyrienundÄgyptenumdieVormachtstellungimNahenOstenkämpfen,prophezeitJesajadembesiegtenÄgypten:„ImJahr,daderTartannachAschdodkam,alsihngesandthatteSargon,derKönigvonAssyrien,undergegenAschdodkämpfteundeseroberte,zuderZeitredetederHerrdurchJesaja,denSohndesAmoz,undsprach:GehhinundtudenhärenenSchurzvondeinenLendenundziehdieSchuhevondeinenFüßen.Undertatsoundgingnacktundbarfuß.
DasprachderHerr:GleichwiemeinKnechtJesajanacktundbarfußgehtdreiJahrelangalsZeichenundWeissagungüberÄgyptenundKusch,sowirdderKönigvonAssyrienwegtreibendieGefangenenÄgyptensunddieVerbanntenvonKusch,jungundalt,nacktundbarfuß,inschmählicherBlöße,zurSchandeÄgyptens.UndsiewerdenerschreckeninJudaundzuschandenwerdenwegenderKuschiter,aufdiesiesichverließen,undwegenderÄgypter,derensiesichrühmten.“(JesajaXX,1bis5)
MankonntevoneinemOrtBesitzergreifen,alleinindemmanseineSchuhedortablegteoderhinwarf.DiePsalmensechzigundhunderteins,dieeinenbevorstehendenFeldzugzurEroberungEdamslobpreisen,bestätigendies:„MoabistmeinWaschbecken,meinenSchuhwerfeichaufEdom,Philisterland,jauchzemirzu!“„MitGottwollenwirTatentun.ErwirdunsreFeindeniedertreten.“DieserinnertandieSandalendesPharaosTutenchamon,derseineFeindeniedertritt.DashebräischeLeviratsgesetz,daseinenMannverpflichtet,dieWitweseinesBruderszurFrauzunehmen,wenndieserkeinemännlichenNachkommenhat,unterstreichtdiejuristischeBedeutungderSandale.ImDeuteronomiumfindenwireineeindeutigeErklärung:„GefälltesaberdemMannnicht,seineSchwägerinzunehmen,sosollsie,seineSchwägerin,hingeheninsTorvordieÄltestenundsagen:MeinSchwagerweigertsich,seinemBruderseinenNamenzuerhalteninIsrael,undwillmichnichtehelichen.DannsollenihndieÄltestenderStadtzusichrufenundmitihmreden.Wenneraberdaraufbestehtundspricht:Esgefälltmirnicht,siezunehmen,sosollseineSchwägerinvordenÄltestenzuihmtretenundihmdenSchuhvomFußziehenundihminsGesichtspeienundsollantwortenundsprechen:SosollmantuneinemjedenMann,derseinesBrudersHausnichtbauenwill!UndseinNamesollinIsraelheißendesBarfüßersHaus.“
DenTrauerritenentsprechendgehendieVerwandtendesTotenohneKopfbedeckungundbarfuß,dasGesichtwirdteilweisemiteinemTuchverhülltundsieessendasvonihrenNachbarndargeboteneBrot.ZurTrauerdesProphetenlesenwirbeiHesekiel:„DuMenschenkind,siehe,ichwilldirdeinerAugenFreudenehmendurcheinenplötzlichenTod.AberdusollstnichtklagenundnichtweinenundkeineTränevergießen.Heimlichdarfstduseufzen,aberkeineTotenklagehalten,sonderndusollstdeinenKopfbundanlegenunddeineSchuheanziehen;dusollstdeinenBartnichtverhüllenundnichtdasTrauerbrotessen.“
Im8.JahrhundertvorChristuserinnertAmosandasGesetz,dasdieRechtederArmenundNotleidendenfestlegtundempörtsichgegendieBestechlichkeitderGerichteIsraels.DerProphetprangertdasVerhaltenderRichterIsraelsan,diefürkleineGeschenkeGeringfügigkeitenverurteilen:„…willichsienichtschonen,weilsiedieUnschuldigenfürGeldunddieArmenfüreinPaarSchuheverkaufen.“(AmosII,6-8)
WennmanimReichIsraelsdenFußaufeinFeldsetzteoderseineSandaleniederlegte,kamdieseinerEigentumsurkundegleich.ImBuchRutkönnenwirdazufolgendeslesen:„EswarabervonaltershereinBrauchinIsrael:WenneinereineSachebekräftigenwollte,dieeineLösungodereinenTauschbetraf,sozogerseinenSchuhausundgabihndemandern;dasdientezurBezeugunginIsrael.UndderLösersprachzuBoas:Kaufedues!UndzogseinenSchuhaus.UndBoassprachzudenÄltestenundzuallemVolk:IhrseidheuteZeugen,dassichvonNoomiallesgekaufthabe,wasElimelech,undalles,wasKiljonundMachlongehörthat.DazuhabeichmirauchRut,dieMoabiterin,dieFrauMachlons,zumWeibegenommen,dassichdenNamendesVerstorbenenerhalteaufseinemErbteilundseinNamenichtausgerottetwerdeunterseinenBrüdernundausdemTorseinerStadt;dessenseidihrheuteZeugen.“(DasBuchRutIV,7bis10).ImBuchJudithgehtesumdieBelagerungderkleinenpalästinensischenStadtBetuliadurchdieArmeendesassyrischenKönigsNabuchodonosor.DieLagedieserStadtbeherrschtdenZugangzumübrigenLandundzuJerusalemundNabuchodonosorspricht:„DieganzeErdewerdeichmitdenFüßenmeinerTruppenbedecken.“(DasBuchJudithII,7)
DaistJudith,einefrommeWitwe,geradedabei,dieStadtzuverlassen,umsichinsfeindlicheLagerzubegeben:„…auchzogsieSandalenan,legteihreFußspangen,Armbänder,Fingerringe,OhrgehängeundallihrenSchmuckanundmachtesichschön,umdieBlickeallerMänner,diesiesahen,aufsichzuziehen.“(DasBuchJudith X,4)DieSchönheitderjungenFrauentfachtdieLeidenschaftdesGeneralsHolophernes.NacheinemBankettnütztsiedessenTrunkenheitausundschlägtihmdenKopfab.DieAngreifer–hundertzwanzig-tausendInfanteristenundhundertzwanzigtausendKavalleristen–ergreifendieFlucht.ImLobgesang,denJudith,dieJeanned’ArcderBibel,anstimmt,gehörtdieSiegessandalezumAccessoireweiblicherVerführung:„IhreSandalenbezaubertenseinAuge.SoschlugihreSchönheitseinHerzinBann.“(DasBuchJudithXVI,9)DieMachartdesSchuhswirdinderBibelsogutwienichterwähnt.HesekielweistinJerusalemeintreulosesWeibdiskretdaraufhin:„…undkleidetedichmitbuntenKleidernundzogdirSchuhevonfeinemLederan.“DasWortStiefelfindenwireineinzigesMalbeiJesaja:„DennjederStiefel,dermitGedröhndahergeht…“(DerFriedefürstwirdverheißenIX,4),währendderSandalehauptsächlichsymbolischeBedeutungzukommt.DieMoslemshabendenRitus,dieSchuheauszuziehen,übernommen.NochheutewirddieMoscheenurohneSchuhebetreten.
10. Domenico Feti, MosesvordembrennendenDornbusch. Kunsthistorisches Museum, Wien.
11. Sandalen aus der Festung Massada.
12. François Boucher, SanktPeterversuchtaufdemWasserzugehen, 1766. Kathedrale St. Louis von Versailles.
Der Schuh im Neuen Testament – die Sandalen Jesu
DieEvangelienvonMatthäus,Markus,LukasundJohanneszeugenvonderVerkündigungJohannesdesTäufersinBetanienjenseitsdesJordans,derimWassertaufte.SiealleerwähnenmitderStimmedesProphetendieSchuheJesu:„…derabernachmirkommt,iststärkeralsich,undichbinnichtwert,ihmdieSchuhezutragen.“(MatthäusIII,11)„…undpredigteundsprach:Eskommteinernachmir,deriststärkeralsich;undichbinnichtwert,dassichmichvorihmbückeunddieRiemenseinerSchuhelöse.“(MarkusI,7)„IchtaufeeuchmitWasser;eskommtabereiner,deriststärkeralsich,undichbinnichtwert,dassichihmdieRiemenseinerSchuhelöse.“(LukasIII,16)„…abereristmittenuntereuchgetreten,denihrnichtkennt.Derwirdnachmirkommen,undichbinnichtwert,dassichseineSchuhriemenlöse“.(JohannesI,26und27).OffenbarhandeltessichhierumSandalen,diemitRiemenamFußbefestigtwerden;daswarendiecharakteristischenSchuhederrömischenBesatzungsmachtinPalästinaundsiewurdenvondenZeitgenossenJesugetragen.SiewerdenimNeuenTestamentanmehrerenStellenerwähnt.BeiMatthäusundLukaslesenwir,dassJesusdenzweiundsiebzigJüngern,dieeraussandte,empfahl,barfußzugehen:„IhrsolltwederGoldnochSilbernochKupferineurenGürtelnhaben,auchkeineReisetasche,auchnichtzweiHemden,keineSchuhe,auchkeinenStecken…UndwenneuchjemandnichtaufnehmenundeureRedenichthörenwill,sogehtherausausdiesemHauseoderdieserStadtundschütteltdenStaubvoneurenFüßen“.(MatthäusX,9und10)„…ichsendeeuchwieLämmermittenunterdieWölfe.TragtkeinenGeldbeutelbeieuch,keineTascheundkeineSchuhe…“(LukasX,7)
BeiMarkuslesenwirjedoch:„…undgebotihnen,nichtsmitzunehmenaufdenWegalsalleineinenStab,keinBrot,keineTasche,keinGeldimGürtel,wohlaberSchuhe … “(MarkusVI,8bis11)ObwohlderEvangelistempfiehlt,sichallermateriellenDingezuentledigen,symbolisiertderSchuhfürihndieReise,wieJean-PaulRouxineinemArtikelderZeitschriftdesInstitutsfürCalzeologieerklärt:„DieSymbolikdesSchuhsindenabrahamischenReligionen:Judaismus–Christentum–Islam“.InderParabelvomverlorenenSohnsprichtderVaterdeswiedergefundenenKindesbeiLukas:„BringtschnelldasbesteGewandherundziehtesihmanundgebtihmeinenRinganseineHandundSchuheanseineFüße“.(LukasXV,22)
DieSandalengehörenzurKleidungdesfreienMenschenimGegensatzzumSklaven,dernichtdasRechthat,Schuhezutragen.InderApostelgeschichteistinderBefreiungdesPetrusauchvonSchuhendieRede:„UndinjenerNacht,alsihnHerodesvorführenlassenwollte,schliefPetruszwischenzweiSoldaten,mitzweiKettengefesseltunddieWachenvorderTürbewachtendasGefängnis.Undsiehe,derEngeldesHerrnkamherein,undLichtleuchteteaufindemRaum;understießPetrusindieSeiteundweckteihnundsprach:Stehschnellauf!UnddieKettenfielenihmvonseinenHänden.UndderEngelsprachzuihm:GürtedichundziehdeineSchuhean!Undertates.Undersprachzuihm:WirfdeinenMantelumundfolgemir!“(XII,6bis8)EinspäteresBildausdem17.Jahrhundert,dasimAugustinermuseuminToulouseaufbewahrteGemäldeLeChristclouésurlacroix(ChristusansKreuzgenagelt)vonPhilippedeChampaignezeigtachtlosaufdemBodenliegendeSandalen,diedenvonJohannesdemTäuferinseinerVerkündigungerwähntenSandalenmitRiemenentsprechen.ImMatthäusevangeliumkönnenwirlesen:„AberinderviertenNachtwachekamJesuszuihnenundgingaufdemSee.UndalsihndieJüngersahenaufdemSeegehen,erschrakensieundriefen:EsisteinGespenst!UndschrieenvorFurcht.AbersogleichredeteJesusmitihnenundsprach:Seidgetrost,ichbin’s;fürchteteuchnicht!Petrusaberantworteteihmundsprach:Herr,bistdues,sobefiehlmir,zudirzukommenaufdemWasser.Undersprach:Kommher!UndPetrusstiegausdemBootundgingaufdemWasserundkamaufJesuszu.AlseraberdenstarkenWindsah,erschrakerundbegannzusinkenundschrie:Herr,hilfmir!“.DieserTextinspiriertBoucherim18.JahrhundertzuseinemGemäldeSaintPierretentantdemarchersurleseaux(Petrusversucht,aufdemWasserzugehen).AufdiesemBildträgtderApostelkeineSchuhe,JesushingegenwirdmitwunderschönenSandalen,dieaufdenEinflussderrömischenPatrizierzurückgehen,dargestellt.Abschließendkannmanfeststellen,dassdieeinfacherenSchuhe,dieindervonHerodesinderWüstedesTotenMeerserbautenFestungMassadaentdecktwurdenunddiealsGehwerkzeugundnichtzurPrachtentfaltunggedachtwaren,einegenaueVorstellungderSchuhegeben,dieChristusunddievondenEvangelistenerwähntenZeitgenossentrugen.SieentsprechenganzderAnspruchslosigkeitdesHerrn.ZudemsindsieinihrerMachartsomodern,dasswirihneninallenJahrhunderten,voralleminAfrikaundselbstheutzutagenochindenLändernderDrittenWeltbegegnen,wosienurauseinemalsSohleausgeschnittenenStückaltenReifensmiteinemy-förmigenBandbestehen.DieserSchuhtypushatauchDesignerdes21.JahrhundertszumodernenVarianteninspiriert.
13. Herrenhausschuh, Oberleder mit Blattgoldmotiven verziert, koptische Ära, Ägypten. Internationales Schuhmuseum, Romans.
14. Elfenbeinstatuette eines griechischen Schauspielers, Kothurnen tragend, Musée du Petit-Palais, Paris.
Die Kopten
DiekoptischeKulturstellteineArtScharnierzwischenderWeltderAntikeundderdesMittelaltersdar.DieKopten,ÄgypterchristlichenGlaubens,habenunsbesondersinAchminSchuhehinterlassen.IndenerstenvierJahrhundertenderchristlichenÄraweisendieTücherundDeckelderSarkophage,indenenihreMumienruhen,DarstellungenvonPersonenauf,diemanchmalbarfußsind,oftaberSandalentragen.ImLaufdesviertenJahrhundertsändernsichaberdieBestattungsbräuche:DerVerstorbenewirdmitseinenkostbarstenGewändernbekleidetbegraben.SeitherfindensichnachdemVerschwindenderTüchernurnochselteneDarstellungenaufStelen.AufmanchenerscheinteinSchuhtypmitbetonterSpitze.AberauchwenndieSandalenausPapyrusfasernoderLedernochinGebrauchsind,bestimmenjetztgeschlosseneSchuhedieMode.UndwieindergesamtenägyptischenAntikeistauchbeidenKoptenderAbsatzunbekannt:Schuhe,StiefelundSandalenhabenimmerflacheSohlen.DieModellezeigenwenigVariationen;dieTechnikenderVerzierung,unddazugehörendieVerwendungrotenoderbraunenLedersoderlederneLitzeninSpiralformsowiegeometrischeFormenundinvergoldetesLedergeritzteMotiveoderSohlenmitLochmuster,zeugendagegenvonderPhantasiederkoptischenSchuster.
Griechenland
WieinÄgyptenistauchindergriechischenAntikedieSandalederamweitestenverbreiteteSchuhtyp.DieHeldenHomersinderIliasundderOdysseetragenSandalenmitSohlenausBronze,diederGöttersindausGold.Agamemnon,derlegendäreKönigvonMykene,schütztseineBeinemitHilfevonKnemiden,diemitsilbernenSpangengehaltenwerden.Derum450vorChristusinAgrigentgeborenegriechischePhilosophEmpedoklesstürztsichindenSchlunddesÄtna,umseineEntführungindenHimmelvorzutäuschen.AberderVulkanverschlingtihn,speitnurseineunversehrtenSandalenwiederaus,dieseinenbetrügerischenSelbstmordbeweisen.DiereichenMazedonierinderZeitPhilippsII.(382bis336v.Chr.)tragenSandalenmitSohlenunterschiedlicherDickeausvergoldetemSilberoderKork,dierechteundlinkeSandalesindverschiedengeformt;siewerdenmitRiemenamFußbefestigt.ZunächstvoneinfacherMachart,entwickelnsichinderFolgezunehmendelegantereundkomplexereFormen,diesichandenSkulpturenerkennenlassen,z.B.andenSandalenderimLouvrezubewunderndenDianamitdemReh.AufdenantikenVasentragenmanchePersonengeschnürteStiefel,Endromidengenannt,geschmücktmiteinemUmschlag,denmanEmbasnennt.DerspitzeSchuhdeshethitischenTypus,denmanseitlangemvondenIoniernkennt,findetaufdemgriechischenFestlandkeinenAnklang.DennochgreifendieKünstleraufihnzurück,umihrenGestalteneinorientalischesFlairzuverleihen,wiedieMalereiaufbestimmtenVasenbezeugt.ManschreibtAischylos(525bis456v.Chr.)dieErfindungdesKothurnzu.ErwirdvondenSchauspielernderTragödiegetragen.DieseSandalebestehtauseinersehrdickenKorksohle,diezwardieSchauspielererheblichgrößererscheinenlässt,aberihreStandsicherheitgefährdet.DieserTheaterschuhpasstsichbeidenFüßenunterschiedslosan,daherdieRedensart„wenigerverlässlichalseinKothurn“.Esistinteressant,festzuhalten,dassderKothurnwegenseinerHöhedasAnfangsstadiumdesAbsatzesdarstellt,dererstmalsamEndedes16.JahrhundertsinItalienauftaucht.DasTragendermitEdelsteinengeschmücktenSandalenistdenKurtisanenvorbehalten.Manerzählt,dassihregenageltenSohlenaufdemSandeineunzweideutigeBotschafthinterlassen:„Folgemir!“DiesegroßeVielfaltvonSchuhenwidersprichtdeutlichderEmpfehlungvonPlaton(428bis348v.Chr.),derdas
15.DieJagdgöttinDiana, Kopie aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert, Nachahmung eines griechischen Originals, Léo Charès zugeschrieben, Marmor, Louvre, Paris.
16. Rotfigurige attische Trinkschale, Epiktetos zugeschrieben, um 500 v. Chr., Agoramuseum, Athen.
17. Schwarzfigurige attische Amphore mit der Darstellung einer Schuhmacherwerkstatt, um 520–510 v. Chr., Museum of Fine Arts, Boston.
Die Etrusker
DaswahrscheinlichausKleinasienstammendeetruskischeVolkerscheintinItalieninderGegendderheutigenToskanagegenEndedes8.JahrhundertsvorChristus.DierealistischenMalereienaufdenGräbernundNekropolen(Triclinium,Tarquinien,Caere)zeigenGötterundSterblichemitspitzenSchuhen,diehethitischenEinflussverraten.DasAuftauchenvonSandalenmitRiemen,durchbrochenenSchuhen,geschnürtenBergstiefelninEtrurienim4.JahrhundertvorChristuserklärtsichausdenKontaktenzuanderenVölkerndesMittelmeerraumes.
Rom
AlsdirekterErbedergriechischenKulturwarRomstarkvonihrgeprägt.DaherunterscheidensichauchdierömischenSchuhekaumvondengriechischen.InRomistderSchuhAusdruckdesRangesunddesReichtums.ManchePatriziertragenSohlenausSilberodermassivemGold,währenddiePlebejersichmitHolzpantinenodergrobenSchuhenmitHolzsohlenbegnügenmüssen.DieSklavenihrerseitshabennichtdasRecht,Schuhezutragen.Siegehenmitbloßen,miteinerSchichtausKreideoderGipsüberzogenenFüßen.WenndierömischenBürgervonhohemRangzueinemGelagegebetenwerden,lassensieihreSandalenzudemGastgebertragen.DiewenigerBegütertenbegnügensichdamit,sieselbstdahinzutragen,denndieSchuheanzubehalten,isteinMangelanHöflichkeit.SchließlichliegtmaninRomzuTisch,ziehtdieSchuhevordemEssenausundnimmtsiewiedermit,wennmandenTischverlässt.DiebeidenHaupttypendesrömischenSchuhssinddieSolea,eineArtSandale,undderCalceus,eingeschlossenerStadtschuh,denmanzurTogaträgt.EsgibtweitereModelle,dieabernurVariantendieserbeidenTypeninForm,FarbeundAusführungdarstellen.DieBeamtentragenseltsameSchuheausschwarzemoderweißemLedermitgebogenenSpitzenundeinemHalbmondausGoldoderSilberanderSeite.WieinÄgyptenundGriechenlandsindrechterundlinkerSchuhdeutlichunterschiedlich.DieSandalenwerdenauchdazubenutzt,Liebesbotschaftenzuübermitteln,wieOvid(43bis17v.Chr.)inDieLiebeskunstbestätigt.
DieGrabsteleeinesSchuhmachersausdem11.Jahrhundertsprichtdafür,dassdiesesHandwerkbereitsexistierteundhohes
18. Flachrelief der Trajanischen Säule, Soldaten der römischen Legion (Militärschuhe), 113 n. Chr., Marmor, Rom.
19. Kolossalstatue des Gottes Mars (Kampagus tragend), 1. Jh. n. Chr., Kapitolinisches Museum, Rom.
20. Grabmal eines Schuhflickers, Reims (Marne), Faubourg Ceres, galloromanisch, 2. Jh. n. Chr., Sammlung des Musée Saint-Rémi, Reims, Aufnahme: Robert Meulle.
21. Sandale aus Silber, byzantinische Periode, Musée Bally, Schönenwerd, Schweiz.
Die Galloromanen
DieBewohnerGallienstragenzurZeitderrömischenHerrschaftverschiedeneSchuhmodelle,alleohneAbsätzeundmitabgerundeterSpitze.
Amhäufigstentrifftmanaufeinfache,römischenEinflussverratendeSandalenfürMännerundFrauen.
DieGallica,derVorfahredesHolzschuhs,isteingeschlossenerSchuhmit
22. Mosaiken der Basiliken San Vitale und San Apollinare in Classe, Ravenna, um 547 n. Chr., Kaiser Justin und seine Diener.
Das byzantinische Reich
DiebyzantinischeKulturwährtvom5.biszum15.Jahrhundert.WährenddiesergesamtenPeriodewerdeninByzanzeineVielfaltvonSchuhenpersischerMachartausrotem,mitGoldverziertenLederproduziert,danebenaberauchderSoccusundderrömischeMulleus.HausschuhundPantoffel,LuxusobjektevongroßerRaffinesse,sindanfangsdemKaiserundseinemHofstaatvorbehalten.Purpurrote,mitGoldverziertePantoffelnwerdenimgesamtenöstlichenMittelmeerraumgetragen,besondersinderGegendvonAlexandriaundimTaldesNils.
BeiAusgrabungeninAchminwurdenmehrerefürFrauenbestimmteSchuhartengefunden.IndieserRegionerlebtdasSchuhmacherhandwerkdurchdieAnsiedlungvonSchusternchristlicherKonfessioneinenAufschwung.ChristlicheSymboleverbindensichmitdemtraditionellengeometrischenDekor.DaszurSammlungdesMuséeBallygehörendeExemplareinersilbernen,miteinerChristussymbolisierendenTaubegeschmücktenSandaledientalsBeweishierfür.EswurdeineinemGrabinÄgyptengefundenundstammtausdem6.JahrhundertnachChristus.
23. Taufe des Clodwig durch den Heiligen Remigius (496), Kirchenfenster aus dem Heiligtum des Hl. Bonaventura, Lyon, 2. Arrondissement, von L. Charat und Frau Lamy-Paillet, 1964, Foto: J. Bonnet, Druckerei Beaulieu Lyon.
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