Die Kunst des Smalltalk - Frank Naumann - E-Book

Die Kunst des Smalltalk E-Book

Frank Naumann

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Er ist nichts für Apostel des Tiefsinns und bedingungslose Selbstoffenbarer, dagegen eine reizvolle Kunst für Neugierige, die ins Gespräch und zu mehr kommen wollen. Wer ihn beherrscht, wirkt souverän in sozialen Beziehungen. In der Kunst des Smalltalk ist bisher kein Meister vom Himmel gefallen, sie zu beherrschen jedoch lohnt sich. Wie dies geht, erfährt man bei Frank Naumann in einer kurzweiligen Mischung aus Tipps, Anregungen und Ratschlägen. Alle erprobt von Experten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 287

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frank Naumann

Die Kunst des Smalltalk

Leicht ins Gespräch kommen, locker Kontakte knüpfen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die kleine Plauderei – Alles Müll oder was?

Let’s talk about talk – Die Grundlagen

Keine Angst vor der Öffentlichkeit!

«Hallo, ich bin ...»

Fragen stellen – Der Königsweg zur gepflegten Unterhaltung

Gemeinsames hervorheben, Trennendes ignorieren

Du bist wichtig, ich bin wichtig

Der Zusammenklang von Sprache und Körpersprache

Ich bin schüchtern – na und?

Du weißt etwas, was ich nicht weiß – Die erfolgreichsten Gesprächsthemen

Wohnort, Land, Stadt(-viertel), Straße, Haus oder Wohnung

Partnerschaften, Familie, Kinder, Singleleben

Beruf, Studium und Ausbildung

Hobbys, Freizeitaktivitäten, Sport

Haustiere und Tiere in freier Wildbahn

Reisen und Urlaub

Tabuthemen

Zwischen Hallo und Adieu – Der Ablauf

Die Vorbereitung

Die ersten dreißig Sekunden

Kontakt aufnehmen

Gespräche entfalten

Gespräche beenden

Fauxpas – Erste Hilfe bei Gesprächs-«Unfällen»

Das Prinzip Fehlerfreundlichkeit

Die häufigsten Patzer

Die besten Anti-Fettnapf-Strategien

Fünf Sekunden vor dem Eklat – Notbremsen für alle Fälle

Amüsieren schwer gemacht - Anstrengende Gesprächspartner

Selbstdarsteller und Dauerredner

Neunmalkluge, Missionare und Hobbyexperten

Negaholiker

Okkupanten

Stimmungskanonen und Erlebnisfreaks

Die ewig Hungrigen

Grabscher

Schweiger, Melancholiker und Sesselhocker

Heute Reden, morgen Schweigen – Über Leute, Orte und Gelegenheiten

Frauen und Männer

Rentner und Kinder

Ausländer

Wartezeiten an öffentlichen Plätzen

Flirten

Im Restaurant

Im Krankenhaus

Trauerfälle

Am Telefon

Im Beruf

Achtung! Anti-Smalltalk-Zone!

Plaudern als Kunstform – Smalltalk für Fortgeschrittene und Profis

Der persönliche Stil

Hintergrundwissen

Geschichten erzählen

Beziehungspflege und Netzwerke

Literatur

Vorwort

Stellen Sie sich vor, Sie kommen auf eine Party und kennen niemanden außer den beiden Gastgebern, die zu sehr beschäftigt sind, Büfett und Getränke aufzufüllen, um sich Ihnen widmen zu können. Um Sie herum tummeln sich lauter fröhliche Fremde, die angeregt miteinander plaudern, lachen, Anekdoten aus der Jugendzeit erzählen und sich augenscheinlich prächtig amüsieren. Nur Sie stehen irgendwo am Rand, nippen immer wieder an Ihrem Weinglas und fragen sich bekümmert: Ist hier niemand, der wie ich niemanden kennt und zu mir kommt, um mit mir über Gott und die Welt zu reden? Jetzt bräuchte ich einen Zauberstab, und – Simsalabim – alle müssten ihre Aufmerksamkeit mir zuwenden.

Ich kenne diese Szene aus eigener Erfahrung. Bis vor einigen Jahren habe ich sie oft genug selbst erlebt. Wer kommt schon als begnadeter Lebenskünstler auf die Welt, der, mit überschäumendem Charme ausgestattet, jedes Publikum im Sturm erobert? Mit Leuten, die ich bereits gut kannte, konnte ich ausgiebig plaudern, aber bei Strategien der Annäherung an Unbekannte haperte es mächtig.

Bis mir Ende der achtziger Jahre die rettende Idee kam. Hatte ich nicht Philosophie, Psychologie und Biologie studiert? Konnte ich meine Fachkenntnisse nicht einsetzen, um statt abstrakter Fragen der Wissenschaft meine ganz alltäglichen Schwierigkeiten besser zu bewältigen? Damals fing ich an, mich mit den Fragen zwischenmenschlicher Kommunikation zu beschäftigen. Ich studierte Untersuchungen über Gesprächsabläufe, begab mich auf das faszinierende Feld der Körpersprache, befasste mich mit Selbstsicherheitstraining, Rhetorik und Kontaktschulung und konnte bald nicht nur mein eigenes Auftreten verbessern, sondern meine Erkenntnisse in Seminaren, Vorlesungen und Sachbüchern weitergeben.

Fragen Sie eine Freundin, die überall leicht Kontakt findet, welche Tipps sie Ihnen geben kann, und sie wird Sie wahrscheinlich verwundert anschauen: «Also, ich seh da kein Problem. Pass auf, beim nächsten Mal gehen wir zusammen, und ich stell dich vor.» Selbst wenn sie ihr Versprechen hält – worüber reden Sie, wenn Sie vor einer fremden Person stehen, die Sie erwartungsvoll anschaut und von der Sie nichts weiter wissen als bestenfalls den Vornamen?

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Ich möchte zeigen, wie Ihnen der Schritt vom Außenseiter zum Teil-Nehmer (im wahrsten Sinne des Wortes) gelingt. Es soll Ihr Zauberstab sein, den Sie in Zukunft schwingen werden, wenn Sie sich das nächste Mal unter Fremden ins Abseits gestellt fühlen. Aber auch, wenn Sie keine Kontaktprobleme kennen, sondern nach interessanteren Themen für Unterhaltungen in der Öffentlichkeit suchen, die Ihnen ein schnelles und genaues Kennenlernen Ihrer Gesprächspartner ermöglichen, werden Sie hier fündig. Mein Ziel war es, das Wissen und die Erfahrungen, die ich in Jahren des Studierens und Ausprobierens zusammengetragen habe, auf knapp 250Seiten zu komprimieren und Ihnen als wirksame Anleitung für Ihren gesellschaftlichen Erfolg zu übergeben.

Sie erfahren,

worin das Erfolgsgeheimnis der Virtuosen des leichten Plauderns besteht;

wie Sie Schüchternheit überwinden beziehungsweise trotz Schüchternheit öffentliche Situationen meistern;

mit welchen Worten Sie bei unbekannten Personen garantiert auf Interesse und ein positives Echo stoßen;

auf welche Gesprächsthemen jeder einsteigt;

wie Sie eine Unterhaltung am Laufen halten und dabei alles Wichtige über den Charakter, die Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit Ihres Gegenübers erfahren;

wie Sie auch außerhalb von organisierten Festen mit Fremden in Kontakt und zu einem angenehmen Smalltalk kommen, ja vielleicht auf diesem Weg sogar Ihrer großen Liebe begegnen;

wie Sie nebenbei Ihre Kommunikationsfähigkeit entwickeln und mit der Zeit (beruflich und privat) einen großen, stabilen Bekanntenkreis gewinnen.

Soziale Talente sind kein Privileg einer kleinen Minderheit mit einer besonders glücklichen Kindheit oder einem Prominentenbonus, der sie automatisch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt. In den letzten zwanzig Jahren haben Kommunikationspsychologen und Verhaltensforscher das Geheimnis von Beliebtheit, Sympathie und Charisma entschlüsselt. Es handelt sich keinesfalls um magische Energie, die man hat oder nicht hat, sondern um eine Summe von ganz alltäglichen Verhaltensweisen, die jeder lernen und mit ein wenig Übung sich aneignen kann. Alles, was Sie tun müssen, ist weiterlesen und danach das Gelesene ausprobieren. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Die kleine Plauderei– Alles Müll oder was?

«Sagen Sie bitte… der Zug scheint Verspätung zu haben?»

«Keine Sorge, bis Hannover holt er das wieder auf.»

«Ah, dann bin ich beruhigt… Sie fahren öfter diese Strecke?»

«Jedes Wochenende. Und Sonntagabend zurück. Und Sie?»

«Es muss fünf Jahre her sein seit dem letzten Mal. Damals dauerte die Fahrt von Berlin noch zwei Stunden länger.»

«Dafür waren die Fahrpreise wesentlich niedriger.»

«Zweihundertfünfzig Mark bis Bielefeld und zurück! Ich wollte es erst nicht glauben. Und demnächst sollen die Preise noch einmal erhöht werden!»

«Na ja, ich habe eine Jahreskarte und meine Firma gibt einen Zuschuss…»

Schauplatz des Dialogs war der ICE von Berlin nach Köln an einem Freitagnachmittag Anfang Februar. Was ich dort aus der Unterhaltung von zwei Reisenden aufschnappte, ist ein typischer Fall von Smalltalk. Das Beispiel zeigt, dass diese Form des Gesprächs, die in Wörterbüchern meist als «Unterhaltung ohne Tiefgang» definiert wird, keineswegs auf Partys, Vernissagen und Premieren beschränkt ist, sondern überall vorkommt, wo Menschen sich in der Öffentlichkeit begegnen.

Reden, ohne etwas zu sagen? Bei vielen hat Smalltalk keinen guten Ruf. Wir assoziieren mit diesem Begriff Oberflächlichkeit, nichts sagendes Blabla, unaufhörliche Bewegungen von Mund und Zunge bei ausgeschaltetem Verstand. Der oben zitierte Dialogausschnitt scheint das Vorurteil zu bestätigen. Wer möchte da nicht ausrufen: «So sind die Deutschen!»? Wie reagieren die Leute, sobald die Rede auf die wesentlich kürzeren Reisezeiten kommt? Sie meckern über steigende Preise! Wenn die beiden im weiteren Gespräch wenigstens über die Verkehrspolitik der Bundesregierung, die ökologischen Folgen des zunehmenden Straßenverkehrs oder das Finanzdefizit der Bahn AG diskutiert hätten! Aber nein, der eine beklagte sich, dass seine wöchentlichen Reisekosten einen Großteil seines Gehalts verschlingen, während der andere, der zu einer Wochenendtagung fuhr, zugab, dass ihm der Veranstalter die 250Mark ersetzen wird! Ein Zeichen für die sinkende Gesprächskultur in diesem Lande? Kapitulation der Vernunft?

In Wahrheit haben sich die beiden Reisenden sehr klug verhalten. Mit instinktiver Sicherheit sprachen sie über Themen, bei denen keine Gefahr bestand, dass sie mit dem unbekannten Gegenüber in einen handfesten Streit geraten könnten. Der Dauerreisende hätte ja höherer Angestellter der Bahn AG und sein Gegenüber unterwegs zum Treffen eines Automobilklubs sein können. Der nur deshalb mit der Bahn reiste, weil sein Wagen gerade in der Werkstatt stand. In dieser Situation ist ein Gesprächsverhalten angezeigt, bei dem man auch mit einer Person, von der man nicht einmal den Namen kennt, auf Anhieb eine gemeinsame Basis findet.

Jeder, der schon einmal allein unter lauter Fremden auf einer großen Party war, kennt das Problem. Ich habe die Standardsituation schon am Anfang des Buches beschrieben. Was tun, wenn man niemanden kennt außer den Gastgebern – und die sind ständig mit Begrüßungen und Nachschub für das Büfetts beschäftigt? So mancher hält sich stundenlang an seinem Glas fest und hofft, dass irgendwer sich erbarmt und ihn in ein Gespräch verwickelt. Wer dann denkt «Offenbar bin ich der Einzige, der hier keinen kennt», befindet sich wahrscheinlich im Irrtum. In aller Regel sind eine Reihe weiterer Gäste da, die bis zu ihrer Ankunft auch niemand anderen kannten. Was sie dem Mauerblümchen voraushaben, ist die Fähigkeit zum Smalltalk.

Wachsende Anonymität. Bis vor einigen Jahrzehnten fand der Hauptanteil menschlicher Gespräche in der Familie und am Arbeitsplatz statt. Die Scheidungsraten waren gering. Kinder, Ehepartner und beider Verwandte begleiteten uns als verlässliche Bezugspersonen durch das Leben. Die Arbeitsplätze der überwiegenden Mehrheit waren stabil, lebenslange Bindungen an ein und dieselbe Firma der Regelfall. Daraus resultierten feste Freundschaften zu Kollegen, mit denen man nicht nur das berufliche Auf und Ab, sondern auch viele Freizeitaktivitäten gemeinsam durchlebte. Unterhaltungen mit Fremden bildeten folglich nur einen geringen Anteil der sozialen Kontakte, und wenn sie misslangen, stellte das auch kein Unglück dar. Familie und gute Freunde sorgten dafür, dass kein Gefühl der sozialen Isolierung aufkam.

Die Lage hat sich seit den siebziger Jahren grundlegend gewandelt. Ein Drittel aller Ehen wird geschieden (in Großstädten sogar annähernd die Hälfte), Tendenz steigend. Das Single-Dasein – vor dreißig Jahren noch die Lebensweise einer bemitleideten Randgruppe – entwickelte sich zum Massenphänomen. Rund dreizehn Millionen Alleinlebende gibt es in Deutschland, das sind 37Prozent aller Haushalte. Stabile Arbeitsverhältnisse sind die Ausnahme geworden. Mobilität und häufige Arbeitsplatzwechsel zwingen uns dazu, alle paar Jahre gewohnte Bekanntenkreise aufzugeben und an neuen Orten neue Freunde zu finden. Der Umzug in eine andere Stadt lockert außerdem die Verbindung zu den Verwandten. Nur selten noch wohnen Eltern, erwachsene Kinder, Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen in derselben Gegend. Wer da nicht eines Tages entdecken will, dass er keine Freunde mehr hat und eigentlich völlig allein lebt, muss von sich aus Schritte unternehmen, um mit den Leuten seiner Umgebung in Kontakt zu kommen.

Wenn es so viele Kontaktbedürftige gibt, müsste das Schließen von Bekanntschaften eigentlich einfacher geworden sein. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Fähigkeit, mit Fremden ins Gespräch zu gelangen, ist eine Frage der Übung und der Gewohnheit. Tatsächlich verbringen wir immer mehr Zeit mit uns allein. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen: Ob im Urlaub, auf Feten oder in der Nachbarschaft – unabhängig von ihrem subjektiven Kontaktbedürfnis bleiben immer mehr Menschen für sich.

Hürden der Partnersuche. In einem Bereich ist das besonders auffällig – bei der Suche nach Liebe und Geborgenheit. Single-Discos und Partnervermittlungen haben Hochkonjunktur. Fünf Millionen Partnerschaftsannoncen werden jedes Jahr veröffentlicht – dazu kommen die zahlreichen neuen Kontaktbörsen im Internet. Doch all diese Angebote können die Suche nur unterstützen. Wenn es dann Ernst wird, liegt es an uns allein, ob wir in den ersten Minuten einen so starken Eindruck hinterlassen, dass unser Gegenüber uns näher kennen lernen will.

In romantischen Filmen regiert die plötzliche Liebe, die einschlägt wie ein Blitz. Ein Blick genügt und das Herz ist verloren. In der Wirklichkeit geht es viel prosaischer zu. Die meisten Paare lernen sich über den Arbeitsplatz oder in der Ausbildung kennen. Nachbarschaft, Bekannte und Hobbygruppen sind ein weiterer häufiger Ausgangspunkt für so manche große Liebe. In allen Fällen steht vor dem Liebesgeständnis das gegenseitige Kennenlernen. Man spricht über Tagesabläufe, Gewohnheiten, also den alltäglichen Kleinkram – und prüft dabei im Stillen, ob man eine gemeinsame Wellenlänge findet. Wenn ja, wird allmählich eine Vertrauensbasis entstehen, die intimere Gespräche zulässt. Wenn nein, können die beiden sich nach wenigen Minuten trennen, ohne irgendetwas Heikles von sich preisgegeben zu haben.

Wenn zwei Menschen sich begegnen. Die Wissenschaft hat erst in den letzten Jahren genauer untersucht, was passiert, wenn zwei Fremde aufeinander treffen. Bereits in den ersten Sekunden laufen eine Menge innerer Bewertungsprozesse ab. In einer halben Minute glauben wir genau zu wissen, ob die Person gegenüber sympathisch und vertrauenswürdig ist. Nicht länger als vier Minuten dauert es, zu entscheiden, ob wir eine längere Bekanntschaft anstreben wollen oder nicht. Diese erste spontane Entscheidung wird nur selten noch einmal völlig umgestoßen, auch wenn wir später eine Menge Informationen über diese Person erhalten, die unsere ursprüngliche Einschätzung infrage stellt. Wir versuchen dann eher, den ersten Eindruck mit den späteren Informationen in Übereinstimmung zu bringen:

Haben wir jemanden von seinem ersten Auftreten an als ehrlich und warmherzig beurteilt, ist es sicher ein Schock, zu erfahren, dass er schon einige Vorstrafen wegen Autodiebstählen und tätlichen Angriffen hinter sich hat. Aber vielleicht war er in Not geraten und ist provoziert worden?

Erweckt jemand dagegen mein Misstrauen, wirkt auf mich wie ein Einschleimer, Heuchler oder Karrierist, werde ich die nachfolgende Information, dass er sich mit Spenden und ehrenamtlicher Tätigkeit in einer Hilfsorganisation engagiert, mit Zurückhaltung aufnehmen. Ich frage mich unwillkürlich, was der Kerl damit bezweckt. Strebt er ein politisches Amt an? Will er das Finanzamt betrügen? Macht er mit seinem Ehrenamt lediglich Werbung für sein Geschäft?

Dieser entscheidende erste Eindruck hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: von der Wirkung des Äußeren und dem Smalltalk. Nur bei wenigen speziellen Gelegenheiten, die im vorletzten Kapitel dieses Buches noch besprochen werden, kommen zwei Menschen, die sich das erste Mal begegnen, sofort «zur Sache». Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ich bei einer bestimmten Person gezielt wegen einer genau definierten Angelegenheit um einen Termin nachsuche und wir beide vielleicht noch unter Zeitdruck stehen.

In allen übrigen Fällen werden die Beteiligten zunächst versuchen, miteinander warm zu werden. Sie reden über das Wetter, die Anreise, die Aussicht aus dem Fenster, die Möbel, die Gesundheit der Kinder… Auch Leute, die einander schon kennen, beginnen oft mit dieser Art von Unterhaltung, besonders, wenn sie sich eine Weile nicht gesehen haben. Gelingt diese Einleitung, bestehen gute Chancen, dass auch das nachfolgende ernste Gespräch zur Sache zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Umgekehrt scheitern zahlreiche private und berufliche Kontakte schon im Vorfeld, weil die Fähigkeit zum lockeren Geplänkel nicht ausreicht.

Gesprächskunst vergangener Zeiten. Frühere Jahrhunderte hatten die Kunst der Konversation hoch geschätzt. Sie gehörte zur Benimm-Erziehung vornehmer Gesellschaftsschichten. In manchen Ländern (England, Frankreich) wird traditionell die Kunst, sich über die kleine Plauderei an eine Situation oder eine Person heranzutasten, in Ehren gehalten. Dort konnten die Leute einander allein anhand ihres Gesprächsverhaltens zuverlässig einer bestimmten sozialen Schicht zuordnen. Solche «Distinktionen». (ein Begriff des französischen Soziologen Pierre Bourdieu) wirken zum Teil bis heute, wie folgendes Beispiel zeigt.

Während eines Fußballspiels in England in den achtziger Jahren kam es zur Randale. Die Polizei kreiste eine Gruppe von Hooligans ein und trieb sie zu ihren Mannschaftswagen. Da meldete sich aus der Gruppe ein Herr in mittleren Jahren und sagte, er gehöre nicht zu diesen Jugendlichen, er sei irrtümlich mit eingekreist worden. Die Beamten konnten den Mann in der Masse der tobenden Randalierer kaum sehen, doch sie zerteilten die Menge und ließen ihn sofort frei. Sie hatten an seiner Sprechweise erkannt, dass es sich um einen Angehörigen des gehobenen Mittelstands handeln musste.

Der berühmte «Knigge» – das Originalwerk des Freiherrn Adolph von Knigge (1752–1796) mit dem Titel «Über den Umgang mit Menschen» – enthält keine der heute üblichen Höflichkeitsregeln moderner «Knigges». Im Original steht weder, wer bei Begegnungen wem zuerst die Hand gib, noch, von welcher Seite der wohlerzogene Herr den Hut zieht. Sondern der Freiherr lehrte, was im 18.Jahrhundert zu einer gepflegten Unterhaltung, die einem Sympathie und Freunde verschafft, nötig war. Von der Gewandtheit im Auftreten hingen wesentlich die Heiratschancen der jungen Leute, insbesondere der höheren Töchter, ab. Nicht nur die Höhe der Mitgift, sondern auch die Fähigkeit, einem größeren Haushalt als geistreiche Unterhalterin vorzustehen, galt als eine wichtige Qualifikation zukünftiger Ehefrauen. Einige Damen erlangten Berühmtheit allein durch ihre Fähigkeit, einen literarischen Salon zu organisieren und die originellsten Geister ihrer Zeit in Kontakt zu bringen. Zu ihnen gehörten Julie de Lespinasse (1732–1776), bei der sich die französischen Aufklärer und Enzyklopädisten wie d’Alembert, Hélvetius, Holbach oder Diderot trafen, und Johanna Schopenhauer (1766–1838), Mutter des bekannten Philosophen, die in Weimar einen literarischen Salon führte, der auch von Goethe besucht wurde.

Vor allem die Romantik und das Industriezeitalter haben die Kunst der Konversation entwertet. Das Ideal des 19.Jahrhunderts war das einsame Genie, das verkannt und allein in seiner Dachkammer seine unsterblichen Meisterwerke schuf. Dem standen in der Wirklichkeit Massenproduktion bei Hungerlöhnen, 14-Stunden-Tag und ungebremster Kapitalismus gegenüber. Erst im 20.Jahrhundert setzte sich wieder die Einsicht durch, dass Kreativität durch die Anregungen Gleichgesinnter gefördert wird. Gertrude Stein (1874–1946), in deren Räumen sich im Paris der zwanziger Jahre Joyce, Hemingway, Picasso und viele andere spätere Berühmtheiten begegneten, erwarb sich durch ihre Förderung der jungen Genies mehr Anerkennung als durch ihre eigenen Bücher.

Gesprächsziel Sympathie. Lange unterschätzt, lebt diese Tradition in der modernen Form des Smalltalk fort. Die Soziologin Devorah Kalekin-Fishman von der Universität Haifa (Israel) hat Alltagsgespräche erforscht und kam zu dem Schluss, dass ohne sie kein modernes Gesellschaftssystem lebensfähig wäre. Weder die Arbeitswelt noch das Finanzsystem noch die Kunst noch die politische Macht erreichen alle Menschen eines Landes. Ja, nicht einmal das Fernsehen – rund zwei Millionen Deutsche leben TV-abstinent. Der einzige Lebensbereich, der (zumindest gelegentlich) alle erfasst, sind Alltagsgespräche: der kurze Wortwechsel mit Nachbarn, Verkäufern oder dem Briefträger, kleine Plaudereien in Wartezimmern und vor Kassen im Supermarkt – sogar Obdachlose nehmen mit dem Spruch «Haste mal ’ne Mark?» an der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation teil. Für Devorah Kalekin-Fishman ist es daher der Smalltalk, der unsere Kultur formt durch «fortlaufende Konstruktion des Alltäglichen durch gewöhnliche Leute».

Dennoch ist die Kunst des Smalltalk nicht allen im gleichen Maß gegeben. Sie hat ihre Könner, die mit ihrem angenehmen Geplauder auf jeder Party gern gesehen sind, – und die eher Abstinenten, die ein Schattendasein am Rande führen. Die Talente scheiden sich in den ersten heiklen Minuten, die zwischen einer neuen Begegnung und dem vertrauten Gespräch guter Bekannter stehen, von den Unauffälligen. Der Smalltalk dient dem gegenseitigen Werben um Sympathie, dem vorsichtigen Sich-Abtasten im Gespräch, um herauszufinden, ob es eine Grundlage für eine vertiefte, vertrauensvolle Beziehung gibt. In einer Geschäftsbeziehung etabliert er die menschliche Seite. Gelingt dieser Anfang, ist eine vorläufige Vertrauensbasis erreicht, von der aus man dann zum Eigentlichen – einem Geschäft, einer Freundschaft, einem gemeinsamen Hobby oder gar der großen Liebe – fortschreiten kann.

Solange die Partner noch nicht wissen, ob sie dem anderen vertrauen können, werden sie nicht über vertrauliche Dinge reden. Die scheinbare Oberflächlichkeit des Smalltalk ist die Voraussetzung seines Gelingens. Alles, was Missverständnisse oder Kränkungen hervorrufen kann, wird vermieden. Das betrifft nicht nur intime Details, sondern auch tief schürfende und strittige Themen.

Geistreiche Themen, die hinter die Oberfläche der Dinge vordringen, erfordern eine gewisse Übereinstimmung im Weltbild. Stellen Sie sich vor, der eine interessiert sich für Computer und Hirnforschung und hält das menschliche Bewusstsein für nichts weiter als eine besonders komplizierte Software. Der andere begeistert sich für fernöstliche Weisheiten. Nehmen wir weiter an, der Gastgeber einer Geburtstagsfete bringt die beiden zusammen und stellt den einen dem andern vor mit den Worten: «X interessiert sich übrigens auch für seelische Phänomene.» Dann werden beide mit Sicherheit aneinander vorbeireden, denn für den einen ist die Seele eine von Nervenzellen erzeugte Illusion, für den anderen etwas Immaterielles, das nach dem Tod zu einem anderen Lebewesen weiterwandert. Bis die Missverständnisse geklärt sind, haben sich die beiden wahrscheinlich schon heillos zerstritten. Vielleicht sind beide aber begeisterte Schachspieler und hätten beim Fachsimpeln über Königsgambit und sizilianische Verteidigung ihre Seelenverwandtschaft entdeckt. Zwei verwandte Seelen, die nach einiger Zeit sehr kreativ darüber hätten diskutieren können, was das ist: eine «verwandte Seele». Im Smalltalk loten die Partner selbst aus, wo die Felder der Verständigung liegen.

Ähnliche Schwierigkeiten gibt es mit strittigen Themen. Schon der Freiherr von Knigge war der Meinung, dass es viel mehr Freundlichkeit und wechselseitiges Verständnis in der Welt gäbe, wenn die Menschen zuerst über ihre Gemeinsamkeiten und dann erst über ihre Differenzen sprechen würden. Wer seine Bekanntschaft mit einem Konflikt einleitet, hat es schwer, Sympathie und Verständnis zu erwerben. Der konstruktive Streit gelingt – wie wir noch sehen werden – nur auf einer Basis von Gemeinsamkeiten.

Die Beziehungsebene ist entscheidend. In der Fähigkeit zum Smalltalk unterscheiden sich kommunikations- und kontaktfreudige Zeitgenossen von Mauerblümchen und Vereinsamten. Es geht aber nicht nur um Schlagfertigkeit und die Gewandtheit, in jeder Lage eine lockere Unterhaltung zu führen. Die Minuten des Smalltalk können Sie sehr unterschiedlich nutzen. Sie können absichtslos vor sich hin plaudern, Sie haben aber auch die Möglichkeit, gezielt und unauffällig die menschlichen Qualitäten Ihres Gegenübers zu erkunden. Dafür müssen Sie weder den Lebenslauf abfragen noch sie oder ihn einem Verhör unterziehen.

Entgegen dem äußeren Anschein ist Smalltalk kein Selbstzweck, sondern eine Form des Werbens um Vertrauen. Die gewechselten Sätze wirken häufig banal, aber auf sie kommt es nicht an. Sie sind nicht mehr als eine schützende Hülle vor möglichen seelischen Verletzungen. Das Entscheidende spielt sich hinter dem gesprochenen Text, auf der Beziehungsebene, ab. Die beiden Partner prüfen unbewusst:

Geht der andere auf mich ein?

Zeigt er Interesse für mich?

Weckt er meine Neugier, mehr von ihm zu erfahren?

Versucht er, mit mir eine gemeinsame Ebene zu finden?

Dadurch, dass der Inhalt keine großen geistigen Anstrengungen erfordert, fällt es leichter, sich auf diese unterschwelligen Fragen zu konzentrieren. Am Ende heißt es dann: sympathisch, nett, vertrauenswürdig, uninteressant (bzw. uninteressiert), langweilig, nichts sagend oder auch: «Ich weiß nicht so recht, was ich von ihm/​ihr halten soll.» Wer diese Art der Unterhaltung für niveaulos hält, unterschätzt die unausgesprochenen Aspekte. So mancher, der wegen der Seichtheit des Dialogs die Nase rümpfte, war auf der Beziehungsebene längst unbemerkt durch die Prüfung gefallen. Wichtiger als das Was (Inhalt der Sätze) ist das Wie (Körpersprache, Tonfall, Formulierungen, Gesprächsablauf).

Wenn Smalltalk misslingt. Jeder von uns kennt Leute, die auf bestimmten Gebieten hervorragende Experten sind und andere gern an ihrem Wissen teilhaben lassen möchten. Siggi kennt sämtliche Endspielergebnisse von Fußballweltmeisterschaften und Europacups, einschließlich der Mannschaftsaufstellungen, seit 1954.Irina kann den Kalorien- und Vitamingehalt sämtlicher Nahrungsmittel aus dem Kopf herbeten. Jürgen weiß Tipps und Tricks für alle nur denkbaren Computerprobleme. Monika gehört einem Frauenaktienklub an und kann kompetenten Rat geben, wie man am schnellsten sein Geld vermehrt. Sobald die vier aber auf einer Party versuchen, ihr Fachwissen an den Mann (oder die Frau) zu bringen, ziehen sich die Zuhörer nach und nach unter den fadenscheinigsten Vorwänden zurück, bis die Hobbyexperten schließlich allein dastehen.

Vom Standpunkt der Zuhörer ist die Sache klar. Wer will sich schon an so einem Abend einen Fachvortrag anhören, und sei das Thema noch so interessant? Sie wollen sich amüsieren, nette Leute treffen, den neuesten Klatsch austauschen… Aber sich belehren lassen? Dazu über so etwas Kompliziertes wie Anlagestrategien in Aktienfonds? Wo man im Kopf mitrechnen muss? Nach dem fünften Glas Wein? Selbst wenn die eigenen geringen Ersparnisse seit Jahren auf einem Sparbuch zu eineinhalb Prozent Zinsen vor sich hin dümpeln und dringend eine Auffrischung gebrauchen könnten – wir wollen selbst entscheiden, wann wir uns beraten lassen und von wem. Auf keinen Fall an diesem gemütlichen Abend!

Wie kommt es aber, dass immer wieder Gäste sich zu einem ungefragten Vortrag hinreißen lassen? Vielleicht ist es Ihnen selbst schon einmal passiert, dass Sie sich auf einer Feier über Ihr Lieblingsthema verbreiteten und erst nach einiger Zeit merkten, wie aus den Mienen Ihrer Gesprächspartner erst das Lächeln verschwand, dann die Blicke unruhig zur Seite wanderten und schließlich die Gesichtszüge vereisten.

Der Auslöser für ein fehlgelaufenes Gespräch, das Sie auf einen Schlag die Sympathie aller Anwesenden kosten kann, ist oft nur eine Kleinigkeit. Sie treffen ein, die Gastgeberin führt Sie zu einer Gruppe von unbekannten Leuten und stellt Sie mit den Worten vor: «Meine Freundin Monika ist übrigens seit einem halben Jahr in einem Aktienklub tätig.»

Jetzt braucht Sie nur noch jemand höflich in das Gespräch zu ziehen mit dem Satz: «Da machen Sie sicher mehr aus Ihrem Geld als ich mit meinem Sparbuch.» Wenn Sie jetzt zu einer Erklärung ansetzen, dass Ihr Gegenüber statt mageren eineinhalb Prozent locker mindestens zehn Prozent Gewinn pro Jahr erzielen könnte, wenn er nur ganz einfache Regeln umsetzt, nämlich… – dann befinden Sie sich auf dem besten Wege, mehreren Leuten gründlich den Abend zu verderben.

Die Versuchung, mit einem Stegreifvortrag draufloszudozieren ist groß, denn:

Sie haben sich vielleicht auf dem Weg dorthin schon Gedanken gemacht, worüber Sie mit Leuten, die Sie nicht kennen, reden könnten. Die Erleichterung, mit einem vertrauten Thema in die Unterhaltung starten zu können, schaltet die Selbstkontrolle aus.

Sie sind froh über eine niveauvolle Unterhaltung, die über das allgemeine Party-Blabla hinausgeht. Die aktuelle Wirtschaftsentwicklung, von der unser aller Wohlstand abhängt, ist doch wohl interessanter als das Wetter oder wer gerade dabei ist, wem den Partner auszuspannen.

Sie freuen sich über jede Anteilnahme an Ihrem Interessengebiet. Man trifft ohnehin selten genug auf Gleichgesinnte. Sie lassen gern andere von dem Wissen, das Sie sich mühsam erarbeitet haben, mit profitieren.

Keine Frage, zum Gelingen einer Kommunikation gehören immer mindestens zwei. Nicht nur der «Experte» ist über das Ziel hinausgeschossen. Auch die um ihn Herumstehenden trifft ein Teil Schuld an der Entgleisung. Selbstdarstellungskünstler können sich nur dort entfalten, wo ihnen passive Zuhörer eine Bühne schaffen. Die Fähigkeit, anstrengende Gesprächspartner auf höfliche Weise – so, dass jeder sein Gesicht wahren kann – in ihre Schranken zu weisen, ist leider nicht so häufig anzutreffen, wie es nötig wäre. Bei uns wird Höflichkeit oft als Nachgeben verstanden, was weniger höfliche Zeitgenossen ausnutzen – seltener als das Recht, auf angemessene (nicht verletzende) Weise seine Ansprüche anzumelden.

Nicht nur im Privatleben, auch im Beruf wächst der Bedarf an Kontakten. Ursache ist der Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungszeitalter. Nur noch eine Minderheit arbeitet acht Stunden hintereinander hauptsächlich mit Maschinen. Die Zahl der Angestellten, die Mitarbeiter anleiten oder Kunden betreuen, wächst ständig, während der produzierende Bereich seit Jahren Stellen abbaut. Ob die Kontaktaufnahme und Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, per Telefon oder gar via Internet über Computer erfolgen, ist zweitrangig. Ausschlaggebend ist, dass die Fähigkeit, mit anderen stabile berufliche Beziehungen aufzubauen, über Gehälter und Karrierechancen entscheidet. Bedenken wir außerdem, dass die Entscheidung über das Gelingen einer Bekanntschaft in den ersten Minuten fällt – also während des Smalltalk–, begreifen wir leicht, dass schweigsame Zeitgenossen und Leute, die sich gern selbst reden hören, auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft mit einem schwerwiegenden Handicap geschlagen sind.

Virtuosen der leichten Plauderei. Einigen scheint die Fähigkeit, mit jedermann leicht in Kontakt zu kommen und sofort den richtigen Ton miteinander zu finden, in die Wiege gelegt zu sein. In der Tat zeigt die neuere Forschung, dass angeborene Temperamentsunterschiede eine Rolle spielen. Aber auch die familiäre Umgebung, vor allem in den ersten Lebensjahren, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Wer mit vielen Gleichaltrigen aufwächst, hat es später oft leichter als Einzelkinder. Am wichtigsten scheint jedoch eine positive innere Einstellung zu den Mitmenschen zu sein, die sehr stark vom Vorbild der Eltern abhängt. Solche Glückspilze zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

Sie wissen genau, was sie können, was nicht und was ihnen zusteht. Deshalb äußern sie ihre Wünsche deutlich und unumwunden, statt zu schweigen oder sich indirekt mit unklaren Andeutungen zu äußern.

Sie sind ständig an guten Beziehungen zu ihren Mitmenschen interessiert. Sie gehen deshalb auch dann auf andere Menschen zu, wenn sie nicht gerade etwas von ihnen wollen. Sie kapseln sich nicht ab.

Sie sind hartnäckig. Von Zurückweisungen lassen sie sich nicht entmutigen, weil sie einen Korb nicht persönlich nehmen. Die Gründe für die Ablehnung können ja auch beim anderen liegen. Deshalb geben sie nie auf. Sie probieren immer wieder neue Strategien aus, um ihre Ziele zu erreichen.

Sie erholen sich schnell von Misserfolgen und gescheiterten Kontaktversuchen. Dies zeigt sich in ihrer Stimme und in ihrer Körperhaltung. Pleiten, Pech und Pannen nehmen sie mit Humor. Sie nehmen vor allem sich selbst nicht zu ernst und können über sich lachen. Sie gestehen sich selbst Fehler zu und versuchen nicht, perfekt zu wirken. Aufkommende Selbstzweifel vergehen, weil sie sich an den Erfolgen freuen, die sich bei weiteren Versuchen unweigerlich einstellen müssen. Wenn sie sich geärgert haben, dann tragen sie nicht den ganzen Tag ihren Frust zur Schau.

Wenn andere ihnen geholfen haben, zeigen sie Freude und Dank. Lob und Anerkennung gehen ihnen leicht von den Lippen. Sie verstehen es, andere zu motivieren und zu begeistern.

Sie sind neugierig auf andere und versuchen, sich in sie einzufühlen. Deshalb sind sie ausgezeichnete Zuhörer. Sie geben den Leuten Gelegenheit, über das zu reden, worauf sie stolz sind. Sie sind wohlwollend und geduldig, aber nicht aufdringlich.

Nur eine Minderheit beherrscht dieses Kommunikationsideal von Natur aus. Wir übrigen Normalsterblichen – zu denen auch ich mich zähle – können uns durch kommunikatives Wissen, Aufmerksamkeit und Erfahrung allmählich diesem Ideal annähern. Das kommunikative Wissen finden Sie in diesem Buch. Den guten Willen und die Aufmerksamkeit steuern Sie bei. Die Erfahrung stellt sich von selbst ein, wenn Sie das, was Sie auf den folgenden Seiten lesen, so oft wie möglich in der Praxis erproben.

Let’s talk about talk – Die Grundlagen

Keine Angst vor der Öffentlichkeit!

«Jeder Mensch gilt in dieser Welt nur so viel, als wozu er sich selbst macht.»

Dieser Satz stammt nicht etwa von einem amerikanischen Präsidentenberater oder einem Hollywoodstar, der durch gekonnte Selbstinszenierung immer wieder Schlagzeilen in der Presse bekommt, sondern von dem schon zitierten Freiherrn von Knigge, geschrieben im Jahre 1788.

Mehr Schein als Sein? In seiner Anwendung beweisen Karrieristen und Hochstapler, dass das dauernde Reden über die eigene Tüchtigkeit einem oft erspart, seine Leistungsfähigkeit praktisch unter Beweis zu stellen. Auch Ende des 20.Jahrhunderts war es möglich, dass ein psychisch Kranker es schaffte, zum wiederholten Mal als Arzt in einer Klinik zu praktizieren – ohne Zeugnisse oder irgendeine Art von medizinischer Ausbildung. Sein selbstbewusstes Auftreten im weißen Kittel reichte, die Leute in seiner Umgebung von sich zu überzeugen.

Die Werbeindustrie hat aus dem Satz längst gelernt, dass auch die unwahrscheinlichste Behauptung über das zu verkaufende Produkt schließlich akzeptiert wird, wenn man sie nur oft genug wiederholt.

Ein bekannter Bauunternehmer folgte Knigges Devise und erhielt von Fachleuten der Großbanken, die geschult sind, Betrüger zu entlarven, Milliardenkredite – und hinterließ einen Berg von Schulden, den einer der Bankmanager, um sein Versagen zu bagatellisieren, als «Peanuts» bezeichnete.

Selbst Wissenschaftler wissen inzwischen: Man erwirbt sich einen Ruf als Experte am leichtesten dadurch, dass man seine Meinung im Brustton der Überzeugung häufig im Fernsehen und auf Vorträgen verkündet. Für fleißige Genies, die von früh bis abends nur forschen und ihre Laboratorien kaum verlassen, interessiert sich außer ein paar Fachkollegen niemand.

Und wenn auf einer Party zehn Leute beieinander stehen, wird man sich an die ein oder zwei erinnern, die durch amüsantes Plaudern auf sich aufmerksam machten, während die stummen Zuschauer in der Erinnerung keine Spur hinterlassen.

Zum Glück lassen wir uns nicht schrankenlos manipulieren. Wer uns eine Rolle vorspielt, die nicht seiner wahren Persönlichkeit entspricht, wird früher oder später durchschaut. Nur in den Medien kann ein falsches Image über längere Zeit geschickt inszeniert werden. Im persönlichen Umgang lässt sich ein Schein ohne Sein nicht lange aufrechterhalten. Dazu müssten wir unsere Mimik und Gestik einer perfekten Selbstkontrolle unterwerfen. Das ist nicht nur sehr anstrengend, sondern auch beim besten Willen praktisch nicht lückenlos durchführbar. Einige Bereiche der Körpersprache steuert das Unterbewusstsein. Das heißt, die Mimik reagiert auf unsere augenblickliche Stimmung. Der Versuch, willentlich Zorn oder Freude auf das Gesicht zu zaubern, spiegelt äußerlich genau das wider, was er ist – ein kläglich gescheiterter Versuch, eine Laune vorzutäuschen, die nicht da ist. Versuchen Sie einmal zu lächeln, wenn Ihnen nicht nach Lächeln zumute ist, und schauen Sie sich das Ergebnis im Spiegel an.

Ein schüchternes Mädchen mit einem eher stillen, nach innen gekehrten Charakter wäre also schlecht beraten, wenn sie versuchen wollte, auf der Geburtstagsparty ihrer besten Freundin einen großen Auftritt als Femme fatale zu inszenieren. Mit den Schwindlern, Prahlern und Abenteurern dieser Welt in Wettbewerb zu treten wäre der falsche Weg.

Wohl aber sollten wir lernen, uns von unserer vorteilhaftesten Seite zu zeigen. Wir hören viel davon, dass es auf die inneren Werte der Menschen ankommt – weniger darüber, wie Sie diese inneren Werte äußerlich sichtbar machen können. Mag sein, dass Sie feinsinnig, klug, nachdenklich, einfühlsam, freundlich, tolerant, zuverlässig, treu und pflichtbewusst sind – solange Sie stumm und unauffällig mit einem Glas Wein aus einer Ecke das Treiben beobachten, wird niemand auf die Idee kommen, dass Sie diese Qualitäten besitzen, und Sie deswegen kennen lernen wollen.

Theoretisch mag das alles klar sein. Kaum jemand geht zu einer Betriebs- oder Geburtstagsfeier ohne den Vorsatz, sich prächtig zu unterhalten. In der Praxis scheitern zwischen zehn und fünfzig Prozent der Gäste – je nachdem, wie förmlich die Veranstaltung ist – bereits vor dem ersten Satz, der eine Bekanntschaft einleiten könnte. Wie erleichtert ist man, wenn man wenigstens ein bekanntes Gesicht entdeckt! Das möglichst einer Person gehört, die auch niemanden zum Reden gefunden hat. Die Leidensgefährten suchen sich eine stille Ecke und tauschen spitze Bemerkungen über die unerreichbaren Gäste aus oder schwelgen in Erinnerungen an bessere Zeiten.

Kontakthemmnis Schüchternheit. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Psychologen Philip G.Zimbardo, die mehrere Länder einbezog, halten sich etwa vierzig Prozent der Menschen für schüchtern. Zehn Prozent fehlt es ständig und in jeder Situation an Mut im Umgang mit anderen. Die übrigen dreißig Prozent fühlen sich in bestimmten Situationen gehemmt. Dazu gehören insbesondere ungewohnte Umgebungen und fremde Menschen. Weitere vierzig Prozent haben oder hatten zumindest gelegentlich Probleme beim Zusammensein mit anderen. Nur knapp zwanzig Prozent aller Befragten sagten, Schüchternheit stelle für sie nie ein Problem dar.

Daraus können wir zweierlei lernen:

Schüchternheit ist ein Massenphänomen. Wer zugibt, schüchtern zu sein und sich deswegen nicht traut, von sich aus ein Gespräch zu suchen, kann mit Verständnis rechnen. Die meisten wissen aus eigener Erfahrung, wie sich Befangenheit anfühlt.

Wer im Laufe eines Abends versucht, mit wenigstens drei Leuten Bekanntschaft zu schließen, trifft nach statistischer Wahrscheinlichkeit auf mindestens eine Person, der ebenfalls etwas mulmig zumute ist und die sich deshalb freut, dass man ihr die «Kontaktarbeit» abgenommen hat.

Aber wenn mich das fremde Gegenüber abschätzig von oben bis unten mustert und mich mit einer geringschätzigen Bemerkung abblitzen lässt? Der Trost, dass die Unhöflichkeit dann auf der Seite des anderen lag, hilft nicht viel. Peinlich bleibt es trotzdem. Wenn es doch einen sicheren Gesprächsanfang gäbe, der eine negative Reaktion ausschließt!

Keine Sorge, es gibt ihn.

«Hallo, ich bin…»

Für die Autoren der Knigges von heute ist es klar: Guten Tag sagen ist höflich, stumm vorbeischauen eine Flegelei. «Grüßen ist eine freundliche Geste, die nichts kostet und jeden freut», schreibt Benimmexpertin Gisela Tautz-Wiessner. «Freundliche Menschen werden als sympathischer empfunden als distanzierte – grüßen Sie schon deswegen lieber zehnmal zu viel als einmal zu wenig.» Sie begründet ihre Empfehlung: «Nichtgrüßen kommt dem willkürlichen Negieren der Existenz des anderen