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»Die Kunst des Krieges« von Sun Tzu, einem antiken chinesischen General, gilt gemeinhin als erstes und bedeutendstes Buch über Kriegsstrategie. Die Sun-Tsu-Expertin Hunter Liguore interpretiert den Klassiker nun völlig neu: nicht als Strategie zur Vernichtung äußerer Feinde, sondern vielmehr als Leitfaden zur Kontrolle und Harmonisierung des menschlichen Geistes. So deutet sie etwa das ›Schlachtfeld‹ als Symbol für unser spirituelles Terrain, auf dem wir schädigende Gedanken besiegen müssen. »Die moderne Kunst des Krieges« enthält eine Fassung des von Hunter Liguore neu interpretierten Originaltextes.
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Seitenzahl: 385
Veröffentlichungsjahr: 2024
Hunter Liguore
Mit Sun Tsus Meisterwerk zu Ganzheit und innerem Frieden
Aus dem Englischen von Matthias Schulz
Anaconda
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Titel der englischsprachigen Originalausgabe:The Modern Art of WarAll Rights ReservedDesign and typography copyright © Watkins Media Limited 2024Text Copyright © Hunter Liguore 2024First published in the UK and USA in 2024 by Watkins, an imprint of Watkins Media Limitedwatkinspublishing.com
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2024 by Anaconda Verlag, München, einem Unternehmen derPenguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Adobe Stock / forsaken, ValediUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deISBN 9-783-641-32438-4www.anacondaverlag.de
Zu kämpfen und zu erobern bedeutet, den Widerstand des Geistes ohne Kampf zu brechen. – Sun Tsu
Erste Schritte:Sun Tsus verborgener Pfad zu Frieden und Ganzheit
Kapitel 1 Pläne schmieden
Kapitel 2 Die Kosten des (geistigen) Krieges
Kapitel 3 Mit Kriegslist arbeiten
Kapitel 4 Das eigene Wesen berechnen
Kapitel 5 Fest verwurzelte Konzentration
Kapitel 6 Schwächen und Stärken ausgleichen
Kapitel 7 Kalkulierte Aufmerksamkeit
Kapitel 8 Methoden variieren
Kapitel 9 Die Erweiterung des betrachtenden Bewusstseins
Kapitel 10 Das Terrain des Geistes
Kapitel 11 Die neun (wertfreien) Wahrnehmungsfelder
Kapitel 12 Der Wille aus ganzem Herzen
Kapitel 13 Zerbrechlichkeit verstehen
Nachwort Dein innerer Pfad zu Frieden und Ganzheit
Über die Autorin
»Ist ja doch auch […] der Sieg über sich selbst der erste und herrlichste von allen Siegen und das Sichselbstunterliegen unter allem das Schimpflichste und Schlimmste zugleich, und dies deutet doch darauf hin, dass Krieg in einem jeden von uns gegen sich selber sei.«
– Platon, Nomoi1, Buch 1, 626:e
Sun Tsus Die Kunst des Krieges wurde 1782 erstmals von dem Jesuiten Joseph Amiot übersetzt und gilt seitdem in der westlichen Welt als militärische Abhandlung und taktischer Leitfaden für die Kriegsführung auf dem Schlachtfeld. Es leistet Militärstrategen seit bald 2600 Jahren gute Dienste und bis heute setzen Manager und andere Wirtschaftsvertreter die in diesem Werk empfohlenen Taktiken gegen Wettbewerber ein.
Aber was, wenn das Buch eigentlich einem anderen Zweck dienen sollte? Was, wenn es niemals für Generäle oder Wirtschaftskapitäne gedacht war, sondern für ganz gewöhnliche Menschen, die nach mehr Sinn und Bedeutung für ihr Leben strebten?
Entgegen der allgemeinen Auffassung war Sun Tsu keineswegs ein Militärgeneral. Er war vielmehr ein spiritueller Berater, Mystiker oder Weiser, der eine inspirierte Abhandlung zu jenem Krieg verfasste, der in unserem Geist tobt. Zu der Zeit, als Sun Tsu Die Kunst des Krieges schrieb, waren militärische Kämpfe an der Tagesordnung, also verwendete Sun Tsu sie als symbolische Allegorie. Und auch, wenn es im Verlauf der Geschichte immer wieder fälschlicherweise so dargestellt wurde, hat Sun Tsu diese Abhandlung nicht für einen Herrscher verfasst, sondern für das gemeine Volk. Und die Botschaft des Werkes war schlicht: der verborgene Pfad zu Frieden und Ganzheit.
Einen Autor hatte Die Kunst des Krieges nicht, denn das hätte bedeutet, dass noch immer ein Ich oder ein Selbst vorhanden war. Was Historiker als Die Kunst des Krieges bis in die Moderne weiterreichten und Sun Tsu zuschrieben, folgt in Wahrheit der Tradition philosophischer Lehrmeister wie Laotse, Homer oder Vyasa, dem Verfasser der Bhagavad Gita. Allein schon die Behauptung, es habe sich bei Sun Tsu um einen Mann gehandelt, würde bedeuten, dass man dieser unbekannten Person eine Identität aufzwingt. Um die Tradition der symbolischen Autorschaft zu bewahren und die Idee zu propagieren, dass wir alle Meister Sun oder Meisterin Sun sind, wird dieses Buch abwechselnd mit ›er‹ und ›sie‹ arbeiten. Damit sollen nicht nur Sun Tsus inklusive Lehren unterstützt werden, es sollen auch vorgefasste Meinungen über diese unbekannte lehrende Person abgebaut werden.
Die moderne Kunst des Krieges – Mit Sun Tsus Meisterwerk zu Ganzheit und innerem Frieden interpretiert Sun Tsus Werk ganz neu und erforscht die uralte Weisheit der Selbstfindung mithilfe der wahrhaftigsten Kunst des Krieges – dem Kampf darum, den eigenen Geist wie auch die Gedanken zu kontrollieren, die den Geist beherrschen. Begleitet werden diese Lehren von speziellen Werkzeugen und Übungen, die du schrittweise anwenden kannst. Hast du alle Lektionen gemeistert, kannst du inneren Frieden finden und ein erfülltes Leben führen.
Das Buch als Ganzes ist als Einladung zu verstehen, als Möglichkeit, die Feinde aus dem Feld zu schlagen, die das Königreich des inneren Friedens bedrohen. Erlangen wir Gelassenheit, unseren natürlichen Zustand, gewinnt unser Leben neue Bedeutung. Wir können mit mehr Harmonie leben, mehr Güte, mehr Einheit und Gleichmut.2 Das wirkt auf alles ein, was wir tun, und verwandelt unser Leben und in der Folge die Welt, in der wir leben, in einen harmonischeren Ort.
Das ist die versteckte Botschaft von Die Kunst des Krieges.
Diese sanfte Weisheit wurde in ihrer Gesamtheit so umgeschrieben, wie sie ursprünglich von Sun Tsu beabsichtigt worden war, und wird auf diesen Seiten als neues Werk vorgestellt.
Sehen wir uns zu Beginn Sun Tsus Abstammung an. Sun Tsu gehörte einer Familie von Militärexperten beziehungsweise einer Familiengilde an, die Ho Lu unterstellt war, dem König der chinesischen Provinz Wu im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Beeindruckt davon, wie viele Schlachten Sun Tsu gewonnen hatte, ernannte Ho Lu Sun Tsu zum General seiner Truppen. Der Legende nach feierte Sun Tsu viele Jahre lang weitere militärische Erfolge und produzierte dann die Abhandlung Die Kunst des Krieges.
Wenig bekannt ist, dass jede Familiengilde die militärischen Informationen oder Fähigkeiten besaß, auf die sie sich spezialisiert hatte (in diesem Fall Taktiken und Strategien der Kriegsführung). Dieses Spezialwissen reichte man ausschließlich von Generation zu Generation weiter, üblicherweise mündlich und durch Übungen – ganz ähnlich, wie im Mittelalter Schmiede ihre Nachfahren lehrten, Eisen auf eine ganz spezielle, altbewährte Methode zu schmieden.
Das wirft die Frage auf: Wenn Sun Tsus Militärstrategien Familieneigentum von hohem Wert waren, das die Familiengilde streng hütete, warum sollte Sun Tsu sie dann niederschreiben und damit praktisch Familiengeheimnisse verraten?
Gehen wir davon aus, dass die Mitgliedschaft in einer Gilde Arbeitsplatzsicherheit bedeutete, dann gab man der Konkurrenz einen Vorteil an die Hand, wenn man Informationen teilte. Das reduzierte die Aussichten der Gilde, langfristig zu überlegen, stark. Hätte Sun Tsu als General der Armee seine besten Strategien geteilt, hätte er damit seiner eigenen Laufbahn geschadet; er hätte seinen Ruf ruiniert und sich sogar ersetzbar gemacht. Und sollte König Ho Lu Sun Tsu tatsächlich beauftragt haben, das Handbuch für absoluten Erfolg auf dem Schlachtfeld zu verfassen, weil er sich zum ruhmreichen Herrscher aufschwingen und große Ländereien unterwerfen wollte, hätte er Sun Tsu doch gewiss mit gewaltigen Reichtümern überschüttet und ihm Ländereien, Titel und weitere Zuwendungen zukommen lassen. Gewiss hätte das auch bedeutet, dass die Chronisten Sun Tsus Erfolge ausführlicher festgehalten hätten, ähnlich wie bei anderen von Geschichtsschreibern gefeierten und in Erinnerung behaltenen Generälen, beispielsweise Miyamoto Musashi, Autor von Das Buch der fünf Ringe.
Sollte Sun Tsu ein derart ruhmreicher General gewesen sein, warum ist dann nicht mehr über seine Erfolge und sein Erbe bekannt?
Sollte es sich bei Sun Tsu jedoch nicht um einen General, sondern um eine Mystikerin in der Tradition anderer Philosophie-Meister gehandelt haben, hätten ihre Schüler diese Informationen niedergeschrieben und bewahrt, um die versteckte Weisheit mit der Absicht auszulegen, das Leid der menschlichen Existenz zu lindern, indem man die Menschen lehrt, den rastlosen Geist zu zähmen.
Sun Tsus Nachkommen und seine Schule starben mit der Zeit aus, der Sinn ihrer Lehren ging größtenteils verloren. Dann wurde Sun Tsu wiederentdeckt, aber falsch gedeutet. Bis heute.
Wenn es darum geht, welche inspirierten Weisheiten im Lauf der Zeit falsch gedeutet wurden, ist Sun Tsus Kunst des Krieges zweifelsohne keine Ausnahme. Seit Jahrhunderten kennt die Menschheit verschlüsselte philosophische Texte. Viele wurden zu etwas Oberflächlichem reduziert oder gediehen einzig als Mythos (und galten daher als unwahr). Was sich in den Tiefen zwischen den Zeilen verbarg, blieb unbeachtet oder geriet in Vergessenheit.3 Aber wie ging die ursprünglich beabsichtigte Bedeutung überhaupt verloren beziehungsweise wie wurde sie aufgegeben? Eine These besagt, dass die meisten heiligen Texte zwei Deutungsebenen aufweisen – eine moralische und eine philosophische (inspirierte Weisheit). Allgemein gesprochen, lagert die moralische Geschichte direkt an der Oberfläche (exoterisch), damit das Publikum sie rasch begreifen kann. Sie konzentriert sich auf die Moral und Tugenden, die im alltäglichen Leben von Bedeutung sind. Die meisten Leser verstehen das Werk nur auf dieser Ebene, doch mit mehr Sorgfalt lässt sich eine weitere, allegorische, verborgene Botschaft (esoterisch) entdecken. Darin geht es üblicherweise um Wissen zum menschlichen Ursprung und der menschlichen Existenz.
Jene Menschen, die die ursprüngliche Version der Kunst des Krieges hörten, waren sich der Bedeutung des Werks möglicherweise viel stärker bewusst – einer Bedeutung, die über Kriege und Schlachten hinausging und sich auf die verborgenen Methoden bezog, wie man sich den gequälten Geist untertan macht, durch Selbstkontrolle zum Sieg gelangt und auf diese Weise inneren Frieden erfährt.4 Die Zeit vergeht, Völker gehen auf Wanderschaft oder werden unterworfen, neue Ideen kommen und verschwinden wieder. Das kann dazu führen, dass ursprüngliche Gepflogenheiten verloren gehen oder mit der Zeit falsch interpretiert werden. Entdeckt man diese Texte dann wieder, liest man sie nicht immer mit dem nötigen Vorwissen über ihren Zweck oder vor dem Hintergrund des philosophischen Kontexts, vor dem sie ursprünglich geschrieben wurden.
Beide Interpretationen (esoterisch, exoterisch) haben Bedeutung und beide sind wichtig, aber sie bedienen zwei unterschiedliche Zielgruppen: zum einen die am Anfang ihrer Reise stehenden Suchenden, zum anderen Schüler und Schülerinnen, die sich aus ganzem Herzen dazu verpflichtet haben, auf dem jeweiligen Weg und in der jeweiligen Lehre voranzukommen. Wer wie Sun Tsu inspirierte Weisheit lehrt,5 erkannte und verstand das Ringen des Menschen, das es zu bewältigen gilt, will man sich den Weg zu dem unbegrenzten Potenzial eröffnen, das uns allen zur Verfügung steht. Beide Arten Schüler und Schülerinnen mit sämtlichen Informationen gleichzeitig zu konfrontieren, konnte sich als kontraproduktiv erweisen oder für falsche Zwecke missbraucht werden; also entwickelten die Lehrenden Schritte, die die Aufgabe leichter zu bewältigen machten und Erfolg garantieren sollten.
Warum das wichtig ist, erläutert Sun Tsu im ersten Kapitel ›Pläne schmieden‹: »Es wird den schwachen Schüler abschrecken, im Vorhinein zu wissen, welche Herausforderungen ihn erwarten.«
Wenn das Lehren als eine Abfolge von Schritten aufgebaut und verkleidet ist, können Schüler und Schülerinnen sich das Material aneignen, es üben und meistern, ohne sich allzu leicht von Schwierigkeiten und Rückschlägen abschrecken zu lassen – oder gleich ganz aufzugeben und die Flinte ins Korn zu werfen. In der Schule würde niemand mit Algebra beginnen, bevor er oder sie nicht Addieren und Subtrahieren beherrscht. Auch eine Schülerin Sun Tsus würde die Praxis der Ganzheit methodisch angehen, um langfristig ihre Erfolgsaussichten zu verbessern.
Und noch ein weiterer Aspekt kommt zum Tragen: Weil die inspirierten Lehren versteckt wurden, blieb ihre Reinheit erhalten. Das galt insbesondere für die Schüler, die sich aufrichtig einbrachten und die Lehren als heilig und wertvoll erachteten, als Schatz, der ihnen unter den Augen ihrer erfahrenen Meisterin schließlich zuteilwerden würde.
Selbstverständlich trug dieses Vorgehen dazu bei, dass eine gegnerische Religion, Kultur oder politische Strömung den Text nicht vernichtete oder veränderte, wie es der Kunst des Krieges beinahe widerfahren wäre. Nur weil die feinsinnigen spirituellen Wahrheiten als Abhandlung zum Krieg daherkamen und die wachsende militärische Klasse das Werk weiterreichte, konnte Die Kunst des Krieges überleben. Es galt nicht als religiöser Text und wurde deshalb bei staatlich sanktionierten Säuberungsaktionen nicht wie andere heilige Bücher den Flammen übergeben.6
Sun Tsus Geschichte kommt in einem Gewand aus Allegorien daher und liefert damit einen weiteren Beleg dafür, dass der inspirierende und philosophische Wert von Die Kunst des Krieges größer ist als der militärische. Geboren als Sun Wu, was ›Sonnenkrieg‹ bedeutet, legte die Person sich später den Namen Sun Tsu zu, ›Meister Sun‹. In Die Kunst des Krieges ist Meister Sun jemand, der sich seiner selbst bewusst ist, oder jemand, der in Verbindung mit ständigem Gewahrsein auf dem verborgenen Weg zu Frieden und Ganzheit wandelt:
»Den höchsten Gipfel über den Wolken bereisen,
jenseits des irdischen Reiches
und verhüllter Geheimnisse des Mondes, der zur Sonne aufsteigt.«7
Es Meisterin Sun gleichzutun, heißt hier für die Schüler und Schülerinnen, dass sie, wenn sie ihren Geist beherrschen, auch die gewöhnliche Existenz überwinden können.
Der Legende nach war Meister Sun bei Ho Lu in der Provinz Wu angestellt – ›Wu‹ bedeutet ›Krieg‹. Ho Lu ist eine historisch belegte Figur, hat aber in der Sun-Tsu-Erzählung vor allem die Funktion, für das zeitgenössische Publikum Vertrautheit aufzubauen und dann der Schülerschaft allegorisch zu vermitteln, dass die Sonne den geistigen Tumult bekämpfen muss, um die irdische Wahrnehmung zu überwinden. Das Zeitalter, das der Regentschaft Ho Lus vorausging, wird als ›Sonnenstaat‹ bezeichnet, weil ein Abkommen dafür sorgte, dass mehrere Jahrhunderte lang die Waffen ruhten.
Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass selbst die Zeit, in der Sun Tsu angeblich zur Welt kam, einen Teil der Allegorie darstellt, denn der ›Sonnenstaat‹ symbolisiert den perfekten Zustand, das Einssein mit der Quelle aller Dinge. Die Quelle steigt in den menschlichen Körper (oder das materielle Bewusstsein) der Täuschung hinab, hier dargestellt durch die Herrschaft des Ho Lu über Wu (Krieg).
Eine bekannte Geschichte schildert, wie Sun Tsu Ho Lu beeindruckte und so die Verantwortung über die Militärstrategie von Ho Lus Streitkräften erhielt, eine Geschichte, die das mythische Wesen Sun Tsus noch mehrt. Angeblich hatte König Lu vom großen Talent Sun Tsus gehört und wollte Sun Tsu auf die Probe stellen: Wenn es ihm gelänge, die weiblichen Bediensteten in der Kriegskunst zu unterweisen, würde der König Sun Tsu das Oberkommando über seine Heerscharen übertragen.8
Sun Tsu willigte ein und übertrug zwei Dienerinnen die Leitung einer größeren Gruppe von Soldatinnen. Er wies die Offizierinnen an, rechtsum zu machen, dann linksum, dann vorwärts zu marschieren und anschließend rückwärts. Aber die Frauen kamen aus dem Kichern nicht heraus, woraufhin Sun Tsu angeblich sagte: »Werden die Kommandos und Befehle nicht deutlich gegeben und verstanden, ist die Schuld beim General zu suchen.« Sun Tsu versuchte es erneut, aber das Ergebnis blieb dasselbe.
Daraufhin erklärte Sun Tsu: »Wurden die Kommandos und Befehle deutlich gegeben und verstanden, liegt die Schuld beim Soldaten.« Anschließend ließ er die beiden Dienerinnen enthaupten.
Damit war aber keineswegs Schluss. Nun ernannte Sun Tsu zwei weitere Dienerinnen zu Anführerinnen und gab Anweisungen. Dieses Mal wurden sie punktgenau befolgt! Als er sah, wie rasch die Soldatinnen Disziplin gelernt und kampfbereit geworden waren, übertrug König Lu Sun Tsu den Befehl über seine Truppen.
Diese Erzählung, eher eine Fabel als ein historischer Fakt, sicherte Sun Tsu einen Platz in den Geschichtsbüchern als großer Militärführer. Und dennoch steht bei diesem sanften Text nicht der physische Krieg im Mittelpunkt, sondern der Kampf darum, das Königreich des eigenen Geistes zu einen und freizusetzen.
Unter der faktischen Erzählebene liegt bei dieser Geschichte das Geheimwissen darum, wie man bewusste Wahrnehmung erlangt – oder einfacher gesagt, wie man (Selbst-)Kontrolle als Dauerzustand erreicht. Die Geschichte legt nahe, den Schleier einer doppelt wahrgenommenen Existenz fortzureißen und eine Existenz zu erkennen, die stets präsent und ganzheitlich ist. Einmal enthüllt, wächst unsere Macht, unser natürliches geistiges Gleichgewicht zu erhalten; frei von Stress, Sorgen, Zweifeln und Ängsten, aber förderlich für ein ausgeglichenes Leben voller Freude und Einheit. Wir springen nicht länger zwischen zwei Bewusstseinszuständen oder unterschiedlichen Emotionen hin und her, sondern bewahren uns einen Zustand der steten Ausgeglichenheit und verweilen darin. Das ist absolute Freiheit.
Übertragen wir diese Vorstellung auf die Geschichte der Dienerinnen, erkennen wir, dass Sun Tsu den Frauen nicht wirklich den Kopf abschlagen ließ, sondern vielmehr die Wurzel des doppelten Egos entfernte und auf diese Weise Zugang zum Quell der Disziplin ermöglichte, mit deren Hilfe sich die Selbstkontrolle der Ganzheit erreichen lässt. Auf diese Weise wird Sun Tsu (Meisterin Sun) das Kommando über sämtliche Streitkräfte (Sinne) im Kriegsgebiet (dem Geist) überantwortet. Dank der unbeirrbaren Anweisungen und Anleitungen (Wille) herrschte im Land (Intuition) Frieden (Ganzheit).
Heute existieren zahlreiche Bücher, die sich mit der militärischen (oberflächlichen) Bedeutung von Sun Tsus Werk befassen und einen besonderen Platz in der Weltgeschichte einnehmen. In Die moderne Kunst des Krieges befasse ich mich deshalb ausschließlich damit, die zeitlose und lang verborgene (esoterische) philosophische Weisheit zu erforschen, die Sun Tsus Abhandlung bereithält. Es geht nicht um irdische Schlachten, die ausgefochten werden, um irdische Erfolge und darum, irdische Reichtümer einzuheimsen, sondern um einen Kampf von viel größerer Bedeutung – den Kampf um die Kontrolle über den eigenen Geist.
Das Besondere an Die moderne Kunst des Krieges ist, dass es keiner einzelnen Tradition und keinem einzelnen Dogma verbunden ist. Insofern finden sich hier auch keine Einschränkungen durch Abgrenzung, vielmehr bietet das Buch Inklusion und Zugänglichkeit. Hier sind alle willkommen. Diese Lehre ist für alle Schülerinnen, unabhängig von ihrem Wissensstand und ihrer gesellschaftlichen Zugehörigkeit. Es geht darum, auf dem Lebensweg zur Selbstfindung Anleitung, Führung und Unterstützung zu bieten.
Diese Freiheit erlaubt es uns, unabhängiger zu leben und uns unmittelbarer unserem größten Bedürfnis zuzuwenden: Wir müssen unserem verborgenen Lehrer (oder unserer verborgenen Kriegerin) vertrauen und uns auf ein friedliches Leben einlassen, genau hier und heute. Und selbst wenn du schon hundertmal gescheitert bist, eröffnet dir Sun Tsu einen unverfälschten Raum, an dem du sein kannst. Hier kannst du dich wieder verbinden und – wie ein Krieger – den verborgenen Teil deines Ichs entdecken, der durch und durch schön ist.
Im Verlauf der 13 Kapitel werden wir aufdecken, welche Bedeutung sich hinter den einfachen Codes oder Symbolen verbirgt, die Sun Tsu benutzt hat, um über den rastlosen Geist zu sprechen. Du wirst erkennen, was dir am wertvollsten ist und was du direkt auf dein Leben anwenden kannst. Auf diese Weise kannst du im Laufe deines Lebens wieder und wieder zu diesem Buch greifen. Während du dich veränderst und wächst, wird sich dir an einem Tag möglicherweise eine bestimmte Bedeutung erschließen, und Jahre später, wenn du denselben Abschnitt erneut liest, könnte er eine andere Bedeutung für dich haben.
Um anzuleiten und zu unterstützen, griffen Lehrer und Lehrerinnen wie Sun Tsu auf ihre persönlichen Erfahrungen zurück, aber das ändert nichts daran, dass es vor allem die Schüler und Schülerinnen sind, die den Weg meistern müssen. Und auch, wenn man sich den Weg an einigen Stellen mit vielen anderen teilt, gehen doch alle ihren ganz persönlichen, eigenen Weg.
Beginnen wir mit einigen Symbolen, die erklärt werden müssen, damit du beim Lesen weißt, worum es geht. Um den Geist und das Bewusstsein zu erkunden, arbeitet Sun Tsu mit Begriffen aus der Welt der Militärstrategie. Insofern können wir die sekundäre Bedeutung hinter den Begriffen wie folgt deuten:
der Staat: das Selbst als Ganzes oder als Einheit des Bewusstseins.der Krieg: der Konflikt zwischen dem niederen und dem höheren Selbst, also die Kunst der Beobachtung.das Schlachtfeld: das Terrain des Geistes.der Feind: der rastlose Geist oder bewusste Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen. Das Ego, das die materielle Welt als real oder unveränderlich wahrnimmt. Der Feind hält den Schüler davon ab, seine innere Sonne zu finden. Häufig spricht es dafür, dass das bewusste Selbst das intuitive (oder höhere) Selbst davon abzuhalten versucht, Freiheit zu erlangen. Es lässt sich in Begierden und irdische Angelegenheiten aufspalten.der General: die Schülerin auf ihrem Weg; die Fähigkeit Einzelner, zu unterscheiden und zu handeln. (Beachte, dass wir nicht als Fußvolk zu unserer Reise aufbrechen, sondern als kommandierender General oder kommandierende Generalin. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er vermittelt uns die Vorstellung, dass unser Alltag und unsere Bestrebungen in unseren kompetenten Händen liegen.)die Armee: die Verteidigungstruppen des Geistes, beispielsweise bewusste Wahrnehmung oder Intuition (intuitive Entfaltung). In der materiellen Welt führen sie Krieg gegen die ›Feinde‹ des Geistes (Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen).die Pläne: der sanfte Weg oder der Pfad, der der fehlgeleiteten Wahrnehmung oder dem niederen und dem höheren Selbst Harmonie bringt.der Himmel: Yin oder das höhere Bewusstsein.die Erde: Yang oder das niedere Bewusstsein.Das Werk heißt Kunst des Krieges und nicht Kunst des Friedens, insofern bitte ich dich, deine Definition des Begriffs Krieg zu überdenken und zu erweitern. Es sollte Platz genug sein für die vielen Gesichter des Krieges, die Sun Tsu möglicherweise vorschwebten. Mittlerweile weißt du, dass das Thema Krieg eine Metapher ist und für den Kampf steht, den wir gegen unseren rastlosen Geist führen. Gleichzeitig sollten wir uns die weniger offensichtlichen Wege vor Augen führen, wie wir in unserem Leben durch unsere Gedanken und unser Handeln immer wieder Konflikte herbeiführen.
Würde ich dich bitten, ein Bild zum Thema Krieg zu malen, würdest du möglicherweise eine pilzförmige Wolke zeichnen, die über einer nichts ahnenden Stadt aufsteigt. Vielleicht zeichnest du Blutvergießen, Geschosse, Ruinen und viele Leichen – oder Menschen, die mit Schusswaffen kämpfen, mit Panzern, Drohnen, die vielleicht sogar Cyberkrieg führen. Jede Partei dieser Auseinandersetzung ist fest überzeugt, auf der Seite der Sieger zu stehen. Wir reden hier über groß angelegten physischen Krieg. Doch wenn man uns zeigt und lehrt, wie Krieg aussieht, kann es geschehen, dass wir nicht mitbekommen, wie Krieg still und leise andere Orte in unserem Leben durchdringt – Orte, die uns näher sind.
Geht es um den Geist, kommt es zu Krieg, wenn unsere Gedanken, wo auch immer wir uns aufhalten, Spaltungen verursachen. Unterscheiden wir zwischen gut und böse? Zwischen fröhlich und traurig? Sind wir gleichgültig? Dann erschaffen wir eine Spaltung zwischen uns und dem anderen. Bauen wir in irgendeiner Form Widerstand gegen andere auf, führen wir geistigen Krieg.
Bewegen wir uns von mentalem Gleichgewicht fort und hin zu einem Zustand der Gewalt, des Urteilens, des Kontrollierens oder zwingen wir anderen sogar rücksichtslos und ohne deren Zustimmung unseren Willen auf, verursachen wir Kleinkriege.
Wenn wir auf unserer Meinung und unseren Ansichten beharren, anstatt abweichende Meinungen und Ansichten zu respektieren und zu schätzen, welche Rolle spielen dann unsere Gedanken? Manchmal erschaffen wir Grenzen und Abgrenzungen und behaupten, wir hätten recht und eine andere Person habe unrecht oder sei weniger wert.
Erschaffen wir geistige Zäune (Abgrenzungen), erschaffen wir das Schlachtfeld des Geistes, um das es Sun Tsu geht.
Andere Beispiele:
Wutentbrannt mit den Händen fuchtelnd, schneidet uns plötzlich ein ungeduldiger Autofahrer und wir bekommen einen Wutanfall.Wir streiten uns mit anderen wegen unserer Ansichten und werden dabei rechthaberisch und verlernen, uns zu versöhnen.Wir streiten uns mit Nachbarn oder der Gemeinschaft wegen Dingen, die wir nicht mögen, und sind dabei der Ansicht, unser Weg sei der einzige richtige.An der Ladenkasse wird ein zu hoher Preis angezeigt und wir lassen unsere Verärgerung darüber am Kassenpersonal aus.Wer gärtnert, reißt Unkraut heraus und erschafft auf diese Weise einen Kampf zwischen dem, »was dort hingehört«, und dem, »was dort nichts zu suchen hat«. Aber für die Erde sind es alles Pflanzen.Konflikt finden wir in unserer Kritik, in unseren Urteilen, in unserer Wut oder anderen Gefühlszuständen wie Neid, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Besorgnis. Diskriminierung, Hass und Separatismus beschleunigen den Gedanken des Andersseins, was wiederum künftigen Konflikten Vorschub leistet.
Und genauso können wir uns im Spiegel betrachten und ein wertendes Urteil fällen (hässlich, hübsch, zu dünn, zu dick). Dadurch bauen wir Widerstand gegen die uns innewohnende Schönheit auf. Jahr um Jahr machen unser Geist und seine Gedanken uns glauben, dass sich unsere Realität in einem steten Auf und Ab befindet, dass eine ungewisse Zukunft die Realität kontrolliert und vorgibt und dass wir keinerlei Kontrolle darüber haben.
Doch das tun wir, das sagt uns Sun Tsu.
Beginnen wir die Lehren zum verborgenen Pfad zu Frieden und Ganzheit anzuwenden, verstehen wir, dass es nicht die anderen sind, die unser Leben und die Umwelt ruinieren und die Welt in einen furchtbaren Ort verwandeln. Es wird uns klar, dass wir es selbst in der Hand haben, durch einen ruhigen, friedvollen Geist sofortigen Wandel herbeizuführen. Sehr schnell werden Menschen und Orte – unser eigener Geist – nicht länger unsere Widersacher darstellen.
Diese einzigartige Nacherzählung ist ein Strategieplan, der uns dazu führen soll, unsere angeborene Fähigkeit wiederzuentdecken, erneut die Herrschaft und Kontrolle über unser Bewusstsein (oder die alltäglichen Umstände) zu übernehmen und einen Friedensschluss zwischen den beiden Zuständen unserer Wahrnehmung oder unseres Selbst (höheres und niederes Bewusstsein) herbeizuführen. Ganzheit wird unser natürlicher Zustand und wir nehmen die Welt um uns herum ohne Grenzen wahr, denn der Geist wird still und ewig, er wird wie das allsehende Auge, mit dem in der Mythologie der alten Griechen der Zyklop dargestellt wird. Zyklopen werden üblicherweise als geblendet dargestellt und stehen für den Sturz in die Täuschung oder für Blindheit gegenüber dem eigenen ganzen, singulären Selbst.
Dieser Zustand des Nicht-Krieges oder des Friedens ist präsent und bewusst. Sokrates, ein Lehrmeister der inspirierten Weisheit, erklärte es wie folgt: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.« Die von Platon festgehaltene Aussage deuten viele als Beleg für Sokrates’ Bescheidenheit, tatsächlich jedoch drückt sie die Erfahrung des einheitlichen Bewusstseins (oder der Nicht-Dualität) aus: Zu »wissen« heißt, sich seiner selbst bewusst zu sein und sich im Einklang mit der eigenen intuitiven Ganzheit zu befinden, anstatt sich auf den denkenden, von Gefühlszuständen geleiteten Geist zu verlassen.
Kurz gesagt: Stellt der Geist sein Geschwätz ein, fließt er gleichmütig dahin, friedlich und präsent. Er kann (technisch betrachtet) nichts ›wissen‹, er kann kein Urteil fällen oder Spaltung betreiben. Stell dir vor, wie sich eine Stunde der Klarheit und Weitläufigkeit anfühlen mag, völlig ungestört von Gedanken. Es ist eine sehr kraftvolle und zugleich sanfte Erfahrung, die einen Zustand der Ruhe und des Friedens erzeugt, der es uns erlaubt, unsere unbestreitbar vorhandene Weisheit, Wahrheit und Kenntnis, von deren Existenz wir zuvor möglicherweise gar nichts gewusst hatten, direkt anzuzapfen.
In der Mythologie der alten Griechen wurde der von Frieden erfüllte Geist als Halbgott dargestellt, wie beispielsweise Herkules, der mit göttlichen und menschlichen Fähigkeiten gleichermaßen zur Welt kam. Symbolisch gesprochen werden auch wir als Halbgötter geboren und verfügen sowohl über ein göttliches Bewusstsein als auch eines der materiellen Welt (oder Himmel und Erde, Yin und Yang). Sie verleihen uns Macht (bei Herkules symbolisiert durch seine körperliche Kraft) über Materie/Schöpfung. Der materielle (oder bewusste) Geist wähnt sich in Kontrolle, erkennt dabei die immer gegebene göttliche Natur nicht und strebt stets danach, diese Perfektion zu realisieren.
Sun Tsu lehrt uns, dass man Ganzheit durch unangestrengtes Zulassen erlangt, wenn wir uns also nicht länger gegen unser wahres Wesen sperren und wie Herkules im Vollbesitz unserer Kräfte sind, indem wir im Gleichgewicht zwischen unserem menschlichen und unserem göttlichen Selbst leben. Es gibt nichts, gegen das wir ankämpfen müssen. Unsere Intuition meldet sich und wir vertrauen ihr, anstatt sie zu ignorieren, und beginnen, im Fluss zu leben. Gleichzeitig besteht keine Notwendigkeit, unsere Gedanken zu reinigen oder sie vorsätzlich zu unterbinden. In gewisser Weise ist es nicht gut, sich den rastlosen Geist als etwas vorzustellen, das man loswerden muss. Es handelt sich vielmehr um ein Werkzeug, um ein ›Auge‹, das sieht, deutet und das uns auf der materiellen/bewussten Ebene leitet. Anstatt Krieg dagegen zu führen, können wir uns dieses Werkzeug zunutze machen und es unserer Intuition dienen lassen.
Hören wir auf zu kämpfen, verlassen wir uns auf unser Wissen und erlauben uns, voll und ganz unser wahres Ich zu leben, ungehindert von sämtlichen äußeren Einflüssen. So erklärt es Sun Tsu.
Die Kunst des Krieges wurde zur Zeit der Streitenden Reiche beliebt, einer Periode der chinesischen Geschichte, in der weite Teile der Öffentlichkeit dem gewaltigen Militärkomplex angehörten. Damals war es eine Sache von Leben und Tod, das Werk zu schützen. Dass der unbekannte Verfasser das Werk erhalten hat, war ein selbstloser Akt und diente einzig dazu, anderen von Nutzen zu sein und sie aus dem Kreislauf menschlichen Leidens zu befreien.
Soldaten, die Obrigkeit und das gemeine Volk, das unmittelbar oder mittelbar mit der Militärklasse zu tun hatte – sie alle hatten Zugang zu diesem Werk, und das führt uns zu einem weiteren wichtigen Grund: Konnte man den Personen, die das tatsächliche Kämpfen übernahmen, zeigen, dass das Leben mehr zu bieten hat, als Feinde auf dem Schlachtfeld zu erschlagen – und damit auf beiden Seiten für unermessliches Leid zu sorgen –, und konnte man ihnen mithilfe des heiligen Wissens um den Pfad zu innerem Frieden Freiheit schenken, so konnte man den physischen Krieg beenden.
Die friedvollen Helden und Heldinnen, die Die Kunst des Krieges übertrugen und bewahrten, stellten die vorherrschende Denkweise ihrer Zeit in Frage. Diese besagte, dass es nur einen einzigen Weg gibt, friedliche Beziehungen herbeizuführen – durch physischen Krieg. Doch dank Sun Tsus Wissen um Ganzheit können wir aus der Vergangenheit lernen und wissen: Was einem Menschen wehtut, tut allen Menschen weh.
So betrachtet, durchläuft Sun Tsus Lehre einen Wandel. Aus einem Text, der einstmals kriegerische Handlungen fortführte, wird ein Weg in eine Zukunft, in der Frieden in Sichtweite und realistisch ist und allen Menschen zur Verfügung steht.
Wie viele Menschen im Laufe der Geschichte Sun Tsus Lehren hörten und ihre Waffen niederlegten, werden wir niemals genau sagen können. Heute schließen wir uns jenen an, die sich der Friedenslinie von Meisterin Sun verschrieben haben. Wenn wir denken, sind wir keine Inseln. Unsere Gedanken erzeugen eine schwache Vibration, die überall gespürt und empfangen wird, sei es von Mitmenschen oder unserer natürlichen Umgebung (durch Stürme, Katastrophen und so weiter). Wir sind nun einmal Teil einer kollektiven Realität. Fassen wir jedoch Fuß in diesem kriegerischen Geisteszustand, der nicht immer, aber oftmals Ablenkung und Unordnung in der Welt heraufbeschwört, verstehen wir, dass wir imstande sind, eine neue Zukunft zu erschaffen, die auf Gleichgewicht und Harmonie basiert, für uns und für andere.
Seine Schüler und Schülerinnen bittet Sun Tsu, sanft voranzuschreiten, ohne die Notwendigkeit, etwas zu erzwingen, sich anzustrengen oder zu suchen. Vielmehr sollen sie zulassen, dass unsere innere Lehrerin, welche die Zwietracht stiftenden Gedanken regiert und ein gut geführtes Königreich ins Leben ruft, direkt aktiv wird. Auf diese Weise verlagern wir unsere Wahrnehmung von der Unordnung zur Ordnung. Das bringt ein eigenes Maß an sozialer Verantwortung mit sich und erlaubt uns unbegrenzte Möglichkeiten, anderen gegenüber sanft und mitfühlend zu sein und eine Welt aufzubauen, in der Frieden zum Dauerzustand wird.
Verbinden wir uns (mit ganzem Geist) mit anderen in kollektiver Harmonie, werden wir Teil der gemeinsamen Verbindung, die allen Lebewesen auf globaler Ebene zur Verfügung steht.
Es ist eine wunderschöne und mühelose Art, mit anderen zusammenzuleben, und sie steht uns zu allen Zeiten und in jedem Augenblick zur Verfügung. Tatsächlich solltest du keine Gelegenheit verstreichen lassen, verirrte oder unbedachte Gedanken zu vermeiden, die anderen Lebewesen Schaden zufügen könnten.
In der Folge wird die Liebe gedeihen und Sanftheit ohne Anstrengung herrschen. Das ist das Versprechen, das Sun Tsu mit dem verborgenen Pfad zu Frieden und Weisheit gibt.
Wenn wir diesen Pfad gemeinsam beschreiten, wollen wir das offen und ohne Furcht tun. Dies ist ein Kampf, bei dem es keinen Rückzug gibt.
Die moderne Kunst des Krieges besteht aus 13 neuen Kapiteln, die auf ursprünglichen esoterischen Lehren beruhen und die ursprüngliche Nummerierung der Giles-Übersetzung ins Englische aufgreifen. Jedes Kapitel enthält eine Zusammenfassung, gefolgt von einem Kommentar, der Sun Tsus zentrale Ideen aufnimmt und aufzeigt, wie du das Gelernte in deinem eigenen Leben und bei deinen Übungen anwenden kannst. Jedes Kapitel schließt mit Gedanken, denen du nachgehen kannst, einige Kapitel enthalten praktische Übungen.
Damit du einen Eindruck davon erhältst, was vor dir liegt, fasse ich die einzelnen Kapitel kurz zusammen:
Kapitel 1: Pläne schmieden. Wir verpflichten uns, am rastlosen Geist zu arbeiten, und erstellen zu diesem Zweck einen Plan. Wir befassen uns mit den häufigsten Stolpersteinen beim Versuch, den Geist in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig schaffen wir einen vielversprechenden Ausgangspunkt.Kapitel 2: Die Kosten des (geistigen) Krieges. Nachdem wir uns ernsthaft dazu verpflichtet haben, ist ein Rückzug keine Option mehr, die uns Angst bereitet. Wir beobachten objektiv, was wir denken, tun, sagen, fühlen und so weiter, während wir auf den Zustand der Ganzheit zusteuern.Kapitel 3: Mit Kriegslist arbeiten. Die direkte Beobachtung wird als vorläufiges Mittel gelehrt, flüchtige Gedanken strategisch zu stören, zu zerschlagen, abzulenken oder zu unterwerfen. Dadurch entstehen neue Wege zu Frieden und Harmonie.Kapitel 4: Das eigene Wesen berechnen. Es geht um das Wesen des Gedankens; wie er entsteht und wie er Gedankenströme erzeugt, die durch das Wahrnehmungsfeld verzerrt werden. Durch Vorherwissen können wir uns mithilfe unserer inneren Sonne einen Vorteil verschaffen und erfüllter leben.Kapitel 5: Fest verwurzelte Konzentration. Hier befassen wir uns mit der ersten Stufe der Konzentration. Wir lernen, wie wir uns einen Vorteil gegenüber dem üblichen, ungeordneten Zustand oder den Unausgewogenheiten erschaffen, mit denen wir es tagtäglich zu tun haben. Wir lernen, unsere Aufmerksamkeit ohne große Anstrengung auf Einheit und Harmonie zu lenken.Kapitel 6: Schwächen und Stärken ausgleichen. Wir legen uns ein tieferes Verständnis davon zu, wie unser Geist Dualität und Spaltungen erschafft. Auf diese Weise können wir regelmäßiger strategisch für ein Gleichgewicht und Harmonie sorgen.Kapitel 7: Kalkulierte Aufmerksamkeit. Wir befassen uns mit unserer angeborenen Fähigkeit, unserer Wahrnehmung mehr Disziplin und Konzentration zu verleihen. Dadurch wächst unser Verständnis dafür, wie sich unsere Gedanken vermehren und das Bewusstsein überlagern.Kapitel 8: Methoden variieren. Durch direktes Ausprobieren entdecken wir die fünf Arten der vorteilhaften Anpassung und das Wesen der Gedanken. Sind wir uns dessen bewusst, wie Gedanken entstehen, können wir uns auf ihre Stärke und auf die Tricks, mit denen sie unserer Aufmerksamkeit zu entgehen suchen, einstellen und entsprechend reagieren.Kapitel 9: Die Erweiterung des betrachtenden Bewusstseins. Je besser wir mithilfe von Konzentration und Aufmerksamkeit das Wahrnehmungsfeld zu leeren verstehen, desto mehr sorgen wir für Gleichmut als einen regelmäßigen Bewusstseinszustand, der wächst und wächst.Kapitel 10: Das Terrain des Geistes. Wir haben nun einen Eindruck vom wachsenden Geist bekommen. Im nächsten Schritt bringt uns Sun Tsu die sechs offensichtlichsten Arten näher, wie Gedanken auftauchen – oder genauer gesagt: wie wir über ein grenzenloses Wahrnehmungsfeld hinweg Gedanken spüren.Kapitel 11: Die neun (wertfreien) Wahrnehmungsfelder. Lerne auf 13 unterschiedliche Weisen spüren, wie Gedanken erscheinen. Dieses Wissen wird dir helfen, Konzentration und Bewusstsein aufrechtzuerhalten und auf diese Weise Frieden und Ganzheit zu erreichen.Kapitel 12: Der Wille aus ganzem Herzen. Inzwischen hast du das Wahrnehmungsfeld begriffen, deshalb kannst du Einschränkungen des Denkens und der Sinne überwinden. Du erkennst Ausbrüche und kannst das natürliche Gleichgewicht wiederherstellen.Kapitel 13: Zerbrechlichkeit verstehen. Hier betrachten wir die zentrale Lehre zur Frage, wie man Zerbrechlichkeit erkennt. Zerbrechlichkeit bringt ein Verständnis dafür mit sich, wie unsere Existenz mit allem anderen zusammenhängt. Das Licht der inneren Sonne führt zum Triumph!Seinen größten Nutzen entfaltet dieses Buch möglicherweise, wenn du es einmal komplett durchliest und dann für ein ausführlicheres Studium zurück an den Anfang gehst. Übernimm, was dir von Nutzen erscheint, für den tagtäglichen Gebrauch. Alternativ kannst du auch erst ein Kapitel lesen, die enthaltenen Informationen durchgehen und für einen gewissen Zeitraum die Erkenntnisse in der Praxis anwenden. Fühlst du dich mit dem Thema ausreichend vertraut, gehst du das nächste Thema an. Du könntest also ein Jahr lang die Kapitel durchgehen, immer eines pro Monat, oder das Thema ein Jahr lang (plus einen Monat) studieren.
Alles in allem soll der Kommentar dich dabei unterstützen, die Lektionen in Die moderne Kunst des Krieges aufzunehmen, während du dich hier und heute und nicht irgendwann in ferner Zukunft aktiv am täglichen Leben beteiligst. Es kann von Nutzen sein, dass du die Arbeit im Rahmen eines Hobbys, Handwerks oder beruflich anwendest. Das Wiederholen einer einzelnen Aufgabe erlaubt es dem Geist, sich besser zu konzentrieren und zu fokussieren. Mit der Zeit führen diese Schritte zur Meisterschaft.
Vielleicht schreibst du, kletterst, tanzt, singst, schauspielerst, fährst Rennen, betreibst Bildhauerei, strickst, bist Ingenieur, Mechanikerin, Athlet, Musikerin oder Erfinder. Praktizierst du ein Handwerk, kann auch dies ein Weg sein, an Sun Tsus Methode der Beobachtung oder einer der anderen Lehren aus diesem Buch zu arbeiten.
Unser Alltag bietet eine endlose Abfolge von Aufgaben, die es uns ermöglichen, mithilfe von Sun Tsus Lehren unseren Geist in den Griff zu bekommen – beim Toiletteputzen, Kochen, Spielen, Wäschewaschen, Gärtnern, beim Gespräch mit Kunden, beim Einräumen von Waren oder Packen von Paketen, beim Fegen oder Teekochen eröffnen sich unglaublich gute Wege, Geduld und Ruhe zu lernen.
Jede Handlung zählt. Der Schlüssel besteht darin, im nächsten sich bietenden Augenblick zu beginnen. Schließe dich mir an! Jetzt!
Mache den Tag zu deiner Meditation, zu einer in jedem Augenblick währenden Meditation oder Feier, zu einem einzigartigen, unaufhörlichen Ausdruck des Hier und Jetzt. Die Alltagssorgen werden schrittweise verblassen und du wirst dich allmählich aus dem Krieg des ständigen Denkens zurückziehen, der verhindert, dass du dein wahres Ich erkennst. Legen wir den Krieg bei, der in unserem Inneren tobt, ist es uns möglich, wie Meister Sun zu werden.
Mögen deine Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein.
Denkanstoß: Der Pfad zu Frieden und Ganzheit
»Es ist kein Fall bekannt, bei dem ein Schüler von einer längeren Vorbereitung auf die Übungen profitiert hat.« – Kapitel 2
Wie sieht für dich physischer Krieg aus? Zeichne ein Bild oder schreibe ein Gedicht.Wie sieht im Gegensatz dazu persönlicher Krieg in deinem Leben aus? Nenne ein Beispiel für einen Konflikt, den du aktuell gerade mit anderen führst.Bei welchen Gelegenheiten hast du wissentlich deine Intuition erlebt?Wie einfach/schwierig ist für dich die Vorstellung, dass in dir eine Lehrerin wartet und dass auch das Streben nach Frieden und Weisheit keine externe Aufgabe ist, sondern der Schlüssel dazu in dir selbst liegt?Was erhoffst du dir für dein neues Leben? Was willst du, jetzt, wo du dich auf Sun Tsus verborgenen Pfad zu Frieden und Ganzheit begibst, einbringen?Wie sieht ein Leben in Frieden und Harmonie für dich aus?Welche Fähigkeit, welcher Beruf oder welches Handwerk interessiert dich? Worauf kannst du Sun Tsus Lehren anwenden? Sollte dir nichts einfallen: Was begeistert dich, was inspiriert dich? (Tue das jetzt.)Nenne eine Sache, die du heute tun kannst und die eine vorgefertigte Meinung über andere zum Einsturz bringt. Bringe Frieden in diesen Kleinkrieg.Wo in deinem Leben (oder in der Welt im Allgemeinen) zeigt sich, dass, was einer Person wehtut, uns allen wehtut? Welche Schritte lassen sich unmittelbar ergreifen, um für Veränderung zu sorgen?Was tust du gerne und wie könntest du damit beginnen, es künftig stärker wertzuschätzen und die Lektionen, die du lernen wirst, darauf zu übertragen?1 Deutsche Übersetzung: Dr. Franz Susemihl, Stuttgart 1862/63.
2 Gleichmut im Sinne Sun Tsus ist eine Erfahrung von Ganzheit. Der Geist unterliegt keinem ständigen Wandel an Emotionen, er strahlt vielmehr Ruhe, Harmonie und Vollkommenheit aus.
3 Einige Beispiele für kodierte philosophische Texte: Beowulf, das Mabinogion, Platons Nomoi, das Popol Vuh und Die Odyssee.
4 Ein anderes Beispiel: Frühe Kelten, die mit den Geschichten vertraut waren, die nun als Mabinogion bekannt sind, haben den ersten Satz »Pwyll Prince of Dyved was lord of the seven Cantrevs of Dyved« trotz seines epischen Tons und seiner epischen Qualitäten möglicherweise als »Weisheit war Herrscher über die sieben Territorien (des Geistes)« verstanden. Siehe Forests of Annwn von dieser Autorin.
5 Beispiele für Lehrer inspirierter Weisheit sind Pythagoras und der altägyptische Pharao Echnaton. Letzterer wird häufig fälschlich als Anhänger der Sonnenscheibe dargestellt, wobei diese treffender als Symbol dafür angesehen werden sollte, dass man das gewöhnliche Bewusstsein beherrscht.
6 Für weitere Informationen siehe Zeit der Streitenden Reiche (475 – 221 vor unserer Zeitrechnung) und die Herrschaft von Qin Shihuangdi, dem Begründer des chinesischen Kaiserreiches.
7 In unterschiedlichen Kulturen gilt die Sonne als allegorisches Symbol für Ganzheit (bewusste Einheit, Erleuchtung, Nicht-Dualität, Einssein mit Gott/Göttin/Göttlichkeit), etwa bei den alten Ägyptern, den Maya oder den alten Griechen.
8 Diese Geschichte stammt aus den 1985 bei Ausgrabungen entdeckten Bambustexten von Yinqueshan. Visuell dargestellt findet sie sich in dem Fernsehfilm The Art of War (Regie: David W. Padrusch, 2009).
1. Sun Tsu sagt: Die Kunst, den Geist zu beobachten, ist für das Selbst von allergrößter Bedeutung.
2. Ein vereintes Selbst zu erreichen, ist eine Frage von Leben und Tod. Der Weg führt entweder in Sicherheit oder in den Untergang.
3. Beim Kampf um ein vereintes Selbst sollte man fünf Grundsätze in seine Abwägungen einfließen lassen, um das Einssein mit der Quelle zu erreichen.
4. Diese fünf Grundsätze sind das moralische Gesetz, Himmel, Erde, der General sowie Methode und Disziplin.
5.–6. Wer das Gesetz der Moral oder den Weg befolgt, befindet sich in völligem Einklang mit dem höheren Selbst und folgt ihm, welche Gefahr auch immer drohen mag. Lässt man zu, dass das höhere Selbst die Kontrolle übernimmt, steht der Körper in Einklang mit dem Selbst und fürchtet nichts Irdisches.
7. So wie sich Tag und Nacht ausgleichen, Kälte und Wärme und die unterschiedlichen Jahreszeiten, muss sich auch der Himmel (Yin) beziehungsweise das höhere Selbst im Gleichgewicht befinden, damit der Schüler oder die Schülerin sich dessen bewusst werden kann.
8. Erde (Yang) beziehungsweise Ego (oder das niedere Bewusstsein, das den Körper als Form wahrnimmt) durchläuft viele Hindernisse, größere wie kleinere. Andere werden das Gefühl der Sicherheit angreifen und ins Wanken bringen, weil das Ego die Kontrolle nicht bereitwillig abtritt. Das bedeutet, dass die Schülerin Hingabe aufbringen muss. Gelingt es dir, den rastlosen Geist zu meistern, hauchst du dem vereinten Selbst Leben ein und tötest das Ego.
9. Der eifrige Schüler (der General) auf dem Weg zur Ganzheit wird feststellen, dass ihm die Tugenden Weisheit, Aufrichtigkeit, Wohlwollen, Mut und Strenge zur Verfügung stehen.
10. Mit Methode und Disziplin lassen sich die Heerscharen der Sinne und Begierden an dem für sie vorgesehenen Ort einsetzen. Die für das Bewusstsein benötigte Lebensenergie kann so ungehindert durch die Bahnen9 in den Körper strömen und du kannst kontrollieren, wie viel Lebensenergie verbraucht wird. (Wer sich bemüht zu üben, wird genügend Disziplin aufbringen, die eigenen Wünsche zu überwinden und die Sinne zu kontrollieren.)
11. Alle Schülerinnen und Schüler sollten mit den fünf Sinnen Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten vertraut sein. Wer sie zu kontrollieren versteht, wird triumphieren, wer nicht, wird scheitern. Schüler und Schülerinnen, die irdischen Begierden nachgeben, die aus den Sinnen resultieren (beispielsweise dem Geschmack, der zu Völlerei führen kann), werden Ganzheit nicht erreichen.
12. Wenn du also festlegst, auf welchem Pfad du Bewusstsein erlangen möchtest, solltest du die folgenden Fragen in deine Überlegungen einfließen lassen, um erfolgreich zu sein:
Das höhere oder das niedere Selbst – welches davon ist vom Pfad zu Frieden und Ganzheit durchdrungen?Welches von den beiden führt eher zum Erfolg?Welches ist stärker im Gleichgewicht und somit eher von Vorteil, wenn Hindernisse auftreten? Wie kannst du deinen Geist (Gedanken/Begierden) ins Gleichgewicht bringen?Auf welcher Seite wird Disziplin am strengsten durchgesetzt?Welche Seite ist besser ausgebildet?Welche Seite scheint eher imstande, unverändert zu bleiben (insbesondere im Zusammenhang mit Belohnung oder Bestrafung)?13. Mithilfe dieser sechs Punkte kann der Schüler (und die Lehrerin10) vorhersagen, ob der Geist beim Streben nach Einssein mit der Quelle Erfolg haben oder scheitern wird.
14. Hört der Schüler auf den Rat der Lehrerin (Intuition) und setzt ihn in der Praxis um, wird er die Täuschung des Selbst überwinden können. Diese Art Schüler sollte die Kontrolle bewahren. Schüler, die nicht dem Rat der Lehrerin (dem Rat der Intuition) folgen oder diesen nicht umsetzen, werden im Zustand der Verblendung verharren und sich ihres ganzen Selbst nicht bewusst sein. Sie müssen die Kontrolle zurückerlangen.
15. Kennst du, über das hinaus, was dir deine Lehrerin/Intuition sagt, deine eigenen Schwächen, dann mach ihnen deutlich, dass du auch sie besiegen wirst.
16. Genauso gilt: Erzielst du in deinen Übungen keine Fortschritte, passe die Übungen entsprechend an.
17. Kriegsführung im rastlosen Geist – der Kampf darum, die Illusion des irdischen Reichs zu zerschlagen oder über sie hinauszuwachsen – beruht stets auf Täuschung.11 Das niedere Selbst (Erde) wird sich bemühen, das höhere Selbst (Himmel) zu täuschen. Das mag banal klingen, ist aber wichtig, denn viele Menschen brechen zur Reise zu innerem Frieden auf, werden dann aber von Rastlosigkeit und Langeweile geplagt. Unterstützt vom rastlosen Geist, wird der Körper aufregendere Dinge finden und dadurch das Selbst davon abbringen, nach Weisheit zu streben.
18. Wenn wir also üben können (soll heißen, den Geist beobachten), müssen wir den Eindruck erwecken, es nicht zu können, oder diese Aufgabe ohne Anstrengung erledigen. Wenn wir unsere Truppen (die Armee12) einsetzen, müssen wir inaktiv erscheinen. Sind unsere Truppen in der Nähe, müssen wir den Feind (das bewusste Denken) glauben lassen, sie seien weit entfernt. Und sind sie weit entfernt, müssen wir wirken, als seien sie ganz nahe. Um Bewusstsein zu erlangen, müssen wir die Stille des Geistes finden. Bei diesem Kampf geht es darum, den Geist auf einen Ort des Gleichmuts auszurichten, was als Aufgabe schwierig genug ist. Die Lehrerin (Intuition) weiß, dass sich der Körper zur Wehr setzen wird. Das bedeutet: Der stille Geist muss wachsam bleiben und sich von den Verlockungen der Sinne fernhalten.
19. Mithilfe eines wachsamen Geistes kann der Schüler die Täuschung durch die Sinne abschütteln. Lass dich nicht auf einen Kampf mit dem Körper und den Sinnen ein, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du diese Auseinandersetzung verlieren. Der Feind ist das Selbst. Die Lehrerin (Intuition) rät, das Selbst zum Stillsein zu verleiten und auf diese Weise Bewusstsein zu erlangen.
20. Sind die Sinne des Körpers stark, solltest du damit rechnen zu scheitern. Tue, was zu tun ist, um das Selbst nicht anerkennen zu müssen.
21. Geh deinen Emotionen, beispielsweise der Wut, nicht aus dem Weg. Setze dich lieber mit ihnen hin, versuche, sie zu begreifen, in den Griff zu bekommen und weiterzumachen. Wirst du gekränkt oder hochnäsig, solltest du vermeiden, etwas zu tun, sondern stattdessen die Stille suchen.
22. Um Gelüste und Sinne zu kontrollieren, sollte man wachsam sein und darauf achten, dass sie sich gar nicht erst festsetzen können. Trenne sie von anderen Emotionen, auf diese Weise kann man sie leichter entwirren, begreifen und bewältigen.
23. Nutze Zeiten, in denen starke Emotionen oder Gelüste dich nicht beschäftigen, dazu, sie näher zu untersuchen und an einen Ort zu verschieben, wo diese Gelüste und Gefühle dich nicht kontrollieren.