Die nächsten 50 Jahre der Erde - Lyndon H. LaRouche jr. - E-Book

Die nächsten 50 Jahre der Erde E-Book

Lyndon H. LaRouche jr.

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Beschreibung

Lyndon H. LaRouche, wichtigster Denker unserer Zeit, schafft hier die konzeptionelle Grundlage, wie der Kampf der Kulturen nachhaltig überwunden werden kann. Vollständig neu übersetzt und überarbeitet. "Dieser ziemlich umfangreiche Bericht ist erforderlich wegen der Wichtigkeit und Eile, sich mit einer kaum verstandenen, jetzt aber heranstürmenden Gefahr für unsere gesamte Zivilisation zu befassen. Meine Absicht hier ist hauptsächlich die Korrektur eines bedrohlichen Mangels an allgemeiner Aufmerksamkeit für bestimmte, sehr dringende und potenziell tödliche, praktische Implikationen bei den gegenwärtig anstehenden, wahrscheinlich verfehlten Bemühungen zur Führung eines benötigten Dialogs der Kulturen. Dieser Dialog wird höchstwahrscheinlich scheitern, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit, wenn nicht gewisse falsche, aber derzeit gängige Vorstellungen dieses Dialogs genau lokalisiert und einige dieser Irrtümer in sorgfältiger Kleinarbeit berichtigt werden, so wie ich dies hier tue."

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Seitenzahl: 249

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Einleitung

Dieser ziemlich umfangreiche Bericht ist erforderlich wegen der Wichtigkeit und Eile, sich mit einer kaum verstandenen, jetzt aber heranstürmenden Gefahr für unsere gesamte Zivilisation zu befassen. Meine Absicht hier ist hauptsächlich die Korrektur eines bedrohlichen Mangels an allgemeiner Aufmerksamkeit für bestimmte, sehr dringende und potenziell tödliche, praktische Implikationen bei den gegenwärtig anstehenden, wahrscheinlich verfehlten Bemühungen zur Führung eines benötigten Dialogs der Kulturen. Dieser Dialog wird höchstwahrscheinlich scheitern, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit, wenn nicht gewisse falsche, aber derzeit gängige Vorstellungen dieses Dialogs genau lokalisiert und einige dieser Irrtümer in sorgfältiger Kleinarbeit berichtigt werden, so wie ich dies hier tue.

Unsere Vorgehensweise in diesem Bericht muss in der Definition von Ursprung und Wesen der gegenwärtigen, tödlichen Bedrohung für die Zivilisation auf dem gesamten Planeten bestehen, um diese kritische Einschätzung der Irrtümer und Optionen dann für den momentan versuchten Einsatz eines Dialogs der Kulturen als eventuelles Mittel gegen diese Bedrohung bereitzustellen.

Man darf die Beteiligung an diesem Dialog allerdings nicht auf Vertreter jener weitgehend gescheiterten Generation beschränken, die in den letzten vier Jahrzehnten die Welt und ihre Nationen immer tiefer in den tödlichen kulturellen Sumpf, in dem wir heute stecken, hineingefahren hat. Wir würden unser Ziel verfehlen, wenn wir nicht auch das sagen, was insbesondere der heutigen jungen Erwachsenengeneration im Alter von 18–25 Jahren, der wir unausgesprochen die Zukunft der Menschheit anvertrauen, gesagt werden muss. Wir müssen dieser jungen Erwachsenengeneration alles sagen, was sie wissen muss. Alles, was wir sagen, geschieht vor dieser jungen Erwachsenengeneration, in deren Hände wir die Lösung des drohenden Problems legen.

Leider herrscht in den Bemühungen um einen Dialog der Kulturen, wie sie heute üblich sind, ein Hang zu Allgemeinplätzen und Sentimentalitäten. Man drückt sich vor dem unangenehm konkreten Wer, Wie, Was, Wann und Wo bestimmter, problematischer Diskussionen, die lieber vermieden statt angegangen werden. In diesem Fall weicht übertriebene Höflichkeit oft nicht nur der notwendigen Auseinandersetzung mit Problemen von „Persönlichkeiten“ aus, es fehlt auch die nötige Präzision bei der Definition konkreter Lösungen für Probleme, die offen angesprochen werden müssen, wenn man auf Dauer Fortschritte erzielen will. Die heutige Lage erfordert dringend konkrete Lösungen, auch wenn diese manchmal umstritten sind. Manchmal führt der Weg zum Sieg über steiles Gelände.

Dementsprechend werde ich nun verfahren.

Die akute Krise, die einen Dialog der Kulturen dringend erforderlich macht, kann und muss anhand einiger konkreter und zuweilen schroffer Feststellungen genau definiert werden – etwa wie folgt.

Die Zöglinge des verstorbenen Harvard-Professors William Yandell Elliott, Zbigniew Brzeziński und Samuel Huntington, haben – oft in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Leiter des britischen Arabien-Büros Bernard Lewis – sich Pläne zur Errichtung eines faschistischen anglo-amerikanischen Weltreichs als modernes Abbild des Römischen Reichs zurechtgelegt. Diese prominenten Vertreter und andere betreiben die „Globalisierung“ als Fortsetzung von Huntingtons Entwurf in seinem idealisierten Der Soldat und der Staat[1], der auf ein internationales faschistisches SS-System hinausläuft, auch wenn er dies nicht sehr glaubhaft abstreitet. Zu seinem fragwürdigen Repertoire gehören Die Krise der Demokratie, das zur Gründung der wortverdrehenden Einrichtungen „Project Democracy“ und „National Endowment for Democracy“ beitrug sowie sein Leitfaden für weltweiten Religionskrieg Kampf der Kulturen. Die entsprechenden außenpolitischen Schriften und Machenschaften des Gründers der Trilateralen Kommission Brzeziński entsprechen in ihren Zielen und ihrem Hang zum Bösartigen ganz denen seines langjährigen Kumpans Huntington.[2]

Globalisierung als anglo-amerikanisches Weltreich: Samuel P. Huntington (1927–2008), Zbigniew Brzeziński (1928–2017) | Foto Brzeziński: Wikipedia/Tobias Kleinschmidt

Viele glauben fälschlicherweise, die jetzigen Pläne für eine verhältnismäßig neuartige, weltweite, neofeudale ultramontane Tyrannei wären merkwürdige Auswürfe der USA. So wie das britische Arabien-Büro eine Rippe aus dem imperialen Indien-Büro der Briten war, so entstammen die teuflischen Spielchen dieses Pärchens und ihrer Komplizen in Wirklichkeit der Tradition des Pariser Vertrags vom Februar 1763, mit dem das britische Empire geschaffen wurde. Dem Dienst dieses Imperiums hat der Altmeister der Bande von durchtriebenen Schwindlern um Brzeziński und Huntington, der rassistische Nashville-Agrarier und Harvard-Professor Elliott, sein Lebenswerk gewidmet. Es ist das Empire, gegen das der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg geführt wurde und das mehrfach versucht hat, die Vereinigten Staaten zu zerstören, meist entweder gewaltsam oder durch Unterwanderung in der Art von Professor Elliott und seiner Mannschaft heute.[3]

Der gleiche Grundzug des Bösen wie bei Bzrezinski und Huntington findet sich im Werk der ehemaligen US-Außenministerin und Brzeziński-Freundin Madeleine Albright – und auch bei ihren Komplizen wie Richard Holbrooke –, die in ihrer Amtszeit im Balkankrieg die Rezeptur für ein „neues finsteres Zeitalter“ umsetzte. Ironischerweise hat sie zur gleichen Zeit als Außenministerin in einer Rede in New York nicht nur zugegeben, sondern sich sogar damit gebrüstet, sie und ihr Vater seien Anhänger des faschistischen britisch-imperialen Utopismus von H. G. Wells, dem Komplizen des Amerikahassers Bertrand Russell.[4]

Wenn ich dieser Mannschaft soviel Bedeutung zumesse, so ist das keine übertriebene Wortklauberei. Genauso wie es sich der Harvard-Professor für Politische Wissenschaften Elliott und ähnliche Leute zur Lebensaufgabe machten, die Vereinigten Staaten im Hobbesschen Magen eines künftigen britisch-imperialen Commonwealth aufzulösen, so war und ist es die erklärte Absicht Brzezińskis, Huntingtons und anderer, bei allem, was sie tun, den Nationalstaat überall auf der Erde zu zerstören – die USA eingeschlossen. All dies und noch viel mehr tun sie für die moderne Parodie einer Art imperialer Weltordnung, wie sie Lord Shelburnes Lakai Gibbon in seinem Verfall und Untergang des Römischen Reiches entwarf.

Diese imperiale Absicht äußert sich heute in dem Versuch der Rückkehr zu einer imperialen Ordnung nach dem Vorbild des ultramontanen Systems des mittelalterlichen Europa, das in der jahrhundertelangen Partnerschaft der herrschenden Finanzoligarchie Venedigs mit der für die Kreuzzüge berüchtigten normannischen Ritterschaft wurzelte. Eine solche Weltordnung zeigte sich auch bei dem Vorstoß des spanischen Großinquisitors Tomàs de Torquemada zur Erneuerung des ultramontanen Systems im Jahr 1492 – dem Vorbild für Hitlers Judenverfolgung und für die nachfolgenden Religionskriege in ganz Europa. Dies alles sollte den in der Renaissance gerade geborenen neuzeitlichen, europäischen Nationalstaat in der Wiege ersticken. Dieser ultramontane Imperialismus zeigt sich heute im Vorstoß zur „Globalisierung“ – einer gegen die Vereinigten Staaten gerichteten imperialistischen Doktrin, mit der die Tradition des Westfälischen Friedens von 1648 ausgelöscht werden soll.[5] Führende Kreise, die dies vertreten, sollten es nach ihren Erfahrungen mit Adolf Hitlers Unternehmungen eigentlich besser wissen.

Wie die immer noch relevanten Schriften des Martinisten und Freimaurers Graf Joseph de Maistre, Erfinder des räuberischen gallischen Tyrannen und Romantikers Napoleon Bonaparte[6], verdeutlichen, ist das Torquemada-Modell Ursprung der Entstehung des modernen Faschismus, mit Kreaturen wie dem späten Benito Mussolini oder Adolf Hitler. Brzeziński und Huntington marschieren, mit dem Geiste Professor Elliotts vereint, in der gleichen Tradition.

Die faschistische Tradition Europas: Tomás de Torquemada (1420–1519), Benito Mussolini (1883–1945), Adolf Hitler (1889–1945) | Foto Hitler: Deutsches Bundesarchiv

Als Teil des Kampfes gegen das sich ausbreitende Übel des Religionskrieges, wie ihn Brzeziński, Huntington und andere heute verfolgen, unternehmen die Gegner ihrer Pläne wie Papst Johannes Paul II. neue Anstrengungen für eine wahrhaft agapische ökumenische Bruderschaft der großen Weltreligionen. Sie erneuern damit die Bemühungen führender Köpfe der Katholischen Kirche wie Kardinal Nikolaus von Kues während der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts.[7] Andere haben die Aufgabe neu definiert als Unterstützung für einen „Dialog der Kulturen“, aber der Wandel der Bezeichnung bedeutet eigentlich für die europäische Politik nichts Neues, außer einer größeren Reichweite: Er zwingt den Dialog nur zurück zu derselben Kategorie wie den alten Vorschlag des Nikolaus von Kues, eines „Frieden im Glauben“ zwischen Christen, Juden und Muslimen, wenn auch auf breiterer Grundlage.[8]

Man versteht besser, was die ökumenischen Bemühungen der führenden Köpfe der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts für die heutige Auseinandersetzung bedeuten, wenn man besonders betont, wie Großinquisitor Torquemada gegen die Ökumene der christlichen Kirche eines Cusanus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts blutig vorgegangen ist.

Torquemada verließ sich auf den Rassenhass als ideologische Waffe, wie ihn auch Huntington und Konsorten schüren, was typisch sowohl für das alte Römische Reich als auch für den mittelalterlichen Ultramontanismus der venezianischen Finanzoligarchie und der normannischen Ritterschaft mit den Kreuzzügen war. Durch die Ausweisung der Juden aus Spanien 1492 entfesselte Torquemada eine Zeit von Religionskriegen; die nachfolgenden religiösen Bruderkriege gegen den modernen, souveränen Nationalstaat der Renaissance beherrschten den gesamten Zeitraum von 1511 bis zum Westfälischen Frieden 1648. Heute bildet das die Grundlage für die Absicht, das Erbe des Westfälischen Friedens zu entwurzeln und auszurotten; praktisch ist es der Drang zu einem faschistischen Weltreich, wie er sich in den Thesen eines Brzeziński oder Huntington ausdrückt. Der gegenwärtige Feldzug für die „Globalisierung“, gegen die Ordnung des Westfälischen Friedens, ist der kulturelle Ausdruck dafür, dass die Welt in ein neues finsteres Zeitalter abzugleiten droht.

Die gegenwärtige Lage

Es gibt nur einen Weg, durch den die Teilnehmer einer konzertierten Anstrengung nationaler Kulturen beurteilen könnten, in welche Art von Zukunft die vorgeschlagenen Impulse führen. Sie müssten die weltweiten qualitativen Veränderungen verfolgen und beurteilen, durch die die eigenen Impulse neuartige mörderische Konflikte heraufbeschwören, die man doch gerade verhindern wollte. Es stellt sich also die Frage: Wie müssen wir unter Berücksichtigung dieser Überlegungen die gemeinsamen Ansichten beurteilen und verändern?

Die Aufgabe, die diese Frage beinhaltet, wäre z. B. das physische Resultat sichtbar zu machen, das während einer geschätzten Testperiode von nicht weniger als zwei zukünftigen Generationen zu erwarten wäre – von der Geburt eines Kindes heute bis zur Geburt von dessen Enkelkind. Unter den jetzigen Bedingungen gäbe es wahrscheinlich in jeder ökumenischen Übereinkunft zwischen Nationen, auf die sich heute bestehende Institutionen einigen würden, einige Dinge, die zukünftige Generationen aus guten Gründen verfluchen würden.

Zum Beispiel das Ergebnis der Gründung des Völkerbunds war ironischerweise so etwas. Der Völkerbund hatte sich in weniger als einer Generation gründlich diskreditiert und trug sogar maßgeblich dazu bei, dass es zum Zweiten Weltkrieg kam. Ähnliches gilt für die Arbeit der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), die zwar wesentlich nützlicher war als der Völkerbund – einige Male sogar unabdingbar –, die aber heute, zwei Generationen nach ihrer Gründung, an der Verwirklichung ihrer vor fast 60 Jahren gesetzten grundsätzlichen Hauptziele kläglich gescheitert ist, wie der Fall des Irak es heute zeigt.

Beispielhaft für die enttäuschende Arbeit der UNO war die Entscheidung des anglo-amerikanischen Establishments und anderer Mitte bis Ende der 60er Jahre, sich in eine „nachindustrielle“, utopische Zukunft zu stürzen. Diese Entscheidung für die „ökologische Ökumene“, wie sie sich im Zeitraum von 1964–81 entfaltete, war die Hauptursache, der entscheidende kulturelle Wertewandel, der uns heute an die Schwelle des selbstverschuldeten Untergangs der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften gebracht hat. Nun drohen die kettenreaktionsartigen Folgen der damaligen Entscheidung die ganze Welt in ein neues finsteres Zeitalter zu stürzen.

Es sollte offensichtlich sein, dass dieser Hang zur Gegenkultur auch eine tödliche Gefahr für jeden „Dialog der Kulturen“ ist, weil dieser höchstwahrscheinlich an den selbsterzeugten Widersprüchen zugrundegehen würde. Das ist aber nur ein Aspekt der größeren Hindernisse, die sich bei den heutigen Versuchen eines erfolgreichen Dialogs der Kulturen auftun. Es sind hauptsächlich Hindernisse von zweierlei Art.

Der erste allgemeine Fehler fast aller Utopisten unterschiedlicher Spielart bei solchen Versuchen ist, dass sie von Anfang an davon ausgehen, die beste Übereinkunft wäre eine Art Minestrone, indem man wie bei einer bunten italienischen Suppe ganz „demokratisch“ die Vorschläge aller Teilnehmer zusammenmischt. Die Übereinkunft soll möglichst wenig kulturellen und sonstigen Widerspruch durch die vorgeformten Meinungen der anderen erregen.

Bei einem solchen Hang zur Sophisterei – manchmal wird das „Demokratie“ genannt[9] – wurden die entscheidenden Dinge – ob etwa tradierte kulturelle Impulse einer bestimmten Nation wenig tauglich für das Funktionieren dieser Nation sind – niemals wirklich wissenschaftlich hinterfragt. Wenn man so fortfährt, würde am Ende ein Pakt wie unter gegnerischen Anwälten entstehen, ohne jede tiefere Grundlage im Naturrecht (der Begriff wird von mir weiter unten dargelegt). In einem so geordneten Dialog der Kulturen wird die Auseinandersetzung um so deutlicher in neuer Form zutagetreten, je mehr man sie scheinbar beigelegt hatte. Allgemein besteht heute der Fehler darin, die Wissenschaft aus der Sicht der Tradition an sich zu beurteilen, statt aus angemessener wissenschaftlicher Sicht die Tradition zu betrachten und ihr Gutes von ihrem Schlechten zu trennen, was dringend notwendig wäre.

Der tödlichste aller Fehler in solch einem fehlgeleiteten Dialog der Kulturen ist die Vorstellung, die Religion müsse der Wissenschaft unvereinbar gegenüberstehen. Dieser leider weit verbreitete tödliche Irrtum, es gebe unvereinbare Gegensätze zwischen Religion und Wissenschaft, wird in diesem Aufsatz an entsprechenden Stellen besonders untersucht und berichtigt.

Aber einmal abgesehen von dem, was bloß Verwirrung stiftet: Exemplarisch für das wirklich Bösartige, dem bei dieser grundsätzlich falschen Art von „Demokratie“ – wie unabsichtlich dies auch sein mag – Unterschlupf gewährt wird, ist der verkommene existentialistische Irrationalismus des Kongresses für kulturelle Freiheit (KkF) des Nazi-Freundes Allen Dulles.[10] Abschreckend für den profaschistischen Charakter des KkF ist der Existenzialismus à la „Frankfurter Schule“ des Nazi-Philosophen Martin Heidegger und seiner jüdischen Freunde der Frankfurter Schule Hannah Arendt und Theodor Adorno,[11] die zusammen mit anderen Existenzialisten und deren Verbündeten wie die American Family Foundation den Faschismus der berüchtigten „Rattenlinie“ und anderer Nazi-Freunde von Dulles und Konsorten rechtfertigten, indem sie vorgaben, die kulturellen Übel des Kommunismus zu bekämpfen.[12]

Existenzialisten Martin Heidegger (1889–1976), Hannah Arendt (1906–1975), Theodor Adorno (1903–1969) | Foto Heidegger: Landesarchiv Baden-Württemberg; Foto Arendt: Wikipedia/Münchner Stadtmuseum; Foto Adorno: Wikipedia/Jeremy Shapiro

Somit wurde die Anstrengung zu einem Versuch, Kompromisse zwischen Kulturen zu finden, wobei jede davon ausging, dass ihr vorhandenes, durch ihre Kultur geprägtes Wollen im Kern selbstredend richtig sei. Die dadurch Getäuschten, die sich damit dem typischen Irrationalismus des KkF anpassten, pochten auf ihre einander widersprechenden Vorstellungen von „richtig“, die sie in jedem Fall als a priori existierend darstellten. Die schlimmsten faschistisch existentialistischen Philosophen wie Leo Strauss – zeitweilig Schützling des Nazi-Kronjuristen Carl Schmitt – und seine Anhänger in der heutigen Regierung George W. Bush übernahmen die philosophische Bestialität des realen und literarischen Charakters des Thrasymachos, wonach widerrechtliche oder tyrannische Regimes wie das von Hitler oder von Präsident George W. Bush ein Recht auf Willkürherrschaft hätten.[13]

Zweitens müssen wir ermitteln, ob die Frage nach dem Funktionieren des vorgeschlagenen Ergebnisses, nicht von vornherein jeder ernsthaften Untersuchung entzogen war. Der Ausschluss dieser Fehlerbetrachtung dürfte mehr oder weniger aus Gründen des gegenseitigen Respekts für die axiomatischen, gegenseitig inkohärenten Empfindlichkeiten der anderen geschehen sein. Und zwar mit dem Argument, man wolle nicht über die Werteordnung der anderen Beteiligten, oder zumindest einiger von ihnen, von „außen“ ein Urteil fällen. Der schlimmste Aspekt dieser Versuche war der Vorschlag, die innere Inkohärenz der Prinzipien, die den jeweiligen kulturellen Wertesystemen zugeordnet wurden – etwa der willkürlich angenommene Gegensatz zwischen europäischen und asiatischen spirituellen Werten –, auch noch als positives Prinzip anzusehen!

Die Folge einer derartigen Suche nach einer relativ schmerzlosen prinzipienlosen Übereinkunft, dass man prinzipiell nicht übereinstimmt, ist das Resultat des Wegschiebens der entscheidenden Tatsache, dass ein Prinzip, wenn es denn wirklich eines sein soll, ein Prinzip in dem Sinne sein muss, wie wir diesen Begriff des „Prinzips“ mit den Naturgesetzen unseres Universums verbinden.

Mit anderen Worten: Wir müssen „Prinzip“ so verstehen, wie die klassische Tradition Platons und die neuzeitliche Wissenschaft von Kues, Kepler, Leibniz, Gauß oder Riemann die wissenschaftliche Methode definieren – so wie W. I. Wernadskijs experimentelles Prinzip der Noosphäre eine Wissenschaft definiert, die zu einer neuen eurasischen Kultur werden muss. Wenn man ein wahres Prinzip missachtet oder ein falsches durchsetzt, wie etwa die massenmörderischen, olympischen „Umweltkulte“ der vergangenen vier Jahrzehnte,[14] dann wird die ganze Menschheit dafür bestraft, wie es sich an dem apokalyptischen Ergebnis nach vier Jahrzehnten des Einflusses und der Anwendung solcher falschen Überzeugungen zeigt. Die beiden Weltkriege sind lehrreiche Beispiele dafür, was geschieht, wenn man diesen Zusammenhang missachtet.[15]

Nimmt man seine Zuflucht zu solch falschen, sentimentalen a priori-Annahmen, vor denen ich gerade gewarnt habe, so ist das Ergebnis – wie im Falle des Völkerbunds und der UNO – der gutgemeinte Wille, eine Wiederholung früherer Kriege oder ähnliches zu vermeiden, indem man Regeln aufstellt, die im besten Falle den vermuteten Absichten bestimmter früherer Konflikte entgegenwirken, in Wirklichkeit aber nur neue Regeln eines Spiels sind, das die Nationen bewusst oder unbewusst auf den Weg in den nächsten brutalen Weltkonflikt führt. So geschah es, recht bald, nach dem Ende der beiden „Weltkriege“ des 20. Jahrhunderts. Und heute geschähe genau dasselbe.

So war der Vorlauf 1922–1939 für den Zweiten Weltkrieg die Frucht eines faschistischen Komplotts der Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale[16], eines Komplotts, das als Voraussetzung die neuen englisch-niederländischen liberalen Regeln der Finanzwelt hatte, die von den maßgeblichen Mächten in den Versailler Vertrag hineingeschrieben worden waren. Die eigentlichen Verursacher des Krieges waren nicht ein paar rechte Fanatiker wie Hitler oder Mussolini, sondern jene, die diese beiden und andere Fanatiker groß gemacht und als Werkzeuge zur Herbeiführung des Krieges benutzt hatten. Jeder, der die politische Wirklichkeit kannte, wusste von Anfang an, dass die Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale, der Urheber des Versailler Vertrages, diesen Krieg wollte.

Nach Versailles dienten das Buch Die offene Verschwörung und der Film The Shape of Things to Come des utopischen Fanatikers H. G. Wells als Drehbuch für eine Art ideologischer Generalprobe der Utopier, sowohl für den Absturz der Welt in den Zweiten Weltkrieg als auch danach in ein finsteres Zeitalter, so wie es heute nach dem gegenwärtigen anglo-amerikanischen Irakkrieg zu beginnen droht. Dieses finstere Zeitalter wird schon bald das Resultat sein, wenn die gewissermaßen Wellsschen „neokonservativen“ Grundannahmen, für die die gegenwärtigen Regierungen der USA und Großbritanniens stehen, nicht bald verdrängt werden.[17] Ohne diese Ablösung sind ein neuer Weltkrieg und in der Folge der Absturz in ein weltweites finsteres Zeitalter praktisch unvermeidlich, so sicher, wie man Mitte der 30er Jahre dafür nur die Worte „Adolf Hitler“ zu sagen brauchte – auch wenn heutige Romantiker diesen sehr wirksamen Zusammenhang noch so vehement bestreiten.

Dieses Muster von Antinomien ist nicht erst in der Neuzeit aufgetaucht. Alle großen Tragödien in der Geschichte der über den ganzen Globus erweiterten europäischen Zivilisation, wie der Fall Athens im Gefolge des Peloponnesischen Krieges oder die heutigen Leiden Kontinentaleuropas, seitdem unter dem englischen König Edward VII. das angezettelt worden war, was dann als die beiden „Weltkriege“ des letzten Jahrhunderts bekannt wurde, veranschaulichen das gleiche Prinzip.[18] Der lange Bogen der bekannten Geschichte asiatischer Kulturen ist in dieser Hinsicht noch schlechter als der Europas. Nur auf den ersten Blick scheint Europa schlimmer dran gewesen zu sein, weil die europäische Kultur der Neuzeit, wenigstens bis jetzt, pro Kopf betrachtet ein mächtigeres Instrument gewesen ist als die asiatische Kultur. Heute, da sich unwiderruflich Atomwaffen in den Händen asiatischer Kulturen befinden und immer mehr diese erlangen, und da weltweit noch mehr asymmetrische Kriege entfesselt werden, drohen uns nicht Kriege zwischen Zivilisationen, sondern – wie wir an der gegenwärtigen Praxis der Regierung Bush im Irak sehen – ein allgemeiner Krieg gegen den Fortbestand der Zivilisation selbst, ein Weltkrieg unter Tanzpartnern, wie der, auf den sich die bereits tanzenden Regierungen Bush und Blair einlassen. Es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen, statt in selbsterniedrigender Weise so zu tun, als glaube man den üblichen diplomatischen Gemeinplätzen.

Wer die Geschichte nicht versteht, redet sich aus der eigenen Mitschuld gewöhnlich damit heraus, dass er die Schuld einigen wenigen, führenden Persönlichkeiten gibt – hauptsächlich solchen, die sich in opportunistischer Weise nur allzusehr an eine gerade beliebte Kultur angepasst haben. Jedoch wird bei diesen Ausreden übersehen, dass die Ursache solcher Katastrophen immer die Kultur selbst war, nicht nur die Kultur der Führungsschicht, sondern, was viel wichtiger ist, die des ganzen Volkes. Es war das Volk, das sich für gewöhnlich auf die eine oder andere Art und Weise eine solche Führung für seine herrschenden Institutionen ausgewählt hat. Dabei wurden entweder vorhandene Alternativen abgelehnt oder, schlimmer noch, es stand gar keine andere qualifizierte Führung zur Auswahl.

Zugegeben, es waren die gemeinsamen Interventionen von besonders B. G. Tilak und Mahatma Gandhi, die mit ihrem Eingreifen Indien den Weg aus der tyrannischen Fremdherrschaft wiesen. Diese Erfahrung belegt erneut in herausragender Weise die Macht einer Kultur, um das Regime, das mit den Beherrschten unvereinbar ist, zu Fall zu bringen. Diese Erfahrung und die gegenteilige Neigung der Untertanen, der Tyrannei Glaubwürdigkeit zu verleihen – wie in Deutschland nach Görings Reichstagsbrand und in den USA nach dem 11. September 2001 –, sind für den entscheidenden Dualismus der bekannten Geschichte bezeichnend. Dennoch bleibt die hässlichere Wahrheit, wie die häufige Erfahrung lehrt, dass eine schlechte Herrschaft, wie die der römischen Caesaren, ein Ausdruck der Kultur des eigenen Volkes ist. Shakespeare bringt das, etwa in der Eröffnungsszene von Julius Caesar oder in Hamlet, auf dem Theater gekonnt zum Ausdruck. In beiden letzteren Fällen stellt Shakespeare mit genialer Einsicht das Böse einer Kultur auf die Bühne – sei es der Tyrann oder sei es der mordlustige Dummkopf, den das Böse im Volk hervorgebracht hat. Wie Shakespeare den Charakter Julius Caesars oder Hamlets auf der Bühne erschafft, so erschafft auch die Kultur im Volk oft die Tyrannen, die es dann später regieren.[19]

Also denken Männer und Frauen nicht klar, Männer und Frauen, die wie Hamlet-artige Opportunisten es vorziehen, einer Sache hinterherzulaufen, die innerhalb der Grenzen dessen liegt, was gerade die willkommene öffentliche Meinung ist, statt die Folgen zu bedenken, die die Gegenwart der Zukunft aufzwingt, Folgen, von denen, wie es heißt, „kein Reisender je zurückkehrt“. Auf diese Weise war es der gängige, intellektuell und geistig feige Glaube, der in der Kultur selbst tief verwurzelt ist, der die Quelle der Desaster jener Kultur war. So bringen Gesellschaften, wie heute, oft utopische Pläne hervor, unter deren Folgen kommende Generationen zu leiden verdammt sind.[20]

Das wesentliche Paradox

Es war möglich, wissenschaftliche Prinzipien zu entdecken, mit deren Hilfe die immer wieder ähnlich törichten Resultate utopistischer Komplotte willentlich vermieden werden könnten. Ich muss es noch einmal sagen: Das zu lösende Problem ist der übliche, manchmal tödliche Dünkel, die Prinzipien der erwünschten Utopie seien jene Prinzipien, die vermeintlich ganz naheliegend sind und sich wie durch einen herzerwärmenden Energieschwall kundtun – wie z. B. eine bestimmte Tradition. Diese Formen von unmoralischer Eigenkorruption der Völker werden in unverantwortlicher Weise als etwas mehr oder weniger Selbstevidentes behandelt, und sogar ansonsten eher vernünftige Menschen schließen sich ihnen ohne Zögern an.

Der große, oft tödliche Irrtum ist, außer acht zu lassen, dass – wie in der Naturwissenschaft – die gewünschten Lösungen nur darin liegen können, neue Prinzipien zu entdecken, die zu Recht, aber oft auch schroff, so gut wie alles, was die vorherrschende Meinung bisher geglaubt hatte, auf den Kopf stellen. Meistens wurde fälschlicherweise angenommen, die vorherige Krise sei die Folge von Verstößen gegen irgendwelche herkömmlichen Werte gewesen, wo sie in Wahrheit doch von einem nicht vollzogenen Bruch mit diesen Werten herrührte, was der Fall der Leibnizschen Amerikanischen Revolution Benjamin Franklins und auch Schillers Behandlung der historischen Figur des Wallenstein veranschaulicht. Der Irrtum besteht also in der Annahme, die Lösung läge innerhalb der Grenzen jenes Denkens, das die Krise überhaupt erst erzeugt hatte. So wandern die Lemminge, ihrer schrecklichen Tradition folgend, regelmäßig über die Klippe und stürzen ins Meer.

Die Begabung des ausgebildeten Rettungsschwimmers ist nicht, die Dame zu verführen, sondern ihr Leben zu retten, ob er ihr nun persönlich sympathisch ist oder nicht. Genauso ist es mit der Führung, von der die Lösung einer kulturellen Krise wie der heutigen Weltkrise abhängt. Hier liegt die eigentliche Herausforderung eines Dialogs zwischen den Kulturen. Falls ein solcher Dialog tragisch scheitert, läge dies, wie schon in der Vergangenheit, in erster Linie daran, dass sich keine Führung entwickelt, die Änderungen der allgemein anerkannten Prinzipien, die solche Kulturen repräsentieren, durchsetzen kann.

Erklären wir diesen ganz entscheidenden Punkt der Klarheit halber noch einmal anders. Ich darf nicht zulassen, dass sich unsere Diskussion von der wiederholten Betonung dieses Punktes entfernt.

Der größte Feind der Menschheitszivilisation und aller Zivilisationen – die Quelle ihrer größten, tödlichsten Schwäche – ist letztendlich die Vergötterung allgemeiner Mittelmäßigkeit im Namen des „Wahrens bestehender Traditionen“. Das Verhalten gleicht dem von Raubtieren oder deren Opfern, die ihren angeborenen tierischen „Instinkten“ nicht entrinnen können. Der Mensch sollte sich darauf verlassen, dass er sich anders verhalten kann. Der Hang, sämtliche Stimmen zu unterdrücken oder ganz zum Schweigen zu bringen, die den irreführenden, falschen Frieden allgemeiner Mittelmäßigkeit bedrohen, ist der typischste Ausdruck jener Verachtung des Prinzips der Wahrhaftigkeit, was vormals scheinbar große Kulturen in den selbstverschuldeten Untergang führt.

So war es die vorherrschende „antivoluntaristische“ Kultur der sowjetischen Gesellschaft, die der relevanteste Einzelfaktor in der Wirtschaft war, will man die selbstverschuldeten Aspekte des Falls der Sowjetunion hervorheben. Die Tatsache, dass der klar „voluntaristische“ Impuls der sowjetischen Rüstungsforschung die Schlacht gegen Plechanows Tradition des Sowjetsystems verloren hatte, bleibt auch heute noch die entscheidende strategische Lehre für den Entwurf eines Programms, mit dem Russland sich vom Zusammenbruch der Sowjetunion erholen kann.[21]

Das entscheidende Thema, mit dem man sich bei der Beurteilung früherer gescheiterter Versuche in Richtung eines Dialogs der Kulturen befassen muss, zeigt sich beispielhaft daran, dass Führungspersönlichkeiten, wenn sie tatsächlich auftraten, ermordet, eingesperrt oder auf andere Art zurückgewiesen wurden. Abweichung ist das Ferment von Genie und Dummheit gleichermaßen, aber sie bleibt dennoch die Brutstätte, wo etwas Neues entstehen kann, mithilfe dessen sich ein Volk aus dem tödlichen Griff fehlgeleiteter Gewohnheiten befreit. Solche abweichenden Stimmen systematisch auszurotten, ist typisch für die Unfähigkeit, eine systemische Krise zu überwinden, die eine einst mächtige Nation in den selbstverschuldeten Untergang führt.

So war in jedem Fall der bekannten Geschichte der gemeinsame Fehler von Anführern der, dass entweder keine anderen ausgewählt wurden oder dass gar keine geeignete andere Führung zur Verfügung stand, weil man sie in der betreffenden Kultur nicht entwickelt und gefördert oder sogar vorbeugend beseitigt hatte – so wie man den „unerwünschten legitimen Erben am liebsten schon in der Wiege ermordet“ –, entweder auf Anordnung oder unter stillschweigender Duldung der Herrschenden. Durch solch eine kollektive Sachlage hat das Volk in aller Regel schlimmstes Leid über sich gebracht. Das Wirken des Kongresses für kulturelle Freiheit (KkF) des Nazi-Freundes Allen Dulles ist ein Paradebeispiel dafür, wie dem Volk einer Nation Zugang zur Entwicklung und Auswahl von geeigneten Anführern verwehrt wird, die sie von dem tragischen Weg des selbstverschuldeten Untergangs hätten abbringen können[22]

Im Kontrast dazu waren sämtliche große Anführer, die eine Kultur vor den Folgen ihrer eigenen Torheit in Sicherheit brachten, zwangsläufig Ausnahmen von dem, was diese Kultur „im Durchschnitt“ wahrscheinlich als akzeptable Qualität betrachtet hätte.

Solche Ausnahmen waren die Wahl der US-Präsidenten Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt oder des Präsidenten Charles de Gaulle der französischen Fünften Republik. Beispiele für das Prinzip, solche Ausnahmeerscheinungen in entscheidenden Momenten der Geschichte auszuschalten, waren die Ermordung der indischen Premierministerin Indira Gandhi oder die Ermordungen Jürgen Pontos und Alfred Herrhausens in jeweils entscheidenden Phasen der Geschichte Deutschlands. Die glücklicheren Ausnahmen, scheinbare Unfälle der Geschichte wie Lincoln oder Franklin Roosevelt, waren nicht wirklich Unfälle; sie waren willentliche Rollenbestimmungen, die von Personen angenommen wurden, die, weil sie dazu entwickelt wurden und sich auch selbst dazu entwickelt hatten, sich gegen die anerkannten Verhaltensmuster der herrschenden Kultur zu stellen, die außergewöhnlichen Möglichkeiten, die eine Krise oftmals bietet, richtig nutzen konnten. Dann war das Ergebnis eine Ausnahme von den üblichen, tragisch falschen Vorlieben der betreffenden Kultur, wenn es um kritische Entscheidungen ging.

Historisch wichtige Ausnahmeerscheinungen ihrer Zeit: Abraham Lincoln (1809–1865), Franklin D. Roosevelt (1882–1945), Charles De Gaulle (1890–1970) | Quelle: Wikipedia Commons

Wer somit Aussicht hat, ein derartiger Staatsführer zu werden, und in dem Verdacht steht, solche unerwünschten Fähigkeiten in sich zu tragen, wird gewöhnlich auf die eine oder andere Weise aus der Szene entfernt, so wie es mir erging, u. a. wegen gemeinsamer Anstrengungen meiner Gegner in Amerika und der Sowjetunion hinsichtlich meiner Rolle bei der Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) zwischen 1983 und 1989.[23]

So rettete seinerzeit zum Beispiel die Wahl des außergewöhnlichen Franklin Roosevelt die USA und half entscheidend dabei mit, für den damaligen Zeitraum die Welt zu verteidigen. Roosevelts Tod beseitigte die entscheidenden Hindernisse der Herrschaft des geistigen und moralischen Mittelmaßes, verkörpert im „kleinsten gemeinsamen Nenner“ Harry S Truman, was dann zu den größten Katastrophen auf der Welt in den letzten 50 Jahre führte. Diese Seuche ungeheurer intellektueller und moralischer Mittelmäßigkeit – losgetreten durch den vom nazi-freundlichen Allen Dulles und anderen gegründeten Kongress für kulturelle Freiheit (KkF) – schuf die Grundlage für den die letzten 40 Jahre andauernden Absturz der Weltzivilisation in die kulturelle Dekadenz und von dort in die nun drohende „Götterdämmerung“, das gegenwärtig drohende weltweite neue finstere Zeitalter.

Die größte Torheit der bekannten Kulturen bestand immer darin, die Führung der Nationen und ihre Politik auf einen vermeintlichen, politisch-kulturellen Konsens, eine sogenannte altehrwürdige Tradition, stützen zu wollen. So war es bei den Kontinentalmächten, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs führend waren, als die sich anbahnende Krise erfordert hätte, sich gegen die geläufigen Meinungen nur auf die nackte Wahrheit zu verlassen – jene Art von Wahrheit, die die tödliche Dummheit der vorherrschenden kulturellen Normen entlarvt.

Zivilisationen sind durch ihr stures Festhalten an den Fehlern ihrer ererbten kulturellen Gewohnheiten zum Aussterben verurteilt, so wie eine Tierart durch ihr genetisches Erbe verdammt ist. Deshalb ist es paradoxerweise oft nur eine Revolution der kulturellen Traditionen, wie Benjamin Franklins Amerikanische Revolution 1776–89, die die wertvollsten politischen und anderen Institutionen, bis dato von der englischsprachigen Welt hervorgebracht, hätte erhalten können und dies auch tat.

Dass Kontinentaleuropa versagte, sich auf revolutionäre Weise vom Erbe parlamentarischer Angewohnheiten und sogenannt „unabhängiger“ Zentralbanken zu befreien, war seit Juli 1789 die Ursache großer Tragödien und verpasster Chancen, die Europa bis heute wiederholt über sich brachte.

In der Naturwissenschaft, in der großen klassischen Kunst und in der Staatskunst zeichnet sich eine Nation, die wahre Größe erlangt, dadurch aus, dass sie zu der notwendigen, grundsätzlichen Ausnahme vom sonst allgemein üblichen Vorgehen greift – man spricht auch von der „revolutionären“ Ausnahme; so wie die Rückkehr Präsident Franklin Roosevelts zur US-Verfassung, die Ausnahme von der gegenwärtig akzeptierten Gewohnheit[24], was das Kennzeichen wahrer Größe einer Nation ist; und man muss aus dem Kreis der Besten die wirklich außergewöhnlichen auswählen, die allein die Veränderungen bewirken können, von denen die Größe und sogar das Überleben einer Kultur abhängt. Die Tiere sind dazu verurteilt, eines Tages von der Natur ausgelöscht zu werden, weil ihre Natur fix ist. Der Mensch aber ist kein Tier, es sei denn, er versucht, die Tiere nachzuahmen, indem er Glaubensstrukturen wie das „radikalökologische“ Dogma annimmt, die einer niederen Gattung mit kulturell festgelegten, quasi-genetischen Eigenschaften zukämen.