Die Moulokin-Mission - Alan Dean Foster - E-Book

Die Moulokin-Mission E-Book

Alan Dean Foster

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Beschreibung

Was geht auf Tran-ky-ky vor?

Ethan Frome Fortune, ein interstellarer Handelsvertreter, und seine Begleiter haben den Absturz auf dem lebensfeindlichen Eisplaneten Tran-ky-ky überlebt und Brass Monkey, den einzigen Commonwealth-Stützpunkt auf dem Planeten, erreicht. Jetzt wollen sie eigentlich so schnell wie möglich weg von hier – doch etwas stimmt auf Brass Monkey nicht, und das Verhalten der Eigeborenen ist ungewohnt feindselig. Fortune und sein Begleiter Skua September haben den Verdacht, dass jemand falsches Spiel mit den Einheimischen treibt. Kurzerhand lassen sie ihren Eisklipper, die Slanderscree, wenden, und kehren in die Eiswüste zurück, um das Rätsel zu lösen.

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ALAN DEAN FOSTER

DIE MOULOKIN-MISSION

Der Homanx-Zyklus

Eissegler-Trilogie 2

Das Buch

Ethan Frome Fortune, ein interstellarer Handelsvertreter, und seine Begleiter haben den Absturz auf dem lebensfeindlichen Eisplaneten Tran-ky-ky überlebt und Brass Monkey, den einzigen Commonwealth-Stützpunkt auf dem Planeten, erreicht. Jetzt wollen sie eigentlich so schnell wie möglich weg von hier – doch etwas stimmt auf Brass Monkey nicht, und das Verhalten der Eigeborenen ist ungewohnt feindselig. Fortune und sein Begleiter Skua September haben den Verdacht, dass jemand falsches Spiel mit den Einheimischen treibt. Kurzerhand lassen sie ihren Eisklipper, die Slanderscree, wenden, und kehren in die Eiswüste zurück, um das Rätsel zu lösen.

Der Autor

Alan Dean Fosters Arbeiten sind breit gefächert und reichen von Science Fiction und Fantasy über Horror und Krimis bis zu Western. Er schrieb Star Wars-Romane und die Romane zu den ersten drei Alien-Filmen sowie Vorlagen für Hörbücher, Radio und die Story des ersten Star Trek

Titel der Originalausgabe

MISSION TO MOULOKIN

Aus dem Amerikanischen von Heinz Nagel

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1979 by Alan Dean Foster

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Prolog

Das Ganze fing mit einer verpfuschten Entführung an.{1} Die zwei Männer, die versucht hatten, den wohlhabenden Hellespont du Kane und seine Tochter Colette aus dem KK-Liner im Orbit um die Eiswelt Tran-ky-ky zu entführen, hatten sich gezwungen gesehen, zwei Zeugen mitzunehmen; einen zwergenhaften Schullehrer namens Milliken Williams und einen Handelsvertreter, Ethan Fortune.

Mit der zusätzlichen Anwesenheit des weißhaarigen Hünen, der hinten in dem für ihre Flucht bestimmten Rettungsboot einen Rausch ausschlief, hatten sie nicht gerechnet. Skua September hatte seine Entführung keineswegs freundlich aufgenommen. Sein wütendes Eingreifen führte dazu, dass das Rettungsboot Tausende von Kilometern von der einzigen menschlichen Ansiedlung auf dem Planeten entfernt abstürzte. Bei dem Absturz fand einer der Kidnapper den Tod, während der andere bewegungsunfähig wurde.

Eine Überquerung der dauernd gefrorenen Ozeane von Tran-ky-ky mit ihren weit unter dem Nullpunkt liegenden Temperaturen und den ewigen Winden schien unmöglich, bis eine Gruppe neugieriger Eingeborener aus dem naheliegenden Stadtstaat Wannome auf sie stieß. Zunächst standen Menschen und Tran sich sehr vorsichtig und argwöhnisch gegenüber, wurden aber bald Freunde, wozu ein bemerkenswerter junger Tran, der Ritter Hunnar Rotbart, einen beachtlichen Beitrag leistete.

Die Ankunft der Menschen und ihres aus seltenem Metall bestehenden Rettungsbootes auf dem an Metallen armen Tran-ky-ky kam Rotbart sehr gelegen. Für ihn war das gleichsam ein symbolisches Ereignis und ein Wink des Schicksals, dass Wannome und die Insel Sofold den bevorstehenden Plünderungen durch Sagyanak den Tod und ihre Horde Widerstand leisten sollten. Solche wandernden Stämme nomadischer Barbaren, ganze Städte, die auf ihren Eisflößen lebten, suchten in periodischen Abständen die sesshaften Dörfer und Stadtstaaten von Tran-ky-ky heim und forderten Tribut. Alle anderen Ansiedlungen, die es wagten, die Zahlung zu verweigern, wurden verwüstet.

Mit Hilfe von Armbrüsten und einer weiteren Erfindung des Lehrers Williams und des Hofzauberers Malmeevyn Eer-Meesach wurde die Horde vernichtend geschlagen. Anschließend hielt Torsk Kurdagh-Vlata, Landgraf und Herrscher von Wannome, widerstrebend sein Versprechen, den schiffbrüchigen Menschen bei der Ausrüstung einer Expedition zur Commonwealth-Außenstation von Brass Monkey behilflich zu sein.

Unter Einsatz von Duralum-Metall aus dem Wrack des Rettungsbootes, aus dem unzerbrechliche Eiskufen hergestellt wurden, und von Konstruktionsprinzipien, wie sie in den antiken Klippen der Meere Terras ihre höchste Vollendung erreicht hatten, wurde ein riesiges Floß gebaut, das über die Eismeere segeln sollte – die Slanderscree.

Mit Sir Hunnar und einer Mannschaft aus Tran-Matrosen traten die Schiffbrüchigen die gefährliche lange Reise an. Sie überwanden die Gefahren seitens der Überreste der Horde, bestanden Kämpfe mit der gefährlichen eingeborenen Fauna, wie den Gutorrbyn und den Stavanzers – von denen manche die Größe kleiner Raumschiffe erreichten –, setzten sich mit einem Kloster voll religiöser Fanatiker auseinander und überstanden die Explosion eines gigantischen Vulkans.

Für Ethan freilich war seine Beziehung zu Elfa Kurdagh-Vlata, der Tochter des Landgrafen, die sich als blinder Passagier auf die Slanderscree eingeschlichen hatte, und die liebevolle, aber herrschsüchtige Colette du Kane ein wesentlich komplizierteres Problem.

Doch nichts von alledem hinderte die Slanderscree

1

Ethan Frome Fortune beugte sich über die hölzerne Reling und schrie. Der Wind riss ihm die Worte von den Lippen.

Unter der Reling mühte sich das winzige Zweimann-Eisboot ab, dichter an den dahinrasenden Eisklipper heranzukommen. Einer der Männer beugte sich zum offenen Fenster hinaus, um eine Frage zu Ethan hinaufzubrüllen, worauf dieser beide Hände an die Membrane seines Thermoanzugs legte und versuchte, sich Gehör zu verschaffen. »Ich habe gesagt, dass wir von Sofold kommen. Sofold!«

Der Mann im Boot breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf, um damit anzuzeigen, dass er immer noch nichts verstehen konnte. Dann musste er sich mit beiden Händen am Fensterrahmen festhalten, als das kleine Fahrzeug scharf zur Seite abbog, um einer der mächtigen Duralumkufen der Slanderscree auszuweichen.

Fünf gebogene Metallkufen trugen das mächtige Eisschiff: zwei fast vorne, zwei achtern, wo das pfeilförmig zugespitzte Schiff am breitesten war, und eine letzte am sich verjüngenden Heck. Jede Kufe war fast vier Meter hoch, groß genug, um das unvorsichtige Streifenboot zu zerschneiden, für den Fall, dass sein Pilot einen Fehler machte und dem zweihundert Meter langen Eisschiff nicht rechtzeitig auswich.

Ethan schob die Gesichtsmaske seines Thermoanzugs nach hinten, ohne dabei die Schutzbrille abzunehmen, und dachte über das nach, was er gerade geschrien hatte. Von Sofold? Er? Er war ein einigermaßen erfolgreicher Reisender des Hauses Malaika. Sofold war die Heimat von Hunnar Rotbart und Balavere Langaxt und anderen Tran, Eingeborenen dieser gefrorenen, eisigen Welt von Tran-ky-ky. Von Sofold? Hatte er sich in den eineinhalb Jahren, die er und seine Begleiter jetzt auf diese Welt verschlagen waren, so an diesen unwirtlichen Planeten gewöhnt und akklimatisiert?

Vom Wind gepeitschte Eiskristalle gerbten seine Haut wie eine Rasierklinge, und er wandte sich zur Seite, um seine Haut zu schützen. Ein Blick auf das Thermometer an der Oberseite seines linken Handschuhs zeigte ihm, dass die Temperatur linde –18 °C betrug. Aber sie waren ja auch nicht weit vom Äquator von Tran-ky-ky entfernt, wo man mit solch tropischen Temperaturen rechnen durfte. Eine pelzbedeckte Pranke lag auf seiner Schulter. Ethan blickte sich um und sah das Löwengesicht von Sir Hunnar Rotbart vor sich. Hunnar war der Anführer der ersten Eingeborenengruppe gewesen, die Ethan und seine schiffbrüchigen Kollegen entdeckt hatte, als sie in einigen tausend Kilometern Entfernung abgestürzt waren. Ethan musterte den leichtbekleideten Ritter und beneidete ihn um seine Anpassungsfähigkeit an sein Klima, das die meisten ungeschützten Menschen binnen einer Stunde umgebracht hätte.

Die Tran vermummten sich in wirklich kaltem Wetter, aber gemäßigte Wetterumstände erlaubten es Sir Hunnar und seinen Gefährten, die schweren Hessavarpelze gegen leichtere Kleidung zu vertauschen, so wie die Lederweste und den Kilt, den der Ritter augenblicklich trug. Obwohl der Tran nur ein paar Zentimeter größer war als Ethan, war er fast doppelt so breit, und doch betrug sein Gewicht, dank seiner fast hohlen Knochen, nur wenig mehr als das eines durchschnittlichen Menschen.

Geschlitzte schwarze Pupillen funkelten aus gelben Katzenaugen; Jadestücke in hellen Topas gefasst. Dazwischen eine breite, stumpf zulaufende Schnauze, die über dem breiten Mund endete. Geschürzte Lippen und nach vorne gelegte, dreieckige Ohren vereinten sich, um Neugierde zum Ausdruck zu bringen. Hunnars rechter Dan, eine zähe Membrane, die vom Handgelenk bis zur Hüfte reichte, stand halb offen und war von der Gewalt des Windes gebläht, aber er balancierte leicht auf seinem Chiv, den verlängerten Klauen, die es jedem Tran erlaubten, eleganter als der talentierteste menschliche Schlittschuhläufer über das Eis zu gleiten.

Hunnars rötlicher Bart und sein rostfarbenes Fell hoben ihn unter seinen stahlgrauen Rassegenossen hervor; in Ethans Wertschätzung freilich rangierte seine natürliche Wissbegierde im Verein mit seiner interessanten Persönlichkeit weit darüber.

»Sie wollen wissen«, erklärte Ethan auf Tran und wies dabei auf das kleine Streifenboot, das unter ihnen längsseits dahinraste, »woher wir kommen. Ich habe es ihnen gesagt, aber ich glaube nicht, dass sie mich gehört haben.«

»Vielleicht haben sie Euch wohl verstanden, Sir Ethan, und wissen nur nichts von Sofold.«

»Ich hab' dir gesagt, dass du mich nicht mit Sir ansprechen sollst, Hunnar.« Die Titel, die die Tran von Wannome den Menschen nach dem Sieg über Sagyanaks Horde verliehen hatten, waren ihm immer noch peinlich.

»Vergesst nicht«, fuhr Hunnar fort, »wir hatten auch noch nie von eurer Rasse gehört, bis ihr und eure Gefährten in eurem fliegenden Boot aus Metall in der Nähe von Sofold landetet. Unwissenheit ist ein zweischneidiges Schwert.« Er wies mit der mächtigen Pranke auf das Streifenboot. »Es würde mich wirklich überraschen, wenn deine Landsleute hier in dieser Außenstation, die du Brass Monkey nennst, der einzigen in ihrer Art auf meiner Welt, von einer so fernen Nation wie Sofold gehört hätten.«

Ein Ruf von oben unterbrach sie. Er kam aus dem Krähennest, auf dem patriarchalischen Baum, der jetzt als Hauptmast der Slanderscree diente. Die vielen Monate, die er unter den Tran gelebt hatte, erlaubten es Ethan, schnell die Worte des Ausgucks zu übersetzen. Nach einem halben Tag vorsichtiger Fahrt über die gefrorene Bucht, die aus dem mächtigen Eismeer in den Hafen von Arsudun führte, den Tran-Stadtstaat, wo die Menschheit ihren vor Kälte zitternden Außenposten auf dieser Welt unterhielt.

Ethan und Hunnar standen auf dem Steuerdeck. Abgesehen von den drei Masten war dies die höchste Stelle auf dem Schiff. Hinter ihnen ließ Kapitän Ta-hoding eine Breitseite von Befehlen auf die beiden Tran los, die das große Rad bedienten, das mit der Duralum-Steuerkufe der Slanderscree verbunden war. Den Anweisungen des Kapitäns entsprechend arbeiteten andere Tran an den zwei mächtigen Segeln an Bug und Heck, um den Eissegler noch weiter abzubremsen.

Inzwischen wurden die Segel gerefft. Ethan staunte immer wieder, wie es der Tran-Mannschaft überhaupt gelungen war, mit der Takelage des mächtigen Eisschiffes zu Rande zu kommen. Schließlich konnten sie sich nur vermittels ihrer Klauen und der dicken Chiv auf den vereisten Sparren und in den Wanten festhalten.

Obwohl Hunnar leicht über den Eispfad glitt, der an der Reling des Schiffes entlang verlief, hatte Ethan einige Mühe, aufrecht zu bleiben, während sie nach vorne eilten, um besser sehen zu können. Das Steuerdeck reichte bis zum breiten hinteren Abschluss der Slanderscree. Sie standen jetzt über der Backbordkufe und konnten ihr Zischen auf dem Eise hören. Von hier aus bot sich ihnen ein guter Ausblick auf den Hafen, da der Eissegler sich von ihrem Standpunkt aus nach vorne bis zur hundertsiebzig Meter entfernten Bugspitze verjüngte.

Arsudun war ein kuppelförmiger Hafen am Ende einer langen ›Meerenge‹, die vom Eisozean hereinführte. Ebenso wie der Ozean, die Straße und alles andere Wasser auf Tran-ky-ky, war der Hafen natürlich starr gefroren. Er bot eine glatte Fläche in vielen Schattierungen von Weiß und war mit einer dünnen Schicht aus Schnee und Eiskristallen bedeckt. Wo der Wind den Schnee weggeblasen hatte, verrieten ins Eis gegrabene Furchen, wo andere Eisschiffe ihre Bahn gezogen hatten.

Ethans Ankunft hatte sich um achtzehn Standard-Commonwealth-Monate verspätet. Brass Monkey war einfach eine weitere Station in dem neuen Verkaufsgebiet, das man ihm zugewiesen hatte. Aber seine Verwicklung in einen gescheiterten Kidnappingversuch an Bord des Interstellarschiffes Antares und die darauffolgende Bruchlandung in der Nähe von Wannome, Hunnars Heimatstadt, hatten seinen Aufenthalt erheblich verlängert.

Die Insel Arsudun war etwas größer als Sofold, aber vermutlich ein Stück kleiner als die meisten anderen Inseln dieses Planeten. Soweit Ethan wusste, war Tran-ky-ky eine Welt von Inseln, die wie vielgestaltige Eremiten in einer ganzen Anzahl gefrorener Ozeane eingelagert waren. Irgendwo in der Nähe war die Homanxsiedlung von Brass Monkey, und somit ein Shuttlehafen und eine Chance, diese verdrehte Hölle von einer Welt zu verlassen. Was für ein Vergnügen es doch sein würde, einmal wieder aufzuhören, den Forscher zu spielen, und sich wieder ganz dem einfachen, sanften Geschäft zuzuwenden, Fertigprodukte von einer warmen Welt zur anderen zu verkaufen!

Er dachte über seine Gefährten nach, die anderen Überlebenden des Absturzes. Er entschuldigte sich, ließ Hunnar stehen und ging sie suchen, suchte zuerst das Deck ab, ehe er die beiden zweistöckigen Kabinen betrat, die vor dem Steuer lagen.

Die Möchtegernkidnapper, die ihn entführt hatten, waren beide tot. Das Individuum, das die Hauptverantwortung für ihr Hinscheiden trug, stand vorne und blickte über den Bugspriet hinaus. Die Distanz ließ selbst seine eindrucksvolle Größe zu einem senkrechten, braunen Strichlein vor dem Deck und dem weißen Eis vor ihnen zusammenschrumpfen.

Von ihnen allen schien Skua September am besten für diese Welt geeignet. Über zwei Meter groß, annähernd zweihundert Kilo schwer, mit dem Gesicht eines biblischen Propheten ausgestattet, über dem weißes Haar wallte, einen goldenen Ring im rechten Ohr, erinnerte er an etwas, das von einer Gletscherzunge gerutscht war. Da auf dem Rettungsboot der Antares kein Überlebensanzug gewesen war, der ihm gepasst hätte, hatte er sich auf Eingeborenenkleidung eingestellt. In einem Hessavarmantel sowie Umhang und Hosen aus dem gleichen Pelz wirkte er, trotz seiner Schutzbrille, wie einer der Eingeborenen.

Im Lee der Vorderkabine stand Milliken Williams und plauderte mit seinem geistigen und intellektuellen Seelenverwandten, dem Tran-Zauberer Malmeevyn Eer-Meesach. Der kleine Lehrer schien förmlich in seiner Umgebung aufzugehen. September mochte körperlich an Tran-ky-ky angepasst sein, während Williams sozusagen geistig mit ihm verschmolz. Es gab hier mehr für ihn zu lehren als auf jeder Schule des Commonwealth, und andererseits konnte er hier auch mehr lernen, als ihm irgendein Band bieten konnte. Williams war eine schweigsame Seele, und wenn ihm schon das Wetter nicht angenehm war, so fühlte er sich ohne Zweifel in der Beschaulichkeit des intellektuellen Abenteuers wohl.

Irgendwo in einer der beiden Kabinen schliefen Hellespont du Kane und seine Tochter Colette, denen der Entführungsversuch gegolten hatte. Colette war auch der Grund für Ethans augenblickliche Nachdenklichkeit. Sie hatte ihm die Ehe angeboten; das lag noch gar nicht lange zurück, und sie hatte es ohne Umschweife getan. Ethan zog das Angebot trotz ihres ungeschlacht wirkenden Äußeren ernsthaft in Betracht. Die Aussicht, eine der wohlhabendsten jungen Frauen im ganzen Spiralarm zu heiraten, konnte einen durchaus über Oberflächlichkeiten, wie das Fehlen körperlicher Schönheit, hinwegsehen lassen. Und tüchtig war sie auch. Ethan wusste, dass sie du Kanes Finanzimperium während der häufigen Anfälle von Senilität, unter denen ihr Vater litt, hervorragend leitete.

Aber man musste natürlich ihre scharfe Zunge in Betracht ziehen, die durchaus imstande war, einen verbal in winzige Stückchen zu schneiden. Und dann war sie eine ausgesprochen dominierende Persönlichkeit, daran gewöhnt, die Manager großer Firmen zu manipulieren und Vertreter des Commonwealth herumzukommandieren. Ein ganzes Leben mit einer solch machtvollen Persönlichkeit zu verbringen, war etwas, das sorgfältig bedacht sein wollte.

Irgendwo unten schlief auch Elfa Kurdagh-Vlata, Tochter des Landgrafen von Sofold, der Hunnars Herrscher/Häuptling/König war. Dieser königliche blinde Passagier hatte, von geeigneten Rauschmitteln betäubt, den größten Teil der gefährlichen und ereignisreichen Reise von Sofold hierher verschlafen, aber wenn sie erwachte, stand Ethan ein weiteres Problem bevor.

Trotz gewisser offensichtlicher physiologischer Unterschiede gab es zwischen Menschen und Tran genügend Ähnlichkeiten, dass Elfa eine höchst peinliche Zuneigung zu Ethan hatte entwickeln können, was ihm alles andere als angenehm war. Hunnar hatte dies unausgesprochenen, aber nicht zu übersehenden Schmerz bereitet. Ihm und Ethan war es gelungen, eine dünne Tünche ehrlicher Freundschaft über diese ihrem Wesen nach explosive Situation zu legen. Aber wenn das Königstöchterchen erwachte, würde sich das Problem erneut stellen.

Ethan hatte Elfa gegenüber kein Hehl aus seinen Gefühlen gemacht. Das hatte sie aber nicht von weiteren Versuchen abgehalten, ihn umzustimmen. Wenn sie nur noch ein paar Tage schlafen würde, dann würde er den Planeten hinter sich gelassen haben und damit des Problems enthoben sein, sich persönlich mit ihr auseinanderzusetzen. Das würde gut sein, denn trotz seiner erklärten Gefühle war an Elfa doch eine gewisse katzenhafte Attraktivität, die ...

Nach Informationen, die ihm von den Toppgasten am Mast und Bugspriet zugeleitet wurden, steuerte Ta-hoding die Slanderscree geschickt auf ein offenes Dock zu, das sich im Hafen bot. Das Dock war einfach eine mit Bohlen belegte Straße, die aufs Eis hinausführte. Die Bohlen waren erforderlich, um auf Deckhöhe zu kommen, nicht, um die Ladefläche über das Eis zu erheben.

Inzwischen drängten sich kleinere Eisboote neugierig um die Slanderscree. Das machte das Manövrieren natürlich noch komplizierter. Aber der Hafen von Arsudun war großflächig angelegt, viel weiter als Wannome, der Heimathafen der Slanderscree. Ta-hoding lieferte ein Meisterwerk der Eismannskunst.

Ein paar Neugierige wurden von der Mannschaft des Eisseglers zur Vorsicht gemahnt. Ihr Staunen war durchaus berechtigt, das wusste Ethan. Wahrscheinlich war die Slanderscree wenigstens doppelt so groß als jedes andere Eisschiff, das sie je zu Gesicht bekommen hatten.

Ohne Zweifel hatten sich unter die Menge, die sich inzwischen am Ufer angesammelt hatte, auch bewundernde Schiffsbaumeister und neiderfüllte Händler gemischt. Es würde schwierig sein, sie vom Schiff fernzuhalten, sobald sie einmal im Dock lagen. Ihre natürliche Neugierde würde sie dazu veranlassen, sich die seltsame Takelage anzusehen, eine Abwandlung der Segelanordnung, wie man sie früher auf den Meeren Terras verwendet hatte, eine Konstruktion von Williams für die Eisozeane von Tran-ky-ky. Ohne Zweifel würden sie ganz besonders die fünf mächtigen Duralumkufen interessieren, auf denen der Eisklipper dahinglitt. Metall war auf Tran-ky-ky ungemein rar. Die anderen, kleineren Eisschiffe, die Ethan gesehen hatte, waren mit Holzkufen ausgestattet, gelegentlich auch, aber wesentlich seltener, mit solchen aus Tierknochen oder Holz.

Einige der Matrosen fluchten, als die Dockmannschaft sich bei ihrer Hilfe etwas Zeit ließ. Auch die Dockarbeiter waren von der Größe der Slanderscree beeindruckt. Die Maate mussten ihre Männer anweisen, über die Reling und aufs Dock hinunterzuspringen, um selbst die Kabel und Brassen zu bemannen, aber als das Vertäuen einmal begonnen hatte, machte sich die Landmannschaft ans Werk und begann zu helfen.

Es war ziemlich kompliziert. Die Slanderscree war beinahe dreimal so lang wie ihr Dock, und ringsum waren keine Docks zu sehen, die größer gewesen wären. Man brauchte sie auch nicht. Schiffe von der Größe der Slanderscree existierten auf Tran-ky-ky einfach nicht.

Aber Ta-hoding wusste schon, wie er vorgehen musste. Kaum war der Bug seines Schiffes gesichert, als er die Eisanker am Heck auswerfen ließ. Sie gruben sich ins Eis ein und würden verhindern, dass das mächtige Schiff sich unter dem gleichmäßigen Heckwind drehte.

Wind, Wind und Kälte. Ethan schob die schützende Gesichtsmaske wieder über seine Schutzbrille, um sein empfindliches menschliches Fleisch zu schützen. Nur im Lee einer Insel oder in einem geschlossenen Raum konnte man auf Tran-ky-ky dem Wind entgehen. Er wehte hier beständig, so wie die Sonne auf der paradiesischen Welt New Riviera oder einer der Thranxwelten wie Amropolous oder Hivehom schien. Er wehte beständig, wechselte hin und wieder, hörte aber nie ganz auf, über die leeren Flächen und gefrorenen Meere dahinzupfeifen. Jetzt wehte er beständig über die Meerenge hinter ihm, von der ansteigenden, ein wenig wärmeren Luft der Insel angezogen.

Ein paar Wolken zogen langsam über den kobaltblauen Himmel. Ethan wandte den Blick und schlenderte nach vorne. Ein faltiges Gesicht mit einer mächtigen Schutzbrille drehte sich herum, blickte auf ihn herunter und lächelte mit Zähnen, so weiß wie die Hafenfläche rings um sie.

»Auf mein Wort, Jungchen, wir haben es tatsächlich in einem Stück geschafft!« Skua September rieb sich die Nase, die etwa in derselben Proportion zu seinem Gesicht stand, wie der Bugspriet des Schiffes zum Rumpf. Er wandte sich wieder ab, um die Stadt zu studieren, ihre sich windenden Eispfade, die wie schimmernde Rippen zwischen den Gebäuden lagen, und die geschäftigen Tran, die auf ihnen gingen oder chivanierten. Diejenigen Bewohner von Arsudun, die nicht stehen blieben, um den Eissegler anzustarren, hielten die Arme parallel zur Straße ausgestreckt, so dass der Wind ihre membranenhaften Dan füllte und sie mühelos dahintrieb.

Rauch kräuselte sich aus tausend Kaminen nach oben. Vielstöckige Gebäude drängten sich, scheinbar ungeordnet, den flachen Inselhang hinauf und schoben sich oben unter der grauen Masse eines burgähnlichen Schlosses zusammen.

Zwar schien die Bevölkerung Arsuduns beträchtlich größer zu sein als die von Wannome, aber Ethan stellte interessiert fest, dass das Schloss wesentlich kleiner war. Seine geringe Größe deutete entweder auf Geldmangel der Regierung oder auf Bescheidenheit ihres Landgrafen hin.

Sir Hunnar deutete eine dritte Möglichkeit an. »Es scheint höchstens ein Dutzend Jahre alt, Sir Ethan ... Ethan. Und ungewöhnlich gut gebaut.« Hunnar kletterte schwerfällig über die Reling und die Leiter hinunter. Als er den Eispfad betreten konnte, der die Mitte des Docks ausmachte, schien ihm beträchtlich wohler zu sein. Wie alle Tran, war er auf dem Eis viel eher zu Hause als auf irgendwelchen unebenen, festen Flächen.

Ethan und Skua schlossen sich dem Ritter und seinen zwei Junkern, Suaxus-dal-Jagger und Budjir, an. Die beiden letzteren unterhielten sich in argwöhnischem Flüsterton über die Stadt und die Menge, die sich angesammelt hatte. Die Arme hielten sie dicht an der Seite, damit nicht eine plötzliche Böe ihren Dan erfasste und sie unerwartet nach vorne trieb.

Eine Stimme vom Schiff rief der Landegruppe etwas zu. Ethan kniff die Augen gegen den Wind zusammen, obwohl die Gesichtsmaske ihn schützte. Er erblickte eine rundliche, in einen Schutzanzug gekleidete Gestalt, die vom Bug zu ihnen herunterwinkte.

»Wenn Sie zum Hafen kommen, dann benutzen Sie die Nummer zweiundzwanzig Doppel-R, falls die Behörden Ihnen Schwierigkeiten machen sollten!« Die Stimme klang scharf und durchdringend, aber trotzdem weiblich. Colette du Kane hielt inne und murmelte der Gestalt neben ihr etwas zu und legte dann den Arm stützend um ihren Vater.

»Das ist unser Familiencode. Jede Prozesseinheit erkennt ihn sofort, Ethan. Vom persönlichen Credimeter bis zu einem Ident der Kirche. Damit können wir uns eine Priorität bei der Platzbuchung auf dem nächsten Shuttle verschaffen, und die Bürokraten soll der Teufel holen.«

»Zweiundzwanzig Doppel-R, okay.« Ethan zögerte, als es so schien, als wolle sie noch etwas hinzusetzen, aber dann beugte sich ihr Vater plötzlich nach vorne, und sie musste sich um ihn kümmern. Sie konnten nichts hören, aber die Bewegungen der Gestalt deuteten darauf hin, dass ihn ein schwerer Husten quälte.

Sie drehten sich um und setzten sich auf die Stadt zu in Bewegung. Hunnar und die beiden Junker gaben sich große Mühe, die Menschen nicht zurückfallen zu lassen.

»Eine starke Frau«, murmelte September. Hunnar fragte einen Stadtbewohner etwas, worauf der sie nach links wies. Sie folgten der Hafenkontur und bogen in jene Richtung.

»Ja, das ist sie«, pflichtete Ethan ihm bei. »Aber sie ist ein bisschen herrschsüchtig.«

»Nun, Jungchen, was erwarten Sie denn vom Spross einer der großen Handelsfamilien? Nicht, dass es mich etwas anginge. Ihnen hat sie ja den Antrag gemacht, nicht mir.«

»Ich weiß, Skua. Aber ich halte viel von Ihrer Meinung. Was denken Sie, sollte ich tun?«

»Da fragen Sie jemanden, der steckbrieflich gesucht wird, um seine Meinung.« September grinste breit. Dann verschwand sein Lächeln, und er wurde plötzlich ungewöhnlich ernst.

»Junge, Sie können um meinen Rat fragen, wenn es ums Kämpfen geht, mit bloßen Händen, von Schiff zu Schiff oder von Maschine zu Maschine. Wenn es um Politik geht, können Sie auch fragen, oder um Religion oder Essen und Trinken. In hundert Dingen können Sie mich um Rat fragen, in tausend, und ich werde immer Antwort geben. Aber«, und dabei sah er Ethan so scharf, so wütend intensiv an, dass der Handelsreisende fast gestolpert wäre, »fragen Sie mich nie um Rat, wenn es um Frauen geht, weil ich mit denen mehr Pech hatte als mit Politik oder Krieg oder tausend anderen Dingen. Nein, Jungchen«, fuhr er fort, und langsam hellte sich sein Gesicht wieder auf, »das ist eine Entscheidung, die Sie ganz allein treffen müssen.

Aber eines will ich Ihnen sagen: Sie sollten nie Aussehen und Schönheit mit der Fähigkeit zur Leidenschaft verwechseln. Das ist ein Fehler, den viel zu viele Männer machen. Die Schönheit ist nicht nur eine Äußerlichkeit ... sie geht weit unter die Haut.

Und jetzt wollen wir uns ein wenig beeilen. Sir Hunnar und seine Jungs schlafen ja praktisch ein, und ich hab's genauso eilig wie Sie, zum Hafen zu kommen ...«

Sie überwanden eine leichte Anhöhe. Darunter, genau vor ihnen, lag die Homanx-Kolonie von Brass Monkey. Im Augenblick sah Ethan nichts anderes als die drei runden Vertiefungen, die man wie mit einem Eislöffel aus dem gefrorenen Boden gegraben und sorgfältig mit undurchsichtigem, eisfreiem Metall ausgekleidet hatte. Shuttlebootgruben. Allein schon die Auskleidung aus Metall, jene drei perfekten Schüsseln, waren nach Tranbegriffen ein Vermögen wert, und doch schien keine der drei Gruben beschädigt oder irgendwie beeinträchtigt zu sein. Das konnte natürlich der Tatsache zuzuschreiben sein, überlegte er, dass die Tran nicht über genügend kräftiges Werkzeug verfügten, um Duralum oder metall-keramische Kristalloide zu durchschneiden.

In einer der Gruben stand ein kleines Gebilde aus Metall, das der Slanderscree erstaunlich ähnlich war, sah man einmal davon ab, dass es keine Masten besaß und auch wesentlich aerodynamischer gestaltet war. Das Herz hüpfte Ethan beim Anblick des kleinen Bootes im Leibe. Bald würde er sich auf ihm befinden.

Ein mächtiger Wall aus gefrorener Erde und Eis- und Schneeblöcken war im Osten der Homanxkolonie aufgehäuft worden, um sie vor dem stetigen Wind zu schützen, der vom Hafen herüberwehte. Die eigentlichen Hafenanlagen befanden sich am Rande der Bucht, und die Gruppe starrte auf ein L-förmiges, zweistöckiges Gebäude hinunter. Über dem schneefreien Haupteingang leuchteten zwei Transparente. Eines lautete: BRASSMONKEY – TRAN-KY-KY-ADMINISTRATION. Darunter konnte man, in der ausgefransten Schrift der Tran, Worte lesen, die man grob mit ORTDERHIMMELSAUSLÄNDER übersetzen konnte. Ein Strom vermummter Menschen und ein paar Tran zeigten sich am Eingang. Glasalumfenster, dick genug, um selbst auf Sternenschiffen benutzt zu werden, boten den Insassen des Gebäudes einen freien Ausblick auf die gefrorene Welt draußen. Ethan konnte hineinsehen. Irgendetwas sorgte dafür, dass solche Fenster von Kondenswasser frei blieben.

»Was tun wir hier, Ethan?« Hunnar klang etwas verunsichert. Ohne Zweifel fragte er sich, ob die Fremden an diesem Ort im Innern ihrer Gebäude Eispfade haben mochten, oder ob man ihm möglicherweise zumuten würde, über größere Entfernungen zu gehen.

»Wir müssen eine Passage nach Hause buchen.«

»Nach Hause«, wiederholte Hunnar. »Natürlich.« Der Tonfall des Ritters klang zwiespältig. Ethan verstand die Sprache inzwischen gut genug, um solche Nuancen wahrnehmen zu können. Hunnar drückte seine Besorgnis ob ihrer unmittelbar bevorstehenden Abreise aus, gleichzeitig aber auch tiefe Dankbarkeit. Vielleicht dachte er aber auch nur an die schlafende Elfa Kurdagh-Vlata auf der Slanderscree.

Wieder überlegte Ethan, ob er Hunnar versichern sollte, dass er sich bezüglich irgendwelcher Konkurrenz um die Gunst der Tochter des Landgrafen keine Sorgen zu machen brauchte. Aber wenn er eine Passage buchte, sollte das eigentlich als Bestätigung genügen.

Eine Eispfad-Rampe führte zum Eingang. Neben ihr verlief ein Metallband für Menschen. Obwohl augenblicklich kein Eis lag, waren in die Metalloberfläche Rinnen eingeschliffen, damit man Halt finden konnte. Zwei Türen versperrten den Weg.

Die erste passierten sie ohne Schwierigkeiten, obwohl die Temperatur stieg. Als sie freilich am zweiten Paar Türen vorbeikamen und das eigentliche Gebäude betraten, taumelte Sir Hunnar, und Suaxus wäre beinahe gestürzt. Die Ursache zeigte sich sofort. Die Tran hielten die Temperatur in ihren Wohnungen etwa fünf Grad über dem Gefrierpunkt. Die Temperatur im Gebäude, für die Bequemlichkeit der Menschen eingestellt, war natürlich bedeutend höher und traf sie wie ein Schlag.

Erst jetzt bemerkte Ethan, dass sich in dem Gebäude selbst keine Tran befanden. Diejenigen, die sie gesehen hatten, waren zwischen den beiden Türenpaaren geblieben, einem kleinen, von Fenstern gesäumten Vestibül. Dort gaben Tran Pakete ab oder unterhielten sich mit Menschen an Fenstern, die eigens für diesen Zweck eingebaut waren. Der Raum wurde für sie kühl gehalten, andererseits einigermaßen erträglich für die Menschen hinter den Fenstern. Trotzdem beeilten sich die Tran, ihre Geschäfte abzuschließen, um wieder in die angenehm arktische Luft draußen zu entkommen.

»Mit ... deiner Erlaubnis, Freund Ethan, Freund Skua ...« Hunnar rappelte sich mühsam auf. Ohne auf eine Antwort von Ethan zu warten, drehten sich der Ritter und seine beiden Gefährten um und taumelten hinaus. Durch die transparenten Türen konnte Ethan sehen, wie Suaxus sich schwer auf einen Stuhl fallen ließ und sich mit beiden Händen den Kopf hielt, während Hunnar und Budjir in tiefen Zügen die eisige Luft einatmeten und sich um ihn bemühten.

»Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich hier drin einen Hitzschlag holen würden.« September befreite sich schnell von seinen Hessavarpelzen. Ethan hatte das Problem nicht. Er schob einfach Gesichtsmaske und Schutzbrille sowie die Kapuze seines Überlebensanzugs nach hinten. Der Anzug selbst passte sich automatisch der wärmeren Luft im Innern des Gebäudes an.

Sie traten an das Informationsgitter. Eine Stimme teilte ihnen höflich den Namen des Hafenmeisters mit und erklärte ihnen, wo sein Büro zu finden wäre. Ein Plan neben dem Gitter wies ihnen den Weg.

In dem Büro begrüßte sie ein kleiner olivhäutiger Mann mit dichtgelocktem schwarzem Haar. Von ihm ging eine Aura lässiger Tüchtigkeit aus. Als sie sein Büro betraten, hob er leicht die Augenbrauen, schien aber ansonsten über ihre Anwesenheit keineswegs überrascht zu sein. Sein Blick ruhte meistenteils auf September, was keineswegs überraschte. Skua musste sich bücken, um das Büro betreten zu können.

Sie befanden sich im Obergeschoss des Gebäudes. Breite Fenster boten einen Ausblick auf die Startgruben und die Dächer von Arsudun. Der Kontrast zwischen der eingefrorenen mittelalterlichen Silhouette und funktionaler Modernität ließ die Fenster wie Solidos aussehen, künstlich und unwirklich.

»Guten Morgen, meine Herren, guten Morgen. Carpen Xenaxis, Hafenmeister. Eine unserer Hafenstreifen hat schon gemeldet, dass ein großes Eingeborenenschiff mit Menschen an Bord hierher unterwegs sei.« Er hielt inne, wartete auf Bestätigung.

»Ja, wir waren an Bord.« Ethan stellte sich und September vor und begann dann, ihre Anwesenheit auf Tran-ky-ky zu erklären, die gescheiterte Entführung der du Kanes ... und wurde an diesem Punkt unterbrochen.

»Einen Augenblick ... entschuldigen Sie.« Xenaxis wandte sich dem Tridigerät, das in seine Schreibtischplatte eingelassen war, zu und sagte zu jemandem, der für die beiden Besucher unsichtbar blieb, mit leiser Stimme ein paar Worte. Dann wandte er sich mit freundlichem Lächeln wieder zu ihnen um.

»Man hatte bisher angenommen, dass die du Kanes während des Versagens des Rettungsbootes ums Leben gekommen waren – aber Sie sagen jetzt, dass es gar nicht versagt hat. Ich habe nur gerade gemeldet, dass sie am Leben sind und dass es ihnen gut geht. Wir hatten nämlich eine Unmenge Anfragen. Eine ganze Menge Leute wird sich für diese Nachricht sehr interessieren.« Xenaxis schien plötzlich etwas unsicher. »Sie leben doch und sind unverletzt?« Ethan nickte.

»Die Entführer selbst sind tot«, fügte September hinzu. »Einen von ihnen habe ich selbst getötet. Wenn eine Belohnung ausgesetzt ist, möchte ich meine Ansprüche anmelden.«

»Natürlich. Das ist Ihr gutes Recht.« Der Hafenmeister betätigte einen weiteren Schalter und bereitete sich darauf vor, eine Aufnahme zu machen. »Wenn Sie mir Ihren Namen angeben würden, Ursprungswelt, Heimatadresse und Ihren Finanzcode, dann bin ich sicher, dass wir ...«

»Eigentlich wäre das nicht fair.« September wies auf seinen Begleiter. »Dieser junge Mann hier war großteils für das, was geschah, verantwortlich. Er verdient die Belohnung.«

Ethan drehte sich verblüfft zu September herum und wollte etwas sagen. Aber ein erfahrener Handelsreisender versteht sich auch darauf, den Gesichtsausdruck seiner Gesprächspartner zu lesen und zu interpretieren. Und in diesem Augenblick bot das Gesicht des Hünen eine ganze Menge Lesestoff. Zu Ethans Lob sei gesagt, dass er sofort begriff.

»Wenn es eine Belohnung gibt, werde ich mir darüber später den Kopf zerbrechen.« September entspannte sich sichtlich. »Worauf es uns jetzt in erster Linie ankommt, ist, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Xenaxis' Stimme klang gebührend mitfühlend. »Ich selbst empfinde die Gesellschaft der Eingeborenen auch nicht als besonders angenehm. Man kann Geschäfte mit ihnen machen, aber es ist nahezu unmöglich, mit ihnen gesellschaftlichen Umgang zu pflegen. Abgesehen von den unterschiedlichen Temperaturen, an die unsere beiden Rassen gewöhnt sind, sind sie ihrem Wesen nach zänkisch und streitsüchtig.« Ethan sagte nichts und sah den anderen ausdruckslos an.

»Der Handel hier ist also offensichtlich ergiebig?« Septembers Stimme klang, als steckte weit mehr hinter seiner Frage als nur höfliche Konversation.

Xenaxis zuckte die Achseln. »Es ist meine Hauptaufgabe, hier Geschäfte zu treiben, mein Herr. Es gibt drei große Lagerhäuser hier in Brass Monkey, deren Inhalt sich häufig ändert. Ich bin natürlich nur Beamter, mit festem Gehalt.« Ethan hatte das Gefühl, in der Stimme des Hafenmeisters so etwas wie Neid zu hören. »Aber manche Firmen und Einzelunternehmer verdienen an dieser Eiswüste eine ganze Menge.«

»In welcher Branche?« Xenaxis sollte an dieser Frage nichts Verdächtiges finden, dachte er. Schließlich war es sein Geschäft.

»Das übliche.« Der Hafenmeister lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ethan hörte das leise Zischen, als die Polster sich seiner Bewegung anpassten. Xenaxis hatte anscheinend einen empfindlichen Rücken. Aber er schien geradezu erpicht darauf, mit ihnen zu reden. Ohne Zweifel gab es in Brass Monkey nur selten neue Gesichter.

»Hauptsächlich Luxusgüter: Kunstwerke, Schnitzereien, Pelze, Edelsteine, Kunstgewerbe, darunter die erstaunlichsten Elfenbeinskulpturen, die Sie sich vorstellen können. Die Eingeborenen sehen schwerfällig aus, arbeiten aber hervorragend.« Ethan musste an den Stoßzahn eines Stavanzers denken, und was ein guter Eingeborenenkünstler wohl daraus machen konnte.

»Sie wissen natürlich über solche Dinge Bescheid«, fuhr der Hafenmeister fort. »Wenn eine Zivilisation so modern wie dieses Commonwealth wird, werden ausgezeichnete Maschinen und die Mechanismen für das Alltagsleben billig. Die Leute haben überschüssigen Kredit. Also geben sie ihn für Luxusgüter und Kunstwerke und andere unnütze Dinge aus.« Sein Stuhl ging wieder in die Senkrechte über, und seine Stimme wurde geschäftsmäßig. »Was die Passagen angeht, so nehme ich an, dass Sie Shuttleraum für Sie beide und die du Kanes brauchen.«

»Und noch einen Platz, ein Lehrer, er heißt Williams«, sagte Ethan.

»Fünf. Das sollte gehen, insbesondere angesichts Ihrer ungewöhnlichen Lage. Ich kenne keinen Schiffsmeister, der Ihnen den Platz verweigern würde.« Er wandte sich wieder seinem Tridischirm zu und drückte ein paar Knöpfe. »Ich werde die Nachricht über Ihre Rettung durchgeben, Sie brauchen mir nur zu sagen, an wen. Ich gebe es auf die Sendeliste. Wahrscheinlich haben Sie beide Freunde und Verwandte, die sich freuen, wenn sie erfahren, dass es Sie noch gibt. Vielleicht sind Sie für andere nicht so wichtig wie die du Kanes, aber für sich selbst sind Sie das ganz bestimmt.«

Ethan entschied, dass er den kleinen Hafenmeister leiden konnte, obwohl dieser Abneigung gegenüber den Tran zum Ausdruck gebracht hatte. »Colette du Kane hat mir gesagt, ich soll Ihnen Code 22RR nennen. Sie sagte, das könnte Ihnen helfen, die Dinge etwas zu beschleunigen.«

»Wenn das der Finanzcode der Familie ist, dann hilft das ganz bestimmt«, nickte Xenaxis. Er warf einen Blick auf einen verborgenen Bildschirm. »Das nächste Schiff in Parkorbit ist der Frachter Palamas. Ich werde das Nötige via Satellit für Sie erledigen, sobald die Palamas in Reichweite ist.« Seine Stimme klang, als wolle er sich entschuldigen. »Wir sind bei weitem nicht groß oder wichtig genug, um einen Tiefraum-Partikelstrahl zu bekommen. Die Palamas ist ein Schiff der Grenzroute, wenn ich mich richtig erinnere. Aber am Ende geht sie auf Orbit um Drax IV, und von dort bekommen Sie Passagen überallhin.«

»Wann ist sie fällig?« Ethan staunte selbst, dass seine Stimme keineswegs begeistert klang.

»Oh, sechs Uhr fünfzehn, am Vierundzwanzigsten.« Xenaxis musterte die beiden ausdruckslosen Gesichter einen Augenblick lang und lächelte dann. »Entschuldigen Sie. Ich vergaß, dass Sie wahrscheinlich seit Ihrer Landung den Zeitbegriff verloren haben.«

»Ein paar von uns hatten Chronometer«, erklärte Ethan. »Die haben aber den Absturz nicht überstanden. Und diejenigen, die es taten, haben das Klima nicht überstanden. Meiner hat beides überstanden, ist aber dennoch nicht mehr da ...« Er streckte die rechte Hand aus und zeigte dem Hafenmeister die Stelle, wo sein Überlebensanzug von der Hand bis zur Schulter geflickt war.

»Ich habe sie an einen Stavanzer verloren.«

»Meinen Sie diese schiffsgroßen Pflanzenfresser, die ein paar hundert Tonnen wiegen? Ich habe nie selbst einen zu Gesicht bekommen, nur die Tridis, die die wissenschaftlichen Expeditionen gemacht haben.«

»Wir mussten einen umdrehen.«

»Ja.« Xenaxis musterte die beiden mit neuem Respekt. »Die Palamas sollte in ein paar Tagen aus dem Plus-Raum brechen. Nehmen wir dann noch zwei Tage, allerhöchstens drei, für das Bremsmanöver und das Einschwenken. Es tut mir leid, dass ich Ihnen keinen früheren Flug anbieten kann. Wir haben nicht einmal eine Habitat-Station, auf die ich Sie bringen lassen könnte. Aber wenn ich mich hier einen Augenblick freimachen kann, hätte ich eine Bitte an Sie.«

»Und die wäre?«

Der Hafenmeister stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum, trat ans Fenster und blickte über die Dächer von Arsudun hinaus. Schnee fegte gegen die Isolierwand. »Ich kann von hier aus die Masten des Schiffes sehen, mit dem Sie angekommen sind. Es ist viel größer als alles, was wir hier je gesehen haben. Ich würde einiges für eine Chance geben, es mir anzusehen.«

»Sprechen Sie doch mit dem Kapitän, er heißt Ta-hoding«, riet Ethan. »Er wird Sie sicher mit dem größten Vergnügen herumführen. Er ist mächtig stolz auf sein Schiff.«

»Dazu hat er auch allen Grund.« Xenaxis wandte sich fast widerstrebend vom Fenster ab. »Ich denke, jetzt mache ich mich am besten wieder an die Arbeit. Hier liegt noch eine Menge Papierkram.« Er schnitt eine Grimasse. »Wenn Sie wollen, können Sie die fünf Tage bis zu Ihrer Abreise auf der Station bleiben. Wir machen Ihnen Zimmer frei.«

»Ich kann nicht für die anderen sprechen.« September ging auf die Tür zu. »Ich selbst werde wohl bei unseren Tran-Freunden bleiben.«

»Wie Sie wünschen.« Xenaxis setzte sich wieder und wandte sich Ethan zu. »Einen Augenblick noch, Mister Fortune. Soweit ich mich erinnern kann, sind hier zwei oder drei kleine Kisten, die an Sie adressiert sind. Sie liegen im Lagerschuppen Nummer Drei.«

»Meine Warenmuster. In einer der Kisten sind ein Dutzend Elementheizgeräte. Vor einem Jahr hätte ich tausend Credits für eines gegeben. Ich denke, ich werde in den nächsten Tagen versuchen, ein paar davon zu verkaufen. Vielen Dank, dass Sie mich erinnert haben.« Seltsam, dachte er, als sie das Hafenbüro verließen, er hatte seine Warenproben völlig vergessen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund kamen ihm Dinge wie Profitmargen, Kundenakzeptanz und Verkaufsterritorium jetzt kindisch vor. Hatte Tran-ky-ky etwa mehr an ihm verändert als seine Toleranz gegenüber kaltem Wetter?

2

Als sie das Obergeschoss erreichten, legte September Ethan die Hand auf die Schulter und brachte ihn zum Stehen.

»Sir Hunnar und seinen Begleitern macht es sicher nichts aus, noch ein wenig zu warten, Jungchen.« Er wies den Korridor hinunter in die dem Haupteingang abgewandte Richtung. »Sehen wir uns doch mal Ihre Muster an.«

»Skua, mir geht im Augenblick so viel im Kopf herum, dass mir diese Kisten wirklich völlig egal sind.«

»Ich will ja nicht, dass Sie vor mir einen Laden aufmachen, Junge«, sagte September leise. »Ich hab' einen ganz anderen Grund, in dieses Lagerhaus hineinzuwollen.«

Ethan musterte ihn neugierig, aber Skua hatte sich bereits umgedreht und ging den Korridor hinunter. Ethan musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.

»Da gibt es sicher einen geheizten Tunnel, der uns zu den Lagerhallen führt, sobald wir nur erst den richtigen Lift gefunden haben. Die Lager sind ganz bestimmt oberirdisch angelegt, wie alles andere auch.«

Lager Drei war ein ganz nach dem Gebot der Zweckmäßigkeit gebauter Quader aus fensterlosen Metallwänden. September hatte recht gehabt. Trotz der Kälte war es auf Tran-ky-ky billiger, im Hochbau zu arbeiten. Es war viel einfacher, einen Lagerschuppen aus vorfabrizierten Teilen zu bauen, der dann auch kräftig genug war, um dem Wind Widerstand zu leisten, als sich in den beständig gefrorenen Boden hineinzugraben.

Die Lagerhalle war isoliert, aber nicht besonders gut geheizt. Ethan hätte ohne seinen Schutzanzug sicher vor Kälte gezittert. Ein Blick auf das Wandthermometer zeigte ihm, dass die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt lag. Draußen würde das praktisch auf eine heftige Hitzewelle hinauslaufen.

Zwei Wachen standen vor dem Eingang. Nach dem Sinn ihrer Anwesenheit befragt, erklärte einer von ihnen bereitwillig: »Man hört die ganze Zeit so Geschichten über die Eingeborenen. Die sollen alles stehlen, was sie in die Pfoten kriegen.« Der Mann blickte gleichgültig. »Ist ja ein kalter Job, aber was, zum Teufel, ist das auf dieser Welt nicht?«

»Haben Sie je einen der Tran beim Stehlen erwischt?« Ethan konnte den Ärger nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten, und der Wachmann bemerkte das auch.

»He, hören Sie, ich mach hier nicht die Vorschriften, Mann! Ich kümmere mich nur darum, dass sie eingehalten werden, ich und Jolene hier.« Der andere Wachmann legte wichtigtuerisch die Hand auf seinen Strahler. »Zeigen Sie mir doch Ihren Berechtigungsschein.«

»Rufen Sie den Hafenmeister.« Ethan hatte keine Lust, der Anweisung nachzukommen. Vielleicht waren die Tran wirklich nicht die sympathischsten Leute in der Galaxis, aber es hatte auch nicht den Anschein, dass sich jemand hier besondere Mühe gab, sie besser kennenzulernen.

»Oh, Dierd! Wie heißen Sie denn oder wie sind Ihre Kisten markiert?« Ethan sagte es ihm. »Yeah, Ihr Zeug liegt vier Reihen weiter hinten, dann gehen Sie nach rechts. Abschnitt zwanzig D.« Er trat zur Seite. September schenkte ihm ein freundliches Lächeln, seiner Kollegin ein noch wesentlich strahlenderes. Sie erwiderte es nicht.

»Ich verstehe das nicht«, brummte Ethan, während sie zwischen den hohen Reihen von Kisten und Paketen dahintrotteten. »Sämtliche Tran, denen wir bis jetzt begegnet sind, waren ehrlich: jetzt, wo ich es überlege – Hunnar hat nie ein Sterbenswörtchen erwähnt, dass in Wannome etwas gestohlen wurde.«

»Die hatten noch nicht genügend Verbindung mit den korrumpierenden Einflüssen einer auf Besitz bedachten Zivilisation«, meinte September halb im Spaß und halb im Ernst. Sie bogen nach der vierten Reihe nach rechts.

Ethan fand seine drei kleinen nahtlosen Plastikkisten. Nur sein Nahtschlüssel konnte die Molekularstruktur des blauen Materials lösen, die das Paket umgab. Die Siegel des Hauses Malaika sahen intakt und unversehrt aus.

»Ich kann sie jederzeit abholen, Skua. Was wollten Sie denn hier drinnen sehen?«

»Ich sehe es bereits, Junge.« Septembers Blick musterte die bis zur Decke reichenden Kistenstapel. »Ich habe schon gesehen, was ich sehen wollte. Zeit, hier zu verschwinden.«

Sie verließen den kalten Raum, und die feindseligen Blicke der Wachen folgten ihnen. September blieb stumm, bis sie fast wieder am Haupteingang des Hafens angelangt waren.

»An der Bemerkung, die Xenaxis bezüglich der Geschäfte machte, die man hier abwickeln kann, hat mich etwas gestört«, erklärte er. »Jetzt, da ich mir das Lager angesehen habe, stört mich das noch mehr. Nach den Markierungen auf diesen Kisten kommt mir der hiesige Handel recht einseitig vor.«

»Was soll das heißen, einseitig?«

»Junge, diese Kisten dort hinten waren ganz neu, und die Markierungen haben das bestätigt. Von dieser Welt wird viel mehr exportiert als hereinkommt. Man kann natürlich nur schwer abschätzen, wie viel Duralum oder Keramikstahl-Messer einer Schnitzerei entsprechen. Aber ich glaube nicht, dass die Tran den Wert ihrer Exporte kennen. Wie viel sind denn hundert Liter Wasser einem Mann in einer Wüste wert? Was das angeht, wie viel sind hundert Liter Erde einem Mann in einem Ozean wert?

Jemand macht hier wesentlich mehr als einen ehrlichen Profit, Jungchen. Ihre Pakete waren die einzigen, die ich in der ganzen Halle gesehen hatte, die das Symbol einer Handelsfamilie trugen. Jemand anderer, vielleicht jemand, der gar keine Lizenz hat, betreibt hier ein hübsches kleines Monopol und beschummelt die Tran dabei. Natürlich denken die nicht, dass sie beschummelt werden, weil sie es nicht besser wissen. Aber ich weiß es, und das macht mich wütend, Junge. Diese Leute sind meine Freunde.«

»Unsere Freunde«, sagte Ethan leise.

»Sicher, unsere Freunde ... Auf fünf Tage noch.«

»Was können wir also unternehmen? Nein, warten Sie. Ich vertrete das Haus Malaika. Ich bin dem Alten nie persönlich begegnet, aber nach allem, was ich weiß, ist er ein wenig ehrlicher als die meisten anderen Familienoberhäupter. Das Ungerechte an der Situation hier würde ihn noch nicht dazu veranlassen, etwas zu tun. Profite schon. Ich bin sicher, dass er bereit wäre, hierher zu kommen und den Tran einen besseren Handel anzubieten.«

»Ich denke an etwas anderes, nicht daran, wie man hier Profite macht, Junge. Ich sag's Ihnen später.« Damit verfiel der Riese wieder in Schweigen, während sie auf den Eingang zueilten.

Ehe sie die Türen erreichten, kamen sie an zwei Thranx vorbei. Die meterhohen Insekten, die gemeinsam mit der Menschheit das Commonwealth beherrschten, waren fast bis zur Unkenntlichkeit in Überlebensanzüge eingehüllt, die speziell für ihre achtgliedrigen Körper entworfen waren. Selbst im Innern des Gebäudes trugen sie spezielle, gewebte und mit Pelz gefütterte Ärmel über ihren federartigen Antennen. Offenbar waren sie, um es warm zu haben, selbst bereit, eine gewisse Beeinträchtigung ihrer Sensitivität hinzunehmen.

Da die Thranx von heißen, feuchten Welten kamen, fühlten sie sich hier auf Tran-ky-ky besonders wenig wohl. Sie gingen vorbei und murmelten einander auf Hochthranx etwas zu. Ethan fragte sich, welche schreckliche Missetat die zwei wohl begangen haben mochten, dass man sie auf diese Welt versetzt hatte. Tran-ky-ky musste ziemlich nahe an das herankommen, was die Thranx unter einer Hölle verstanden.

»Ich möchte wissen, was hier vorgeht!« September deutete hinaus, als sie die innere Türengruppe hinter sich ließen. An der Eingangsrampe hatte sich eine dichte Menge versammelt. Ein hitziges Gespräch schien im Gange. Die beiden Männer eilten durch die Außentür.

Es schien, als würden Ethans Augen plötzlich einer Million Lumen ausgesetzt. Die Außentüren waren chemisch eingefärbt, um das grelle Licht draußen erträglich zu machen. Als er die Türen passierte, hatte Ethan versäumt, seine Schutzbrille herunterzuziehen. Das tat er jetzt in aller Eile und schlug die Augen auf. Es dauerte eine Weile, bis er wieder sehen und außer Weiß irgendetwas erkennen konnte. Seine Augen fühlten sich immer noch an, als wäre jemand mit einer Feile auf seinen Sehnerv losgegangen. Er zog die Gesichtsmaske herunter, aber nicht schnell genug, um ein paar Tränen daran zu hindern, an seinen Wangen festzufrieren. Unter dem Gesichtsschild schmolzen sie wieder.

Als er September ins Innere der Menge folgte, hörte er einiges von dem, was gesprochen wurde. Einen Teil davon konnte er nicht übersetzen. Und was er übersetzen konnte, war ihm peinlich. Ein paar Tran drückten sich gegenseitig ziemlich deutlich ihre Abneigung aus.

Einer von ihnen war Hunnar, den anderen erkannte Ethan nicht. Die Widersacher standen sich auf einem kleinen offenen Platz gegenüber und warfen sich gegenseitig geradezu bewundernswerte Beschimpfungen an den Kopf. Suaxus und Budjir standen daneben und hielten die Hände nervös an den Schwertgriffen, und ihre Zähne waren halb gefletscht. Die Menge murmelte drohend.

»... Abkömmling eines verkrüppelten K'nith!«, knurrte der fremde Tran Hunnar an. Ethan stellte mit einiger Überraschung fest, dass der Fremde größer als der Ritter war, aber keineswegs so muskulös. Er wirkte sogar eher weich. Schärpen aus grünem und goldenem Metallgewebe waren selbstbewusst schräg über seine Brust drapiert und führten unter dem Dan von der Schulter zur Hüfte.

Metallgewebe: Importware, das wusste er. An das linke Bein des auffällig gekleideten Tran war ein kurzes Schwert geschnallt, das aus Stelamik und nicht dem primitiven Stahl bestand, aus dem Hunnars Klinge geschmiedet war. Sein Handgriff bestand aus raffiniert geformtem Plastik.

»Ich will nicht mit Ihnen kämpfen.« Der Fremde versuchte, besonders würdevoll zu wirken. »Ich kämpfe nicht mit ...« Das letzte Wort, das er gebrauchte, war zweideutig, man bezeichnete damit sowohl einen Ausländer als auch die niedrigste Bauernklasse.

»Ich heiße Sir Hunnar Rotbart«, erwiderte der Ritter und fletschte halb die Zähne. »Besieger von Sagyanak dem Tod, Vernichter der Horde und Ritter von Wannome von Sofold.«

»Nie gehört«, spottete jemand in der Menge. Ringsum ertönte abschätziges Gelächter. Suaxus und Budjir versuchten ausfindig zu machen, wer die Bemerkung gemacht hatte, was ihnen aber nicht gelang.

»Ihr werdet bald davon hören«, murmelte Suaxus. »Das gibt eine gute Inschrift auf Euer Grab.«

»Weil wir schon von Dünger sprechen«, fuhr Hunnar fort, »ohne Zweifel handelt Eure Familie damit, um jenen glitzernden Tand zu beschaffen, den Ihr tragt, und jenes blitzende neue Schwert. So neu, scheint mir, dass es offenbar noch nie benutzt worden ist. Aber wer braucht schon ein Schwert, wenn er nur in der Scheiße wühlt?«

Die Muskeln des anderen Tran spannten sich. Ethan wusste, dass – zumindest auf Sofold – natürliche Abfallprodukte sofort gefroren, wenn sie der Luft ausgesetzt wurden. Dann wurden sie von Leuten eingesammelt, die damit Handel trieben und sie an Bauern verkauften, die sie wieder erhitzten und als Dünger verwendeten. Die schwierige Inselökologie von Tran-ky-ky wurde nur durch strenge Wiederaufbereitung und Wiederbenutzung aller verfügbaren Bodennährstoffe im Gleichgewicht gehalten. Aber auch die Notwendigkeit des Berufes trug nichts dazu bei, Hunnars Bemerkung etwas von ihrem beleidigenden Gehalt zu nehmen.

Alle erkannten die Beleidigung. Ein drohendes Murren erhob sich, und einige Hände griffen an die Waffen. Man sah nie einen erwachsenen Tran und nur ganz wenige junge, die nicht wenigstens einen kleinen Dolch am Schenkel trugen. Obwohl Hunnar und die Junker wesentlich besser im Kampf ausgebildet und auch erfahrener waren als der Mob von Bürgern, standen sie doch einer erdrückenden Übermacht gegenüber.