Die Mission der Maru Tai - Mara Laue - E-Book

Die Mission der Maru Tai E-Book

Mara Laue

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Beschreibung

Die MARU TAI ist mit Hilfsgütern unterwegs zu dem Planeten Tema, der angegriffen wird. An Bord ist eine geheime Waffe, die den Kampf entscheiden könnte. Lieutenant Yora Davidoff, nach dem Tod des Captains unversehens zur Kommandantin avanciert, muss das Schiff unter allen Umständen ans Ziel bringen. Doch dem stehen die Angriffe feindlicher Schiffe, Verrat und die Meuterei der eigenen Crew im Weg. Obendrein verfolgt Chefingenieur Lepathu eine eigene Mission. Aber für welche Seite? Lesen Sie eine rasante Space Opera, die mehr als eine Überraschung bereithält. Von der Autorin der SF-Serien "Mission Phoenix" und "Sternekommando Cassiopeia".

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Inhalt

Cover

Titelei

Die Mission der Maru Tai

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Epilog

Wissenswertes

Mara Laue

Die Mission derMARU TAI

Space Opera

Science-Fiction

Laue, Mara : Die Mission der Maru Tai. Hamburg, Plan9 Verlag 2021

OriginalausgabeEPUB-ISBN: 978-3-948700-20-1

Dieses Buch ist auch als Print erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.Print-ISBN: 978-3-948700-19-5

Lektorat: global:epropaganda Michael HaitelKorrektorat: Claudia LezárSatz: 3w+p GmbH, RimparUmschlaggestaltung: Agentur Guter Punkt, MünchenUmschlagmotiv: Großes Raumschiff: © freestylephoto/GettyImages, Bildnummer: 1159450909, kleines Schiff: © Sylphe_7/GettyImages, Bildnummer: 494188960, Planet: © Aphelleon/GettyImages, Bildnummer: 472679632, Asteroiden: © dottedhippo/GettyImages, Bildnummer: 977816826

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Plan9 Verlag ist ein Imprint der Bedey Media GmbH,Hermannstal 119k, 22119 Hamburg und Mitglied der Verlags-WG:https://www.verlags-wg.de

© Plan9 Verlag, Hamburg 2021Alle Rechte vorbehalten.https://www.plan9-verlag.de

Die Mission der Maru Tai

1.

Terranisches Raumschiff MARU TAI im Orbit um Diadem 723. 04. 2403 Bordzeit

Botschafter Hamid al Mahdi trat zu Yora Davidoff und schüttelte ihr die Hand. »Danke, Lieutenant! Durch Sie und Ihr Team habe ich mich während der Verhandlungen unglaublich sicher gefühlt. Aber wie haben Sie es nur geschafft, angesichts der martialischen Aggressivität der Ganuti so ruhig zu bleiben?«

Yora lächelte. »Das ist mein Job als Sicherheitschefin, Herr Botschafter. Und eine Frage der Vorbereitung auf die Mission. Die Ganuti haben ihr aggressives Gebaren ritualisiert. Mit anderen Worten: Das ist nur Show. Die man übrigens Ihnen zu Ehren veranstaltet hat, um zu zeigen, wie furchtlos das ganutische Volk ist. Gefährlich wäre es erst geworden, wenn einer oder mehrere ihr Spiralarmband abgenommen hätten.«

Hamid al Mahdi schüttelte den Kopf. »Wäre das eine Herausforderung gewesen, so wie auf der Erde im Mittelalter die Ritter einander den Fehdehandschuh hingeworfen haben?«

»Nein. Diese Armbänder sind Hightechwaffen. In der Schließe, die zugleich der Griff ist, befindet sich ein Mechanismus, der die Armbandschnüre in eine Art Laserpeitschen verwandelt. Was immer die Dinger treffen, es wird tranchiert.«

Al Mahdi schluckte. »Umso froher bin ich, dass die Ganuti nun endgültig auf unserer Seite stehen.« Er lächelte. »Diadem sieben – Ganutara, wollte ich sagen, schließlich nennen die Ganuti ihre Welt so – ist ab sofort das neueste Mitglied der Ikan Muron Union.«

»Herzlichen Glückwunsch, Herr Botschafter.«

»Sind alle an Bord?«, ertönte die Stimme von Captain Yin Chen aus dem Lautsprecher in der Hangarschleuse und enthob al Mahdi einer Antwort.

»Ja, Captain«, bestätigte Yora. »Mission erfüllt, keine Zwischenfälle, keine Verletzten oder Erkrankten, keine Verluste.«

»Gut. Bringen Sie den Botschafter in meinen Besprechungsraum.«

»Ja, Ma’am«, bestätigte Yora, aber Captain Chen hatte die Verbindung schon unterbrochen. Sie lächelte al Mahdi zu. »Sie haben den Captain gehört, Herr Botschafter. Ich darf Sie zu ihr geleiten.« Sie deutete auf die Schleusentür, die in diesem Moment zur Seite glitt, und ging mit al Mahdi zum Lift, der sie zum Besprechungsraum neben der Zentrale bringen würde.

Captain Chen war immer kurzangebunden und hielt sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf, eine Eigenheit, an die Yora sich erst hatte gewöhnen müssen. Aber die Aufforderung hatte nicht nach Chens üblicher Wortkargheit geklungen, sondern ... Yora lauschte im Geist ihrer Stimme nach und kam zu dem Schluss, dass Chen wegen irgendetwas besorgt war. Sie bezweifelte allerdings, dass sie das ihr gegenüber preisgeben würde. Yin Chen war eine Kommandantin alter Schule, die den Standpunkt vertrat, dass die Schiffsführung alles, die leitenden Offiziere wenig und die Crewmitglieder nichts wissen mussten, sofern es nicht überlebensnotwendig war. Leider machte sie auch bei ihrer Sicherheitschefin keine Ausnahme.

Dass sie Yora aufgefordert hatte, den Botschafter persönlich zum Besprechungsraum zu bringen, war kein gutes Zeichen, denn das hatte sie nie zuvor getan. Chen hatte al Mahdi eine persönliche Ordonnanz zugeteilt, die für diese Dinge zuständig war. Yora hatte lediglich dafür zu sorgen, dass er immer von mindestens zwei Sicherheitsleuten begleitet wurde. Zwar war wenig wahrscheinlich, dass irgendein Crewmitglied sich ihm gegenüber unangemessen verhielt, aber nicht jedem gefiel seine Mission. Mit ehemaligen Feinden, die noch bis vor kurzem Krieg gegen die Ikan Muron Union geführt hatten, ein Bündnis zu schließen und sie der IMU einzugliedern, stieß manchem sauer auf, auch hier an Bord. Menschen, die durch den Krieg Angehörige und Freunde verloren hatten, könnten auf den Gedanken kommen, im harmlosesten Fall den Botschafter nur anzupöbeln und im schlimmsten Fall handgreiflich zu werden – bis zum Mordversuch. Doch das wusste Yora zu verhindern, denn sie hatte ihre Sicherheitscrew für alle Eventualitäten gut trainiert.

Yora hatte den Posten auf der MARU TAI erst vor fünf Monaten übernommen und gehofft, er würde sich als weitere Stufe auf ihrem Weg zu einem eigenen Kommando erweisen. Schließlich war das Schiff ein hochmoderner Kreuzer der Chamäleon-Klasse. »Chamäleon«, weil es durch modifizierbare Module der Innen- und Außenwände wandelbar war und als nahezu alles eingesetzt werden konnte: Kampfschiff, Aufklärer, Forschungsschiff, Handelsschiff, Frachtschiff, Passagierschiff, Kurierschiff und notfalls sogar als Gefangenentransporter. Oder als Diplomatenschiff, um einen Botschafter der IMU zu anderen Welten zu bringen.

Der Posten als Sicherheitschefin war anspruchsvoll und abwechslungsreich. Yora hatte nicht nur für die Sicherheit der Crew und der Passagiere innerhalb des Schiffes zu sorgen oder im Fall einer Außenmission auf fremden Welten als Bodyguard zu fungieren. Sie war auch dafür verantwortlich, dass die Sicherheitsschaltungen des Schiffes einwandfrei funktionierten. Bei Frachttransporten musste sie sicherstellen, dass die Ladungen ordentlich verstaut waren und keine Unfallgefahr bildeten. Und im Fall von Streitigkeiten unter Crewmitgliedern oblag ihr die Schlichtung oder als Teil der Polizeigewalt in der Terranischen Raumflotte die Verfolgung und Aufklärung eines Verbrechens. Abwechslungsreich in der Tat.

Wäre da nicht Captain Chen, die eine Sicherheitschefin an Bord ihres Schiffes für völlig überflüssig hielt und aus dieser Haltung keinen Hehl machte. »Ich habe mein Schiff und meine Crew mitsamt der Sicherheit im Griff«, hatte sie Yora bei ihrem Dienstantritt unverblümt gesagt. »Sie, Lieutenant Davidoff, sind nur hier, weil das Flottenkommando neuerdings eine Sicherheitsabteilung für alle Schiffe vorschreibt. Seien Sie mir nicht im Weg, dann kommen wir miteinander aus. Ansonsten lasse ich Sie versetzen.«

So viel zur Sprosse auf der Leiter zum eigenen Schiff. Da wären ein paar lobende Worte von Botschafter al Mahdi in den Ohren des Flottenkommandos erheblich nützlicher. Doch dazu hatte al Mahdi keine Veranlassung, denn wie Yora ihm gesagt hatte, tat sie nur ihren Job. Und da auf Diadem 7 nichts passiert war – was hätte er loben sollen?

Der Lift hielt neben der Zentrale. Die Tür glitt auf und gab den Weg ins Herz des Schiffes frei. Die Besatzung der Zentrale, fünf Frauen und Männer, stand geschlossen auf und grüßte al Mahdi. Yora spürte eine Anspannung, die noch nicht da gewesen war, als sie und al Mahdi zu den Ganuti aufgebrochen waren. Irgendetwas musste in der Zwischenzeit passiert sein. Das zeigten auch die ernsten Gesichter der Anwesenden.

Yora betätigte den Melder an der Tür zu Chens Bereitschaftsraum, die sich neben dem Lift befand. Die Tür glitt auf. Chen und Commander Pol Wendt, der Erste Offizier, erwarteten sie bereits. Auch ihre Gesichter waren sehr ernst.

»Botschafter al Mahdi, Ma’am, Sir!«, meldete Yora und wartete, bis der Mann eingetreten war, ehe sie sich abwandte.

»Bleiben Sie, Lieutenant«, befahl Chen und bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung einzutreten.

Yora gehorchte und blieb neben der Tür stehen, während al Mahdi unaufgefordert vor Chens Arbeitsstation neben Commander Wendt Platz nahm.

»Die Mission war ein voller Erfolg, Captain«, teilte al Mahdi der Kommandantin mit. »Wir können unser nächstes Ziel anfliegen.«

»Das können wir nicht«, widersprach Chen. »Alle Schiffe, die nicht bei der Grenzsicherung eingesetzt sind oder für Versorgungstransporte gebraucht werden, wurden zurück–beordert.« Für einen Moment drückte ihr Gesicht Wut aus, ehe sie sich wieder im Griff hatte. »Die MARU TAI muss sich mit anderen Schiffen der Chamäleon-Klasse schnellstmöglich auf Frachtbasis sieben-drei-drei einfinden, Fracht aufnehmen und danach Tema anfliegen. Sie, Herr Botschafter, werden unterwegs von einem Kurierboot abgeholt und zu einem anderen Schiff transportiert, das Sie auf Ihrer weiteren Mission begleiten wird.«

Al Mahdi schüttelte den Kopf. »Was ist passiert?«

Das interessierte auch Yora brennend. Dass alle Schiffe von ihren aktuellen Einsätzen zurückbeordert wurden, sofern sie keine für die Gemeinschaft der IMU oder Terra lebensnotwendigen Aufgaben zu erfüllen hatten, kam einer Mobilmachung gleich. Yora stöhnte innerlich. Der letzte Krieg gegen die Flottenverbände des Arsan-Bundes lag erst fünfzehn Jahre zurück. Yora hatte ihn als junge Offizierin erlebt und seine Schrecken immer noch in lebhafter Erinnerung.

»Auf Tema gab es vor einer Woche eine Naturkatastrophe. Sämtliche Vulkane des Planeten sind nahezu gleichzeitig ausgebrochen und haben verheerende Verwüstungen angerichtet. Nach aktuellen Meldungen ist ein Viertel der Bevölkerung dabei ums Leben gekommen: zwei Milliarden Temanai. Die Zahl der Verletzten ist mindestens ebenso hoch, die Zahl der Obdachlosen nicht abzuschätzen.« Chen schüttelte den Kopf. »Ob der Planet in ein paar Wochen oder Monaten überhaupt noch bewohnbar sein wird oder evakuiert werden muss, steht noch nicht fest.«

»Bei der Liebe Allahs!« Al Mahdi fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Was für eine Katastrophe!«

Yora teilte seine Fassungslosigkeit. Die Temanai waren ein hochzivilisiertes Volk, das den meisten Völkern der IMU wie auch denen des Arsan-Bundes technisch weit voraus war. Schon vor Jahrhunderten ihrer Zeitrechnung war ihnen mithilfe ihrer fortschrittlichen Technik gelungen, die vulkanischen Aktivitäten ihres Planeten zu zähmen und deren Energien nutzbar zu machen. Dass auch nur ein einziger Vulkan auf Tema ausbrechen konnte, ohne dass im Vorfeld Dutzende Warnsysteme das rechtzeitig registrierten und die Eindämmungsmechanik den Ausbruch verhinderte, war extrem unwahrscheinlich. Dass alle Vulkane gleichzeitig ausbrachen, war unmöglich. Es sei denn ...

»Sabotage«, war Yora überzeugt.

Chen warf ihr einen verweisenden Blick zu, weil sie unaufgefordert gesprochen hatte, aber Commander Wendt nickte.

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, gab er ihr recht. »Und wir brauchen wohl nicht allzu lange oder überhaupt zu überlegen, wer dahinter steckt.«

Al Mahdi nickte. »Die Arsans.« Er schüttelte den Kopf. »Und über den Grund brauchen wir auch nicht zu spekulieren.«

Der lag auf der Hand. Die Temanai verfügten nicht nur über technische Errungenschaften, die bei nahezu allen Völkern permanente Begehrlichkeiten weckten. Auf ihrem Planeten und in dessen gesamtem Sonnensystem gab es auch ausgedehnte Rohstoffvorkommen, von denen einige nur dort existierten; zumindest waren sie bisher nirgendwo anders gefunden worden. Einer davon, die Kamurkristalle, stellte eine extrem leistungsfähige Energiequelle dar. Wurden sie zu entsprechenden Passstücken geschliffen und in Relais eingesetzt, konnte man sie für nahezu alles verwenden. Waffen- und Verteidigungssysteme, die mit ihnen betrieben wurden, galten als unschlagbar.

Eben deshalb weigerten sich die Temanai, irgendwem auch nur einen einzigen Kamurkristall zu verkaufen, und blieben politisch betont neutral. Die Arsan-Völker würden die Kristalle zweifellos zur Kriegführung benutzen, und das wäre das Ende der IMU und der Freiheit ihrer Mitglieder. Ikan Muron – »freie Völker« in der Verkehrssprache der IMU. Denn die Arsans und ihre Bündnispartner lebten die Prämisse, dass der Stärkere das Recht hatte, sich alles zu nehmen, was er wollte und erobern konnte. Was der Grund für den vergangenen Krieg und die Gründung der Ikan Muron Union gewesen war.

Vor fünfzehn Jahren war ein Waffenstillstand nur dadurch erreicht worden, dass der IMU genug Völker beigetreten waren, um die Kampfkraft des Arsan-Bundes zwar noch nicht vollständig auszugleichen, aber eine Pattsituation zu erreichen. Eine Fortsetzung des Krieges hätte in einem Pyrrhussieg für eine der beiden Seiten geendet. Selbst wenn die Arsan-Völker ihn errungen hätten, wären sie hinterher so geschwächt gewesen, dass sie ihr erobertes Sternenreich nicht mehr hätten zusammenhalten können. Ein Teil der von ihnen unterdrückten Völker hätte rebelliert und die Gelegenheit genutzt, das Arsan-Joch endgültig abzustreifen. Die Füße, Tentakel und sonstigen Gliedmaßen vorläufig stillzuhalten, war die einzige Möglichkeit gewesen, ihr Reich zu behalten. So lange, bis sie einen Weg gefunden hatten, ihre Eroberungen fortzusetzen.

Was nur mithilfe von kamurkristallbetriebenen Waffen und Schutzschilden möglich wäre. Yora war sich sicher, dass die Arsans vor fünfzehn Jahren schon nach einem Weg gesucht hatten, Kamurkristalle zu bekommen, und zwar nicht nur eine begrenzte Anzahl, sondern sich die Quelle vollständig einzuverleiben: Tema. Und die Vorbereitung für diesen Coup hatte entsprechend viele Jahre gedauert.

Wenn Yora sich recht erinnerte, gab es auf Tema 1538 aktive Vulkane. Jeder besaß eine eigene Station, die seine Tätigkeit überwachte und seine Energie in die richtigen Bahnen lenkte. Wenn man alle Vulkane gleichzeitig ausbrechen lassen wollte, musste man mindestens einen Saboteur in jeder dieser Stationen haben. Da die Temanai politisch und wirtschaftlich neutral waren und weder der IMU noch dem Arsan-Bund angehörten, gab es auch nur wenige Nicht-Temanai, die auf Tema arbeiteten. Und diese wurde nicht an neuralgischen Stellen eingesetzt, wo sie Sabotage hätten betreiben können.

Die Arsans mussten also im Laufe der vergangenen Jahre ihre Saboteure unter den Temanai rekrutiert haben. Yora würde nie verstehen, warum jemand sein eigenes Volk verriet. Erst recht nicht an Wesen wie die aus dem Arsan-Bund. Welches Wesen, das seinen Verstand noch beisammenhatte, half Feinden nicht nur, Milliarden Leute des eigenen Volkes zu töten, sondern auch noch einen Großteil des Planeten zu verwüsten?

Andererseits waren die Arsans Meister der Verführung und beherrschten virtuos die Taktik, die Schwachpunkte ihrer Gegner auszumachen und diese gegen sie zu verwenden. Und zwar in einer Art, dass die Gegner manchmal gar nicht oder erst viel zu spät merkten, dass sie getäuscht worden waren. Diese Fähigkeit war auch der Grund, weshalb etliche Völker des Arsan-Bundes sich den Arsans, die ihn gegründet hatten, freiwillig angeschlossen hatten.

Wenn die Geschichtsschreibung in diesem Punkt nicht irrte, hatte das Volk der Arsans – eine humanoide und sehr kriegerische Rasse – ihre ersten Nachbarplaneten erobert, indem es unter dem Deckmantel der Etablierung von Handelsbeziehungen genug kampfkräftige Leute auf den jeweiligen Planeten stationiert und sogar die Regierungen unterwandert hatte. In einem wohlvorbereiteten Handstreich hatten sie gezielt zugeschlagen und die Macht an sich gerissen. Danach hatten sie die Bevölkerung mit Vergünstigungen und anderen Vorteilen davon überzeugt, dass die Eroberung ihrer Welt und die Herrschaft der Arsans zu ihrem Besten war.

Nach dem, was man von den Geflüchteten dieser Völker erfahren hatte, wurden alle, die sich weigerten, die Arsans als die neuen Herren ihrer Welten anzuerkennen, inhaftiert, als Aufrührer hingerichtet oder von ihrer Heimatwelt vertrieben. Wer sich den Arsans beugte, konnte in ihrer Hierarchie aufsteigen und reich werden oder einen prestigeträchtigen Posten in ihrer Eroberungsflotte bekleiden. Deshalb bestand die Arsan-Flotte nicht nur aus Schiffen der Arsans selbst, sondern auch aus solchen, die keine Arsan-Konstruktionen waren.

Andere Völker hatten sich ihnen freiwillig angeschlossen, um ebenfalls in den Genuss dieser Vorteile zu gelangen. Nicht zuletzt, weil ein starker Verbündeter Schutz bot und aggressive Expansion Profit brachte. Vorausgesetzt man konnte die Gegner mit einer Übermacht oder überlegener Technologie angreifen und dadurch die eigenen Verluste minimieren. Mit Sicherheit war Letzteres der Grund für die Sabotage der temanischen Vulkanstationen.

»Die durch die geballten Vulkanausbrüche verursachten Erdbeben und Tsunamis müssen verheerende Folgen haben«, vermutete Botschafter al Mahdi.

Chen und Wendt nickten.

»Ein durch und durch beabsichtigter Effekt«, stellte Yora fest, nachdem sie sich sicher war, dass sich weder der Captain noch der Erste Offizier dazu äußern wollten.

Al Mahdi sah sie verständnislos an. »Wie meinen Sie das?«

»Kamurkristalle sind vergleichsweise langlebig, aber sie halten nicht ewig. In regelmäßigen Abständen müssen sie ausgetauscht werden. Die Temanai haben zwar keine Kriegsflotte, weil sie nie Krieg führen, aber sie haben auf ihrem Planeten Schutzschirmgeneratoren.«

Yora blickte Chen und Wendt an, ob einer von ihnen die Ausführungen fortsetzen wollte. Doch die beiden hörten ihr ebenso aufmerksam zu wie al Mahdi. »Ursprünglich«, fuhr sie fort, »dienten die Schutzschilde nur der Abwehr von Kometen und Meteoriten, die im temanischen Sonnensystem häufig vorkommen. Aber selbstverständlich kann man mit ihnen den Planeten auch gegen eine angreifende Flotte verteidigen.«

Wendt nickte. »Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Aber fahren Sie fort, Lieutenant.«

»Ja, Sir. Etliche kamurbetriebene Schildgeneratoren dürften durch die Katastrophe vernichtet worden sein. Und sämtliche Abbaugebiete der Kristalle, die sich ausnahmslos in den Wänden der Vulkane befinden, sind mit Sicherheit durch die Eruptionen auf Monate, wenn nicht auf Jahre hinaus verschüttet, sodass die noch vorhandenen Kristallmodule entsprechend lange Zeit nicht ersetzt werden können. Davon abgesehen werden die noch vorhandenen Ersatzkristalle und neue Kristalle, wenn sie endlich wieder gefördert werden können, in erster Linie für lebensnotwendige Dinge wie medizinische Geräte und Nahrungserzeugung benötigt, sodass die Schilde für noch längere Zeit als gewöhnlich mit den Kamurkristallen funktionieren müssen, die jetzt in ihnen stecken.«

Al Mahdi schüttelte den Kopf und blickte Yora fragend an. »Ich gestehe, ich verstehe nicht so ganz.«

»Die Vulkanausbrüche«, übernahm Chen das Wort, bevor Yora antworten konnte, »wurden gezielt herbeigeführt. In dem Punkt ist man sich sicher. Ebenfalls geht man davon aus, dass das Ziel des Attentats ist, die Kamurvorkommen für einige Zeit auf Eis zu legen, damit die Verteidigungswaffen nicht neu bestückt werden können.« Sie sah al Mahdi ernst an. »Sie wissen, wie das mit Energiemodulen ist, die sich nicht selbstständig neu aufladen oder ersetzt werden können. Sobald ihr letztes Quäntchen Energie verbraucht ist, sind sie nutzlos.«

Al Mahdi erbleichte. »Oh Allah! Das heißt, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Arsan-Flotte Tema angreift.«

Chen nickte. »So ist es. Und deshalb bereiten sich auch alle IMU-Flotten darauf vor, den Temanai zu Hilfe zu eilen und ihren Planeten gegen die Arsans zu verteidigen.«

Also hatte Yora mit ihrer Vermutung recht gehabt, dass der Rückruf aller Schiffe, die nicht anderweitig gebraucht wurden, der Mobilmachung galt.

Al Mahdi schüttelte den Kopf. »Haben die Temanai diese Hilfe erbeten? Denn dadurch würden sie ihre bisherige Neutralität aufgeben.«

Chen schüttelte ebenfalls den Kopf. »Genau aus diesem Grund haben sie das bisher nicht getan. Und solange sie das nicht tun, dürfen wir nicht in Kämpfe eingreifen, die von den Arsan-Völkern mit Sicherheit in absehbarer Zeit gegen Tema geführt werden, sondern nur friedlich Hilfsgüter liefern. Aber die Führungsspitze der IMU ist davon überzeugt, dass die Temanai uns in absehbarer Zeit um militärische Hilfe bitten werden, bevor sie zulassen, dass ihre Welt in die Klauen der Arsan-Völker fällt.«

Al Mahdi seufzte tief. »Deshalb ist meine Mission wichtiger denn je. Wir brauchen noch mehr Verbündete, noch mehr Mitglieder in der IMU, um dem Arsan-Bund gewachsen zu sein.«

Weshalb al Mahdi nicht der einzige IMU-Botschafter war, der im Dauereinsatz die raumfahrenden Völker kontaktierte, die weder dem Arsan-Bund noch der IMU angehörten, um ihnen einen Beitritt zur IMU schmackhaft zu machen. Soweit Yora wusste, lehnten viele einen Beitritt aus Angst ab, dadurch in absehbarer Zeit in einen Krieg mit dem Arsan-Bund verwickelt zu werden. Dabei war gerade eine möglichst große Zahl kampfkräftiger IMU-Mitglieder die Garantie dafür, dass die Arsan-Völker ihre Eroberungspolitik in andere Richtungen ausdehnten und die Ikan Muron Union in Ruhe ließen.

Womit es vorbei wäre, sollte ihnen gelingen, Tema zu erobern und die Kamurkristallvorkommen auszubeuten. Danach wären die Arsans in der Lage, jeden Krieg zu gewinnen, sofern man ihnen nicht mit einer vielfachen Übermacht entgegentrat.

»Hoffentlich machen die Ganuti keinen Rückzieher und erklären ihren IMU-Beitritt für nichtig«, überlegte Chen. »Denn sobald sie von der Katastrophe auf Tema erfahren, dürfte ihnen klar sein, dass es zum Kampf kommen wird, an dem sie sich gemäß dem frisch unterzeichneten Beitrittsvertrag zu beteiligen haben. Und sie wären nicht die Ersten, die den Standpunkt vertreten, in guten Zeiten Freunde zu sein und durch Abwesenheit glänzen zu dürfen, wenn die Zeiten rau werden.«

Al Mahdi wiegte den Kopf. »Die Ganuti sind ein sehr kämpferisches Volk. Dass sie kneifen, kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn sie vielleicht glauben, dass wir schon von der Tema-Katastrophe wussten, bevor wir in die Verhandlungen mit ihnen eintraten und ihnen das verschwiegen haben ...« Er blickte Yora an. »Wie ist Ihre Einschätzung, Lieutenant Davidoff? Was haben wir von den Ganuti zu erwarten?«

Man sah Chen an, dass ihr die Frage des Botschafters nicht passte. Vielmehr, dass er Yoras Rat einholte.

»Loyalität ist eine ihrer primären Tugenden«, antwortete Yora. »Nachdem sie sich der IMU angeschlossen haben, werden sie an unserer Seite bis zu ihrem letzten Atemzug kämpfen. Sie geben niemals auf. Selbst wenn die Vernunft gebietet, sich zu ergeben, um weitere Verluste von Leben zu verhindern, tun sie das nie. Nicht einmal dann, wenn ein fortgesetzter Kampf die Auslöschung ihres gesamten Volkes bedeutete.«

Chen schnaubte. »Lieutenant Davidoff ist keine Expertin für Xenopsychologie.«

»Nein«, stimmte al Mahdi ihr zu, »aber sie ist Soldatin und Sicherheitsspezialistin. Ich habe von ihr den Eindruck gewonnen, dass sie sich auf die Mission nicht nur bei den Ganuti sehr gut vorbereitet hat und aufgrund ihrer Expertise die militärischen Fähigkeiten und Kapazitäten dieses Volkes besser einschätzen kann als ich.«

Trotz dieser diplomatischen Formulierung war Chen klar, dass al Mahdi meinte, Yora könne die Ganuti auch besser einschätzen als Captain Chen. Das bewies der kalte Blick, den sie Yora zuwarf.

»Fahren Sie fort, Lieutenant«, forderte al Mahdi sie auf. »Wenn ich Sie recht verstehe, würden die Ganuti uns unterstützen, sollte es zu einem Krieg mit dem Arsan-Bund kommen.«

Yora nickte. »Und zwar bedingungslos. Sobald die IMU zu den Waffen ruft, werden sie jedes Schiff in den Kampf schicken, das sie entbehren können und das kampftauglich ist. Nach meinen Informationen wäre das eine reguläre Kampfflotte von hundertfünfzigtausend Kriegsschiffen plus ungefähr noch einmal so vielen umfunktionierten Handelsschiffen, deren Feuerkraft aber nicht annähernd an die der Kriegsschiffe heranreicht. Diese Schiffe wären allenfalls das, was man früher verächtlich als Kanonenfutter bezeichnet hat.«

Al Mahdi seufzte. »Ich wünschte, wir hätten mehr Verbündete wie sie.«

Chen schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die haben wir aber nicht. Und über wie viele Kampfschiffe verfügt doch gleich der Arsan-Bund, Davidoff?«

Gesprochen in einem Ton, der andeutete, dass Yora die genaue Zahl kaum kennen dürfte.

Sie verkniff sich ein Lächeln. »Ich erspare Ihnen die Aufzählung der jeweiligen Flottenstärke der einzelnen Arsan-Völker, Captain, und fasse zusammen: Nach den letzten uns bekannten Zahlen ist die Flotte sechs Millionen und zweihunderteinundfünfzigtausend Schiffe stark. Plusminus ein paar Hundert.«

Chen runzelte finster die Stirn.

»Aber das ist nur die offizielle Zahl«, fuhr Yora fort. »Niemand außer vielleicht den Geheimdiensten weiß, wie viele ihrer angeblich minimal oder unbewaffneten Schiffe anderer Flottenabteilungen in kürzester Zeit kampffähig aufgerüstet werden können oder das im Geheimen schon sind. Ich schätze, dass wir es mit zehn Millionen kampffähigen Schiffen zu tun haben könnten, wenn sie alles aufbieten, was sie haben.«

Was aber gar nicht nötig wäre, denn um einen einzigen Planeten zu erobern – schutzschildgeschützt oder nicht –, brauchten sie nur einen Bruchteil ihres Kontingents. Und sobald sie die Kamurkristalle in den Händen hatten, genügte ein Viertel ihrer Flotte, um die IMU zu überrollen.

Al Mahdi sah Yora aufmerksam an. »Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung, Lieutenant?«

»Das ist eine strategische Überlegung, Sir. Nach allem, was wir über die Arsan-Völker wissen und über die Arsans selbst, leben sie für Eroberungen. Dieses Ziel aufzugeben ist keine Option für sie. Erst recht geben sie sich nicht mit einem erzwungenen Waffenstillstand zufrieden. Jeder fähige Stratege – und von denen dürften die Arsan-Völker eine ganze Reihe haben – fährt in der gegebenen Situation mindestens zweigleisig. Plan eins war die Sabotage der Tema-Vulkane. Plan zwei muss gewesen sein, bereits unmittelbar nach Beginn des Waffenstillstands aufzurüsten, aber im Geheimen, weil sie wissen, dass alle IMU-Geheimdienste ein scharfes Auge auf ihre Aktivitäten haben.

Wenn ich Arsan und davon überzeugt wäre, dass ich in absehbarer Zeit Kamurkristalle für meine Waffensysteme zur Verfügung habe, würde ich mich nicht damit aufhalten, Großkampfschiffe zu bauen, sondern kleinere, von denen ich hinsichtlich Materialverbrauch und Bauzeit erheblich mehr herstellen kann, als wenn ich mich auf große Schiffe konzentriere. Diese kleinen Schiffe sind kamurbetrieben pro Stück in ihrer Kampfkraft so viel wert wie ein größeres. Berücksichtigt man die potenzielle Herstellungszeit je kleinerem Schiff und rechnet sie auf fünfzehn Jahre hoch, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die Arsan ihre Kampfflotte inzwischen fast verdoppelt haben und nur noch darauf warten, die Kamurkristalle in die Finger zu bekommen, um zum Großangriff nicht nur gegen die IMU zu blasen.«

Al Mahdi schüttelte den Kopf und fuhr sich erneut mit beiden Händen über das Gesicht. »Das ist ein Albtraum.«

Und zwar einer, den nicht nur Yora unter keinen Umständen erleben wollte. Allerdings sah sie keine Möglichkeit, wie die drohende Katastrophe abgewendet werden könnte. Und das bedeutete, dass der Krieg unvermeidlich war.

Al Mahdi sah Chen an. »Wann ist das Rendezvous mit dem Kurierschiff, das mich abholt?«

Chen warf einen Blick auf die Uhrzeit, die digital auf eine Wand des Raums projiziert wurde. »In vier Stunden.«

»Dann werde ich meine Sachen packen gehen. – Captain, Commander. Lieutenant.« Er nickte ihnen zu und eilte hinaus.

»Sie bleiben noch, Davidoff«, verlangte Chen, bevor Yora fragen konnte, ob sie noch gebraucht wurde.

Yora bewahrte ein gleichmütiges Gesicht. Garantiert bekam sie gleich einen Rüffel, weil ihre detaillierten Ausführungen Chen gegenüber al Mahdi hatten alt aussehen lassen.

»Was haben Sie mit Ihren Ausführungen bezweckt, Lieutenant?«, verlangte Chen prompt zu wissen. »Für eine Angeberin, die sich profilieren will, ist in meiner Crew kein Platz.«

»Ich habe lediglich die Fragen des Botschafters und die Ihren bestmöglich beantwortet, Captain.« Die reine Wahrheit. »Und dem Botschafter dadurch demonstriert, dass jedes einzelne Crewmitglied der MARU TAI auf dem eigenen Fachgebiet absolut kompetent ist. Die Fragen nicht so detailliert oder gar nicht beantworten zu können, hätte ein schlechtes Licht auf die MARU TAI geworfen und auf Sie als deren Kommandantin.«

Dagegen konnte Chen kaum etwas sagen. Commander Wendt lächelte leicht.

»Unsere nächste Aufgabe ist, zusammen mit anderen Schiffen Hilfsgüter, die wir auf Frachtbasis sieben-drei-drei laden werden, nach Tema zu bringen.« Chens Tonfall nach gefiel ihr der Auftrag nicht sonderlich. »Sorgen Sie dafür, dass alle nicht anderweitig benötigten Räume zu Frachträumen umfunktioniert werden.« Sie reichte Yora ein Datenpad. »Hier finden Sie die Liste aller Güter, die wir aufnehmen werden. – Wegtreten!«

Yora grüßte und verließ den Besprechungsraum. Die Räum–lichkeiten zu verändern, um die Fracht aufzunehmen, war eigentlich nicht ihre Aufgabe, sondern die der technischen Abteilung. Einer speziell ausgebildeten Unterabteilung oblag die Handhabung der verstellbaren Wände und Böden. Dass Chen Yora damit beauftragt hatte, war garantiert als Strafe gedacht. Da Yora ohnehin nichts anderes zu tun hatte außer Routineaufgaben, machte ihr das nicht viel aus. Und hätte es ihr etwas ausgemacht, wäre das sowieso nicht von Bedeutung gewesen, denn Befehl war Befehl. Sie machte sich an die Arbeit.

2.

Raumhafen Frachtbasis 733 auf Acubens 530. 04. 2403

Yora betrat Frachtraum 11 und kontrollierte zum wiederholten Mal die Ausmaße und die Verankerungen, mit denen die Container in Position gehalten wurden, sobald sie abgestellt worden waren. Die ersten zehn Frachträume waren bereits gefüllt und die Roboterkolonne mit den nächsten Containern auf dem Weg zu Nummer 11. Yora prüfte anhand des Displays neben der Eingangstür, ob der Boden und die Außenwände des Raums für die zusätzliche Last noch stabil genug waren.

Die Veränderungen der Räume in der Chamäleon-Klasse wurden durch ausklappbare Wand-‍, Decken- und Bodenteile erzeugt. Waren alle Teile eingeklappt, hatte man sehr dicke Wände, Böden und Decken. Je nachdem, wofür ein veränderter Raum genutzt wurde, regelten strenge Vorgaben, wie stark die verbliebenen Teile sein mussten. Davon hing ab, wie viele Trennteile man ausfahren konnte.

In diesem Fall waren aber etliche Teile eingeklappt worden, um mehr Platz zu schaffen. Die Mannschaftsunterkünfte waren verknappt und je zwei Crewmitglieder in eine Kabine verlegt worden, statt dass jeder wie üblich eine eigene Kabine hatte. Lediglich die Führungsoffiziere genossen noch das Privileg, allein zu wohnen. Alle Freizeiträume waren bis auf einen leer geräumt worden, und die Beiboote hatte man in nur einem einzigen Hangar untergebracht statt in den dreien, die dafür vorgesehen waren.

Yora stellte fest, dass in Frachtraum 11 alles in Ordnung war. Fast alles, denn die Raumgröße stimmte nicht mehr. Sie war in der Länge um 1,10 Meter verkürzt. Das wäre nicht weiter verwunderlich, wenn ein zusätzliches Separee für schmale Container gebraucht würde. Aber auf der Frachtliste standen keine solchen Container. Auch keine noch Schmaleren, von denen man je zwei hätte nebeneinanderstellen und stapeln können.

Und noch etwas war ungewöhnlich. Die Tür zu diesem Separee hätte von dem großen Vorraum aus erreichbar sein müssen, weil die Wandmodule entsprechend aufgebaut waren. Doch da war keine Tür.

Yora verließ den Frachtraum und ging auf dem Gang davor zu dem Teil der Wand, hinter dem sich das Separee befinden musste. Auch hier gab es keine Tür. Sie betrat Frachtraum 12. Möglicherweise war das Separee von hier aus eingerichtet worden, dann befand sich die Tür hier. Doch da war keine. Also blieb nur ein Zugang vom Hauptgang aus, der zwischen Frachtraum 9 und 10 auf der einen Seite und 11 und 12 auf der anderen verlief.

Und da war die Tür. Sie war wie alle Frachtraumtüren mit einem Codeschloss gesichert. Yora nahm ihr Datenpad und scrollte durch die Zugangscodes der Räume, die Captain Chen sie hatte einrichten lassen. Der Zugangscode war ebenso wenig verzeichnet wie das Separee selbst. Was kein Hindernis darstellte, denn als Sicherheitschefin der MARU TAI besaß Yora Spezialcodes, die ihr überall Zugang verschafften. Doch als sie den Generalcode eingab, blieb die Tür geschlossen. Sie versuchte einen anderen Code mit demselben Ergebnis. Sie gab der Reihe nach alle Override-Codes ein, aber die Tür rührte sich nicht.

Sie aktivierte ihr Sprechgerät. »Lieutenant Davidoff an Captain Chen.«

»Ja?«, kam fast augenblicklich die knappe Antwort.

»Ma’am, ich befinde mich im Gang zwischen den Frachträumen neun und elf. Zwischen den Räumen elf und zwölf hat jemand ein einen Meter zehn schmales zusätzliches Raumsegment eingefügt, das in meiner Liste nicht verzeichnet ist und dessen Tür ich nicht öffnen kann.«

»Ich kümmere mich darum. Begeben Sie sich zur Personenschleuse drei, Lieutenant. Dort trifft in ein paar Minuten unser neuer Chefingenieur ein. Damit Sie sich nicht wundern: Er ist ein Skusann.«

Neuer Chefingenieur? Abgesehen davon, dass man Yora in ihrer Eigenschaft als Sicherheitschefin von einem Wechsel in der Crew im Vorfeld hätte unterrichten müssen, damit sie die Person gemäß den Vorschriften überprüfte: »Was ist mit Lieutenant Commander Gonzales?«

»Sie wurde aufgrund eines familiären Notfalls vorübergehend von ihren Pflichten an Bord beurlaubt und befindet sich bereits auf dem Rückweg zur Erde. Der Skusann ist der einzige Ingenieur, der auf Frachtbasis sieben-drei-drei zur Verfügung stand und für die Basis entbehrlich ist.«

»Wie ist sein Name?«

»Lepathu. Und, Lieutenant, weil keine andere Unterkunftsmöglichkeit mehr frei war, werden Sie Ihr Quartier mit ihm teilen.«

Das auch noch! Chen hasste sie, keine Frage, denn mit Sicherheit hätte es eine andere Unterbringungsmöglichkeit gegeben. »Ja, Ma’am«, bestätigte Yora in dem gleichmütigsten Tonfall, den sie zustande brachte. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste, Ma’am?«

»Nein.«

Chen hatte die Verbindung unterbrochen, bevor Yora antworten konnte. Sie erwog, für den Skusann ein eigenes Quartier einzurichten; über Chens Kopf hinweg. Aber vermutlich wartete der Captain nur auf so eine Gelegenheit, um Yora ordentlich einheizen zu können. Immerhin war die Unterbringung des Skusann in Yoras Quartier eine dienstliche Anweisung, die zu ignorieren einer Befehlsverweigerung gleichkam. Also war es besser zu gehorchen.

Sie seufzte und ging zu ihrer Kabine. Sie aufzuteilen war nicht besonders schwer, denn sie bestand, neben der Nasszelle und einem Nahrungs- und Getränkespender, aus einem kombinierten Schlaf- und Wohnbereich. In die Möbel waren Antigravmodule eingearbeitet, mit denen sie bequem vom Boden gelöst und ohne Anstrengung verschoben werden konnten.

Yoras Bett stand ohnehin in einer Raumecke. Sie schob einen Sessel und ihre Arbeitsstation daneben. Sie ließ das Notbett und die Ersatzarbeitsstation aus der gegenüberliegenden Wand klappen und stellte den zweiten Sessel zwischen beide. Anschließend ließ sie Trennwände hochfahren. Wenn man nun die Hauptkabine betrat, befand man sich einer Trennwand mit zwei Eingängen zu separaten Räumen gegenüber. Lagerfächer für Kleidung und persönliche Gegenstände waren in jeder Kabinenaußenwand eingearbeitet.

Yora räumte ihre Sachen aus den Schränken der einen Raumhälfte in die andere und begutachtete ihr Werk. Weil die Raumteilungssegmente eigentlich nur der persönlichen Gestaltung dienten, gab es keine Tür, die man hätte schließen können. Eine echte Privatsphäre war also nicht möglich, bis die Hilfsgüter auf Tema abgeliefert waren und das Schiff innen wieder seine normalen Dimensionen annehmen konnte. Aber das würde schon gehen. Yora verließ die Kabine.

»Schleusenwache an Sicherheitschefin«, kam eine Meldung über ihr Armbandsprechgerät.

»Ja«, meldete sie sich, was sowohl signalisieren sollte, dass sie die Meldung empfing wie auch, dass sie wusste, worum es darin ging.

»Hier ist ein Skusann, der behauptet, er gehöre ab heute zur Crew.« Die Stimme der Schleusenaufsicht klang misstrauisch. Kein Wunder.

»Ich komme«, versicherte sie und stieg in den Lift, der sie zur Schleuse 3 brachte.

Als sie ankam, stand der Skusann vor dem großen Hauptbildschirm im Schleusenraum, der die Umgebung des Schiffes zeigte, und beobachtete die Roboterkolonnen, die aus dem Frachtzentrum strömten und Container zur MARU TAI beförderten. Yoras erster Eindruck von ihm war: blau. Zwar wusste sie, dass alle Skusann eine blaue Haut hatten, aber sie war noch nie zuvor einem Vertreter dieses Volkes begegnet.

Skusaros, ihr Heimatplanet, umkreiste die Sonne Alwaid im Sternbild Drache, 365 Lichtjahre von der Erde entfernt. Zu den Skusann gab es wenig Kontakt, nicht nur wegen der relativ großen Entfernung. Zwar hatten sie sich vor fünf Jahren der Ikan Muron Union angeschlossen, aber sie blieben dennoch weitgehend für sich. Als ob die Bedrohung durch die Völker des Arsan-Bundes sie nichts anginge. Eine Einstellung, die nicht ganz ungerechtfertigt war, denn zwischen der Grenze des Territoriums, das die Arsans beanspruchten, und Skusaros lagen über fünfhundert Lichtjahre. Da die Arsan-Völker bei ihren Eroberungen systematisch vorgingen, würden noch Jahrzehnte vergehen, bis sie Skusaros erreichten, falls sie jemals so weit kämen.

Ein Umstand, der bei manchen Leuten die Überlegung hatte laut werden lassen, die Skusann seien womöglich Feiglinge. Ihr Beitritt zur IMU habe sie zwar zu Feinden der Arsans gemacht, aber einen Angriff von ihnen hatten sie noch lange nicht zu befürchten, weshalb sie mit dem Beitritt kein Risiko eingegangen waren. Darüber hinaus galten sie als undurchsichtig und unberechenbar.

Yora hatte noch nie gehört, dass einer von ihnen Karriere bei einem anderen Volk der IMU gemacht hatte. Doch auf Lepathu musste das wohl zutreffen, denn er trug die hellgraue Uniform der Terranischen Raumflotte und besaß gemäß deren Abzeichen den Rang eines Lieutenants. Er drehte sich um, als er Yoras Schritte hinter sich hörte, und ihr Eindruck von »Blau« wurde verstärkt.

Seine kräftige königsblaue Hautfarbe kam durch die Haarlosigkeit seines Schädels besonders intensiv zur Geltung. Seine aprikosengroßen Facettenaugen erstrahlten in verschiedenen Blautönen, die durch die Lichtbrechung in den Facetten irisierend erschienen. Das gesamte Gesicht wirkte wie ein Luftballon. Hautüberzogene Knochenplatten umrahmten es, die wie die gespreizte Halskrause einer Kobra wirkten und auf der Stirn über den Augen handbreite Wülste bildeten, die sich zur Stirnmitte verjüngten. Dadurch wirkte das gesamte Gesicht im ersten Moment, als habe man einen Ballon mit einem blauen Herzen umrandet.

Obwohl es bis auf die Facettenaugen eindeutig humanoid war, fehlten die bei Menschen üblichen Vorwölbungen von Mund und Nase. Die Nase bestand nur aus drei mit einer Hautfalte verschließbaren Löchern unterhalb der Augen, eine lippenlose schmale Öffnung bildete den Mund und zog sich von einer Wange bis zur anderen.

Der Skusann stand stramm. »Lieutenant Lepathu meldet sich zum Dienst, Meeem!«

Yora brauchte einen Moment, ehe sie begriff, dass er mit »Meeem« »Ma’am« gemeint hatte, denn sein Flottenenglisch hatte einen deutlichen Akzent.

Yora grüßte zurück. »Willkommen an Bord, Lieutenant Lepathu. Ich bin Yora Davidoff, Sicherheitschefin. Ihren Überstellungsbefehl, bitte.«

Der Skusann zog ein Datenpad aus der Brusttasche seiner Uniform und reichte es ihr. Seine vier Finger, die ohne eine erkennbare Hand direkt an seinem Arm saßen, wirkten wie kleine Tentakel, von denen jeder ungefähr zwanzig Zentimeter lang war. Oder wie kleine Schlangen, die sich um das Pad gewunden hatten und es schlängelnd losließen, als Yora es ergriff.

Sie aktivierte das Pad. Als Erstes wurde das unfälschbare Siegel des Flottenoberkommandos eingeblendet, danach der Versetzungsbefehl, gemäß dem Lieutenant Lepathu mit sofortiger Wirkung der MARU TAI als Chefingenieur zugeteilt wurde. Darauf folgte das DNA-Profil des Skusann.

Yora nahm ihren Handscanner vom Gürtel und scannte Lepathu. Das Sekunden später eingeblendete DNA-Profil stimmte mit dem auf dem Pad hinterlegten überein. Sie nickte. »Nochmals: Willkommen an Bord. Folgen Sie mir bitte. Ich zeige Ihnen Ihre Unterkunft und danach alles andere.« Sie ging zum Lift.

Lepathu nahm die Reisebox auf, die er neben sich abgestellt hatte, und folgte ihr.

Sie betraten den Lift. In der Enge der Kabine wurde Yora erst richtig bewusst, dass der Skusann sie um ungefähr einen halben Meter überragte. »Wir werden uns eine Kabine teilen«, eröffnete sie ihm. »Um den größtmöglichen Stauraum für die Hilfsgüter zu haben, wurde alles an Platz freigeräumt, was möglich war. Was bedingt, dass auch Unterkünfte zusammengelegt wurden.«

»Das ist sinnvoll«, stimmte Lepathu der Maßnahme zu. Er richtete eines seiner Augen auf Yora, während das andere weiterhin geradeaus blickte. »Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus.«

Es machte ihr eine Menge aus. »Warum sollte es?«

»Weil sich Menschen nach meinen Informationen unwohl fühlen, den Wohnraum mit einem andersgeschlechtlichen Wesen zu teilen, das weder Verwandter noch erwählter Sexualpartner ist.«

Offenbar hatte er ihre Frage wörtlich genommen. Falls das die Art der Skusann war, konnte das Zusammenwohnen heiter werden.

»Ich wollte mit meiner Frage ausdrücken: Nein, das macht mir nichts aus«, präzisierte Yora. »Für Sie ist das auch kein Problem?«

»Nein.«

Der Lift hielt auf dem Mannschaftsdeck. Yora stieg aus und schlug den Weg zu ihrer Kabine ein, wobei sie Robotern auswich, die unterschiedlich große Container durch die Gänge transportierten.

»Haben Sie schon mal auf einem Schiff der Chamäleon-Klasse gearbeitet, Lepathu?«

»Nein, aber mir ist das Prinzip der wandelbaren Wände selbstverständlich vertraut.«

»Jede Umwandlung und die damit einhergehende Veränderung der Raumaufteilungen wird automatisch an die persönlichen Datenpads aller Besatzungsmitglieder übermittelt, damit sich niemand verläuft«, erklärte Yora. »In einem Notfall könnte sonst wertvolle Zeit verloren gehen.«

Sie hatten ihre Kabine erreicht. Yora deutete auf ein ovales Touchfeld neben der Tür. »Legen Sie bitte Ihre Hand oder nur die Fingerspitzen darauf«, forderte sie Lepathu auf.

Der Skusann gehorchte. Yora aktivierte den Scanner des Feldes, der Lepathus DNA-Code speicherte, und ihn als zum Betreten der Kabine autorisierte Person registrierte. Die Tür glitt zur Seite. Yora deutete auf den rechten Raum.

»Ihr Quartier.«

Lepathu ging hinein und stellte seine Reisebox ab. »Wo finde ich Captain Chen?«

Yora aktivierte ihr Kom-Gerät. »Captain Chen, der neue Chefingenieur ist an Bord und will sich Ihnen vorstellen. Wohin soll ich ihn bringen?«

»In meinen Bereitschaftsraum«, kam die Antwort.

Yora deutete mit dem Kopf zur Tür. »Gehen wir.«

Der Skusann folgte ihr. Yora stellte zwei Dinge fest. Lepathu bewegte sich fast lautlos. Hätten seine Schuhsohlen nicht bei jeder Berührung mit dem Boden ein leises Geräusch verursacht, sie hätte ihn nicht gehört. Außerdem passte er seine Schrittlänge ihren Schritten an, setzte sogar in perfekter Synchronisation dasselbe Bein vor wie sie. Ob das eine besondere Bedeutung hatte? Oder war das lediglich eine skusarische Eigenheit?

Captain Chen erwartete sie zusammen mit Commander Wendt. Yora reichte ihr das Datenpad mit Lepathus Versetzungsorder. »Warten Sie draußen, Davidoff«, wies Chen sie an.

Yora war sich sicher, dass Chen ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte, wenn das möglich gewesen wäre. Zum Glück verhinderte die Gleitmechanik eine derartige Geste. Aber dass Yora nicht beim Erstgespräch mit dem Skusann dabei sein durfte, sollte zweifellos eine Demütigung darstellen oder war als Disziplinarmaßnahme gedacht, auch wenn Yora keine Ahnung hatte, womit sie die verdient haben sollte. Sie machte nur ihren Job als Sicherheitschefin und das so gut sie konnte. An den Blicken, die ihr die Besatzung der Zentrale zuwarf, erkannte sie, dass denen das ebenfalls bewusst war. Und das trug nicht gerade dazu bei, Yoras Autorität zu stärken.

Warrant Officer Yvonne Moreau, die am Navigationspult saß und bis zum Startbefehl nichts zu tun hatte, wandte sich halb zu Yora um. »Darf ich eine Frage stellen, Lieutenant?«

Mit Sicherheit handelte es sich um etwas, das sie sich nie getraut hätte, Chen oder Wendt zu fragen. »Bitte.«

»Die MARU TAI ist ein hervorragendes Schiff mit im–mensem Potenzial. Ist das nicht verschwendet, wenn wir jetzt dazu verdonnert sind, Hilfsgüter nach Tema zu liefern? Ein großes Frachtschiff, vielmehr eine ganze Flotte davon, könnte doch sehr viel mehr Material befördern.«

Die anderen Mitglieder der Zentralencrew spitzten ebenfalls die Ohren, auch wenn einige sich den Anschein gaben, mit ihren Instrumenten und deren Routinekontrolle beschäftigt zu sein.

»Weshalb auch ganz sicher Frachtschiffe bereits nach Tema unterwegs sind. Die MARU TAI hat aber den Vorteil, schneller zu sein als die großen Frachter. Außerdem dauert das Beladen nicht mal halb so lange wie bei den Großraumtransportern, weshalb wir schneller vor Ort sind als die. Tema braucht dringendst jede noch so kleine Lieferung so schnell wie möglich. Und zu guter Letzt sind wir erheblich besser bewaffnet als ein Frachtschiff.«

Taktikoffizier Lieutenant Hino Yamato schnaubte. »Wer sollte uns denn angreifen? Wir transportieren doch nur Hilfsgüter.«

»Abgesehen davon, dass sich überall Piratenbanden herumtreiben können, gibt es mit Sicherheit noch andere üble Subjekte, die die Katastrophe auf Tema ausnutzen, um sich zu bereichern, und die vor nichts zurückschrecken, wenn sie sich davon Profit versprechen«, erinnerte Yora ihn. »Und auch Armut und der damit verbundene Kampf ums Überleben treiben manche Leute zu Verbrechen an. Nicht zu vergessen die Opportunistischen, die jede Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich Chancen ausrechnen, ungeschoren davonzukommen. Und gerade diese Leute werden sich hüten, ein gut bewaffnetes Schiff anzugreifen.«

Ihre Argumente überzeugten die Leute nicht, das spürte sie deutlich. Sie verstand das sehr gut. Wenn man eines der modernsten und leistungsfähigsten Schiffe zur Verfügung hatte, dann stand einem nicht der Sinn nach einfachen Frachttransporten. Und auch nicht danach, einen Botschafter von einem Planeten zum nächsten zu bringen und die Zeit während der in der Regel sehr langen Dauer seiner Verhandlungen mit belangloser Routine totschlagen zu müssen. Allein die auf Ganutara hatten fünf Wochen gedauert, und das war noch zügig gewesen. Jetzt auch noch Frachtdienst obendrein – das empfanden viele Crewmitglieder als eine Art Abstieg. Als eine Geringschätzung ihrer Fähigkeiten. Was die Stimmung an Bord nicht gerade hob.

»Noch eine Frage, Lieutenant«, wagte Warrant Officer Moreau einen weiteren Vorstoß. »Stimmt es, dass die Katastrophe auf Tema durch Sabotage verursacht wurde?«