Die Liebenden und der Narr - Isolde Kurz - E-Book

Die Liebenden und der Narr E-Book

Isolde Kurz

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Beschreibung

Donna Sol und Don Ferrantino, die Kinder zweier mächtiger Edelleute, sind einander schon vor ihrer Geburt versprochen worden. Was die Väter in enger Freundschaft verbindet, scheint sich auf die Kinder zu übertragen. Denn Donna Sol und Don Ferrantino sind in der Tat schon beim kindlichen Spiel im Garten ein unzertrennliches Paar. Und so steht der verfrühten Heirat nichts im Wege. Doch das Schicksal will es anders. Die Väter sterben beide im Krieg und es entflammt ein Streit um Erbansprüche, der zur Folge hat, dass die Liebenden getrennt werden und Donna Sol in eine andere Ehe gezwungen wird. Die Situation scheint aussichtslos, doch Don Ferrantino ist klug und tapfer und weiß sich zu helfen... In dieser abenteuerlichen Novelle wird der Leser in die Zeit der italienischen Renaissance versetzt - einer Zeit, die von Leidenschaft und Grazie geprägt ist. Isolde Kurz (geb. am 21. 12.1853, gest. 06.04.1944) war eine deutsche Autorin und Übersetzerin. Ihr Vater war der Schriftsteller Hermann Kurz (1813-1873), ihre Mutter, Marie Kurz (geb. Freiin von Brunnow), entstammte einer alten aristokratischen Familie, lehnte aber den Adelstitel ab. Ihre Eltern waren Freigeister, weshalb auch Isolde Kurz eine eher freie Erziehung genoss. Kurz behauptete von sich, im falschen Jahrzehnt geboren zu sein und sie litt Zeit ihres Lebens unter der gesellschaftlichen Benachteiligung des weiblichen Geschlechts. Trotzdem kam es aber nie zu einer offenen politischen oder frauenrechtlerischen Stellungnahme ihrerseits. Vielmehr blieb Kurz bis zu ihrem Tod eine stolze Außenseiterin, die sich allein ihrem Drang Schriftstellerin zu werden widmete. Kurz, die 30 Jahre in Florenz lebte, führte kulturhistorische Studien zur Florentinischen Geschichte und schrieb Essays über die Florentinische Renaissance. Ihr literarisches Werk umfasst sowohl Gedichte als auch mehrere Erzählungen und Romane. -

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Isolde Kurz

Die Liebenden und der Narr

SAGA Egmont

Die Liebenden und der Narr

Copyright © 1935, 2018 Isolde Kurz und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

All rights reserved

ISBN: 9788711446065

1. Ebook-Auflage, 2018

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Zur Zeit der Vizekönige lebten in Neapel zwei vornehme und reichbegüterte Edelleute spanischen Geblüts, deren Paläste nahe aneinanderstießen und die seit ihrer frühsten Jugend engste Freundschaft hielten. Beider Familien waren schon früh mit den Aragonesen nach Neapel gekommen und besaßen große Güter und Lehen im Neapolitanischen wie auch in Sizilien. Wo von edler Männerfreundschaft die Rede war, nannte man nicht mehr Orestes und Pylades, sondern nur noch Don Pedro di Mendoza und Don Alonzo Navarro.

Beide traten sie nach der Sitte der Zeit früh in den Ehestand und beschlossen, daß, falls ihnen Sohn und Tochter geboren würden, diese schon im voraus als Verlobte gelten sollten. Don Pedro wurde zuerst Vater eines kräftigen Knaben, den sie Don Ferrantino nannten, nach dem kriegsberühmten Fernando d’Avalos, Marchese di Pescara, der als ein Freund des Mendoza den Kleinen aus der Taufe hob. Die Gattin Don Alonzos genas zwar gleichfalls zuerst eines Söhnleins, das aber durch Schuld der Amme mit wenigen Monaten starb. Danach kränkelte die junge Mutter längere Zeit und gebar erst nach mehreren Jahren ein bildschönes Mägdlein, die kleine Donna Sol, nach der Tochter des Cid so benamst.

Die Kinder wuchsen miteinander auf und spielten täglich zusammen in einem mit hohen Bäumen bestandenen, gartenähnlichen Säulenhof, der die beiden Paläste durch kleine Seitentore verband. Dem Mendoza wurden dann mit der Zeit noch weitere Kinder geboren, die alle in dem Hofraum spielten, wogegen die Ehe des Navarro fernerhin unfruchtbar blieb. Aber die zwei zuerst Dagewesenen hielten sich nahe zusammen, sie hatten nicht nur all ihr Spielzeug gemeinsam, während die jüngeren davon ausgeschlossen waren, sondern errichteten auch aus zusammengewälzten Steinen einen kleinen Wall, der ihre Burg vorstellte. Hinter diesen Steinen hielten sie als Schloßherr und Schloßherrin abgesondert Hof, und niemand durfte ohne ihre Erlaubnis den Raum betreten. Die Kleinen wußten nämlich, daß sie seit ihrer Geburt verlobt waren: ihre schwatzhaften Wärterinnen hatten ihnen das verraten. Wer nun dächte, sie hätten bei ihren zarten Jahren die Bedeutung dieses Wortes nicht verstanden, der würde irren, denn die Kinder südlicher Zonen bringen die Vorstellung der Geschlechtsliebe mit zur Welt – wie die der kälteren vermutlich auch. Don Ferrantino und Donna Sol wuchsen also im Spiel unvermerkt in die Liebe hinein. Der kleine Gatte betrug sich zart und ritterlich gegen die Gattin, hielt aber auch auf seine Rechte und Würden, und wenn sie sich veruneinigten, sagte er: Du hast mir zu gehorchen, denn ich soll dein Herr sein. – Dafür verstand es sich von selbst, daß er ihr die besten Leckerbissen brachte und alle ihre Wünsche erfüllte. Und es mußte ein sehr schwarzer Tag im Kalender sein oder sie an diesem Tage sehr eigensinnig, wenn er sich einmal im Zorn so weit vergaß, nach ihr zu schlagen. Das bereute er auch gleich bitterlich, küßte sie und half ihr weinen. Don Alonzo und Don Pedro hatten in ihrer Frühzeit gemeinsam als Pagen am Hofe gedient und folgten erwachsen den Fahnen ihres Königs, so oft es gegen die Lilien von Frankreich ging. Sie halfen dem Marchese Pescara Mailand zurückerobern, und zwei Jahre später fochten sie vor Pavia mit, wo sie die Ehre hatten, den König Franz von Frankreich nach seiner Gefangennehmung zu bewachen. Bevor sie aber diesmal ins Feld aufbrachen, wollten sie die Verschwägerung auf alle Fälle sicherstellen und ließen ihre Kinder feierlich vor geladenen Zeugen die Ringe wechseln, was nach der Sitte der Zeit soviel war wie ein gültiger Eheschluß. Die kleine Braut sah entzückend aus, wie sie in der Hauskapelle neben dem Bräutigam vor dem Altare stand in dem langen goldgestickten Röckchen, das ihr nach damaliger Kindermode bis zu den in roten Atlasschuhen steckenden Füßchen reichte, den dunklen Krauskopf mit Perlenschnüren durchflochten. Don Ferrantino, der gleichfalls ein schönes Kind war, stellte mit dem langen, gescheitelten Haar, das ihm auf den Spitzenkragen niederfiel und mit seinem kleinen Degen an der Seite einen ihrer würdigen Gesponsen dar. Damit waren die Kleinen also jetzt rechtskräftig verbunden. Der Knabe zählte wenig über sieben Jahre und Donna Sol stand zwischen dem vierten und fünften. Die Zeremonie machte besonders auf Donna Sol einen unauslöschlichen Eindruck und brachte ihr Köpfchen auf sonderbar verfrühte Gedanken. Sie gab sich den Anschein, als wollte sie jetzt in ihrer ,Burg‘ mit dem kleinen Gatten ein fürstliches Beilager halten, und da Ferrantinos Mutter zur Zeit neuen Familienfreuden entgegensah, reizte der Anblick die Kleine zur Nachahmung, daß sie sich auf den Leib eine Puppe band, ihr langes Röckchen darüber hinunterzog, um den nötigen Umfang herzustellen, und erklärte, sie sei gleichfalls guter Hoffnung.

Die Kinderfrauen lachten sich Tränen über diesen Spaß und erzählten ihn den Müttern, die nicht wenig erschraken und in Abwesenheit der Väter nicht wußten, wie die Kinder künftig auseinanderhalten. Es wurde beschlossen, die Zugänge zu dem gemeinsamen Spielplatz abzusperren und beiderseits die Kinder im eigenen Hause zu beschäftigen. Um aber auch ihre Gedanken voneinander abzulenken, erhielt Donna Sol ein allerliebstes kleines Hündchen mit langen schwarz und weißen Haaren und einem bunten Band um den Hals, das sie den ganzen Tag auf dem Arm herumschleppte und des Nachts in ihrem Bettchen schlafen ließ. Don Ferrantino wurde beseligt durch das Geschenk eines kleinen, aber feurigen Zwergpferdchens, auf dem er unter Anleitung eines Stallmeisters innerhalb eines abgesteckten Rasenplatzes den ersten Reitübungen oblag. Eine Weile hielt der Reiz des Neuen vor, dann aber trat die alte Gewohnheit in ihre Rechte. Die Kinder verlangten wieder miteinander zu spielen, Donna Sol wollte dem kleinen Gemahl ihr Hündchen, das schon allerlei Künste von ihr gelernt hatte, vorführen, er vor ihr als Reiter glänzen. Nun gab es von beiden Seiten Bitten und Tränen, und die Mütter wußten nicht mehr, wie die Absperrung aufrechterhalten, die ohnehin von den Kinderfrauen heimlich umgangen wurde.

Mittlerweile kamen die Väter sieggekrönt aus dem Felde zurück, und als sie von der neuen Hausordnung und ihrer Ursache hörten, fanden sie die Besorgnisse der Mütter übertrieben und nahmen den verfrühten Liebesdrang des kleinen Ehepaars von der scherzhaften Seite. Um nicht durch das Verbot den Anreiz zu vermehren, entschieden sie, daß der gemeinsame Tummelplatz wieder geöffnet werden und den Kindern das Beisammensein gestattet sein solle, jedoch unter vermehrter Obhut. Don Ferrantino brachte sein Pferdchen mit und Donna Sol ihren Hund, er machte ihr seine Reiterkünste vor und setzte sie auch dann und wann selber auf den Rücken seines Tieres, wobei das Hündchen auf ihrem Schoß nicht fehlen durfte. So hatten sie Kurzweil genug und genossen Tage glückseliger Kindheit.

Doch nicht lange hatten die vereinigten Familien sich der Wiederkehr ihrer Häupter zu erfreuen, da ging der Friede der Halbinsel aufs neue in die Brüche.

Der unglückliche Papst Clemens VIL, dem alles mißlang, was er einfädelte, hatte in dem neuaufgeflammten Ringen zwischen Karl V. und Franz I. die falsche Karte ausgespielt und sollte es furchtbar büßen. Der Kaiser sandte seine Heere gegen ihn, und in dem Rachezug, der sich unter dem Konne- tabel von Bourbon auf die Ewige Stadt heranwälzte, befanden sich auch die beiden spanisch-neapolitanischen Edelleute Don Pedro und Don Alonzo. Sie zogen ungern gegen das Oberhaupt der Christenheit ins Feld, denn sie waren beide gehorsame Söhne der Kirche, aber die Lehenspflicht gegen den beleidigten Kaiser ging allem vor. Sie kämpften wieder Seite an Seite, und wie sie lebenslänglich alle Geschicke teilten, so teilten sie jetzt auch den Tod. Ein Falkonettschuß von der Mauer riß beide zugleich, da sie beieinanderstanden, nieder, Don Alonzo blieb auf der Stelle tot. Don Pedro lebte noch lange genug, um ein Paternoster zu sprechen und um Verzeihung seiner Sünden zu beten, dann verstummte auch er für immer.

Beide Häuser waren nun verwaist, aber ganz verschieden wirkte der Verlust der Väter auf die Schicksale der Hinterbliebenen. Donna Sols Mutter war einst wider ihre Neigung auf elterlichen Befehl in die Ehe mit dem Navarro getreten, denn ihr Herz hatte anders gewählt. Da ihr die Großmut ihres Gatten im Testament die zugebrachte Mitgift auf das Doppelte erhöht hatte, genoß sie als Witwe die Freiheit, über ihre Hand zu verfügen, und schenkte sie nunmehr dem einst Geliebten, der unterdessen von einer gleichfalls nicht beglückenden Ehe wieder frei geworden war. Bis zu Donna Sols Verheiratung, die Don Alonzos einzige Erbin war, durfte die Mutter deren große Einkünfte mitgenießen. Anders stand es um die Witwe und die Kinder Don Pedros. Für diese wurde der Verlust des Familienhauptes verhängnisvoll. Verwandte stellten sich mit unerwarteten Erbansprüchen ein, es kam zu langwierigen Prozessen, die einen großen Teil des Vermögens verschlangen, Güter mußten verkauft werden, der Vormund selbst riß unter allerlei Vorwänden einen Teil der Habe an sich, und der Rest war nicht mehr ausreichend, alle Söhne und Töchter standesgemäß zu versorgen.