Die Logik der Anderen - Klaus Doppler - E-Book

Die Logik der Anderen E-Book

Klaus Doppler

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Beschreibung

Akzeptieren, verstehen, vertrauen: so gelingt unsere Zukunft Wer könnte uns besser Die Logik der Anderen erklären als zwei erfahrene Vermittler zwischen den Welten? Klaus Doppler und Luyanda Mpahlwa wissen aus eigenem Erleben und Handeln, wie fruchtbar das Verständnis von Andersheiten zwischen den Menschen für alle Seiten ist. In ihrem Buch liefern sie die psychologische Erklärung für unsere spontane Skepsis gegenüber fremden Denk- und Lebensweisen. Sie zeigen auch – anhand der Geschichte ihrer Freundschaft –, wie man Schritt für Schritt den anderen versteht und einen gemeinsamen Nenner findet. Ihr Fazit: Wollen wir als Menschen, Eltern, Arbeitnehmer oder Unternehmer in Zukunft erfolgreich sein, geht dies nur durch die Akzeptanz von Andersheiten und das Verständnis der Logik der Anderen.

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Klaus DopplerLuyanda Mpahlwa

Übersetzt aus dem Englischen von Jan W. Haas

DIE LOGIK DER ANDEREN

Warum wir Andersheiten akzeptieren und verstehen müssen, um zukunftsfähig zu sein

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Akzeptieren, verstehen, vertrauen: so gelingt unsere Zukunft Wer könnte uns besser Die Logik der Anderen erklären als zwei erfahrene Vermittler zwischen den Welten? Klaus Doppler und Luyanda Mpahlwa wissen aus eigenem Erleben und Handeln, wie fruchtbar das Verständnis von Andersheiten zwischen den Menschen für alle Seiten ist. In ihrem Buch liefern sie die psychologische Erklärung für unsere spontane Skepsis gegenüber fremden Denk- und Lebensweisen. Sie zeigen auch – anhand der Geschichte ihrer Freundschaft –, wie man Schritt für Schritt den anderen versteht und einen gemeinsamen Nenner findet. Ihr Fazit: Wollen wir als Menschen, Eltern, Arbeitnehmer oder Unternehmer in Zukunft erfolgreich sein, geht dies nur durch die Akzeptanz von Andersheiten und das Verständnis der Logik der Anderen.

Vita

Klaus Doppler ist Psychologe und Organisationsberater. Er ist der führende Experte auf dem Gebiet des Change-Managements und Autor des Standardwerks zum Thema. Gemeinsam mit Freunden gründete er den Verein Themba Labantu, der sich für die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den Townships von Südafrika einsetzt. Luyanda Mpahlwa ist Architekt und Stadtplaner aus Kapstadt. 1981 wurde Luyanda Mpahlwa im Gefängnis von Robben Island inhaftiert wegen seines Kampfes gegen die Apartheid. Nach 5 Jahren Haft ging er ins Exil nach Deutschland und lebte 15 Jahre in Berlin. Zu seinen Bauten gehören die Nordischen Botschaften und die Botschaft von Südafrika in Berlin.

INHALT

VORWORT

WAS UNS BEWEGT (1):KLAUS DOPPLER, ORGANISATIONSBERATER UND VERHALTENSTRAINER

Der erste Schritt: »Klosterlaufbahn«

Zweiter Schritt: Der neue selbstständige Beruf »Organisationsberatung und Verhaltenstraining«

Mein einstweiliges Resümee

WAS UNS BEWEGT (2):LUYANDA MPAHLWA, DIPL.-ING. ARCHITEKT, TU BERLIN; LEITER/DIREKTOR: DESIGNSPACEAFRICA GMBH, KAPSTADT

Wandel im Kontext einer sich stetig ändernden und dynamischen Welt

Meine persönliche Reise

Die globale Dimension

Studien- und Lebenserfahrungen in Berlin

Berufliche Perspektiven

Rückkehr: Arbeiten in Südafrika

Wiedereingliederung in Südafrika – Reflexionen und Erfahrungen

Das Demokratieprojekt in Südafrika

Der Architekt als Protagonist des Wandels

Südafrika im afrikanischen Kontext

WAS UNS VERBINDET – EIN DIALOG

Was verbindet uns heute noch?

Was ich aus unseren Gesprächen mitgenommen habe

Teil 1VERÄNDERUNGEN UND ANDERSHEITEN: EIN LEITFADEN

Kapitel 1Neue Welt, neuer Kontext, neue Herausforderungen

Was ist denn wirklich anders als früher?

Alle sind weltweit vernetzt – und daher voneinander abhängig

Weltweiter hierarchiefreier Zugang zu allen Informationen und Daten – überwiegend in Echtzeit

Zunehmende Auseinandersetzungen im Kampf um Ressourcen und Deutungen

Digitalisierung in allen Bereichen

Alles wird anders – neue virtuelle Räume

Die neuen Herausforderungen

Fehler als (ungeplante) Investition nutzen

Vertrautes Gelände verlassen

Erfahrungen sind immer ein Blick zurück – und oft wenig hilfreich bei der Reise in die Zukunft

Die Wirkung von Emotionen: Blockade oder Antrieb?

Kapitel 2Zunehmende Vielfalt von Andersheiten – eine bedrohliche Bereicherung

Eine vielfältige Vielfalt

Mehr Fragen als Antworten

Handeln ohne klare Antworten?

Kapitel 3Das ist doch logisch! – oder: Der Kampf um Deutungshoheit

Das ist doch logisch!

Die Vielfalt von Logiken

Die Logik der Anderen – eine Zumutung

Kapitel 4ICH und DIE ANDEREN – eine komplexe Gemengelage

Wir benötigen Andere, um uns selbst zu definieren

Wie erleben wir Andersheiten?

Wie gehen wir mit Anderen und Anderem um?

Die Zwickmühle bleibt bestehen

Kapitel 5WIR – edler Deckel auf einem undurchsichtigen Topf

Unverblümte Vereinnahmung

Verdeckte Vereinnahmung

Einschwören gegen einen gemeinsamen Außenfeind

Unverbindliche freundliche Einladung

Emotionale Verbundenheit

Kapitel 6Eine Beziehung aufbauen – eine Brücke mit drei Pfeilern

Wir können uns nicht nicht verhalten

Eine Brücke mit drei Pfeilern

Ein emotionales Fundament

Gefühle in den einzelnen Phasen der Begegnung

Phase 1: Erste Überlegungen, ob überhaupt …

Phase 2: Wollen und Handeln sind zwei Paar Schuhe

Phase 3: Erste persönliche Kontaktaufnahme – reden allein genügt nicht …

Phase 4: Die Begegnungen im weiteren Verlauf

Phase 5: Langfristig betrachtet …

Stabiles Selbstwertgefühl der Beteiligten

Kommunikation als Dialog

Kapitel 7Der kontrollierte Dialog – eine herausfordernde Übung

Kapitel 8Ein gemeinsamer Außenfeind – emotionaler Schnellkleber

Kapitel 9(Leit-)Kultur – ein gemeinsames Fundament für Andersheiten?

Kulturen dienen immer einem bestimmten Zweck

Kultur in Zeiten von Andersheiten

Kultur besteht aus gemeinsamen Werten

Werte sind kontextgebunden

Wenn es um Zukunftsfähigkeit geht, sind alte Kulturen nur bedingt hilfreich

Ohne »schöpferische Zerstörung« kein Platz für Neues

Werte bieten Heimat und sichern Gefolgschaft

Das Dilemma zwischen Sehnsucht nach Heimat und Offenheit für Fremdes

Kultur – eine Dauerbaustelle

Kapitel 10Vom Wollen zum Handeln: Auslöser und Anreize

Meine persönlichen Erfahrungen in meiner Rolle als Berater oder Sparringspartner für Manager

Ich möchte Menschen dafür gewinnen, sich für ein Projekt zu engagieren, das mir persönlich sehr am Herzen liegt

Wie beeinflusst man Menschen? Einige allgemeine Empfehlungen

Teil 2PRAKTISCHE BEISPIELE UND AKTUELLE HANDLUNGSFELDER

Kapitel 11Das Coronavirus: Eine aktuelle Fallstudie und was wir daraus lernen könnten

Die aktuellen Herausforderungen

Wie geht es weiter, wenn das Coronavirus unter Kontrolle ist und die Restriktionen vollständig zurückgenommen werden können?

Was wir aus der Pandemie lernen könn(t)en

Handeln statt hoffen

Alle waren und fühlten sich betroffen

Es gibt keine ausgereiften, bewährten Lösungen

Zeit – ein entscheidender Erfolgsfaktor

Und nun – was tun?

Kapitel 12Das Projekt Delancey Street

Ein erfolgreiches Projekt ohne Fachleute – mit einem radikal andersartigen Ansatz

Das Grundkonzept

Die Bewohner

Leitideen und Programm

Zwei entscheidende Prinzipien

1. »Outside in«

2. »Acting as if«

Fazit

Kapitel 13Das Projekt West-Eastern Divan Orchestra

Kapitel 14Ubuntu – eine afrikanische Lebensphilosophie

Kapitel 15Die Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika – ein zukunftsfähiges Modell?

Gründungsgeschichte und Kernelemente der Wahrheits- und Versöhnungskommission

Der Fall de Klerk in 2020: Rückschlag für das Demokratieprojekt?

Offene Fragen

Kapitel 16Architektur – Design für sozialen Wandel

Architektur in der Praxis

Stadtplanung in Südafrika und ihre Herausforderungen

Sandbag House und andere exemplarische Modelle

Projekte von Ithemba Labantu: sozial engagierte Architektur

Die Suppenküche

Das schulische Nachbetreuungszentrum

Das Philipp-Lahm-Sportfeld

Schulbauprojekt »Beyond the River: 50 Schools«

Entwicklung nach dem Baukastenprinzip

Die Aufwertung einer informellen Siedlung im Township Philippi, Kapstadt

Für eine Vielfalt von Andersheiten: Bauen radikal neu denken

Eine interaktive Arbeitsumgebung

DesignSpaceAfrica: Reflexionen über unsere Arbeit

Mein Fazit

Teil 3DIE ZUKUNFT IST JETZT

Kapitel 17Digitalisierung und Emotionen

Die neuen Chancen der digitalen Welt

Emotionen im Spiel

Kapitel 18Wie wir uns schützen können in der Vielfalt von Andersheiten

Haben oder Nichthaben, das ist hier die Frage

Früherkennung und Vorkehrungen

Transparenz von Andersheiten statt uneingeschränkter Willkommenskultur

Spielregeln für den Ernstfall

Was tun bei verhärteten Fronten?

Den Faden nie abreißen lassen

Ein »Schuldenschnitt« als Vorleistung?

Kapitel 19Ein Plädoyer

Neue Landkarte, neue Wege, neue Ankerpunkte

Das einfache Leben – eine Fiktion

Was du nicht tust, wird nicht geschehen

Verbündete finden

Unzufriedenheit mit dem Status quo erzeugen und die Beteiligten betroffen machen – eine doppelte Kunst

Interesse und Energie für Veränderungen erzeugen

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun

Es gibt keine allgemeingültige Richtschnur

Handeln mit heiterer Besessenheit

Alles kann auch anders werden

NACHWORT

ANMERKUNGEN

Was uns bewegt (1): Klaus Doppler, Organisationsberater und Verhaltenstrainer

Was uns bewegt (2): Luyanda Mpahlwa, Dipl.-Ing. Architekt, TU Berlin; Leiter/Direktor: DesignSpaceAfrica GmbH, Kapstadt

Kapitel 1: Neue Welt, neuer Kontext, neue Herausforderungen

Kapitel 3: Das ist doch logisch! – oder: Der Kampf um Deutungshoheit

Kapitel 4: ICH und DIE ANDEREN – eine komplexe Gemengelage

Kapitel 5: WIR – edler Deckel auf einem undurchsichtigen Topf

Kapitel 6: Eine Beziehung aufbauen – eine Brücke mit drei Pfeilern

Kapitel 8: Ein gemeinsamer Außenfeind – emotionaler Schnellkleber

Kapitel 9: (Leit-)Kultur – ein gemeinsames Fundament für Andersheiten?

Kapitel 10: Vom Wollen zum Handeln: Auslöser und Anreize

Kapitel 11: Das Coronavirus: Eine aktuelle Fallstudie und was wir daraus lernen könnten

Kapitel 12: Das Projekt Delancey Street

Kapitel 13: Das Projekt West-Eastern Divan Orchestra

Kapitel 14: Ubuntu – eine afrikanische Lebensphilosophie

Kapitel 15: Die Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika – ein zukunftsfähiges Modell?

Kapitel 16: Architektur – Design für sozialen Wandel

Kapitel 17: Digitalisierung und Emotionen

Kapitel 18: Wie wir uns schützen können in der Vielfalt von Andersheiten

Kapitel 19: Ein Plädoyer

VORWORT

»Bei gleicher Umgebunglebt doch jeder in einer anderen Welt.«

Arthur Schopenhauer

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre – politische Spannungen, militärische Auseinandersetzungen, technologische Neuerungen und nicht zuletzt der Klimawandel – haben in vielen Ländern zu teilweise massiven Unruhen und zu einer Welle von Migrationsbewegungen geführt. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass diese Entwicklung abflaut. Während wir dieses Buch schreiben, steht die Welt zudem im Zeichen des Kampfs gegen das Coronavirus.

Wir werden nicht umhinkommen, uns mit dieser Situation, den Beteiligten und den von ihr Betroffenen auseinanderzusetzen, denn ob es uns gefällt oder nicht: Alle können sich über alles, was in der Welt geschieht, immer besser informieren – und das in Echtzeit. Alle können sich miteinander vergleichen und eine Einschätzung darüber treffen, wie gut oder wie schlecht es ihnen im Verhältnis zu anderen geht. Und sie tun dies auch. Dadurch wachsen zum einen die Ansprüche an Teilhabe und zum anderen die Angst, Besitztümer zu verlieren oder mit anderen teilen zu müssen. Zwar kann die Klasse der Besitzenden sich verbarrikadieren, wie es zum Beispiel in Brasilien oder in Südafrika geschieht. Aber genau dadurch provoziert sie Aggressionen seitens der Habenichtse, die in Favelas oder in Townships ihr Leben fristen. Themen wie Landflucht, Urbanisierung und Bevölkerungsexplosion sind für die Entwicklungs- und Schwellenländer nach wie vor aktuell und brisant.

Wir werden uns in diesem Buch nicht detailliert mit der aktuellen politischen, wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Situation in einzelnen Ländern auseinandersetzen. Dazu gibt es zahlreiche Publikationen und laufend aktuelle Berichte und Kommentare. Vielmehr beschränken wir uns auf einen groben Überblick zur aktuellen weltweiten Lage und zu den mutmaßlichen weiteren Entwicklungen. Entscheidend für uns ist die Frage, was zu tun ist, wenn man in diesem Kontext erfolgreich überleben oder – anders formuliert – zukunftsfähig sein will.

Unverkennbar ist: Wir werden zunehmend Menschen, Situationen, Kulturen und Verhaltensmustern begegnen, die uns fremd, die einfach anders sind. Unsere Welt verändert sich so stark und bisweilen so überraschend schnell, dass wir die bisherigen Praktiken und Verhandlungsprozesse in Frage stellen müssen. Es herrscht nicht mehr »Business as usual«, denn die Welt entwickelt sich zum sprichwörtlichen globalen Dorf. Als Folge dieser neuen Realität sind wir gezwungen, Informationen und Erfahrungen aus weit auseinander liegenden Kontinenten und Kulturen auszutauschen.

Niemand verlangt, dass man für alles gleich eine optimale Lösung präsentieren kann. Aber nachdem wir auf längere Sicht ohnehin nicht vermeiden können, Anderen zu begegnen, könnten wir diese Chance ergreifen und lernen, wie wir solche Begegnungen so gestalten können, dass beide Seiten daraus einen Gewinn ziehen.

Wir werden die sozialpsychologischen Prozesse aufzeigen, die beim Aufeinandertreffen von Andersheiten gleichsam automatisch eintreten, wenn wir den Dingen freien Lauf lassen. Wir werden auch beschreiben, warum dies unserer Meinung nach der Fall ist – und wie wir spürbar befriedigendere Entwicklungen herbeiführen oder zumindest wahrscheinlicher machen können, wenn wir mit dem herkömmlichen Ablauf nicht glücklich sind. Entwicklungen, die wir für wünschenswert und für praktikabel halten, die sich aber nicht von allein ergeben.

Mittlerweile ist den meisten Menschen zumindest theoretisch bewusst, dass die Erfolgs- und Überlebenschancen in Zeiten, wo völlig unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Elemente aufeinandertreffen, mit der Fähigkeit korrespondieren, sich einer Situation rechtzeitig zu stellen, ob als Individuum, als Organisation oder in der Politik. Es geht allemal darum, sich mit diesen Veränderungen im Umfeld auseinanderzusetzen – sie entweder zur Kenntnis zu nehmen und Wege zu finden, darauf zu reagieren, oder sie bewusst auszublenden. Die Grundfrage lautet: Agieren wir füreinander, miteinander, nebeneinander oder gegeneinander? Wir sind mitten im Geschehen und können einer Entscheidung nicht ausweichen. Ein unbeirrtes »Weiter so!« ist keine Option. Und wenn, dann nur unter hohem Verdrängungsaufwand.

Viele nehmen diese Veränderungen zwar zur Kenntnis, fühlen sich davon aber vor allem bedroht, sind unsicher und verängstigt. Sie schieben die Verantwortung von sich weg und blicken stattdessen auf die Politik, in der Erwartung, dass diese Lösungen anbietet, die ihnen den Erhalt ihrer heilen Welt garantieren.

Daneben gibt es allerdings auch Menschen, die insbesondere in turbulenten Zeiten entschlossen sind, die Verantwortung für ihr Leben und ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Auch Führungskräfte, Politiker, Lehrer oder Berater sehen gerade in diesen Zeiten ihre Aufgabe darin, andere Menschen und Organisationen auf ihrem Weg zur Zukunftsfähigkeit zu begleiten. Sie alle benötigen ein doppeltes Rüstzeug: Zum einen gilt es, rechtzeitig zu erfassen, was zurzeit überhaupt geschieht und welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Zum anderen müssen sie die Kompetenz sowie die erforderliche Energie und den Mut aufbringen, es nicht bei theoretischen Auseinandersetzungen und der Formulierung wünschenswerter Leitbilder zu belassen, sondern tatsächlich zu handeln.

Change-Prozesse sind zwar rational planbar, in der praktischen Umsetzung aber stets emotional überlagert. Diese emotionale Überlagerung rührt nicht zuletzt daher, dass Change immer auch bedeutet, sich intensiv mit anderen Sichtweisen, Interessen, Deutungshoheiten und Logiken auseinandersetzen zu müssen. Entscheidend ist, für Veränderungen offen zu sein und zu akzeptieren, dass unterschiedliche Kulturkreise möglicherweise anders denken und anders handeln, als man es gewohnt ist. Die Fähigkeit und Bereitschaft, die eigene Gedanken- und Erfahrungswelt zu verlassen, sich auf unvertrautes und unsicheres Gelände zu begeben und unterschiedliche Welten miteinander zu verknüpfen, ist daher ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für das Gelingen von Veränderung.

Deshalb werden wir uns mit folgenden Fragen befassen: Welche Rolle spielen das Andere und die Anderen in diesem Geschehen? Weshalb tun wir uns so schwer damit, Situationen unter verschiedenen Perspektiven, sprich Logiken, unbefangen zu betrachten und unvoreingenommen zu bewerten? Welche Wege gibt es, um diese Hürden zu meistern? Wie eng und komplex ist das eigene Selbstbild beziehungsweise die eigene Identität verknüpft mit den Bildern, die wir von Anderen haben? Wie und warum gehen wir gleichsam unvermeidlich mit Andersheiten um? Und warum passen viele eingespielte Verhaltensmuster nicht mehr zu der neuen Situation?

Wir werden Mittel und Möglichkeiten aufzeigen und neue Wege erschließen für den Umbau der eigenen Identität, für die Entwicklung von Unternehmen und anderen Organisationen sowie für den Ausbau der persönlichen Kompetenz als Politiker, Manager, Berater, Führungskraft oder als jemand, der sich die Freiheit nimmt, sein Leben im Hinblick auf Zukunftsfähigkeit eigenständig zu gestalten. Wir werden anhand verschiedener Projekte auch einige entscheidende Stellhebel skizzieren, die als Navigationshilfe für den Umgang mit Anderen und unterschiedlichen Logiken dienen. Wir wollen damit bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass Organisationen und diejenigen, die sie maßgeblich mitgestalten, tatsächlich das Etikett »zukunftsfähig« für sich beanspruchen können – in Kontexten, die auf Dauer instabil, unwägbar, komplex und mehrdeutig bleiben werden.

Wie verschiedene Länder, Menschen und Interessengruppen aktuell auf die alles überlagernde Bedrohung durch das Coronavirus reagieren, ist in Form einer dauerhaften Live-Show zu beobachten – allerdings mit der Besonderheit, dass niemand die Möglichkeit hat zu wählen, ob er zuschauen oder gar mitspielen will. Alle sind persönlich existenziell betroffen. Alle sind Mitspieler, ob sie wollen oder nicht.

Zu beobachten sind die unterschiedlichen Logiken, die den Umgang mit der Spannung zwischen demokratischen Werten und den notwendigen strengen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus regieren. In der westlichen Welt werden die Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung einschränken, von dieser nicht ohne Weiteres akzeptiert. Es bedarf eines großen Aufwands an Kommunikation, um die Menschen davon zu überzeugen, bei der Stange zu bleiben. In afrikanischen und anderen Entwicklungsländern werden ähnliche oder strengere Maßnahmen von den Regierungen konsequent durchgeführt mit dem Argument, die unkontrollierte Ausbreitung des Virus würde die Gesundheitssysteme überstrapazieren, mit katastrophalen Auswirkungen für das jeweilige Land. Die Kernfrage lautet überall: Wird es gelingen, die aktuelle Bedrohungssituation zu bewältigen und von der Art der Bewältigung zu lernen, um in Zukunft für ähnliche Bedrohungen besser gerüstet zu sein?

Wir werden in diesem Buch auch einen persönlichen Einblick geben in unsere sehr verschiedenen Welten und Wege – als kreativer Architekt im Regenbogenland Südafrika oder als erfahrener Wegbereiter von Change Management im deutschsprachigen Raum. Wir werden aufzeigen, wie wir selbst mit dem Thema Identität, Kultur und Andersheiten umgehen. Wir wollen bewusst eine Mischung aus unseren persönlichen Erfahrungen und grundlegenden allgemeinen Erkenntnissen anbieten, mit anderen Worten: eine Mischung aus erlebter, angewandter Praxis und daraus abgeleiteter Theorie. Mit dieser Einsicht wollen wir unsere Leser zu einer persönlichen Bestandsaufnahme ermutigen, um daraus vielleicht neue schöpferische Energie im Hinblick auf »Zukunftsfähigkeit« zu erschließen.

Wir werden zunächst einen Einblick in wesentliche sozialpsychologische Erkenntnisse geben und zeigen, wie jeder sie in persönliches Handeln umsetzen kann. Anhand von konkreten Beispielen beschreiben wir anschließend, wie auch größere Projekte langfristig erfolgreich Wirkung erzielen. Zum Abschluss richten wir unser Augenmerk darauf, welche Veränderungen aktuell anstehen – und wie wir uns verhalten können, wenn wir sie mitgestalten wollen.

WAS UNS BEWEGT (1):KLAUS DOPPLER, ORGANISATIONSBERATER UND VERHALTENSTRAINER

»Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte,die er für sein Leben hält, oder eine ganze Reihe von Geschichten.«

Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein

© Susanne Hesping

Abbildung 1: Klaus Doppler, geboren 1939 in Zeiskam (Deutschland)

Der erste Schritt: »Klosterlaufbahn«

Ich wurde als viertes Kind einer armen ländlichen Arbeiterfamilie kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs geboren. So habe ich auch den gesamten Krieg am eigenen Leib erlebt, verbunden mit allen unwägbaren Gefahren, Bedrohungen, Hoffnungen und Ängsten – übrigens ein Grund dafür, dass ich die aktuelle unkalkulierbare und bedrohliche Situation, die das Coronavirus verursacht, mit Gelassenheit zur Kenntnis nehme. Mein Vater nahm als Soldat am Krieg teil und war später in Kriegsgefangenschaft. Meine Mutter musste als Putzfrau und als Landarbeiterin die Familie ernähren. Deshalb kam ich bereits als Säugling in eine Kinderkrippe und später in den Kindergarten, geleitet von katholischen Ordensschwestern, die einen Großteil meiner Erziehung übernahmen.

Ermutigt von den Lehrern in der Volksschule wollte ich mit elf Jahren unbedingt auf ein Gymnasium überwechseln. Ein solches gab es allerdings nur in einer größeren Stadt. So kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden noch keine regelmäßigen Verkehrsverbindungen zwischen Land und Stadt, und meine Eltern hatten auch nicht das notwendige Geld, um mir den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen.

Meine einzige Chance war daher die Aufnahme in das Internat eines internationalen katholischen Missionsordens, finanziert von frommen Menschen. Voraussetzung war mein Versprechen, später Mitglied dieses Ordens und Priester werden zu wollen. Mit 18 Jahren löste ich dieses Versprechen ein und wurde Mitglied des Ordens, indem ich drei Gelübde ablegte: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Später wurde ich dann von den Ordensoberen ausgewählt, in Rom an der päpstlichen Universität Gregoriana eine besondere theologische Ausbildung zu erhalten, die es erlaubte, als Professor für Theologie tätig zu werden. Mit 25 Jahren wurde ich schließlich zum Priester geweiht.

Nicht lange nach diesen grundlegenden Entscheidungen – Gelübde und Priesterweihe – spürte ich zunehmend, dass diese klösterliche Laufbahn nicht meinen eigentlichen Bedürfnissen und Wünschen entsprach. Auf der Suche nach einem neuen Weg habe ich mich in zwei Themen qualifiziert, die mich persönlich sehr beeindruckt haben: Gruppendynamik und Tiefenpsychologie. In der Gruppendynamik lernte ich, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, mich selbst einzuschätzen, mir von anderen Teilnehmern Feedback zu holen und ihnen unverhohlen mein Bild und meinen Eindruck von ihnen zu vermitteln. In der Tiefenpsychologie konnte ich entdecken, wer und was meine bisherige Entwicklung, mein Verhalten und meine innere Einstellung bewirkt oder stark beeinflusst hat. Diese beiden Perspektiven eröffneten mir die Möglichkeit, mich selbst zu analysieren, mein erstes Ich – das ungenierte, neugierige, kontaktfreudige Kind – wieder freizulegen und mich von dem angepassten, einengenden »frommen« Korsett zu befreien. Jetzt traute ich mich auch, mich formell wieder in den Laienstand versetzen zu lassen und den Orden zu verlassen, um sodann ein neues Leben zu beginnen. Das neue Profil habe ich in eigener Verantwortung entwickelt und mich dabei von ausgewählten Freunden ermutigen lassen.

Zweiter Schritt: Der neue selbstständige Beruf »Organisationsberatung und Verhaltenstraining«

Mit dem Austritt aus dem Orden habe ich mich zunächst auf der Basis meiner Fortbildung in Sozialpsychologie und Gruppendynamik selbstständig gemacht, ein damals mutiger Schritt. Themen waren und sind noch heute: Führung, Zusammenarbeit, Konfliktbearbeitung. Dabei gibt es zwei Wege: mehrtägige Verhaltenstrainings und/oder Beratung als Sparringspartner in Unternehmen, Organisationen oder für einzelne Klienten. Nebenher habe ich an einer Universität Psychologie studiert und dort auch promoviert. Sehr zum Missfallen meines Professors stand bei mir von vornherein nicht die Theorie, sondern die konkrete Umsetzung im Vordergrund. Im Laufe der Jahre habe ich auch eine Reihe von Büchern geschrieben, in denen es ebenfalls nicht in erster Linie um Theorie geht, sondern darum, wie diese in die Praxis umgesetzt werden kann.

In den ersten Jahren konzentrierte ich mich in meinen Trainings und Beratungsgesprächen in erster Linie auf das Verhalten und die innere Haltung der Kunden beziehungsweise Teilnehmer. Nach einigen Jahren begann ich mich zusätzlich mit dem Thema Organisationsentwicklung zu befassen, mit der Leitfrage: Wie können sich Organisationen so aufstellen, dass sie erfolgreich sind, gleichzeitig in ihnen aber auch ein gutes Arbeitsklima herrscht, das die Mitarbeiter dazu motiviert, mit innerem Engagement die erwarteten Leistungen zu erbringen?

Die Vernetzung von individuellem Verhalten und der Gestaltung von Organisationen eröffnete mir eine dritte Perspektive – ausgelöst durch die Zukunftsprognose im Buch Megatrends1 von John Naisbitt. Diese Perspektive bedeutete für mich, Menschen und Organisationen dahingehend herauszufordern und zu beraten, dass sie eine Antwort auf folgende Frage finden: Wie kann ich mich und die Organisation so verändern, dass wir zukunftsfähig sind? Hilfreich dabei waren auch Anregungen in Veröffentlichungen von Karl R. Popper2 und C. K. Prahalad3.

Alle drei Perspektiven – Verhalten, Organisationsentwicklung und Zukunftsfähigkeit – sind in meiner Arbeit als Sparringspartner, Verhaltenstrainer und Berater nach wie vor relevant. Das Thema Zukunftsfähigkeit und die dafür notwendige Bereitschaft zu Veränderungen haben in den letzten Jahren allerdings dramatisch an Bedeutung gewonnen, denn die äußeren Rahmenbedingungen haben sich tiefgreifend geändert – und sind weiterhin in Bewegung. Wir leben in einer sogenannten VUKA-Welt, geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Sämtliche Länder, Menschen, Institutionen und Unternehmen sind konfrontiert mit nicht kalkulierbaren Entwicklungen politischer, technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art.

Diese Erkenntnis hat mich dazu gebracht, auch selbst eine Wendung zu vollziehen: Unternehmen und Organisationen werden alle ursprünglich in einem bestimmten Kontext gegründet, der entweder bestimmte Chancen bietet, die es zu nutzen galt, oder Bedrohungen aufzeigt, vor denen man sich schützen will. Was aber, wenn der Kontext sich ändert? Je nach Situation passen nun die ursprünglichen Ziele, Prozesse, Strukturen oder die gewachsene Unternehmenskultur aus der Gründerzeit nicht mehr zu den aktuellen Bedrohungen oder Chancen. Deshalb halte ich es für unabdingbar, Unternehmen nicht (nur) aus der Perspektive ihres inneren Gründungskerns zu betrachten, sondern vom aktuellen äußeren Kontext her – also nicht von innen nach außen zu blicken, sondern von außen nach innen. Dieser radikale Perspektivenwechsel ist gegenwärtig eine der größten Herausforderungen.

Der Grund dafür? Die aktuellen Kontexte und Tendenzen sind unsicher und nicht vorhersehbar, wofür das Akronym VUKA steht. Alte Orientierungen aufzugeben, neue Felder zu erkunden, unbekannte Wege tatsächlich auszuprobieren, möglichst schnell neue Erfahrungen zu gewinnen, fällt vielen schwer. Es widerspricht menschlichen Grundbedürfnissen nach Klarheit, Ordnung und Sicherheit. Am Altvertrauten festzuhalten und sich an der Vergangenheit auszurichten, würde aber bedeuten, nach vorn zu fahren, den Blick fest im Rückspiegel verhaftet.

Darüber mit Managern zu diskutieren ist nicht einfach. Denn es geht nicht nur um die sachlogische Dimension auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten, sondern eben auch um die psychologische und gruppendynamische Ebene. Beide Dimensionen sind fest miteinander verwoben. Die meisten Manager neigen dazu, hauptsächlich mit objektiven Fakten, harten Daten und sachlogischen Schlussfolgerungen zu argumentieren: sachlich, cool, unbehelligt von Gefühlsregungen. Angst, Neid, Eifersucht, Rivalität, Rachebedürfnis oder besondere Vorlieben sind Affekte, zu denen man sich lieber nicht offen bekennt. Wer in formellen Managementsituationen emotional agiert, muss mit der Maßregelung »Jetzt bleiben Sie doch sachlich!« rechnen. Um die gewünschte Form zu wahren, wird das Emotionale vorausschauend verschleiert und in sachliche Argumente verpackt.

Wenn Manager Veränderungen vorantreiben, erwarten sie Engagement, Zuversicht, manchmal sogar Begeisterung, also positive Emotionen. Negative Emotionen empfinden sie als Störfaktoren. Gleichzeitig aber ahnen alle, wie viele womöglich stark verschleierte Emotionen – Ärger, Trauer, Angst, Enttäuschung, Wut, Neid, Verzweiflung – bei Menschen, die von Veränderungen betroffen sind, im Spiel sein können.

Auch Manager und Berater sind de facto hochgradig emotional gesteuert. Sie stehen unter Druck, müssen Erfolg vorweisen. Solange aber die emotionalen Themen unter falscher, versachlichter Flagge segeln, sind sie nicht bearbeitbar, dennoch beeinflussen sie auf eine verdeckte Weise die sachliche Arbeit.

Mein einstweiliges Resümee

Ich bin in meinem Leben verschiedene Wege gegangen. Ich habe Ziele radikal gewechselt, habe immer wieder neue Wege erkundet, manche mir auch erschlossen, habe alte verlassen und mich dabei mal mehr, mal weniger gut gefühlt. Ich habe meine Perspektiven mehrfach gewechselt, erweitert, ergänzt oder in ihrer Bedeutung neu bewertet.

Im Kloster habe ich mein Verhalten entgegen meinem inneren Gefühl den Erwartungen angepasst, die Lehrer und Ordensleute an mich stellten. Nachdem ich das Kloster verlassen hatte, war ich entschlossen, konsequent meiner eigenen inneren Stimme zu folgen, mich in Zukunft nicht mehr irgendwelchen Hierarchien anzupassen, sondern nur noch das zu tun, wovon ich selbst überzeugt war. Ich habe mir mein frühes Verhalten als aufgewecktes Kind in Erinnerung gerufen, das wie selbstverständlich unbefangen Grenzen überschritt.

Später als Selbstständiger wurden einige finanziell attraktive Angebote für eine Festanstellung an mich herangetragen. Ich habe sie abgelehnt, weil ich befürchtete, mich eines Tages zu stark den Erwartungen der letztlich verantwortlichen oberen Manager anzupassen, mich wie im Kloster entgegen meiner inneren Überzeugung von anderen steuern zu lassen.

Mit Neugier und viel Halbwissen habe ich mich mit einer Gruppe von Managern, Beratern und Unternehmensleitern unter dem Titel »Zukunft des Managements – Management der Zukunft. Eine interkulturelle Expedition auf der Suche nach einer lernenden Organisation« mehrfach weltweit auf die Suche gemacht nach Unternehmen und Organisationen, die tatsächlich längerfristig erfolgreich waren und es noch sind. Ich wollte das Geheimnis ihres Erfolges erkunden und verstehen. Wir haben uns auf internationale und interkulturelle Felder gewagt, um wenigstens einen groben Eindruck davon zu gewinnen, was anderenorts anders gemacht wird als bei uns – und welche Anregungen und Impulse wir dadurch erhalten könnten. Eine wesentliche Erkenntnis dabei war, wie unterschiedlich diese anderen Welten von jedem einzelnen Teilnehmer wahrgenommen und für die eigene Situation als Lernmöglichkeit ernst genommen wurden.4

Andersheiten sind Teil meiner Identität: manchmal bedrohlich, weil sie mich in unbekanntes Gelände führen oder mich dazu verlocken, mich vor den eigentlich notwendigen Auseinandersetzungen zu drücken; manchmal begehrenswert, weil ich sie gut gebrauchen könnte, mir dies aber nicht zutraue oder es mir nicht zumuten will; manchmal bereichernd; manchmal einengend. Ich stecke voller Andersheiten.

Heute, im Alter von 81 Jahren, bin ich immer noch beruflich tätig. Dahinter stehen keine finanziellen Gründe, vielmehr macht es mir einfach Freude und weckt Energie. Um als Sparringspartner Entwicklungs- und Veränderungsprozesse wirksam zu begleiten, haben sich die folgenden fünf Elemente als hilfreich erwiesen, und ich zwinge mich, sie alle ausreichend zu nutzen, statt mich nach dem ersten Schritt vorschnell in dem Glauben zu wiegen, bereits alles zu wissen:

Neugierig erkunden, welche offenen und verdeckten Interessen bei den Beteiligten und Betroffenen im Spiel sind, vor allem auch Widerstände und Konflikte identifizieren, und mich trauen, Dinge ungeschminkt so zu benennen, wie ich sie sehe, nach dem Vorbild von Hans Christian Andersens Märchen »Des Kaisers neue Kleider«5. Das bekannte Märchen handelt von einem Kaiser, der sich von zwei Betrügern für viel Geld neue Gewänder weben lässt. Diese täuschen ihm vor, die Kleider seien nicht gewöhnlich, sondern könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amts würdig und nicht dumm seien. Tatsächlich geben die Betrüger nur vor, zu weben und dem Kaiser die Kleider zu überreichen. Aus Eitelkeit und innerer Unsicherheit erwähnt er nicht, dass er die Kleider selbst ebenfalls nicht sehen kann, und auch die Menschen, denen er seine neuen Gewänder präsentiert, geben ihre Begeisterung über die scheinbar schönen Stoffe nur vor. Der Schwindel fliegt erst bei einem Festumzug auf, als ein Kind sagt, der Kaiser habe gar keine Kleider an, diese Aussage sich in der Menge verbreitet und dies zuletzt das ganze Volk ruft. Der Kaiser erkennt, dass das Volk Recht zu haben scheint, entscheidet sich aber »auszuhalten«, und er und der Hofstaat setzen die Parade fort.

Bei allen Betroffenen und Beteiligten die nicht aufhebbare Verquickung von sachlichen Aspekten und emotionalen Befindlichkeiten ermitteln und ansprechbar machen. Manager ermutigen, sich gezielt mit den emotionalen Elementen auseinanderzusetzen – auch mit den eigenen.

Um die Reaktionen meiner Klienten besser zu verstehen, bei mir selbst reflektieren, inwieweit ich das, was ich für richtig halte und anderen empfehle, auch selbst befolge – oder was mich antreibt, trotz besseren Wissens, dies manchmal zu vermeiden.

Prinzipiell offen sein für meine bereits verinnerlichten Andersheiten. Offen auch dafür, neue Andersheiten zu erkunden und diese gegebenenfalls in mein Ich und in meine Beratung zu integrieren. Vieles, was ich heute für relevant halte, kann schon morgen durch neue Kontexte obsolet sein – im Sinne einer »schöpferischen Zerstörung«, wie es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter formuliert hat (mehr dazu in Kapitel 9). Deshalb bedeutet für mich die häufig so betonte »Nachhaltigkeit« nicht, das im Change erreichte Neue festzuschreiben, sondern sich auf Dauer agil und flexibel zu organisieren, immer wieder das Umfeld neu zu erkunden und auf Überraschungen gefasst zu bleiben.

Meine Einschätzung von Situationen und Möglichkeiten ernst nehmen, in dem Bewusstsein, dass es immer auch andere Überzeugungen gibt.

Mein Fazit: Change ist kein Wert an sich. Grundsätzlich geht es darum, durch geeignete Schritte in Kompetenz und Haltung persönliche Zukunftsfähigkeit zu entwickeln und Klienten als Sparringspartner dabei zu begleiten. Ein Leitbild und Konzept für das Vorgehen zu haben ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Entscheidend ist die tatsächliche Umsetzung. Um diese nachhaltig zu verankern, bedarf es einer (Unternehmens-)Kultur und Haltung, die sich durch möglichst ausgeprägte Selbstverantwortung und die Bereitschaft zu permanentem Change auszeichnen. Beides kann man sich zwar wünschen, aber nicht anordnen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, diese Elemente in allen Projekten und Teilschritten der Veränderung zu berücksichtigen und anzupacken. Ich bin gespannt, ob und wie es gelingen wird, die Bedrohung durch das Coronavirus in diesem Sinne zu meistern.

WAS UNS BEWEGT (2):LUYANDA MPAHLWA, DIPL.-ING. ARCHITEKT, TU BERLIN; LEITER/DIREKTOR: DESIGNSPACEAFRICA GMBH, KAPSTADT

»Design für sozialen Wandel bildet die Grundlage meiner Arbeit als Architekt.«

Luyanda Mpahlwa

© Wieland Gleich – ARCHIGRAPHY.com

Abbildung 2: Dipl.-Ing. Luyanda Mpahlwa, geboren 1958 in Mthatha (Provinz Ostkap), der Heimatstadt von Nelson Mandela

Wandel im Kontext einer sich stetig ändernden und dynamischen Welt

Unsere Gesellschaften sind den Herausforderungen einer sich rasch ändernden und dynamischen Welt ausgesetzt. Der Begriff »globales Dorf« mag abgedroschen klingen, doch er trifft zu und besagt, dass die Grenzen zwischen Völkern und Ländern zunehmend irrelevant werden, da Menschen sich auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen auf den Weg in fremde Länder und auf fremde Kontinente begeben. Die wachsende Verflechtung und Integration der verschiedenen nationalen Volkswirtschaften treiben die Globalisierung an. Globale Migrationsströme, aber auch solche von ländlichen in städtische Regionen nehmen zu, mit sowohl positiven als auch negativen Auswirkungen. Wir müssen lernen, »Andersheiten« zu akzeptieren und mit ihnen umzugehen. Dabei sollten wir danach streben, die positiven Aspekte, die unsere Kulturen und Volkswirtschaften bereichern können, bestmöglich zu fördern, gleichzeitig aber auch das Identitätsgefühl der Menschen zu stärken, also jene Elemente, auf die sie stolz sind. Diese Herausforderung nimmt stetig weiter zu.

Dies gilt weltweit, sowohl in europäischen wie in afrikanischen Ländern. Die Verbreitung des Coronavirus belegt zudem, dass Grenzen immer mehr an Bedeutung verlieren. In dieser weltumspannenden Krise, die die uns bekannte Welt in ihren Grundfesten bedroht, sind globale Lösungsansätze gefragt.

Alle Länder sind gleichermaßen von Covid-19 bedroht, unabhängig von ihrer Wirtschaftskraft und ihrem Wohlstand. Gleichzeitig beeinflusst das Coronavirus die Bewegungsfreiheit von Menschen zwischen verschiedenen Staaten, sei es als Touristen, als Immigranten oder als Flüchtende. Wir kommen darauf im Verlauf dieses Buches noch zurück.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika seit jeher von Migrationsbewegungen geprägt waren, von der Unterwerfung der amerikanischen Ureinwohner durch Einwanderer aus europäischen Ländern bis zur Einfuhr afrikanischer Sklaven – eine Geschichte, die in einem bitteren und tragischen Bürgerkrieg gipfelte. Heute hoffen immer mehr Migranten aus der Karibik sowie aus Mittel- und Südamerika, in den USA ihr Glück zu machen. Es handelt sich um ein weltweites Phänomen, das sich auf das Sozialgefüge der einzelnen Länder, auf Kulturen sowie auf Grundsätze und Praktiken der Unternehmensführung auswirkt. Im Ergebnis müssen alle Gesellschaften auf diese Entwicklung reagieren, indem sie zukunftsfähige Systeme und Strategien entwickeln, um die Zukunft nachhaltig zu gestalten – denn die Entwicklung ist nicht mehr umkehrbar.

Eine ebenso interessante wie beunruhigende Entwicklung in den USA ist, dass die am stärksten von Covid-19 betroffenen Gruppen mit den höchsten Todesraten unter den Afroamerikanern und den Einwanderern aus Lateinamerika zu finden sind. Dies spiegelt ein Wohlstandsgefälle und eine wirtschaftliche Ungleichheit in der US-Gesellschaft wider. Die Realitäten unseres »globalen Dorfes«, der Globalisierung unserer Volkswirtschaften und der Flüchtlings- und Migrationskrise, ausgelöst von Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben, fordern Wissenschaftler und Change-Management-Vertreter dazu heraus, Strategien aufzuzeigen, mithilfe derer sich diese Herausforderungen auf sinnvolle Art und Weise bewältigen lassen. Die negativen Aspekte dieser Phänomene dürfen durchaus erwähnt werden, allerdings sollten wir uns auf die Frage konzentrieren, wie die Chancen, die sie eröffnen, maximiert werden können. Mit anderen Worten: Wie kann eine solche Verschmelzung von Kulturen und Ökonomien eine Gesellschaft bereichern und die Menschheit auf eine gemeinsame Zukunft vorbereiten? Dazu müssen wir neue Theorien und ein anderes Verständnis unserer sich verändernden und dynamischen Umwelt entwickeln. Demokratie, Freiheit und Chancengleichheit sollten allen Bürgern gleichermaßen zugänglich sein.

Mein Beitrag zu diesem Buch wird sich auf meine persönlichen Erfahrungen und auf die Lehren, die ich aus diesen gezogen habe, stützen. Aufgrund der Ungerechtigkeiten des Apartheidsystems und infolge politischen Drucks habe ich Südafrika in den 1980er-Jahren mithilfe von Amnesty International verlassen, um mich ins Exil nach Deutschland zu begeben, wo ich insgesamt 15 Jahre verbrachte.

Diese Erfahrung hat mir es ermöglicht, neue Perspektiven zu gewinnen, die mein Leben bereichert haben und meine Sicht auf die Welt bis heute bestimmen. Gleichzeitig ist mein Identitätsgefühl als afrikanischer Architekt, Denker und Stadtplaner gewachsen. Dessen ungeachtet betrachte ich mich noch immer als eine Art »Weltbürger«.

Mein Fazit: Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen und meiner globalen Perspektive glaube ich, dass die Welt ein dynamischer Ort ist, der sich laufend wandelt. Wir sollten Veränderung nicht fürchten, sondern ihr mit offenen Armen begegnen und stets versuchen, ihre positiven Aspekte zu identifizieren. In einem Buch mit dem Titel »