Die Seelenburg (und kleinere Schriften) - Theresia von Jesu - E-Book

Die Seelenburg (und kleinere Schriften) E-Book

Theresia von Jesu

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Beschreibung

Die »Seelenburg«, auch Buch der »Wohnungen« genannt, ist wohl eines der schönsten literarischen Werke, die je menschliche Intelligenz hervorgebracht hat. Sie ist ein Meisterwerk der Mystik und auch das Meisterwerk der Heiligen Theresia. In anschaulicher Weise macht sie uns mit den Gunstbezeigungen Gottes vertraut, die zur Rechtfertigung und Heiligung der Seele führen, und belehrt uns über den Fortschritt der schon begnadigten Seele bis zur höchsten Entfaltung des geistlichen und mystischen Lebens, die in der umgestaltenden Liebe Gottes, im Einwirken der Gaben des Heiligen Geistes, in den übernatürlichen Tugenden und Vollkommenheiten begründet ist. Aus diesem Grunde ist gerade dieses Werk der Heiligen so gesucht von allen, die dem Gnadenwalten Gottes in der Seele des Menschen verständnisvoll gegenüberstehen. Und wenn Dr. Joseph Pieper in einer Rezension des »Lebens« der Heiligen sagt: »Niemand kann die Frage ›Was ist der Mensch?‹ auch nur annähernd beantworten, der nichts von den mystischen Möglichkeiten weiß«, so lenkt er damit das Augenmerk der gottsuchenden Seele gerade auf die mystischen Werke der Heiligen, und nicht zuletzt auf die »Seelenburg«, in der wir noch in höherem Maße als im »Leben« einen »überlegenen und klarsichtigen Wegweiser zum Seinskern des wahren christlichen Lebens« finden. Neben der »Seelenburg« finden sich noch weitere kleinere Schriften in diesem Band.

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Seitenzahl: 618

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Seelenburg

 

THERESIA VON JESU

 

 

 

 

 

 

 

Die Seelenburg, Theresia von Jesu

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

Übersetzt von P. Aloysius Alkofer Oh. Carm. Disc.

 

ISBN: 9783988682048

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort des Herausgebers. 1

Einführung in die Seelenburg. 2

Die Seelenburg. 6

Erste Wohnung. 8

Zweite Wohnung. 23

Dritte Wohnung. 30

Vierte Wohnung. 44

Fünfte Wohnung. 66

Sechste Wohnung. 94

Siebte Wohnung. 173

Anhang. 200

Berichte und Gunstbezeigungen der hl. Theresia. 202

I. Berichte der hl. Theresia. 202

II. Gunstbezeigungen Gottes. 234

Gedanken über die Liebe Gottes. 264

Vorwort266

Erstes Hauptstück. 267

Zweites Hauptstück. 274

Drittes Hauptstück. 291

Viertes Hauptstück. 298

Fünftes Hauptstück. 304

Sechstes Hauptstück. 308

Siebtes Hauptstück. 314

Rufe der Seele zu Gott320

Einführung in die Rufe der Seele zu Gott320

Rufe der Seele zu Gott321

Kleinere Schriften. 346

Satirische Kritik der heiligen Theresia, die sie im Auftrag des Bischofs von Ávila, Alvaro de Mendoza, schrieb346

Kritik über Franz de Salcedo. 346

Kritik über Pater Julian de Ávila. 347

Kritik über Pater Johannes vom Kreuz. 347

Kritik über Don Laurentius de Cepeda, ihren Bruder348

Antwort der heiligen Theresia auf eine Aufforderung zum geistlichen Wettstreit349

Leitsätze und Denksprüche der heiligen Theresia von Jesu. 352

Ermahnungen der heiligen Mutter Theresia an ihre Nonnen. 354

Ermahnung der heiligen Theresia an ihre Töchter bei ihrem Abschied von Soria358

Kurze Ansprache der heiligen Theresia bei ihrem Abschied von ihren Töchtern zu Valladolid, drei Wochen vor ihrem Tode. 358

Worte der sterbenden Theresia an ihre Nonnen. 358

Grundsätze der heiligen Theresia. 358

Vorwort des Herausgebers

Die »Seelenburg«, auch Buch der »Wohnungen« genannt, ist wohl eines der schönsten literarischen Werke, die je menschliche Intelligenz hervorgebracht hat. Sie ist ein Meisterwerk der Mystik und auch das Meisterwerk der heiligen Theresia. In anschaulicher Weise macht sie uns mit den Gunstbezeigungen Gottes vertraut, die zur Rechtfertigung und Heiligung der Seele führen, und belehrt uns über den Fortschritt der schon begnadigten Seele bis zur höchsten Entfaltung des geistlichen und mystischen Lebens, die in der umgestaltenden Liebe Gottes, im Einwirken der Gaben des Heiligen Geistes, in den übernatürlichen Tugenden und Vollkommenheiten begründet ist. Aus diesem Grunde ist gerade dieses Werk der Heiligen so gesucht von allen, die dem Gnadenwalten Gottes in der Seele des Menschen verständnisvoll gegenüberstehen. Und wenn Dr. Joseph Pieper in einer Rezension des »Lebens« der Heiligen sagt: »Niemand kann die Frage ›Was ist der Mensch?‹ auch nur annähernd beantworten, der nichts von den mystischen Möglichkeiten weiß«, so lenkt er damit das Augenmerk der gottsuchenden Seele gerade auf die mystischen Werke der Heiligen, und nicht zuletzt auf die »Seelenburg«, in der wir noch in höherem Maße als im »Leben« einen »überlegenen und klarsichtigen Wegweiser zum Seinskern des wahren christlichen Lebens« finden. Wenn nun die »Seelenburg« in Verbindung mit den »Gedanken über die Liebe Gottes« und den »Rufen der Seele zu Gott« in dieser Neuausgabe der Werke der Heiligen nach dem dritten Band erscheint, so geschieht dies nur aus Rücksicht auf die zahlreichen Nachfragen der Leserwelt, da dieses Meisterwerk der Mystik schon seit längerer Zeit vergriffen ist und diese Lücke in der fortlaufenden Neuausgabe ausgefüllt werden muss. Die Fortsetzung der Briefe (vierter Band) wird dadurch etwas zurückgestellt. … [Auslassung, d. Bearb.] Die einzelnen Anmerkungen zu dem vorliegenden Bande stammen zum weitaus größten Teil aus dem der deutschen Übersetzung zugrunde liegenden spanischen Texte; nur wenige sind meiner früheren deutschen Ausgabe entnommen. Großen Dank schulde ich Herrn Dr. Lambert Kunle, Professor in Pforzheim, der mir schon bei der Korrektur des zweiten und dritten Bandes in liebevoller Weise entgegengekommen ist und dadurch viele Ungenauigkeiten ferngehalten hat. Auch bei Herausgabe dieses Bandes gab er mir bedeutungsvolle Winke durch seine Mitarbeit bei der Korrektur. Möge nun die »Seelenburg« viele heilsbegierige Leser finden und ihnen reichen Nutzen bringen für ihr eigenes Seelenleben sowie auch zur Leitung anderer ihnen anvertrauten Seelen!

Regensburg, 16. Juli 1937, der Herausgeber

Einführung in die Seelenburg

Es war im Frühjahr 1577. Die heilige Theresia befand sich eben in Toledo. Pater Gracián Oh.C.D., damals Apostolischer Kommissar und damit auch der Obere der Karmeliten, unterhält sich mit der heiligen Mutter im Sprechzimmer der Karmelitinnen von Toledo über Fragen des geistlichen Lebens. Die Heilige weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass sie über diesen und jenen Punkt schon ausführlich in ihrer Autobiographie geschrieben habe. Wohl, meinte darauf Pater Gracián; doch da jenes Buch (das »Leben«) von der spanischen Inquisition zurückgehalten werde und infolgedessen nicht gelesen werden könne, werde es gut sein, wenn sie über diese Dinge ein neues Buch schriebe, ohne darin sich selbst zu nennen.

Die Heilige wehrte sich gegen dieses Ansinnen und meinte: »Warum soll ich über so erhabene Dinge schreiben? Das ist Sache der Theologen; sie haben darüber Studien gemacht. Es gibt ohnehin schon so viele Bücher, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Ich bin dazu völlig ungeeignet usw.«

Doch Pater Gracián bestand auf seinem Wunsch und wies den Einwand, dass darüber gelehrte Theologen schreiben sollten, zurück mit dem Hinweis, dass sie, die Heilige, auf diesem Gebiet besondere Erfahrung habe, und dass darum das, was sie aus eigener Erfahrung darüber sagen könne, weit nützlicher sei und besser verstanden werde, als was gelehrte Doktoren aus Büchern zusammentragen.

Als bald darnach auch Dr. Velásquez Domherr von Toledo und damals Beichtvater der Heiligen, dem Theresia das Ansinnen bzw. den Auftrag des Paters Gracián unterbreitete, diesen Auftrag unterstützte, beugte sich die Heilige dem höheren Willen ihrer Oberen; und obwohl an Jahren schon weit vorgerückt — sie zählte damals 62 Jahre —, von Krankheiten geschwächt und von Arbeiten aller Art überhäuft, machte sie sich daran, den ihr gegebenen Auftrag auszuführen.

Dies der Anstoß zum Buch: Die »Seelenburg«.

Als nun die Heilige am Vorabend des Festes der Heiligsten Dreifaltigkeit darüber nachsann, was sie zum Gegenstand ihrer Schrift nehmen sollte, da gab ihr Gott selbst den Fingerzeig dazu. In einer wunderbaren Vision ließ er seine treue Dienerin folgendes schauen: Etwas wie eine Burg, aus leuchtendem Kristall aufgebaut, erhob sich vor ihren staunenden Augen. In dieser Burg waren deutlich verschiedene Abteilungen oder Wohnungen zu erkennen. In der innersten dieser Wohnungen thronte der König der ewigen Herrlichkeit, dessen strahlender Glanz die Wohnungen dieser Burg durchdrang und ihnen unsagbare Schönheit verlieh. Dieses himmlische Leuchten war aber nur im Inneren der Burg zu gewahren; außerhalb derselben war alles in Dunkel gehüllt, voll Schmutz und Natterngezücht und giftigem Gewürm. Darin erkannte die Heilige die Schönheit einer Seele, die im Stande der Gnade ist. Gleich darauf änderte sich das Bild: Das Licht verschwand, und ohne dass der Herr der Glorie die Wohnung verließ, verdunkelte sich der Kristallpalast und ward schwarz und unsagbar hässlich; und das Natterngezücht und das Gewürm, dass zuerst außerhalb der Burg war, kroch ins Innere derselben. Dieses zweite Bild fasste Theresia auf als ein Sinnbild von der Hässlichkeit der Seele im Stande der Sünde.

Das Geschaute nahm nun Theresia zur Grundlage für ihre Schrift, zu deren Abfassung sie gleich am folgenden Tage, dem Feste der Heiligsten Dreifaltigkeit, 2. Juni 1577, in Toledo schritt, und die sie nach einer Unterbrechung von mehreren Monaten — sie siedelte im Juli des gleichen Jahres in das Josephskloster nach Ávila über und konnte sie erst im Oktober wieder fortsetzen — am 29. November 1577 in Ávila vollendete. Sie betitelte diese Schrift: »Castillo Interior« (»Innere Burg« oder, wie es gewöhnlich im Deutschen wiedergegeben wird, »Seelenburg«) oder auch »Moradas« (Wohnungen).

Wir brauchen uns nicht darüber zu wundern, dass Theresia in so kurzer Zeit das äußerst schwierige und heikle Thema, das in der »Seelenburg« behandelt wird, so meisterhaft und restlos löste. Abgesehen von ihrer reichen Erfahrung auf dem Gebiet des mystischen Erlebens, offenbart sich darin auch wieder ihr großes Genie. Und außerdem lag der Inhalt bzw. der Grundbau dieses Werkes schon seit vielen Jahren im Bereich ihres Gedankengutes. Schon in frühen Jahren, erzählt sie uns selbst, hat auf sie eine Stelle des Evangeliums, nämlich die Worte: »Intravit Jesus in quoddam castellum«, einen besonderen Eindruck auf ihr Gemüt gemacht. Und als sie später (um 1556) sich mit der Lektüre des damals in geistlichen Kreisen geschätzten Werkes des Franziskaners Bernardin de Laredo: Subida al Monte Sion beschäftigte und darin unter anderem las, dass die Wohnung Gottes in der Seele des Gerechten gleich sei einer festen Burg, aus Diamanten und Edelsteinen erbaut, da hatte dieses Bild vom Wohnen Gottes in der Seele wie in einer Burg in der Phantasie Theresias schon greifbare Gestalt angenommen. Bereichert und ausgeschmückt mögen diese Vorstellungen noch geworden sein durch die Überreste und Erinnerungen aus ihrer jugendlichen Beschäftigung mit Romanlektüre von Ritterkämpfen und Ritterburgen. Und so fließt das romantische und mystische Element in diesen Vorstellungen in eins zusammen. Dazu kam, dass sie um das Jahr 1565 eine Vision hatte, in der sie die Seele in Form eines Spiegels schaute, der nach allen Seiten wie eine Lichtkugel sein Licht ausstrahlte, und im Mittelpunkt derselben Christus, thronend in herrlichem Glanze. So berichtet die Heilige selbst in ihrem »Leben«. Und wiederum schreibt sie im »Weg der Vollkommenheit« (Kap. III.), also gleichfalls um 1565, von dem König, der sich in die Festung zurückzieht, während die Feinde ins Land eindringen. Im 29. Kapitel des gleichen Werkes führt sie diesen Gedanken noch weiter aus, wenn sie die Seele als Wohnung Gottes mit einer Burg vergleicht, die aus lauterem Gold und kostbaren Edelsteinen erbaut ist und darum wahrhaft würdig des großen Königs, dem sie zu eigen. Ausdrücklich fügt sie hier noch bei: »Dieser Palast, diese Burg ist euere Seele; wenn die Seele rein und mit Tugenden geschmückt ist, so gibt es keinen auch noch so herrlichen Palast, der mit ihr verglichen werden könnte … Und darin wohnt der König der Herrlichkeit.« — Im Jahre 1572 nimmt die Heilige wiederum diesen Gedanken auf, wenn sie in den »Rufen der Seele« (XVI) von dieser Festung spricht und von dem, der sie bewohnt. Eine weitere Anspielung auf diesen Gedanken finden wir schließlich um das Jahr 1577, kurz vor Abfassung der »Seelenburg«, wenn sie in einem Liede singt: »Eres mi casa y morada!« (»Meine Burg bist du und mein Gezelt!«)

Die Idee also, die diese wunderbare Schrift, die »Seelenburg«, durchdringt und trägt, ist schon lange vorher in ihrer Seele lebendig gewesen. Darum ist auch die »Seelenburg« nicht ein künstlich aufgebautes Gebilde, wie so manche ähnlichen Werke über das übernatürliche Seelenleben, sondern ist von Anfang bis zum Ende erlebt, ist aus ureigenem seelischen Erleben herausgewachsen.

Das Bild von der Burg mit den verschiedenen Abteilungen oder Wohnungen bildet das alle Teile dieser Schrift einigende und umschlingende Band und ist für die heilige Verfasserin der Ausgangspunkt zu ihrer Abhandlung über das höhere Gnadenleben. In ihr sehen wir die Seele stufenweise die einzelnen Wohnungen durchschreiten und sich wandeln von einer unvollkommenen, ja sündigen Seele, wie sie anfangs ist, zur auserlesenen Braut des Herrn, die, mit dem Geschmeide ihrer Tugenden geziert, das Auge des göttlichen Bräutigams entzückt, der mit ihr, im Innersten dieser Wohnung weilend, die mystische Vermählung vollzieht. Und der Schlüssel zu dieser Burg und zu den einzelnen Wohnungen ist das Gebet, dessen verschiedene Stufen, Eigenschaften und Wirkungen die Heilige im Verlauf der Schrift in einzigartiger Weise schildert, mit einer geradezu bezaubernden Schönheit von Bildern und Vergleichen und mit einer Gedankentiefe, wie sie eben nur der heiligen Theresia zu eigen ist und vergeblich bei anderen mystischen Schriftstellern gesucht wird.

Die Einteilung der »Seelenburg« in sieben ungleich große Abschnitte entsprechend den sieben Wohnungen der Burg, hat wiederum zur Grundlage die sieben Stufen des Gebetes, welche die Seele durchwandeln muss, um zum inneren Gemach der Burg zu gelangen. Das Ganze zerfällt, wie im »Weg der Vollkommenheit«, in zwei größere Teile, deren einer die aktiven Wege der Seele, d. i. das aktive oder diskursive Gebet (1. bis 3. Wohnung), der andere die passiven Wege oder das beschauliche Gebet (4. bis 7. Wohnung) behandelt.

Der große Wert dieser Schrift liegt darin, dass die heilige Verfasserin in erhabenerem Schwung der Ideen und zugleich mit größerer Klarheit und Genauigkeit als in ihren anderen Werken in ihr das Wesen und die Wirkungen des gewöhnlichen und übernatürlichen Gebetes mit seinem Gefolge von göttlichen Gaben und Tugenden und außerordentlichen Gnadenerscheinungen aufzeigt. Hat sie es doch geschrieben, als sie Dank der göttlichen Gnadenerweise viel reichere Erfahrungen auf dem Gebiet des übernatürlichen Seelenlebens gesammelt hatte und auch das Material der Darstellung mit größerer Meisterschaft beherrschte. Darum dürfte gerade die »Seelenburg« wohl unter allen Werken, die zu dieser Frage erschienen sind, das wertvollste und wichtigste sein. Und es ist infolgedessen auch, wie ein bedeutender zeitgenössischer Mystiker, Pater Arintero Oh. Pr., eingesteht, für alle späteren Autoren auf diesem Gebiet zur Norm und Grundlage geworden; denn Theresia hat es verstanden, in das Chaos der Anschauungen und Begriffe vom übernatürlichen Seelenleben durch ihre klare Sprache wundervolle Ordnung zu bringen.

Über das Schicksal dieser unschätzbaren Handschrift, die gegenwärtig im Karmelitinnenkloster von Sevilla aufbewahrt wird, wissen wir, dass die Heilige sie dem Pater Hieronymus Gracián zur Aufbewahrung übergab, um sie vor dem Zugriff der Inquisition zu retten. Von Pater Gracián ging sie in die Hände der Schwester Maria vom heiligen Joseph, Priorin von Sevilla, über; und die Schwestern von Sevilla waren von da an, mit Ausnahme weniger Jahre, die treuen Hüterinnen dieses kostbaren Schatzes. 1587 wurde die Handschrift der ehrwürdigen Schwester Anna von Jesus übergeben, die damals die Schriften der heiligen Mutter für Pater Ludwig de León Oh.S.A. sammelte, der die erste Gesamtausgabe derselben vorbereitete. Nach Vorbereitung dieser Ausgabe schenkte Pater Gracián die Handschrift einem gewissen Don Pedro Cerezo Pardo, einem der größten Wohltäter der karmelitanischen Reform. Als im Jahre 1617 dessen Tochter Katharina im Kloster der Karmelitinnen von Sevilla den Schleier nahm, brachte sie außer einer reichen Mitgift auch die Handschrift der »Seelenburg« als köstliche Morgengabe mit, wo sie dann auf Kosten einer anderen eintretenden Novizin, Doña Johnna de Mendoza, Tochter des Herzogs von Béjar, den ihrem inneren Wert gebührenden Einband: Beleg mit silbergetriebenen Platten mit vergoldetem Schmuck und Emailverzierungen, erhielt.

Im Druck erschien die »Seelenburg« zum ersten Mal in Salamanca 1588 in der schon erwähnten Gesamtausgabe der Schriften der Heiligen Theresia durch Ludwig de León, die dann schon im Laufe der folgenden Jahre wiederholt aufgelegt wurde (siehe dazu unsere Einleitung im I. Band, S. 19). eine besonders wertvolle Einzelausgabe der »Seelenburg« ward im Jahre 1882, anlässlich der dritten Zentenarfeier des Todestages der Heiligen, durch Kardinal Joachim Lluch Oh. Carm., Erzbischof von Sevilla, bewerkstelligt.

Pater Ambrosius a. S. Theresia, Oh. C. D. (Rom).

Die Seelenburg

JHS

Diese Abhandlung mit dem Titel Seelenburg schrieb Theresia von Jesu aus dem Orden unserer Lieben Frau vom Berge Karmel für ihre Schwestern und Töchter aus dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen.

JHS

1. Nur wenige Aufträge, die mir im Gehorsam erteilt wurden, sind mir so schwergefallen wie der jetzige Befehl, über das Gebet zu schreiben. Einerseits scheint mir der Herr dazu weder geistige Befähigung noch Lust zu geben, andererseits merke ich schon seit drei Monaten ein solches Sausen und so große Schwäche im Kopfe, dass ich selbst die notwendigen Geschäftssachen nur mit Mühe erledigen kann. Weil ich aber weiß, dass die Kraft des Gehorsams auch unmöglich scheinende Dinge leicht zu machen pflegt, so wird mein Willensentschluss sehr gern zur Tat, obwohl er der Natur sehr schwerzufallen scheint. Der Herr hat mir eben noch nicht so viel Tugend verliehen, um ohne großes Widerstreben von Seiten der Natur gegen die fortdauernde Krankheit und die vielen Beschäftigungen kämpfen zu können. Möge der Herr, der in seiner gnadenvollen Erbarmung schon andere, schwerere Dinge für mich vollbracht hat, und auf dessen Barmherzigkeit ich auch jetzt vertraue, das tun, was ich selbst nicht vermag!

2. Nach meinem Dafürhalten werden wohl meine Worte nicht viel anders lauten als bei anderen Anlässen, bei denen der Auftrag zum Schreiben an mich erging; vielmehr fürchte ich, es werde fast alles wieder dasselbe sein. Es geht mir hier geradeso wie gewissen Vögeln, die man sprechen lehrt und die immer dasselbe wiederholen, weil sie nicht mehr können, als man sie lehrte oder was sie gehört haben. Will der Herr, dass ich etwas Neues sage, so wird es Seine Majestät geben; wenn nicht, so wird er mir in Erinnerung bringen, was ich sonst schon gesagt habe; denn auch damit wäre ich zufrieden. Ich habe ein so schlechtes Gedächtnis, dass ich mich freuen würde, einiges von dem, was nach Aussage anderer gut geschrieben war, richtig wiederzugeben, wenn etwa das früher Geschriebene verlorengegangen wäre. Sollte mir aber der Herr auch dies nicht gewähren, so wird mir doch davon, dass ich mich im Gehorsam abmühe und mein Kopfleiden vermehre, ein Gewinn bleiben, wenn auch sonst niemand einen Nutzen von meiner Arbeit hat.

3. So beginne ich denn in meinem jetzigen Aufenthaltsort im Karmel zum heiligen Joseph in Toledo den an mich ergangenen Auftrag zu vollführen. Es ist heute das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Jahres 1577. Ich unterwerfe mich in all meinen Darlegungen dem Urteil jener sehr gelehrten Männer, die mir diesen Auftrag gegeben haben. Sollte ich etwas sagen, was mit der Lehre der heiligen römischkatholischen Kirche nicht übereinstimmt, so geschieht es aus Unwissenheit und nicht aus Bosheit. Dies darf man gewiss glauben, sowie auch, dass ich überhaupt, Dank der Güte Gottes, dieser Kirche allezeit unterworfen war und noch bin und es auch fortan sein werde. Er sei gepriesen und verherrlicht in Ewigkeit! Amen.

4. Einer von denen, die mir diesen Auftrag zum Schreiben erteilten, sagte mir, dass die Nonnen unserer Lieben Frau vom Karmel das Bedürfnis hätten, über einige das Gebet betreffende Zweifel von jemand aufgeklärt zu werden. Nach seiner Ansicht würden Frauen die Redeweise von ihresgleichen besser verstehen, und in Anbetracht ihrer Liebe zu mir brächten ihnen meine Worte mehr Nutzen als die einer anderen Person. Deshalb sei er der Überzeugung, dass es für diese nicht ohne Belang sein werde, wenn es mir gelinge, ihnen etwas zu sagen. Ich werde darum in dieser Schrift nur zu ihnen reden, und dies umso mehr, als ich die Meinung, sie könnte auch noch anderen nützen, für Torheit gelte. Unser Herr wird mir eine große Gnade erweisen, wenn sich irgendeine von diesen Nonnen durch meine Worte angeregt fühlt, ihn ein wenig mehr zu loben. Seine Majestät weiß wohl, dass ich nichts anderes im Auge habe; selbstverständlich müssen die Nonnen einsehen, dass das Gute, das ich etwa vorbringen werde, nicht von mir stammt. Sie haben keinen Grund, anders zu denken, und sollten sie es dennoch, so hätten sie ebensowenig Verstand, als ich Fähigkeit besitze, über dergleichen Dinge zu schreiben, wenn nicht der Herr in seiner Barmherzigkeit mir diese Fähigkeit gibt.

Erste Wohnung

(Zwei Hauptstücke)

Erstes Hauptstück

Die Schönheit und Würde unserer Seelen. Ein Gleichnis zum besseren Verständnis. Die Heilige spricht von dem Gewinn aus diesem Verständnis und der Erkenntnis der Gnaden, die wir von Gott empfangen. Die Pforte zu dieser Burg ist das Gebet.

1.

Als ich heute zu unserem Herrn flehte, er möchte für mich reden, weil ich nicht wusste, was ich sagen und wie ich das mir vom Gehorsam aufgetragene Werk beginnen sollte, bot sich mir, um gleich anfangs eine Grundlage zu haben, ein Gleichnis dar, das ich jetzt erwähnen will. Betrachten wir unsere Seele als eine Burg, die ganz aus einem Diamant oder sehr klarem Kristall hergestellt ist; dort gibt es viele Gemächer, gleichwie auch im Himmel viele Wohnungen sind. Ja, meine Schwestern, wenn wir es recht bedenken, so ist die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie er selbst sagt, seine Lust hat. Wie meint ihr nun, muss die Wohnung beschaffen sein, in der ein so mächtiger, so weiser, so reiner und an allen Gütern so reicher König sich ergötzt? Ich finde nichts, womit ich die erhabene Schönheit und Fähigkeit einer Seele vergleichen könnte. Und wahrlich, so scharfsinnig auch unser Verstand sein mag, er wird es doch nicht dahin bringen, diese zu erfassen, sowie er auch nicht dazu gelangen kann, Gott zu begreifen, der selbst sagt, dass er uns erschaffen nach seinem Bilde und Gleichnis. Es wäre darum eine vergebliche Mühe, wollten wir die Schönheit dieser Burg ergründen, obwohl zwischen der Seele und Gott ein Unterschied ist wie zwischen einem Geschöpf und dem Schöpfer, weil ja auch die Seele ein Geschöpf ist. Übrigens genügt der Ausspruch der göttlichen Majestät, dass die Seele nach Gottes Bild erschaffen ist, um daraus auf ihre große Würde und Schönheit schließen zu können.

2.

Es ist aber nicht wenig zu bedauern und keine geringe Schande, wenn wir durch eigene Schuld uns selbst nicht kennen und nicht wissen, wer wir sind. Wäre es, meine Töchter, nicht eine große Unwissenheit, wenn jemand auf die Frage nicht zu antworten wüsste, wer sein Vater, wer seine Mutter, welches seine Heimat sei? Schon dies wäre ein Zeichen von großer Unvernunft, die sie aber noch unvergleichlich steigern würde, wenn wir uns nicht um die Erkenntnis unser selbst kümmerten, sondern uns nur mit unserem Leibe befassten; (ja, es wäre höchst unvernünftig), wenn wir nur so obenhin, vielleicht aus der Erfahrung oder durch den Glauben, wissen, dass wir eine Seele haben, selten aber an die Güter denken würden, die sie in sich schließen kann, und uns weder ihren hohen Wert noch auch den vergegenwärtigen, der sie bewohnt. Dies ist auch der Grund, warum man sich so wenig darum kümmert, ihre Schönheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. Alle unsere Sorge ist nur auf die rohe Einfassung, auf die Ringmauern der Burg, d. i. auf unseren Leib, gerichtet.

3.

Denken wir uns also, diese Burg habe, wie schon erwähnt, viele Wohnungen, die einen oben, die anderen unten, wieder andere an den Seiten; im Innersten der Burg aber, in der Mitte von all diesen Wohnungen, sei die vornehmste, in der zwischen Gott und der Seele sehr geheime Dinge vorgehen. Dieses Gleichnis müsst ihr im Gedächtnis bewahren! Vielleicht gefällt es dem Herrn, dass ich durch dasselbe in euch einigermaßen das Verständnis für die Gnaden, die Gott nach seinem Wohlgefallen den Seelen verleiht, sowie für deren Vielgestaltigkeit wecken kann, soweit ich dies als möglich erkenne; denn alle diese vielfachen Gnaden kann niemand, am allerwenigsten ein so armseliges Geschöpf wie ich, erkennen. Beschenkt euch dann der Herr mit solchen Gnaden, so wird es für euch ein großer Trost sein, zu wissen, dass dies möglich ist; gewährt er sie aber nicht, so wird das Wissen um diese Gnaden zum Anlass werden, seine große Güte zu preisen. Wie uns die Betrachtung der himmlischen Dinge und des Genusses der Seligen keinen Nachteil bringt, sondern vielmehr Freude in uns weckt und uns mit dem Bestreben beseelt, auch zu diesem Genuss zu gelangen, ebenso wenig wird uns die Erkenntnis zum Nachteil sein, dass ein so großer Gott selbst in dieser Verbannung so übelriechenden Würmern sich mitteilt und sie mit einer so unendlichen Güte und unermesslichen Barmherzigkeit liebt. Nach meiner Überzeugung fehlt es dem sehr an Demut und Nächstenliebe, dem die Erkenntnis der Möglichkeit schaden würde, dass Gott schon in dieser Verbannung eine so große Gnade verleiht. Wie wäre es sonst möglich, dass wir uns nicht freuten, wenn Gott einem unserer Brüder dergleichen Gnaden spendet, da ihn dies ja nicht hindert, sie auch uns zu verleihen? Wie wäre es möglich, dass wir uns nicht freuten, wenn die göttliche Majestät ihre Wunderwerke, an wem es auch immer sei, offenbart? Der Herr mag seine Gnaden zuweilen wohl nur zu dem Zwecke spenden, damit seine Werke offenbar werden. Darauf wies er selbst hin, als ihn die Apostel betreffs des Blindgebornen, dem er das Augenlicht gab, fragten, ob dieser wegen seiner Sünden oder wegen der Sünden seiner Eltern mit Blindheit gestraft worden sei. Und so geschieht es denn, dass der Herr manchen seine Gnaden nicht deshalb mitteilt, weil diese heiliger sind als andere, sondern damit seine Größe offenbar werde, wie wir dies am hl. Paulus und an Magdalena sehen, sowie auch, damit wir ihn preisen in seinen Geschöpfen.

4.

Man könnte einwenden, solche Dinge schienen unmöglich, und es sei nicht gut, den Schwachen Ärgernis zu geben. Allein es ist weniger verloren, wenn diese nicht daran glauben, als wenn man den Fortschritt jener zu fördern unterlässt, denen Gott seine Gnaden erweist, die sich freuen und zu innigerer Liebe dessen ermuntert werden, der ihnen so große Erbarmungen erzeigt. Zudem weiß ich, dass ich zu solchen rede, bei denen keine Gefahr des Ärgernisses vorhanden ist; denn sie glauben und wissen, dass Gott noch viel größere Beweise seiner Liebe gibt. Übrigens weiß ich auch, dass einer, der dies nicht glaubt, davon auch nichts erfahren wird; denn der Herr liebt es gar sehr, dass man seinen Werken keine Grenzen setze. Möchte dies, meine Schwestern, bei jenen aus euch nie vorkommen, denen der Herr diesen außerordentlichen Weg versagt!

5.

Wir wollen nun wieder zu unserer schönen und wonniglichen Burg zurückkehren und sehen, wie wir in sie eintreten können. Dies scheint zwar eine unsinnige Rede und dasselbe zu sein, wie wenn ich zu jemand sagen würde, er solle in ein Zimmer gehen, in dem er schon ist; denn wenn diese Burg unsere Seele ist, so folgt ja klar, dass wir nicht hineinzugehen brauchen, weil beides, die Burg und die Seele, dasselbe ist. Ihr müsst jedoch wissen, dass man in sehr verschiedener Weise an einem Orte sein kann. Viele Seelen halten sich nur innerhalb der Ringmauern der Burg auf, wo die Wachen stehen, und kümmern sich nicht, in die Burg selbst zu kommen; sie wissen auch nicht, was dieser kostbare Palast in sich birgt, wer darin wohnt, noch auch, welche Gemächer er hat. Ihr werdet schon vernommen haben, dass der Seele in einigen Büchern, die vom Gebete handeln, der Rat gegeben wird, in ihr Inneres einzukehren; das gleiche sage ich auch hier.

6.

Ein sehr gelehrter Mann bemerkte unlängst mir gegenüber, dass die Seelen, die das Gebet nicht üben, einem vom Schlagfuß gelähmten oder gichtbrüchigen Körper gleichen, der zwar Füße und Hände hat, aber sich nicht bewegen kann. Und so ist es in der Tat. Es gibt Seelen, die so elend und gewohnheitsmäßig, so mit äußerlichen Dingen beschäftigt sind, dass es ihnen unmöglich scheint, in ihr Inneres einzukehren. Denn die Gewohnheit, immer mit den kriechenden und anderen Tieren, die sich um die Burg herum aufhalten, umzugehen, hat sie diesen fast gleich gemacht. Obwohl von so edler Natur und fähig, mit Gott selbst zu verkehren, bleiben sie doch in ihrem bedauerlichen Zustand. Wenn solche Seelen sich nicht bemühen, ihr Elend einzusehen und ihm abzuhelfen, werden sie, weil sie ihren Blick nicht auf sich selbst richten, zu Salzsäulen, ähnlich dem Weibe Lots, die sich umwandte und zurücksah.

7.

Soviel ich verstehen kann, ist die Pforte, durch die man in diese Burg eingeht, das Gebet und die Betrachtung. Ich meine hier nicht bloß das innerliche Gebet, sondern auch das mündliche, das, um ein Gebet zu sein, ebenso wie jenes mit Aufmerksamkeit und Überlegung verrichtet werden muss. Denn ein Gebet, bei dem man nicht bedenkt, mit wem man redet, um was man bittet, wer der ist, der da bittet, und jener, den man bittet, nenne ich gar nicht Gebet, mag man dabei auch noch so eifrig seine Lippen bewegen. Und wäre es, wenn man auf das Gesagte nicht achtet, doch manchmal ein Gebet, so nur insofern, als man die Worte schon öfters im Munde geführt hat. Wenn aber jemand mit der Majestät Gottes wie mit seinem Sklaven zu reden gewohnt wäre, und, ohne zu bedenken, ob er etwa unrecht rede, nur sagte, was ihm in den Mund kommt oder was er durch öfteres Hersagen auswendig weiß, so hielte ich dies nicht für Gebet. Gott verhüte, dass ein Christ also bete! Was euch betrifft, meine Schwestern, so hoffe ich, die göttliche Majestät werde nicht zulassen, dass so etwas vorkomme, weil ihr ohnehin gewohnt seid, euch mit innerlichen Dingen zu beschäftigen; denn dies ist ein sehr gutes Mittel zur Bewahrung vor solcher Unvernunft.

8.

Von jenen lahmen Seelen aber wollen wir nicht weiterreden. Wenn der Herr nicht selbst kommt und sie wie den Kranken, der dreißig Jahre lang am Teich lag, aufstehen heißt, so sind sie sehr unglücklich und in großer Gefahr. Ich will also von anderen Seelen reden, die endlich doch noch in die Burg eingehen. Diese haben, obgleich sie noch tief in der Welt stecken, doch wenigstens ein gutes Verlangen. Sie empfehlen sich dann und wann unserem Herrn und denken, wenn auch nicht lang, über sich selbst nach. Ein und das andere Mal im Monat beten sie mündlich, wenn auch mit tausend Gedanken an ihre Geschäfte, in die sie fast beständig vertieft sind, die sie so sehr fesseln, dass sie selbst die Notwendigkeit erkennen, sich davon loszumachen. Manchmal nehmen sie sich dies auch vor; denn wo ihr Schatz ist, da ist auch ihr Herz. Aber sie haben schon viel gewonnen, wenn sie sich selbst erkennen und einsehen, dass sie den rechten Weg nicht gehen, auf dem man zum Eingang in die Burg gelangt. Am Ende treten sie doch noch in die ersten Gemächer des Erdgeschosses ein; allein die Menge des Ungeziefers, das sie mit sich nehmen, lässt sie die Schönheit der Burg nicht sehen und gestattet ihnen keine Ruhe. Sind sie indessen nur eingetreten, so haben sie dadurch schon viel getan.

9.

Es mag euch, meine Schwestern, scheinen, als treffe dies bei euch nicht zu, weil ihr, dank der Güte des Herrn, nicht zu solchen Seelen gehört. Aber ihr müsst Geduld haben, da ich euch anders nicht zu erklären wüsste, wie ich einige innere Zustände des Gebetes verstehe. Der Herr gebe, dass ich wenigstens auf diese Weise das Rechte treffe; denn was ich euch erklären möchte, ist sehr schwer zu verstehen, wenn man hierin keine Erfahrung besitzt! Habt ihr sie aber, so werdet ihr auch einsehen, dass ich nicht umhin kann, auch das zu berühren, vor dem uns der Herr in seiner Barmherzigkeit bewahren wolle.

 

 

Zweites Hauptstück

 

Hässlichkeit einer im Stande der Todsünde sich befindlichen Seele. Der Herr hat einer Person etwas davon geoffenbart. Einiges über die Selbsterkenntnis. Dieses Hauptstück ist wegen einiger darin berührter wichtiger Punkte besonders nützlich.

 

1.

 

Ehe ich fortfahre, möchte ich euch darauf hinweisen, den traurigen Anblick zu betrachten, den diese so schöne und glänzende Burg, diese orientalische Perle gewährt, wenn die Seele in eine Todsünde fällt. Ist sie ja doch der Baum des Lebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, d. i. in Gott, gepflanzt ist. Die Finsternis, die eine solche Seele befällt, ist noch weit dichter als alles, was dunkel, düster und schwarz ist. Verlanget, um dies einzusehen, nicht mehr zu wissen als das eine: Dieselbe Sonne, die der Seele zuvor einen solchen Glanz und solche Schönheit verlieh, ist, wenngleich noch im Mittelpunkt der Seele befindlich, doch nur so in ihr, als wäre sie nicht darin. Obwohl die Seele dieselbe Fähigkeit hat, die göttliche Majestät zu genießen, wie der Kristall, die Strahlen der Sonne aufzunehmen, so hat sie doch an der göttlichen Gnadensonne keinen Anteil. Nichts kommt ihr da zugute, weswegen alle guten Werte, die sie im Stande der Todsünde verrichtet, unfruchtbar sind für den Erwerb der Seligkeit. Da sie nicht aus dem Urquell, aus Gott, hervorgehen, der unsere Tugend zur Tugend gestaltet, sondern aus der Trennung von Gott, so können sie seinen Augen nicht gefallen. Geht ja doch auch die Absicht dessen, der eine Todsünde begeht, nicht dahin, Gott zu gefallen, sondern dem Teufel sich gefällig zu erzeigen. Wie dieser die Finsternis selbst ist, so ist jetzt auch die arme Seele eine gleiche Finsternis geworden.

 

2.

 

Ich kenne eine Person, der unser Herr die Beschaffenheit einer Seele zeigen wollte, die sich im Stande der Todsünde befindet. Nach Aussage dieser Person könnte kein Mensch sündigen, wenn er dies erkennen würde, müsste er sich auch, um die Gelegenheit zur Sünde zu meiden, den größten erdenklichen Leiden aussetzen. Sie war darum von dem innigsten Verlangen beseelt, alle Menschen möchten dies erkennen. Und so möget denn auch ihr, meine Töchter, das gleiche Verlangen haben und Gott eifrig für jene bitten, die sich in diesem Zustand befinden und mit ihren Werken ganz in Finsternis gehüllt sind. Wie die Bächlein, die aus einer ganz klaren Quelle hervorfließen, alle rein sind und klar, so werden auch die Werke einer Seele, die im Stande der Gnade ist, angenehm in den Augen Gottes und der Menschen. Sie entspringen eben aus dieser Quelle des Lebens, an der die Seele gleich einem Baume gepflanzt ist. Von ihr hat dieser Baum seine Anmut und Fruchtbarkeit, weil das Wasser dieser Quelle ihn erhält und bewirkt, dass er nicht verdorrt, sondern gute Früchte bringt. Wenn aber die Seele sich aus eigener Schuld von dieser Quelle entfernt und an ein ganz schmutziges und übelriechendes Wasser sich verpflanzt, so wird ihr daraus auch nur Schmutz und Verderben zufließen.

 

3.

 

Hier ist zu bemerken, dass die im Seelengrunde sich befindliche Lebensquelle und hellstrahlende Sonne ihren Glanz und ihre Schönheit nicht verlieren; sie bleiben im Innern, und nichts kann sie ihrer Schönheit berauben. Wenn aber über einen der Sonne ausgesetzten Kristall ein ganz schwarzes Tuch gebreitet wird, so ist es klar, dass die Sonne mit ihrem Lichtglanze auf den Kristall nicht wirken kann, obwohl er auf ihn fällt.

 

4.

 

Oh, ihr durch das Blut Christi erkauften Seelen, erkennt doch eueren Zustand und habt Erbarmen mit euch selbst! Wie ist es möglich, dass ihr bei dieser Erkenntnis euch nicht bemüht, das den Kristall verhüllende Pech hinwegzuschaffen? Bedenket doch, dass ihr euch nie mehr des Lichtes der göttlichen Gnadensonne erfreuen werdet, wenn euer Leben in diesem Zustande endet! Oh, Jesus, was ist es doch um den Anblick einer Seele, die von diesem Lichte getrennt ist! In welch traurigem Zustand sind da die Gemächer der Burg! In welcher Verwirrung befinden sich ihre Inwohner, die Sinne! Mit welcher Blindheit sind die Seelenvermögen, diese Befehlshaber, Verwalter und Hofmeister der Burg geschlagen! Welch schlimmes Regiment führen sie! Und endlich, was für Früchte kann ein Baum hervorbringen, der auf einem solchen Grund, d. i. auf den Teufel gepflanzt ist?

 

5.

 

Ich hörte einmal einen Geschäftsmann sagen, er wundere sich nicht so sehr über das, was ein Mensch im Stande der Todsünde tut, als vielmehr über das, was er nicht tut. Gott bewahre uns in seiner Barmherzigkeit vor einem so großen Übel, wie die Todsünde es ist; denn solange wir leben, gibt es für uns nichts, was (so sehr) den Namen eines Übels verdient, als dieses, weil es ewige Übel ohne Ende nach sich zieht. Dieses Übel, meine Töchter, ist es, vor dem wir uns fürchten und vor dem bewahrt zu bleiben wir Gott in unseren Gebeten bitten sollen; denn wenn er nicht die Stadt behütet, so ist all unsere Mühe vergebens, da wir die Armseligkeit selbst sind. Die obenerwähnte Person sagte auch, sie habe aus der ihr von Gott erwiesenen Gnade zwei Vorteile gewonnen. Der erste Vorteil für sie war eine überaus große Furcht vor jeder Beleidigung Gottes, weshalb sie angesichts der furchtbaren Nachteile, die daraus entstehen, immer zu ihm gefleht, er möge sie nicht fallen lassen. Der andere Vorteil war der, dass ihr jene Offenbarung zu einem Spiegel der Demut diente, worin sie erkannte, dass alles Gute, das wir tun, seinem Ursprung nach nicht von uns, sondern von jener Quelle kommt, an die der Baum unserer Seele gepflanzt ist, und von jener Sonne, die unseren Werken Wärme spendet. Dies, sagte sie, trat ihr so klar vor Augen, dass sie das Gute, das sie tue oder tun sehe, immer auf seinen Grund zurückleite, da sie erkenne, dass wir ohne die Hilfe Gottes nichts vermögen. Die Folge davon sei, dass sie sogleich Gott lobe und meistens gar nicht an sich selbst denke, wenn sie etwas Gutes getan.

 

6.

 

Ziehen auch wir, meine Schwestern, diese zwei Vorteile aus dem Gesagten, so ist die Zeit, die wir, ich auf das Schreiben und ihr auf das Lesen, verwendet haben, gewiss nicht verloren. Die Gelehrten und Weisen verstehen freilich diese Wahrheiten sehr gut, aber unsere weibliche Ungeschicktheit bedarf einer solchen Art der Belehrung. Vielleicht will der Herr aus eben diesem Grunde, dass dergleichen bildliche Vergleiche uns zur Kenntnis gebracht werden. Möge Seine Majestät uns die Gnade verleihen, dass wir sie verstehen und Nutzen daraus ziehen!

 

7.

 

Diese geistigen Dinge sind für das Verständnis so dunkel, dass einer, der so wenig weiß wie ich, viel Überflüssiges und auch Ungereimtes sagen muss, um etwas Passendes vorzubringen. Wer diese Schrift liest, muss Geduld haben wie ich, die ich schreibe, was ich selbst noch nicht weiß; denn wenn ich das Papier zur Hand nehme, bin ich manchmal in Wahrheit wie eine Törin, die nicht weiß, was sie schreiben und wie sie beginnen soll. Indessen sehe ich wohl ein, dass es für euch nützlich ist, wenn ich auch, so gut ich es vermag, einige Vorgänge des inneren Lebens erkläre. Denn wir hören immer davon reden, wie vorteilhaft die Übung des Gebetes sei, und unsere eigenen Satzungen schreiben uns so viele Gebetsstunden vor; aber man erklärt uns über das Gebet nicht mehr, als was wir selbst zu tun imstande sind, während uns über die übernatürlichen Dinge, die Gott in einer Seele wirkt, hier wenig gesagt wird. Gibt man uns nun darüber Aufschluss und führt man uns auf mannigfache Weise in deren Verständnis ein, so muss es uns ein besonderer Trost sein, dieses innere himmlische Kunstwerk zu betrachten, das von den Sterblichen so wenig gekannt ist, obwohl viele daran vorbeigehen. Der Herr hat mir zwar schon bei Abfassung meiner anderen Schriften einiges Verständnis davon verliehen; ich sehe aber ein, dass ich damals manches, besonders die schwierigsten Punkte, nicht so gut verstanden habe, wie seit dieser Zeit. Es ist nur zu bedauern, dass ich, um diese Dinge erklären zu können, vieles sagen muss, was euch ohnehin schon sehr bekannt ist; denn bei meiner Ungeschicklichkeit kann ich nicht anders.

 

8.

 

Kehren wir nun wieder zu unserer Burg mit ihren vielen Wohnungen zurück. Ihr dürft euch diese Wohnungen nicht als aneinandergereiht vorstellen, sondern müsst euere Augen auf den Mittelpunkt, d. i. auf das Gemach oder den Palast, in dem der König wohnt, richten. Betrachtet als Bild dieses Palastes die schmackhafte, von vielen Schalen eingeschlossene Frucht der Zwergpalme! Diese Schalen muss man abtöten, um auf den essbaren Kern zu kommen. Ebenso sind um dieses Gemach herum und über ihm viele andere Gemächer. Wenn wir nämlich von der Seele sprechen, müssen wir immer den Begriff Fülle, Weite und Größe damit verbinden; nichts davon ist übertrieben, weil die Seele viel mehr zu fassen imstande ist, als wir uns denken können. Allen Gemächern aber teilt die in diesem Palaste leuchtende Sonne sich mit.

 

9.

 

Es ist von großer Wichtigkeit, dass man eine Seele, die wenig oder viel Zeit auf das Gebet verwendet, ja nie beenge und gleichsam in einen Winkel einzwänge. Man lasse sie vielmehr diese Wohnungen, oben und unten und an den Seiten, frei durchwandeln, da ihr Gott eine so hohe Würde verliehen hat. Man zwinge sie nicht, lange Zeit nur in einem Gemache zu bleiben, und wäre es auch das Gemach der Selbsterkenntnis. Diese Erkenntnis — man verstehe mich recht —ist jedoch auch für jene, die der Herr schon in sein eigenes Gemach hat eintreten lassen, sehr notwendig. Wie hoch sie auch stehen mögen, so kann doch nie etwas diese Selbsterkenntnis ersetzen, und sie selbst könnten nicht darauf verzichten, wenn sie auch wollten; denn die Demut ist der Biene gleich, die beständig im Bienenstock den Honig bereitet. Ohne diese Tugend geht alles verloren. Wir müssen jedoch bedenken, dass die Biene nicht unterlässt, auch auszufliegen, um den Blütensaft heimzubringen. Ebenso soll auch die Seele, das glaube sie mir, zuweilen von der Betrachtung ihrer selbst zur Betrachtung der Größe und Majestät Gottes sich erheben. Hier wird sie ihre Niedrigkeit besser erkennen als in sich selbst und auch freier werden von dem Ungeziefer, das mit ihr in die ersten Gemächer der Selbsterkenntnis eingekehrt ist. Ist es auch, wie gesagt, ein großer Erweis der Barmherzigkeit Gottes, wenn er uns anregt, in der Selbsterkenntnis uns zu üben, so gilt doch auch hier das Sprichwort: »zu wenig und zu viel verdirbt das Spiel.« Glaubt es mir, wir erwerben uns durch Gottes Kraft weit höhere Tugend, als wenn wir immer nur auf dem Boden unserer eigenen Armseligkeit betrachtend verweilen.

 

10.

 

Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich genug erklärt habe. Denn die Selbsterkenntnis ist so wichtig, dass ich nicht eine Nachlässigkeit bei deren Erwerb wünschte, selbst wenn ihr euch auch bis zum Himmel erhoben hättet; denn solange wir auf Erden leben, ist uns nichts notwendiger als die Demut. Darum sage ich wiederholt: Es ist gut, ja sehr gut, dass man zuerst in jenes Gemach einzutreten sich bemüht, in dem man sich mit der Erkenntnis seiner selbst befasst, ehe man sich zu den anderen Gemächern zu erheben sucht; denn die Selbsterkenntnis ist der Weg dahin. Können wir auf dem ebenen und sicheren Wege gehen, warum sollten wir uns Flügel wünschen zum Fliegen, statt auf diesem Wege weiter voranzuschreiten? Indessen werden wir nach meiner Ansicht doch nie zur vollkommenen Selbsterkenntnis gelangen, wenn wir uns nicht auch befleißigen, Gott kennenzulernen; denn durch die Betrachtung seiner Größe werden wir unsere Armseligkeit, durch den ernsten Blick auf seine Reinheit unsere Befleckung erkennen; die Betrachtung seiner Demut aber wird uns zeigen, wie weit wir noch von dieser Tugend entfernt sind.

 

11.

 

Daraus ergibt sich ein zweifacher Gewinn. Fürs erste erscheint offenbar das Weiße weit mehr in seiner Weiße neben dem Schwarzen, während im Gegenteil das Schwarze neben dem Weißen mehr in seiner Schwärze vor das Auge tritt. Fürs zweite wird unser Verstand und unser Wille mehr veredelt und fähiger zu allem Guten, wenn wir uns bestreben, uns selbst und zugleich Gott kennenzulernen. Treten wir aber niemals aus dem Schlamme unseres Elendes heraus, so bringt uns dies großen Nachteil. Ich habe oben von jenen, die im Stande der Todsünde leben, gesagt, wie schwarz und übelriechend die Wasser seien, aus denen sie ihre Nahrung schöpfen. Dies möchte ich als Gleichnis auch hier gebrauchen. Ich sage nicht, dass jene, die immer nur auf dem Boden der Betrachtung ihrer eigenen Armseligkeit stehenbleiben, in derselben Lage sind; davor bewahre uns Gott! Aber wenn sich solche Seelen gar nicht höher hinaufschwingen, so werden sie immer das aus diesem oben entspringende Wasser der Beängstigungen, des Kleinmutes und der Verzagtheit in sich aufnehmen. Tausend Gedanken werden sie da beunruhigen und verwirren, wie z. B.: Werden nicht andere ihre Augen auf mich richten? Wird mir der Wandel auf diesem Wege keinen Nachteil bringen? Darf ich es wagen, ein solches Werk zu unternehmen? Ist es nicht Hoffart, ist es recht, wenn ein so armseliges Geschöpf wie ich mit dem so erhabenen, innerlichen Gebet sich befasst? Wird man mich nicht für besser halten als andere, die diesen Weg nicht gehen? Übertreibungen sind auch auf dem Wege der Tugend zu vermeiden. Als eine so arme Sünderin werde ich, wenn ich falle, nur umso tiefer hinabzustürzen. Vielleicht werde ich auf diesem Wege nicht voranschreiten und so den Guten nur schaden. Eine Person wie ich bedarf keiner Besonderheiten usw.

 

12.

 

Ach, meine Schwestern, welchen Schaden wird der Teufel diesen Seelen durch Einflüsterung solcher Gedanken schon zugefügt haben! Denn dies alles sowie der Umstand, dass solche Seelen immer nur bei der Betrachtung ihres eigenen Elends stehenbleiben, scheint ihnen nur Demut zu sein; ich könnte noch vieles Derartige anführen. Auf solche Weise verkehrt der Teufel die Selbsterkenntnis zu ihrem Schaden, und wenn wir uns niemals über uns selbst erbeben, so wundere ich mich nicht, dass wir dies und noch mehr zu befürchten haben. Darum, meine Töchter, sage ich, dass wir unsere Augen auf Christus, unser höchstes Gut, und auf seine Heiligen richten müssen. Von ihnen werden wir die wahre Demut lernen; so wird, wie gesagt, unser Verstand veredelt, die Erkenntnis unseres eigenen Nichts aber wird uns nicht niederdrücken und verzagt machen. Ist die Selbsterkenntnis auch nur die erste Wohnung, so ist sie doch schon sehr reich und so kostbar, dass die Seele weiter voranschreiten wird, wenn sie sich des dort sich befindlichen Ungeziefers erwehrt. Aber die listigen Nachstellungen und Kunstgriffe des Teufels sind furchtbar; er will damit verhindern, dass die Seele zur Selbsterkenntnis gelange und sich auf den Wegen, die sie wandelt, zurechtfinde.

 

13.

 

Über diese erste Wohnung könnte ich aus eigener Erfahrung sehr gute Aufschlüsse geben. Darum sage ich: man stelle sich nicht wenige, sondern unzählige Gemächer vor; denn auf die mannigfachste Weise treten die Seelen in sie ein. Sie alle haben eine gute Absicht; der Teufel aber hat immer Schlimmes vor. Darum mag er wohl in jedem dieser Gemächer viele Legionen von bösen Geistern zum Kampfe gegen diese Seelen aufbieten, um sie vom Fortschreiten in die anderen Gemächer abzuhalten; und da die Armen es nicht merken, täuscht er sie auf die mannigfachste Weise. Soviel vermag er nicht mehr über jene, die dem Gemache des Königs schon näher stehen. Hier aber, wo die Seelen noch verstrickt sind in die Welt, versenkt in deren Genüsse und eingenommen für deren Ehren und Ansprüche, sind die Vasallen der Seele, die ihr von Gott gegebenen Sinne und natürlichen Vermögen, noch nicht stark genug; darum werden solche Seelen leicht überwunden, obgleich sie das Verlangen haben, Gott nicht zu beleidigen, und gute Werke vollbringen. Die auf dieser Stufe sich befindlichen Seelen müssen möglichst oft zur göttlichen Majestät ihre Zuflucht nehmen, die gebenedeite Gottesmutter und die Heiligen Gottes zu Fürbittern wählen und sie anflehen, für sie zu streiten, weil die eigenen Dienstleute noch zu wenig Stärke haben, um sich zu verteidigen. Übrigens muss uns Gott auf jeder Stufe die Stärke zum Streite verleihen. Seine Majestät gewähre sie uns um ihrer Barmherzigkeit willen!

 

14.

 

Oh, wie armselig ist doch das Leben, in dem wir uns befinden! Meine Töchter, ich habe schon anderswo ausführlich von dem Nachteil gesprochen, den uns der Mangel an rechtem Verständnis der Selbsterkenntnis und Demut bringt; darum will ich hier nicht weiter davon reden, wenn auch dieses Verständnis das Notwendigste für uns ist. Der Herr gebe, dass ich wenigstens etwas zu euerem Nutzen gesagt habe!

 

15.

 

Ihr müsst wissen, dass von dem Lichte, das aus dem Palaste des Königs kommt, fast noch nichts, in die erste Wohnung dringt. Sie ist zwar nicht ganz finster und schwarz, wie wenn die Seele sich in der Todsünde befindet; aber sie ist doch einigermaßen verdunkelt, so dass einer das Licht nicht sehen kann, der in ihr ist. Die Schuld liegt, ich weiß mich nicht besser verständlich zu machen, nicht an dem Gemache, sondern an dem vielen bösen Gezücht von Nattern, Vipern und anderen giftigen Tieren, die zugleich mit der Seele in das Gemach eingedrungen sind und sie das Licht nicht schauen lassen. Geradeso, wie wenn jemand in ein von der Sonne hell erleuchtetes Zimmer tritt, aber die Augen voll Staub hat, so dass er sie kaum öffnen kann. Die Wohnung ist zwar Licht, aber wer sich darin befindet, erfreut sich des Lichtes nicht, da die wilden und sonstigen Tiere ihn daran hindern; sie blenden seine Augen, so dass er außer ihnen nichts sehen kann. So muss es meiner Ansicht nach einer Seele ergehen, die zwar in keinem bösen Zustand sich befindet, aber doch, wie gesagt, in weltliche Dinge so verstrickt und von zeitlichen Gütern, Ehren und Beschäftigungen so eingenommen ist, dass diese er nicht gestatten, ihre eigene Schönheit zu schauen und zu genießen, wenn sie auch ernstlich wollte; allem Anschein nach kann sie sich so großer Hindernisse nicht entledigen. Und doch ist es, um in die zweite Wohnung eingehen zu können, durchaus notwendig, dass jede Seele, je nach ihrem Stande, darnach trachte, es der unnötigen Dinge und Geschäfte zu entschlagen. Daran ist so viel gelegen, dass ich es für unmöglich halte, in die Hauptwohnung zu gelangen, wenn damit nicht der Anfang gemacht wird; ja wenn jemand auch schon in die Burg eingetreten ist, so wird er doch nach meinem Dafürhalten in dem Gemach, in dem er sich eben befindet, nicht ohne große Gefahr sein. Denn unter so diesen giftigen Tieren kann er unmöglich durchkommen, ohne nicht hin und wieder angegriffen zu werden.

 

16.

 

Wie traurig wäre es aber, meine Töchter, wenn jene durch eigene Schuld wieder in das Getümmel der ersten Wohnung zurückkehren würden, die wie wir, frei von solchen Hemmnissen, schon viel weiter vorgeschritten und in andere geheime Wohnungen der Burg eingedrungen sind! Ach, um unserer Sünden willen wird es viele geben, die sich wieder in ihr früheres Elend stürzen, nachdem sie Gott begnadigt hat! Hier, im Orden, sind wir bezüglich der äußeren Dinge frei von Gefahren; der Herr gebe nur, dass wir es auch bezüglich des Inneren seien und bleiben mögen! Hütet euch deshalb, meine Töchter, vor fremden Sorgen! Bedenket, dass nur in wenigen Wohnungen dieser Burg die bösen Geister auf den Kampf verzichten! In einigen sind zwar die Mieter, wie ich die Vermögen der Seele genannt zu haben glaube, stark zum Streite; allein es ist sehr notwendig, dass wir den Ränken des Teufels gegenüber beständig auf der Hut sind, damit er nicht in der Gestalt eines Engels des Lichtes uns täusche. Denn es gibt eine Menge Dinge, durch die er uns schaden kann; er schleicht sich allmählich ein, so dass wir den Schaden nicht eher bemerken, als er eingetreten ist.

 

17.

 

Ich habe euch schon anderswo gesagt, dass der Teufel uns heimlich aufzureiben sucht, was man gleich anfangs beachten muss. Dies will ich euch durch einige Beispiele verständlich zu machen suchen. Er flößt einer Schwester einen mächtigen Drang zur Buße ein, so dass sie keine Ruhe zu finden meint, wenn sie sich nicht durch Bußwerke peinigt. Dieser Anfang ist gut; hat aber die Priorin die Erlaubnis zur Vornahme einer Bußübung verweigert und schenkt die Schwester den Einflüsterungen des bösen Feindes, in einer so guten Sache schon etwas sagen zu dürfen, dennoch Glauben und ergibt sie sich heimlich einem so strengen Leben, dass sie dadurch allmählich ihre Gesundheit zerstört und den Vorschriften der Regel nicht mehr genügen kann, so seht ihr schon, welchen Ausgang dieses Gute genommen hat. — Einer anderen flößt der böse Feind sehr großen Eifer zum Streben nach Vollkommenheit ein. Dieser Eifer ist etwas ganz Gutes, aber er kann die Schwester so weit führen, dass ihr jeder kleine Fehler, den sie an ihren Mitschwestern bemerkt, als ein großes Vergehen erscheint, dass sie auf solche Fehler sorgfältig ihr Augenmerk richtet, um sie der Priorin anzuzeigen. Dabei kann es zuweilen geschehen, dass sie in ihrem großen Eifer für die Ordensobservanz, ihre eigenen Fehler übersieht, während andere, die nicht wissen, von welcher Absicht ihr Inneres beseelt ist, ihre Sorge übel aufnehmen.

 

18.

 

Was aber der böse Feind damit beabsichtigt, ist keineswegs von geringer Bedeutung; er arbeitet darauf hin, dass die gegenseitige Liebe unter den Schwestern erkalte, was ein großer Nachteil wäre. Lasst uns darum einsehen, meine Töchter, dass die wahre Vollkommenheit in der Liebe Gottes und des Nächsten besteht! Je vollkommener wir diese Gebote halten, desto größer wird unsere Vollkommenheit überhaupt sein. Unsere ganze Regel und alle unsere Satzungen sind nichts anderes als Mittel zur Beobachtung dieser Gebote. Vermeiden wir also allen unbescheidenen Eifer, der uns nur großen Schaden bringen kann; eine jede gebe auf sich selbst acht! Ich will nicht weiter davon sprechen, da ich schon anderswo ausführlich darüber gehandelt habe.

 

19.

 

An der gegenseitigen Liebe ist soviel gelegen, dass ich wünschte, ihr möchtet sie nicht vergessen. Denn dadurch, dass wir unbedeutende Dinge an anderen beobachten, die manchmal kaum Unvollkommenheiten sind, sondern von uns vielleicht nur aus Unwissenheit übel aufgenommen werden, kann sowohl der eigene Seelenfrieden schwinden, als auch der Frieden anderer gestört werden. Sehet also, wie teuer eine solche Vollkommenheit zu stehen käme! Mit der gleichen Versuchung kann sich der böse Feind den Schwestern auch nahen bezüglich der Priorin; dann aber ist sie umso gefährlicher. Man muss darum wohl zu unterscheiden wissen. Denn wenn die Priorin Fehler gegen die Regel und die Satzungen begeht, darf man diese nicht immer gut auslegen; man muss sie vielmehr aufmerksam machen und dem höheren Obern Anzeige erstatten, wenn sie sich nicht bessert. Ebenso soll man sich auch den Schwestern gegenüber verhalten, wenn man an ihnen einen bedeutenden Fehler bemerkt. Würde man da aus Furcht, einer Versuchung nachzugeben, dergleichen Fehler mit Stillschweigen übergehen, so wäre diese Furcht selbst eine Versuchung. Um aber vom Teufel nicht betrogen zu werden, hüte man sich, mit anderen von solchen Fehlern zu sprechen; man teile sie, wie schon erwähnt, nur denen mit, die sie bessern können, sonst könnte sich die Gewohnheit der üblen Nachrede einschleichen, wodurch der böse Feind viel gewinnen würde. Gott sei Dank ist bei uns, die wir ein so beständiges Stillschweigen beobachten, eine solche Gefahr nicht vorhanden; allein es ist doch gut für uns, auch in dieser Beziehung auf der Hut zu sein.

Zweite Wohnung

Einziges Hauptstück

Wichtigkeit der Beharrlichkeit, um in die letzten Wohnungen einzugehen. Welch heftigen Kampf der Teufel erregt, und wieviel darauf ankommt, dass man, um den rechten Weg zu wandeln, nicht gleich anfangs irregehe. Ein durch die Erfahrung als sehr wirksam erprobtes Mittel.

1.

Mir wollen nun von jenen Seelen sprechen, die in die zweite Wohnung eintreten, und sehen, womit sie sich in ihr beschäftigen. Ich möchte mich gerne kurz fassen, da ich schon anderwärts sehr ausführlich darüber gesprochen habe; es fehlt mir aber die Erinnerung an das, was ich dort gesagt habe, weshalb es wohl möglich sein wird, dass ich vieles davon wiederhole. Könnte ich es mit anderen Worten darstellen, als ehedem, so weiß ich wohl, dass ihr darüber nicht unwillig würdet, wie wir auch nicht müde werden, die vielen Bücher zu lesen, die diesen Gegenstand behandeln.

2.

Es handelt sich hier um jene, die das innerliche Gebet schon zu üben begonnen haben und erkennen, wieviel für sie davon abhängt, nicht in der ersten Wohnung zu bleiben. Aber ihr Entschluss steht noch nicht so fest, dass sie nicht oftmals dahin zurückkehrten, weil sie die Gelegenheiten nicht meiden. Es ist dies sehr gefährlich und doch wieder eine große Gnade Gottes; sie fliehen wenigstens zeitweise die Schlangen und giftigen Tiere und kommen zur Einsicht, wie gut es ist, sie zu meiden. Solche Seelen haben in gewisser Hinsicht mehr zu leiden als jene, von denen schon die Rede war; sie sind aber auch weniger in Gefahr, weil sie die Gefahren schon zu kennen scheinen, und es ist große Hoffnung, dass sie weiter in das Innere der Burg eindringen werden. Ich sage, sie haben mehr zu leiden; denn jene ersteren sind den Stummen gleich, die zugleich taub sind und deshalb das Leid des Stummseins viel leichter ertragen, als sie es hinnehmen würden, wenn sie das Gehör besäßen. Trotzdem wünscht keiner, der stumm ist, des Gehöres zu entbehren; denn es ist doch immerhin ein großer Vorteil, zu verstehen, was man uns sagt. Diesen Vorteil aber genießen jene, von denen ich hier spreche. Sie hören den wiederholten Ruf des Herrn, den er an sie ergehen lässt; denn sie sind dem Gemache, in dem Seine Majestät wohnt, schon näher gekommen und haben an ihm einen guten Nachbar. Zwar hängen sie noch an ihren Unterhaltungen, Beschäftigungen, Freuden und den trügerischen Dingen dieser Welt; sie fallen in Sünden und stehen wieder auf, da es in der Nähe so gefährlicher, giftiger und unruhiger Tiere fast ein Wunder ist, nicht zu straucheln und zu fallen. Aber die Barmherzigkeit und Güte unseres Herrn ist so groß, und ihr Verlangen, ihn zu lieben und seine Gesellschaft zu suchen, so dringend, dass er nicht unterlässt, ihnen wiederholt zuzurufen, sie möchten doch in seine Nähe kommen. Seine Stimme ist so lieblich, dass die arme Seele vor Kummer vergehen möchte, weil sie ihr nicht Folge leistet. Sie hat also, wie ich sagte, mehr zu leiden, als wenn sie die Stimme des Herrn nicht hörte.

3.

Ich sage nicht, dass jene Rufe und Einladungen jenen gleichen, von denen ich später noch sprechen werde. Es sind Worte frommer Menschen oder Predigten, die wir hören, gute Bücher, die wir lesen, Krankheiten, Leiden und viele andere Dinge, wodurch der Herr, wie ihr schon gehört habt, uns ruft. Auch das nenne ich Einladung Gottes, wenn uns der Herr zur Zeit des innerlichen Gebetes irgendeine Wahrheit lehrt; denn so armselig dieses Gebet auch sein mag, so wird es von Gott doch hoch angeschlagen. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese erste Gnade nicht gering; doch härmt euch nicht, wenn ihr dem Ruf des Herrn nicht sogleich entsprecht; denn Seine Majestät weiß viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenn sie sieht, dass man Ausdauer und ernsten Willen hat. Diese Ausdauer ist hier sehr notwendig, da durch sie immer viel gewonnen wird. Aber der Kampf, den hier die bösen Geister auf tausenderlei Weise hervorrufen, ist schrecklich und für die Seele weit peinlicher, als in der vorigen Wohnung; denn dort war sie stumm und taub zugleich, wenigstens hörte sie nicht viel und leistete auch nur geringen Widerstand, wenn sie auch die Hoffnung auf den Sieg nicht ganz verlorengab. Hier jedoch ist ihr Verständnis schon lebendiger, und ihre Vermögen sind fähiger. Es fallen die Schläge und donnern die Geschütze in einer Weise, dass die Seele notwendig hören muss. Hier stellen ihr die bösen Geister die verführerischen Dinge der Welt vor Augen: ihre Freuden, die sie ihr oft als ewig dauernd vormalen; die Achtung, die sie in ihr genießt; die Freunde und Verwandten, die sie besitzt; ihre Gesundheit, die sie durch Bußübungen einbüßen könnte; denn nach diesen sehnt sich die Seele immer, wenn sie in diese Wohnung eintritt. Mit diesen und anderen tausend Arten von Hindernissen hat die Seele hier zu kämpfen.

4.

Oh, Jesus, welchen Sturm erregen doch hier die bösen Geister, und in welche Bedrängnisse gerät die arme Seele, die nicht weiß, ob sie vorwärts schreiten oder in das erste Gemach zurückkehren soll! Andererseits stellt ihr die Vernunft die Einflüsterungen der bösen Geister als Täuschung vor Augen und gibt ihr zu bedenken, dass alles andere nichts ist im Vergleiche mit dem, wonach sie strebt. Der Glaube belehrt sie über das eine Notwendige. Das Gedächtnis erinnert sie an die Vergänglichkeit alles Irdischen durch die Vergegenwärtigung des Todes jener, die, wie sie weiß, reich waren an irdischen Genüssen; es erinnert sie daran, dass sie manche plötzlich sterben sah, die schnell von allen vergessen wurden; dass einige von denen, die sie einst in großem Glücke gesehen, jetzt unter der Erde liegen und sie selbst schon öfters über das Grab jener hinweggeschritten, deren Leib jetzt eine Menge von Würmern zernagt. Dies und vieles andere stellt das Gedächtnis der Seele vor. Ihr Wille ist in Liebe dem zugetan, von dem sie schon unzählige Wohltaten und Beweise seiner Liebe empfangen hat, wofür sie ihm gerne etwas vergelten möchte. Insbesondere drängt sich der Seele der Gedanke auf, dass dieser wahre Liebhaber nie von ihr weiche, sondern allzeit bei ihr sei und ihr Leben und Sein verleihe. Schließlich belehrt auch noch der Verstand die Seele, dass sie keinen besseren Freund finden könne, wenn sie auch noch so viele Jahre lebe. Die ganze Welt sei voll von Falschheit, während jene Freuden, die ihr der Teufel vorspiegele, nur Leiden, Sorgen und Widersprüche in sich schließen würden. Er, der Verstand, versichert die Seele auch, dass sie außer dieser Burg weder Sicherheit noch Frieden finden werde, weswegen sie das Herumschweifen in fremden Häusern aufgeben möge; denn ihr eigenes besitze eine Fülle von Gütern, die sie genießen könne, wenn sie nur wolle. Nicht jeder habe gleich ihr in seinem Hause alles, wessen er bedarf; insbesondere fehle oft der so gute Gastherr, der sie zur Besitzerin aller Güter machen werde, wenn sie sich nicht selbst in das Verderben stürze und, dem verlorenen Sohne gleich, sich mit dem Futter der Schweine sättigen wolle.

5.

Das sind Beweggründe, wodurch die Seele die bösen Geister überwinden kann. Aber, oh, mein Herr und Gott, die gewohnheitsmäßige Hingabe an die eitlen Dinge sowie die Wahrnehmung, dass die ganze Welt sich mit ihnen befasst, macht alle diese Anregungen wieder zunichte. Denn der Glaube ist so leblos, dass wir uns lieber nach den in die Augen springenden Dingen als nach seinen Wahrheiten richten, obwohl wir nur das tiefste Elend an jenen wahrnehmen, die diesen sichtbaren Dingen nachstreben. Dieses Elend verursachen jene schädlichen Gegenstände, mit denen wir uns beschäftigen. Wie durch den Biss einer Natter der ganze Leib vergiftet wird und anschwillt, so leiden wir auch hier Schaden, wenn wir uns nicht vor ihnen hüten. Offenbar sind da viele Heilkuren nötig, und Gott erweist uns große Gnade, wenn wir an diesem Übel nicht sterben. Die Seele duldet hier fürwahr große Bedrängnisse, besonders wenn der böse Feind an ihr gute Anlagen und Fertigkeiten zu großem Fortschritt gewahrt. Er bietet dann die ganze Hölle auf, um die Seele wieder zum Verlassen dieser Wohnung zu nötigen.

6.

Hier, oh, Herr, ist deine Hilfe notwendig; denn ohne sie vermögen wir nichts. Lasse in deiner Barmherzigkeit eine solche Seele nicht so der Täuschung anheimfallen, dass sie wieder aufgibt, was sie begonnen! Gib ihr Licht, um einzusehen, dass von ihrem beharrlichen Fortschritt ihr ganzes Heil abhänge und sie sich von böser Gesellschaft trenne. Denn es ist ihr überaus nützlich, mit Menschen umzugehen, die nach dem gleichen Ziele streben, und sich nicht solchen anzuschließen, die in denselben Gemächern sich befinden, sondern auch anderen, die schon weiter in das Innere der Burg eingedrungen sind. Dies wird der Seele sehr zustatten kommen; ja, der Umgang mit solchen Seelen, die schon weiter vorangeschritten sind, kann ihr soviel nützen, dass diese sie in ihre eigenen Gemächer nach sich ziehen. Die Seele sei beständig auf der Hut, um sich nicht überwinden zu lassen; denn wenn der Teufel sieht, dass sie fest entschlossen ist, lieber Leben, Ruhe und alles, was er ihr bietet, zu verlieren, als in das erste Gemach zurückzukehren, wird er weit eher von ihr weichen. Sie sei männlich und wandle nicht wie jene, die, mit dem Leibe auf der Erde liegend, vom Wasser tranken, als sie — ich weiß nichtmehr, mit wem — zum Kampfe auszogen; sie sei vielmehr fest entschlossen, gegen alle Teufel zu kämpfen in der Überzeugung, dass es hierzu keine besseren Waffen gebe als die des Kreuzes.

7.

Ich habe dies schon anderswo erwähnt, aber da es so wichtig ist, sage ich es hier abermals: Die Seele rechne nicht darauf, dass ihr bei dem Werke, das sie beginnt, Tröstungen zuteilwerden; denn ein so großartiger und kostbarer Bau darf nicht auf einem so schwachen Fundamente ruhen. Fängt man an, auf Sand zu bauen, dann stürzt bald alles zusammen. Die Seele würde sich so immer unbehaglich fühlen und nie frei werden von Versuchungen; denn in diesen Wohnungen regnet es noch kein Manna wie in jenen, die weiter inwendig sind. Dort wird alles dem Wunsch und Empfinden der Seele entsprechen, weil sie nichts anderes mehr will, als was Gott will.

8.

Wie sonderbar sind doch unsere Wünsche! Schämen wir uns nicht, nach Tröstungen zu verlangen und uns über Trockenheiten zu beklagen, nachdem wir noch mit tausend Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten belastet und unsere Tugenden noch nicht einmal im Wachsen begriffen sind, sondern erst vor kurzem hervorzusprossen begonnen haben — und gebe Gott, es wäre auch so — ? Möge dies bei euch, meine Schwestern, niemals vorkommen! Umfasset vielmehr das Kreuz, das euer Bräutigam auf sich genommen, und erkennet, dass dies euere Aufgabe sein muss! Jene, die mehr leiden kann, dulde auch mehr um seinetwillen und ihr Lohn wird umso herrlicher sich gestalten. Alles übrige ist gleichsam eine Zugabe; verleiht sie euch der Herr, so sagt ihm innigen Dank dafür!

9.

Euerer Ansicht nach wäret ihr zu äußeren Leiden gerne bereit, wenn euch Gott nur innere Tröstungen verleihen würde. Aber der Herr weiß besser als wir, was uns zuträglich ist. Es ist nicht notwendig, ihm zu raten, was er uns schenken soll, sonst könnte er mit Recht zu uns sagen, dass wir nicht wissen, um was wir bitten. Das ganze Streben derer, die dem (innerlichen) Gebete sich ergeben, muss den Entschluss wachrufen, zu arbeiten und mit bestmöglichem Eifer sich zu bemühen, ihren Willen dem Willen Gottes gleichförmig zu machen. Dies dürft ihr nie vergessen, weil so viel daran gelegen ist. Seid versichert, dass hierin die ganze höhere Vollkommenheit besteht, die man sich auf dem Wege des geistlichen Lebens erwerben kann; ich werde später noch darauf zurückkommen. Je vollkommener jemand seinen Willen dem göttlichen gleichgestaltet, desto höhere Gaben wird er vom Herrn empfangen, desto weiter auf diesem Wege voranschreiten. Glaubet ja nicht, es handle sich da um andere Geheimnisse, um unbekannte und unbegreifliche Dinge; nein, unser ganzes Heil beruht auf dieser Gleichförmigkeit. Wenn wir aber schon gleich anfangs irre gehen und den Wunsch hegen, der Herr möge unseren Willen tun und uns jene Wege führen, die wir im Auge haben, welche Festigkeit kann dann das Gebäude haben? Bemühen wir uns, unser Möglichstes zu tun, und hüten wir uns vor dem schändlichen Gewürm! Gott will oft, dass böse Gedanken und Trockenheiten uns peinigen und verfolgen, ohne dass wir uns davon befreien könnten; ja zuweilen lässt er auch zu, dass wir davon schädlich beeinflusst werden. Dadurch prüft er uns, um zu sehen, ob wir innige Reue über die Beleidigung Gottes empfinden, sowie auch, ob wir uns nachher umso ängstlicher davor zu hüten wissen.

10.