Die skandinavische Acht - Wilfried Erdmann - E-Book

Die skandinavische Acht E-Book

Wilfried Erdmann

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Beschreibung

Wilfried Erdmann, Deutschlands bekanntester Segler war wieder unterwegs – diesmal in Skandinavien! Zusammen mit einem neuen Boot, einer überaus sportlichen X79, und seiner "Weltumseglerin" Astrid zeichnete das Kielwasser einen Sommer lang eine große "skandinavische Acht" in die Ostsee.Ziele waren Dänemark, Schweden, Norwegen. Kurs Nord eben. Eine Sommerfahrt will Vereinfachung – zumindest wenn man Segeln, so wie Wilfried Erdmann es seit Jahren propagiert, als große Freiheit erleben will. Das Boot ist sportlich. Bewegliche Backstagen und vielerlei Trimmeinrichtungen wollen permanent beachtet werden – besonders weil Astrid, exzellente Steuerfrau, sich daran berauschen kann, andere Yachten abzuhängen. Der Lohn: Geschwindigkeiten von 6 Knoten sind keine Seltenheit, auch 7 bis 8 werden gemessen. Verzichtet wird auf Komfort, auf Selbststeueranlage, Stehhöhe, Reling. Dinge, die deutlich jüngere Segler nie entbehren wollten. Doch auch hier winkt Lohn, vor allem in Form von Anerkennung: "Keine Maschine, keine Sprayhood, keine Reling – good job!" bekommen sie in Norwegen zu hören.

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WilfriedErdmann

DIESKANDINAVISCHEACHT

Segeln mit ›Kathena X‹

                   

 

 

 

 

 

 

 

 

Delius Klasing Verlag

 

 

2. Auflage 2016© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:ISBN 978-3-667-10626-1 (Print)ISBN 978-3-667-10715-2 (PDF)ISBN 978-3-667-10716-9 (EPUB)

Gestaltung und Satz: Kym Erdmann, www.erdmann-design.deFotos: ©Wilfried Erdmann; außer Seiten 21, 25, 49, 51 oben, 148,163 oben, 220/221: Kym ErdmannLektorat: Birgit RadeboldReproduktionen: scanlitho.teams, Bielefeld

Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, München

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf dasWerk, auch Teile daraus, nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

INHALT

Vorschau

Die Acht

Es beginnt

Warum eine kleine X?

Mit Rückenwind

Faaborg & Dänische Südsee

Meine Segellaufbahn

Kommunikation

Årø und Årøsund

Gretchen

Middelfart im Regen

Das Segeltagebuch

15. Juni, Tag des Windes

Mårup Havn, Samsø

Kommunikation 2

Samsø-Kartoffeln

Lustbadehavn Grenå

Ein Seestück

Hexe & ich

Anholt

Stejl Bakke

In Schweden

Das weiße Dorf

Fiskebäck

Utkäften, schöne Beschärung

Einst gab’s weniger Fehler

Skärhamn

Wieder ein blauer, windiger Tag

Gullholmen und die Königstreuen

Ellös

Hallberg-Rassy-Werft

Sotenkanal

Too fast for two people

Ha en bra dag i solen

Fjällbacka

Wandern auf Fläskön

Kann passieren

Bara vara

Hoffmann-Wasserweg

Sommernacht auf Sommerwind

Koster-Inseln

Sieht nach Meer aus

Willkommen im Hotel Norge

Larvik

Utsira

Nevlunghavn

Sieht nach Norwegen aus

Nix für unsere X

Paradiesbucht

Skagerrak, die Neunte

Skagen

Auf dem Kattegat

Warum eigentlich nicht

Østerby

Anholt 2

Gille

Ein Mückenloch

Frans Suell, Malmö

Limhamn-Lagunen

Øresundbrücke

Hast du bezahlt?

Kalvehave

Småland-Fahrwasser

Auf der Kante

Von Lohals nach Marstal

Perle der Südsee

La bella Germania

Von hier nach dort Astrid Erdmann

Mag ich – mag ich nicht Astrid Erdmann

Westküste – Bestküste Jürgen Hoffmann

Anhang

VORSCHAU

Im April 2010 entschließen wir uns zu einer Sommerreise mit dem allerbesten Segelboot. Einer Slup vom Typ X-79 – klein, schnell, einfach. Ziel: Von der Schlei Kurs Norden –, es locken die Schären, es lockt der Skagerrak. Mit an Bord: meine Frau Astrid und mein Segeltagebuch.

Im April notiere ich: Wir haben ein Sommerboot. Astrids Wunsch bringt den Einschnitt. Der bedeutet, noch einmal richtig segeln und sportlich reisen.

Wundere mich, wie viel Platz das neue Boot schon in unserem Denken beansprucht, halte ich Anfang Mai im Tagebuch fest. Und etwas später: alles Nötige beisammen.

Die Abfahrt rückt näher: Zur Qualität des Bootes – man soll nicht alles glauben, was Bootsverkäufer einem erzählen.

Ende Mai: Motiv? Die Frage vieler. Für mich beantworte ich sie mit: Der Kühlschrank füllt sich nicht von alleine.

Im Juni: Ein großes Mädchen am Steg: »Mami, guck mal, die wollen noch segeln.«

Erstes Resümee im Juli: Im Segeln spiegelt sich die ganze Sehnsucht der Menschen: Frieden, Weite, Stille, Natur, Abenteuer.

Im August ein Satz zum Wetter: So entwickelt sich ein typischer Wetterverlauf. Erst ein kühler Wind, der die Härchen auf der Haut hebt, dann Regentropfen und Starkwind, seltener Sturm.

Ich werde im Text dicht heranfahren. So dicht ans Geschehen, wie es unser Freibord erlaubt. Ich weiß, das Thema Segeln ist etwas schwammig, und es wird mir stückweise schwerfallen, die Fahrt in den Griff zu kriegen. Indes: Ich bleibe meinem Stil treu, offen und unbekümmert Erlebnisse und Gedanken auszuführen – als der segelnde Mensch, der ich bin.

Gute Reise. Wilfried Erdmann, Goltoft, Sommer 2011

»Ich habe noch bis nahe an das achtzigste Lebensjahr selber Jolle gesegelt. Wenn Sie kentern, müssen Sie in der Lage sein, im Wasser das Boot selber aufzurichten und weiterzusegeln.«Helmut Schmidt, Altkanzler und Freund klarer Präferenzen

Was haben Helmut Schmidts Ansichten mit unserer Reise zu tun? Wählt man schon ein kleines, elementar ausgerüstetes Boot, sollte man sich sehr wünschen und in der Lage sein – physisch wie auch psychisch –, damit umzugehen.

DIE ACHT

Die Acht ist meine Lieblingszahl. Sie sieht gut aus, ist voller Schwung, malt sich schön und ist poetisch. Beim Telefonieren kritzele ich sie gerne quergelegt, als Endlosschleife, und zu Hause steht sie auf unserem Briefkasten. Für Chinesen ist die Acht die Glückszahl. Und für Glücksspieler spiegelt sich in der Acht sowieso alles Glück. Jetzt soll sie mir/uns als gutes Omen stehen, wollen wir sie doch seglerisch nordwärts ins Meer zeichnen. (Segeln ohne Aberglauben, das wäre nichts.) Von der Schlei über Dänemark und Schweden nach Norwegen und zurück. Wobei sich auf der Insel Anholt, dem Herzstück der Acht, die Reiseroute kreuzt. Das klingt super. Astrid brennt darauf. Nach Jahren der Segelabstinenz sagt sie: »Ich will segeln. Und das Boot muss einfach, unkompliziert und praktisch sein.«

Ich ahne, was das heißt: ohne jeglichen Firlefanz wie Spritzschutz, Kühlung, Rollsegel, Komfort. Sondern Segel hoch, in Stellung bringen, ran an die Pinne und auf Kurs gehen. Ihre Vorstellung von richtigem Segeln. Dazu sportiv und mit dem allerbesten Boot zum Reisen. Sie ist diesmal die Lokomotive. Ich bin der Überraschte. Mir ist bekannt, dass Astrid lieber die Schot in die Hand nimmt als den Kochlöffel, aber gleich so radikal? Die X-79 ist ein exzellentes, kleines, einfaches Sommerboot mit zwei Crew, die 66 und 70 sind. Ja, so ist es. (Fällt mir nicht leicht, dies zuzugeben.)

Das ist die Geschichte dieses Buches. »Das Alter hat wenig Gutes – außer man tut es.« Goethe. Ich starte dann auch mein Segeltagebuch mit einem Eintrag von Max Frisch, gefunden in »Montauk«: »Ich möchte erzählen können, ohne irgendwas dabei erfinden zu müssen. Eine einfältige Erzähler-Position.«

Auch diese Reise ist nicht nur Segelerlebnis, sondern Flucht. Immer waren meinen Reisen Fluchtgedanken vorangegangen. Normal versegeln kann ich ohnehin nicht, wie zum Beispiel ein Wochenende auf der Schlei oder für einige Tage nach Dänemark rüber. Unbefangen dahersegeln ohne Aufgabe, das war nie mein Ding. Ich habe mit langen, zielgerichteten Segelreisen begonnen, gemeinsam haben wir es fortgesetzt. Diesmal steht uns ein ganzer Sommer zur Verfügung. Natürlich ein Sommer mit einem Sommerboot, dies nur nebenbei. Ganz individuell mit einem Segelboot – mit Betonung auf Boot und geringen Ansprüchen. Also genauer: eine Sommerfahrt. Die Reise soll unterhalten, Vergnügen bereiten, Sehnsucht stillen oder entfachen und nahe den elementaren Bedürfnissen stattfinden. In den Text werde ich eigene skandinavische Erlebnisse aus den 1960er-Jahren einfügen, die mir erst das »wilde« Segeln ermöglichten: meine Zeit als Seemann auf Frachtern und Tankern weltweit. Aktuelles und Geschichte sind dicht beieinander wie Segel und Schot.

ES BEGINNT

Die Fahrt beginnt schnell. Blitzschnell. An einem Tag, an dem das Licht in Sekundenschnelle wechselt – von hell auf dunkel und zurück. Und der Himmel unglaublich klar strukturiert ist: mal blau mit weißen Tupfern, mal grau, von schwarzen Wolken überdeckt. Eben Schleswig-Holstein-Wetter. Eine Flasche Weißwein statt eines Essens reicht am Ende des ersten Tages. Zu spüren, wie unser frisch erworbenes Boot segelt, ist Nahrung genug.

Nur mit Fock durchsegeln wir die Schlei zur Ostsee hin. Die Schlei ist ein winziger Fjord fast an der dänischen Grenze, und wir wohnen etwa mittig. 17 Meilen sind es vom Fährhaus an der Missunder Enge, wo mein Heimathafen ist, bis zur Ostsee. 17 Seemeilen. Seemeilen, auch wenn an der Schlei in Kilometern gemessen wird.

Im Nu verliert sich das Kielwasser. Schneller als bei vielen anderen Seglern an diesem Tag. In den Böen presst KATHENA X das Wasser auseinander, als wolle sie abheben.

»Schnell sein ist mein Leben«, juchzt Astrid an der Pinne. Ich ergänze überrascht:

»Schnell sein ist auch das Leben der kleinen X.« Ich hocke auf der Cockpitbank und blicke all den schönen Ankerplätzen nach, die wir einfach links liegen lassen – Liebesinsel, Gunneby, Lindaunis.

»Wollten wir nicht ankern und uns an Bord einrichten und umsehen?«, frage ich und ziehe die Nase kraus vor so viel Eile. Eine Antwort bekomme ich nicht. Aber:

»Vom Temperament her ist die X mehr Rennziege als Fahrtensegler«, sagt Astrid Erdmann und wechselt von Steuerbord auf Backbord.

Den Blick auf die hügelige Landschaft, teils noch auf blühende Rapsfelder und saftige Wiesen gerichtet, harre ich aus. Voll dabei bin ich nicht. Das geht mir alles zu zügig. Karfreitag planen, Ostern Boot kaufen, Pfingsten lossegeln – ohne einen Probeschlag. Und jetzt schon auf der großen langen Breite, dem schönsten Schleistück, bei 7 Knoten eine Bootsstabilität erleben, die sich wie etwas Gefrorenes anfühlt. Und das nur mit der Fock, einem Segel aus X-Play Pentex, einem wunderschönen Foliensegel, als Antrieb.

»Ein Segel zieht dich zu weiter Flucht«, sage ich.

Keine Reaktion.

»Na, dann zu naher Flucht.« Ich weiß, solche Sprüche mag Astrid nicht. Ich versuche es trotzdem mit:

»Überhaupt zu Flucht.«

Immer noch Stille vom Gegenüber.

»Hör mal bitte zu. Ich habe hier noch ein Gedicht im Logtagebuch notiert.«

Zwei Segel erhellend

Die tiefblaue Bucht!

Zwei Segel sich schwellend

Zu ruhiger Flucht!

»Schön. Von?«

»Conrad Ferdinand Meyer.«

»Wer ist denn das? Kenne ich nicht.«

Das alltägliche Leben an Land bleibt erst mal rauschend achteraus. Die richtige Welt voraus. Segeln braucht Sorglosigkeit. Allein mit Wolken und Wasser. Zuweilen dem richtigen Wind. Einer Ankerbucht. Einem Hafen.

Das Vorsegel, ein graues Tuch mit schwarzen Fäden, glänzt silbern im Sonnenlicht. Das zwölf Quadratmeter große Segel darf nicht knittern. Als wir das wertvolle Stück Segel beim Kauf Hand über Hand in einen Sack stopfen wollten, kam dem Voreigner fast die Galle hoch. Er demonstrierte prompt, wie man damit umzugehen habe. Er rollte es vom Segelkopfende her zu einer vier Meter langen Wurst. »Pentex kann brechen.« Wieder was gelernt.

Es weht ein properer Wind. Arnis ist rasch passiert. Vor Kappeln drehen wir Kreise, bis die Brücke sich hebt. Dann das Wormshöfter Noor querab. Halb bebaut, halb in Felder und öde Flächen hineinverloren. Hier weht uns ganz unverhofft ein Nordwind entgegen. Er kommt mit leichter Welle direkt aus dem Scheitel der Bucht.

Ich krame Anker, Kette und Leine aus der Backskiste und schäkele die Stücke aneinander. Die erste Nacht an Bord soll hier stattfinden. Ungestört vor Anker schwojen. Es ist die letzte Chance vor der Ostsee. So haben wir es uns gewünscht. So machen wir es.

Als wir auf knapp zwei Meter Wassertiefe sind, hole ich das Segel runter und werfe den Anker mit Schwung über die Seite. Die X ist so leicht, dass ich die Fahrt mit einer Hand am Tau abstoppen kann. Schön, die erste Nacht vor Anker gibt das richtige Reisegefühl: »Ruhe, Einsamkeit, Entschleunigung«, denke ich, als das Ankertau durch meine Hand gleitet. Astrid schaut weg. Ruhe haben wir schon mal nicht. Ihr ist es zu bewegt. Sagen braucht sie es nicht, ich sehe es ihr an. Laut plätschern die Wellen am Boot und lassen es schaukeln. Explizit das Heck knallt vierkant auf die Wasserfläche. Der Mast leicht klöterhaft. Von Stille keine Spur. »Hier singt uns nichts in den Schlaf!«

Ich stehe am Bug und sage: »So! Da sind wir« – als ob ich damit Wind und Welle beruhigen könnte.

Astrid lehnt sich derweil im Cockpit über die Winsch und weint. Segel, Kocher, Tisch, Seekarten – wir haben alles beisammen. Wir sind on Tour, liegen ordentlich verankert in einer Bucht. Mir gefällt’s, und ich habe Hunger. Und sie ist traurig und weint sogar. Am ersten Tag. Eine Weile bin ich hilflos: Tränen auf dem Wasser. Was machen wir nun? »Das ›Unglück‹ ist schön«, denke ich. Diesmal. Nur eine Viertelstunde weiter gibt es eine Marina. Ich frage laut: »Maasholm?«

Rasch holt meine Frau einen Pullover hervor, streift ihn über und stellt sich an die Pinne. Das Signal: Es kann weitergefahren werden.

Maasholm ist ein kuschliges Fischerdorf. Schmale Straßen. Geduckte Häuser. Sauber und ordentlich. In alle Richtungen ist das Wasser sichtbar und wenn nicht, dann zumindest spürbar. Ein mindestens 300 Jahre altes Dorf. Nur wenig höher gelegen als der Schleiwasserspiegel. Der Hafen ist eine moderne, durchorganisierte Marina. Masten sirren. Motoren blubbern. Pommesduft. Der Wasserspiegel aber ist still. Im Scheitel finden wir einen sicheren Platz zwischen zwei Pfählen. Jetzt wird Astrid aktiv und kramt aus den Staufächern Essen hervor. Eine Stange Lauch, Tomaten, Reis – eine Flasche Weißwein.

Wir starten mit Wein und enden mit Wein. Astrid auf der Steuerbordbank, ich ihr gegenüber. Die Gläser stehen auf der einstufigen Treppe. Den Rücken leicht gekrümmt, starren wir in die Farben des Himmels. Auf dem Wasser im Hafen spiegelt sich die Abendröte.

Bequem und kerzengerade auf der Kojenbank sitzen geht nicht, kein Platz für den Kopf. KATHENA X hat keine Stehhöhe. Ich mag es. Es ist schön, sich so eng zu betätigen, und ich sage: »Wie in einer Höhle.« Astrid meint, sie habe genug gequasselt. Noch einen Schluck. Es ist ein Abend, wie man ihn nur mit einem Boot erleben kann: ein sehr sicherer Ort mit einem sehr schönen Boot und einer gut gelaunten Mitseglerin.

WARUM EINE KLEINE X?

Ein Sommerboot schwebte uns vor. Leicht, sportlich, schön. Klein, jedoch nicht zu klein. Mit Kajüte und Kojen. Einen Kocher sollte es auch haben. Und im Cockpit Bänke, geeignet zum Liegen – »zum Sichausstrecken« in der Sprache von Astrid.

Eine Sommerfahrt will Vereinfachung. Zwei entscheidende Komponenten machen die Einfachheit aus: Klarheit und Verzicht. Indes, in der komplizierter werdenden Ausrüsterszene sucht der Segler oft vergebens nach Einfachheit.

Als Ziele: Dänemark, Schweden, Norwegen. »Eben Kurs Nord.« Das klingt nach dem nassen Atem der Ostsee und Nordsee zugleich. Riecht nach Wildnis und Herausforderung mit einem Sommerboot. Im Kopf geistert die Ferne aus einer Mischung von wilden Blaubeeren, Wikingern, ochsenblutfarbenen Holzhäusern, wehendem Blondhaar und Granitfelsen herum. Märchenhafte Aussichten.

Meine Frau und ich saßen vorm Kamin, als wir das Thema ernsthaft diskutierten (was bei uns selten geschieht). Sie auf unserem holländischen Holzstuhl, ich ihr gegenüber auf dem Sofa. Astrid wollte partout nicht wieder einen Sommer im Garten wühlen. Graben, säen, ernten, Unkraut zupfen, Pflanzen vereinzeln, gießen und in der Fortsetzung: ernten, einkochen, einfrieren. Ihr Stückchen Nutzgarten ist ein arbeitsintensives Tausend-Quadratmeter-Stück. »Nein, nein, ich will segeln, segeln. – Das Wasser lockt mich.« Ihre Sätze, die durchs Haus schwirren.

In unserem Alter spürt man, dass vieles letztmaliger wird. Folge dessen: Ideen, will man sie wirklich, möglichst rasch umsetzen, andernfalls verflüchtigen sie sich wie viele Vorhaben im Leben zuvor.

So fanatisch hatte ich sie lange nicht erlebt. Und sie hatte sogleich konkrete Vorstellungen parat. Also feilte sie schon länger an diesem Plan: ein Boot, das leicht zu händeln ist, gut segelt und nicht viel kostet. Besser: nicht zu viel kostet. Außerdem sollte es schöne Linien haben. »Eine gelungene, moderne Konstruktion«, wie sie es nannte, »hübsch anzusehen, im Hafen wie auf See, wasserdicht oben wie unten – und elementar.« Folglich kam nur Astrids altes Traumboot infrage: X-79. Ein dänisches Produkt, für Regatten konzipiert. Sie liebt sportliches Segeln. Will immer schnell sein, auch beim Fahrtensegeln. Und als wir darüber grübelten, kam uns paradoxerweise ein X-Angebot ins Haus. Man glaubt es nicht. Praktisch um die Ecke – in Schleswig – stand eine X-79 zum Verkauf. Nr. 464, Baujahr 1992. Die letzte ihrer Serie, und als Zugabe: »Die hat der Konstrukteur für sich selbst gebaut.« Nun, man muss, wie gesagt, Verkäufern nicht alles glauben. Aber: Wir taten es. In unserer Begeisterung zahlten wir zu viel. »Kann passieren«, sagte meine Frau später, als wieder ein Tau riss, weil es mürbe war. Ein weiteres positives X-Argument war: Wenn wir reisen, probieren wir gerne ein anderes Leben als das uns bekannte Yachtleben aus, das wir ja zur Genüge kennen. Das andere Leben wird diesmal recht spartanisch aussehen. Beispielsweise: 1,30 Stehhöhe in der Kajüte, 56 Zentimeter Kojenbreite, keine Kühlung, kein Schutz gegen Spritzwasser überm Niedergang, bequemes Liegen im Cockpit versaubeutelt ein mächtiger Traveller. Strom liefert eine 75-Ah-Batterie.

Also wenig Platz. Komfortstufe null.

Gezeichnet und gebaut wurde die X-79 von Niels Jeppesen, Dänemark, aus GfK. 7,90 Meter lang, 2,88 breit, 1,35 Tiefgang, Verdrängung 1,5 Tonnen. Ein Schiff, mit dem sich Alte unter älteren Jahrgängen auch wohlfühlen können. (Dachten wir, war aber nicht der Fall.) 40 Quadratmeter Segelfläche wecken keinen Neid und neigen nicht zum Angeben. Vier bewegliche Backstagen müssen im Auge behalten, das Achterstag – beweglich – justiert werden.

Sind wir nicht zu alt für so ein flottes wie unbequemes Boot? Für das Reisen mit beweglichen Backstagen, Rohrkojen und den massenhaft vorhandenen Trimmmöglichkeiten der Takelage? Schon möglich. Probieren wir es aus. Ich erinnerte mich an einen Norweger, der sein Leben lang Eishockey liebte und es unbedingt spielen wollte, dessen Frau es aber nicht zuließ. Als sie dann im Alter von etwa 60 Jahren starb, kaufte er sich anderntags eine komplette Eishockeyausrüstung und wurde Mitglied in dem Verein Vålerenga IF Oslo. Ja, die Geschichte habe ich nie vergessen. Auch das Resultat nicht, es war ernüchternd: Es war zu spät, aktiv Eishockey zu spielen. Er hat es nicht gepackt. Das machte ihn traurig. Und krank.

»Das soll uns nicht passieren.«

»Wo hast du das gelesen?«

»In einer norwegischen Tageszeitung, 1964, als ich auf einem norwegischen Frachter zur See fuhr.«

»Und das hast du nicht vergessen?«

»Nein, daran denke ich spätestens, wenn wieder jemand Pläne hat und sie nicht umsetzen kann, da Mann oder Frau nicht zustimmt. Soll ja vorkommen.«

MIT RÜCKENWIND

Mit beweglichen Backstagen habe ich Erfahrung. Drei meiner Boote waren damit ausgerüstet. Und ich kam gut damit klar. Sehr gut. Von der Pinne aus waren Taljen und alle Schoten in Reichweite – was bei diesem Boot leider nicht möglich ist. Obendrein haben wir vier Backstagen. Vier bewegliche Drähte, die den Mast stützen und wichtiger: trimmbar machen. So hat es sich der Konstrukteur gedacht. (Manchmal schlagen sie einem aber auch um die Ohren.) Ich denke bei Backstagen immer: Damit habe ich mehr Sicherheit für meinen Mast. Ein Gefühl, das bei schwerem Wetter viel wert ist.

Es ist früher Morgen, als wir im Schönwetterdunst die Schlei verlassen. Fahrwassertonnen und Fischerbojen schwimmen an uns vorbei. Es herrscht noch kein Bootsverkehr. Also wird im Fahrwasser kurz das Ruder umgelegt, das Leebackstag gelöst und mit dem Bug in den Wind Hand über Hand das Großsegel hochgezogen. Mithilfe der Winde setze ich das Vorliek dicht. Ich schaue den Mast hoch und bin leicht entsetzt: So groß habe ich es mir für diesen »Schlickrutscher« nicht vorgestellt. Nachdem mit wenigen Handgriffen auch die Fock steht, meine ich ernsthaft: »Boot und Großsegel sind nicht kompatibel. Das eine zu klein, das andere zu groß.«

Gleich ausgangs Schleimünde taufen wir unser neues Boot auf den Namen KATHENA X. »Gott beschütze dich.« (Astrid ist katholisch.) Es geschieht ganz schlicht aus einer Flasche Kap-Hoorn-Wasser, das ich sanft über den Bug schütte. Diese Namensgebung ist auch eine Form der Aneignung. Jetzt haben wir das Boot ins Herz geschlossen. »Bisschen spät, aber besser als gar nicht«, meint Astrid, die mit reichlich Sinn für Ordnung ausgestattet ist. Es ist Wasser von meiner letzten Nonstopreise. »Kein bisschen schal«, sagt die neugierige Astrid nach einer Kostprobe aus der Flasche.

Das X steht primär für 10. Es ist unser zehntes Boot. Nicht ahnend, dass die meisten kleinen Xer ein X im Bootsnamen tragen. Und KATHENA heißen alle unsere Boote. (Hätten wir eine Tochter, hätten wir ihr den Namen wohl auch verpasst.) Beispiele anderer X-79-Namen: EXTRAPRIMA, SEXTANTEN, LÜTTE X, VERLEIH NIX.

Bei Nebel und einer fahlen Sonne umkreise ich das Deck. Mustere das Rigg. Schaue in die geschwellten Segel. Umkurve mich. Boxe uns in die Rippen und verkünde lauthals: »Jetzt ist es endgültig unser Boot. Jetzt haben wir es uns einverleibt.« Denn zu einem Boot gehören ein eigener Name, eigene Polster, Kissen, ein eigenes Foto am Schott und ein paar eigene Instrumente. »Und nicht zu vergessen, zu Beginn eine große Waschaktion. Speziell, wenn man eine Yacht von Regattaseglern kauft«, ergänzt meine Frau.

Dann? Dann nichts. Nachdem ich noch mal den Arm gehoben und Richtung See meiner Begeisterung freien Lauf gelassen haben – »wir sind unterwegs!« –, hocken wir auf der Kante und starren ins weiße Nichts. Ein Horizont ist nicht auszumachen. Doch die Freude ist sehr nah.

»Welch ein wundersamer Wahnsinn. Zu Hause steht ein Kielboot, und wir wagen uns mit einem jollenartigen Gefährt aufs Meer – nach Norwegen.«

»Die Reise geht auf See und nicht aufs Meer«, verbessert mich Astrid laut und setzt sich von Luv nach Lee. »So kann ich besser sehen.«

Für sie ist das Meer der Ozean. Für KATHENA X kann der Skagerrak schon brenzlig werden. Aber das tue ich nicht kund. Noch haben wir kaum drei Meilen Ostsee achteraus. Drei von geschätzten 1000.

Von der Schlei auf die große Schleife: Wilfried und Astrid

Nun, wir sind auf Kurs von Maasholm nach Søby. 24 Seemeilen. Søby liegt auf Ærø und gehört zur Dänischen Südsee. Leichter Westwind. Die Schoten strecken sich. Das Kielwasser zeigt zwei schmale Schaumstreifen und das Log 4,26 Knoten. So genau will ich es eigentlich nicht wissen, aber auf zwei Stellen hinterm Komma ist es halt justiert. Ungut für die Augen dagegen ist der fest installierte elektrische Kompass. Die digitale Anzeige tanzt unaufhörlich von Grad zu Grad.

Ich hole Brot und Käse ins Cockpit und brühe eine Presskanne Kaffee auf. Wir frühstücken. Astrid steuert. Die Sonne steigt höher und frisst den Nebel. An Backbord sehen wir flaches Land mit vereinzelten Baumgruppen und viel Weiß dazwischen. Die Sicht an Steuerbord: nur Wasser – die Ostsee. Voraus ein Segler, nur mit Großsegel, der sich rasch im Dunst verliert.

Der Wind dreht auf Süd, und ich muss die Segelstellungen ändern. Die Fock wird ausgebaumt. Das dauert. Ist alles neu für uns. Verstelle ein paar Trimmleinen, doch die Fahrt im Boot bleibt gleich, egal, in welche Richtung ich Kraft ausübe. Es wird nur »schaukliger«, wie Astrid es nennt, wenn die Welle das Boot von achtern trifft. Mich stört es nicht. Ich strecke mich im Cockpit aus, schaue entspannt auf lange, weiße Streifen im Kielwasser, denn alle Sorgen und Mühen sind achteraus an Land. Für die nächsten zehn Wochen kann das so bleiben. Das ist die geplante Zeitspanne für unseren Sommertörn.

Aus der leichten Brise wird eine feine Brise. Das Log springt auf 6 Knoten – ich springe ans Ruder. Astrid braucht eine Pause. Hält es aber nicht lange mit Nichtstun aus. Schon bald holt sie sich die Pinne zurück. Ich steuere ihr zu lässig. Mir gefällt der Kompass nicht. Die Zahlen zappeln auf der Anzeige zu viel herum. Zusätzlich machen die digitalen Zahlen müde. Gehen auf die Augen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass meine Frau das erste charakteristische Seezeichen zuerst sieht: Leuchtturm Skjoldnæs an der Nordspitze von Ærø. Dort müssen wir rum. Mit 1,35 Meter Tiefgang können wir es wagen, das Kap dicht unter Land zu runden. Das Wasser wird erst platt, dann kristallklar. Der Himmel ist blau, nahezu wolkenlos. Ein warmer Sonnentag. Ich blicke auf die Uhr – kurz nach 12 – und überlege: Wir haben eine schöne Strecke zurückgelegt. Als wir ums Kap sind, kommt der Wind von vorn. 5 Meilen bis zum Hafen müssen aufgekreuzt werden. Sportlich klappt das alles noch nicht sonderlich. Die Wenden, das Trimmen brauchen ihre Zeit. Ich habe nicht die Übersicht. Unser Cockpit war in all den Jahren, in denen ich segel, noch nie so voller Leinen und Klemmen und Beschläge. Es herrschte ein geordnetes Chaos, als wir das Schiff übernahmen. Nicht so einfach, inmitten dieser Flut an Strippen die richtigen zu bedienen.

Städtchen und Marina im Norden der Insel heißen Søby. Wir legen uns an einen Steg. »Gütersloh« ist schon da. Praktisch mit uns laufen sie ein. Nicht zufällig. Wir sind mit ihnen verabredet. Sie sind unsere Segelfreunde, Marion und Jürgen aus Gütersloh und Marite und Wolfgang aus Bielefeld. Zwei Ehepaare mit ihren kleinen Rassys. Seit zig Jahren segeln sie zwischen der Dänischen Südsee und Schweden – an den Wochenenden, in den Ferien. Sie lieben das Segeln über alles. Und sind dabei liebenswert geblieben. Marion und Jürgen machen ihr Boot fest, wie ich es noch nie beobachtet habe. Fahren mit dem Bug in eine Box. Jürgen legt die Achterleinen über die Pfähle. Dann springt Marion auf den Steg, hält den Bug stabil und bewegt sich nicht von der Stelle, während Jürgen alle Leinen belegt und dichtholt. Dagegen ist unser Festmachen immer leicht chaotisch. Mit Astrid könnte ich diese Art wohl auch nicht umsetzen. Zu selbstständig. Ja, überaktiv. Sie übernimmt gern das Kommando. Auch wenn’s in die falsche Richtung läuft.

Søby ist eine Kleinstadt. »Eine lebendige Fischerstadt«, sagt der Hafenmeister. Für uns ist es ein großes Dorf mit gewachsenem Hafen. Zu Søby gehören eine Kerzenfabrik, ein Kaufmannsladen (Brugsen) und ein gut sortierter Baumarkt. Werft und Fähren sind nicht zu überhören. Am Yachthafen befindet sich eine Kantine, an deren Ostende ein Restaurant und an der anderen Seite ein bestens besuchter Pølser-Imbiss liegt. Pølser sind spezielle dänische Würstchen, die zwischen zwei Brötchenhälften liegen. Und die werden uns in jedem Hafen von nun an ins Auge stechen.

Für uns gehört zu Søby der Besuch des Leuchtturms Skjoldnæs. Es geht den Hang hoch durch ein paar Gassen und dann fünf Kilometer nach Norden. Ein ausgesprochen schöner Spaziergang. Zusammen mit »Gütersloh« wandern wir durch eine grüngelbe hügelige Landschaft. Vorbei an glänzenden, leicht wiegenden Gerstenfeldern und anderen Äckern. »So gut steht das Getreide bei uns nicht.« Ich mache ein Foto. Vereinzelt ein Haus, das zum Verkauf steht – til salg. Auf dem Golfplatz ist wenig los, trotz Werbebroschüre: »Der Golfklub Ærø hat eine der schönsten 18-Loch-Anlagen in ganz Europa.«

Am Strand, vorm Kap angekommen, setzen wir uns an einen dieser typischen skandinavischen lang gestreckten Rastplatztische mit Sitzbänken dran, die man wegen des Gewichtes auf keinen Fall klauen kann. Öffnen unsere Wasserflaschen und gucken aufs reflektierende Wasser, das wellenlos wirkt. Niemand ist sonst da, nur ein Hund. Astrid spielt mit ihm, und er ist ganz zutraulich. Sie geht ans Wasser hinunter, der Hund geht ihr nach. Sie sucht Steine. Schöne Steine, besondere Steine. Farbige, schwarze, große, kleine. Steine mit Loch. Und heute: flache Steine, die sich zum Flitschen eignen. Mit Schwung und Geschick geworfen, springen sie sechs bis sieben Mal übers Wasser. Der Hund schaut ihr zu. Bereit zum Sprung, doch er springt nicht. Vermutlich ist das Wasser zu kalt – wie für uns auch.

Marion merkt an: »So ist das Seglerleben. Ist man an Land, schaut man aufs Wasser, ist man auf See, blickt man sehnsüchtig an Land.« Marite stöhnt. Ihr Mann Wolfgang entgegnet: »Hunger ist mein Bedürfnis.« Das ist das Signal für den Aufbruch. »Mir ist Segeln zum Bedürfnis geworden«, sagt Astrid. Aber allen geht es ähnlich. Würden sie sonst Sommer für Sommer an die Küste kurven, um die Segel zu setzen? An vielen Wochenenden, an Feiertagen, in den Ferien? Auf den Leuchtturm steigen wir nicht.

Vielleicht muss man ein wenig verwegen sein für solch einen Törn

Es wird ein schöner Abend. Im Hafen schmeißen unsere Freunde den Grill an und verwöhnen uns. Dafür haben sie alles an Bord: Grill, Kohle, Anzünder – Salate, Baguette und Würstchen im Teigmantel, genannt Stockbrot. Das muss allerdings erst geformt werden. Das Ergebnis ist köstlich – in der Natur verzehrt noch besser. Astrid interessiert sich überraschend für das Rezept. Marion schreibt auf: »Eigentlich Pi mal Daumen, aber ich probier’s mal.«

500 Gramm Mehl / Salz / 4 Esslöffel Öl / 1 Tüte Trockenhefe / 1 Esslöffel Zucker / 1 Ei / Milch oder Mineralwasser

Mehl in eine Schüssel geben und mit allen Zutaten zu einem geschmeidigen Hefeteig kneten.

Mit einem Geschirrtuch abdecken und sicher in die Koje stellen, eventuell die Schüssel mit Folie abdecken, falls der Teig sehr stark aufgeht.

Grillstelle vorbereiten.

Mehl zum Kneten bereitstellen. Teig in Stücke teilen, kneten und zu einer langen Wurst rollen. Das Würstchen darin einrollen und auf den Grill legen.

Für Vegetarier Käsesticks einrollen (Teig gut verschließen). Sehr lecker sind auch Räucherlachsstücke.

Wenden, damit nichts anbrennt!

Bei doppelter Teigmenge bleibt je nach Anzahl der Mitgriller ein Teigrest. Diesen zu einem Zopf flechten, auf den ausglühenden Grill legen und auf den Felsen bei untergehender Sonne mit Nutella und einem Pott Kaffee genießen.

»Allein dieser Gedanke lässt mich von den Sommerferien träumen.«

Der Himmel über Søby ist noch ganz hell, gelb am Rand gegen die Finsternis. Helle Wolkenbänke liegen in dem abendlichen blassen Himmelsblau. Wir unterhalten uns über Vor- und Nachteile beim Ankern in den Schären, Schweden überhaupt, dass Schweden gern Kontakt aufnehmen, aber oftmals zu schüchtern sind, und, klar doch, übers Segeln. Am Nebentisch geschieht das ebenso. Eine Vereinscrew durchspielt alles an Geschichten und Abenteuern um dieses Revier: »Wenn die Gischt höher als die Saling fliegt.« – »Ein Motorboot möchte ich nicht geschenkt haben.« – »Das glaubst du doch selbst nicht.« – »Herbert kamen die Spaghetti einzeln aus dem Mund.« – Es endete mit Wochenendhäusern, elektrischen Winden, eigenen Sorgen … Man ist überrascht, wie viel Erzählstoff sich zwischen der deutschen Küste und der Dänischen Südsee ansammelt.

FAABORG & DÄNISCHE SÜDSEE

Der zweite Ostseetag beginnt mit einer herrlichen Sonne und einer großen Stille. Windstille. Und dem »stillen« Wolf Biermann, der mit Freunden die Dänische Südsee besegelt. »Überall hätte ich ihn erwartet, aber nicht auf einem Segelschiff«, sagt Biermanntexte-Liebhaberin Astrid.

Astrid hat seit 20 Jahren ein von Biermann in Spiegelschrift signiertes Buch. Auch sie signiert gerne in Spiegelschrift. Doch er kann es toppen: Mit jeweils einem Stift in jeder Hand und gleichzeitig schreibt er: »Mit links nach links kann jeder schreiben, auch Astrid Erdmann, weil er ihr im Hafen von Søby den Trick verraten hat.« Man ist im Moment sprachlos. »Das habe ich ja noch nie gesehen.« Astrid ist hellauf begeistert, findet das großartig, denn es gibt nicht viele Menschen, die es mit einer Hand können, aber mit beiden zugleich? Nein! Er wiederum will es erklären, und es beginnt ein Monolog, den ich nicht wiedergeben kann, da mir teils unverständlich. Jedenfalls ist für ihn Spiegelschrift kein Problem. Dazu gehöre nur Übung – wie bei so vielem im Leben. Wolf Biermann ist ein vielseitig Talentierter. Singen eigener Liedertexte zur Gitarre ist bekannt, Bücher und historische Aufsätze schreiben ebenfalls, aber segeln? Nein, er sei nur Gast, sagt er.

Wolf Biermann gibt Astrid ein Autogramm in Spiegelschrift

»Mitsegler für ein paar Tage.«

Faaborg ist einer meiner liebsten Häfen in der Dänischen Südsee. Schon der Name klingt verlockend, signalisiert »echte« Südsee. Faa bedeutet im Polynesischen die Zahl vier. Hier lässt sich der Ursprung des Namens wahrscheinlich von Fuchsberg ableiten. Die Ansiedlung wurde im 13. Jahrhundert zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Denn die Dänische Südsee war zur Windjammerzeit das Zentrum der Hochseefahrt und Faaborg eine Seefahrerstadt.

In heutiger Zeit ist Faaborg das Zentrum der deutschen Fahrtenseglerszene. Man spricht deutsch. Man liest deutsch. Man signalisiert es in allen Prospekten, Speisekarten, Geschäften. Eine Tagesreise von der Kieler Bucht oder der Schlei entfernt, beginnt die Dänische Südsee, wie die Gewässer zwischen Fünen, Langeland und Ærø genannt werden. Eine unvergleichliche Landschaft aus Wasser und Inseln. Reich an Buchten, Häfen und – leider auch – sehr flachen Gewässern. Die Distanzen sind manchmal erschreckend kurz. Da hast du die Segel gerade gesetzt, nimmst Kurs und trimmst ein wenig den Stand der Tücher, und schon stehst du vor deinem Ziel – bei Wind. Logisch, das ist Klasse für Kleinboote, weniger interessant für die Dickschiffe. Was sind wir denn mit unserer Flunder? Auch ein ideales Revier für Familien mit Kindern. Niemand wird überfordert. Das trifft ebenso auf Anfänger zu. In der verzweigten Inselwelt gibt es bei unangenehmen Wetterkapriolen rasch ein Schlupfloch. Übrigens: Nirgendwo gibt es so viele Segler, die »Danish Sailing« betreiben, das heißt mit gesetztem Groß und laufender Maschine fahren.

Eine Weile segeln wir planlos durch eine verlassene See. Am effektivsten stehen die Segel bei Kurs Nord. In diese Richtung liegen Avernakø, Lyø, Dyreborg und Faaborg. Genau, da fahren wir hin.

»Nach Faaborg – zum Essen.«

»Jaa. Großartig«

Es jährt sich nämlich ein Traumjubiläum: Vor genau 25 Jahren bin ich von meiner ersten Nonstopfahrt nach 271 Tagen zurück nach Kiel gekommen. Für den Mut bewundere ich mich heute noch, denn so weit südlich im Südpolarmeer zu segeln, zwischen den Crozet-Inseln, Macquarie und Kap Hoorn, würde ich heute nicht mehr riskieren. Über Wochen hinweg war ich auf 52 bis 54 Grad Süd, das war Surfen mit Herzklopfen. Und immer Sturm oder Starkwind, Seegang, Nebel und Eisberge (die ich spürte, aber nicht sah). Ich segelte damals wie in einem Tunnel, so duster waren Wetter und Wolken. Das Ende der Welt von morgens bis abends. Und nachts die härtesten Segelmanöver unter schwarzem Himmel, dazu arschkalt. Paradox: Je größer das Leiden, desto größer die Lust. Die Natur in diesen Breiten ist einzigartig, ach Quatsch, sie ist eine stolze Dame, der nur wenige Verehrer geblieben sind. Die neuen Nonstop-Regattakurse haben eine »Eisbremse« (Icegate). Südlicher als 50 Grad darf nur selten gesegelt werden.

Vor allem bewundere ich meine damalige Vorbereitung. Im Juli wurde noch in der Werft an meinem Alurumpf (Kasko) geschweißt, und am 8. September 1984 startete ich mit dem brandneuen Boot, ohne es erprobt zu haben. Und ganz wichtig, ich habe es ja nicht ausbauen lassen, sondern das mit der Familie und ein paar Freunden selbst bewältigt. Dann Selbststeueranlage befestigt, Beschläge und Schotschienen montiert und für eine Nonstopfahrt ausgerüstet. Das Spannendste allerdings war, KATHENA NUI von Norderney, der Werft, allein über den Kiel-Kanal nach Eckernförde zu überführen. Ohne Motor, ohne Klampen und Holepunkte. Sagenhaft. Schon dafür habe ich mir damals symbolisch auf die Schulter geklopft. Ein Zeichen meines Willens, meiner Stärke und meiner Überzeugung, es als erster Deutscher nonstop und allein zu schaffen. Tja, diese Jubelankunft, die sich zum 25. Mal jährt, will ich mit Astrid am 6. Juni feiern, und – logisch – dafür eignet sich Faaborg bestens.

Das Wahrzeichen der Stadt, ein roter dicker Glockenturm, ist schon aus großer Entfernung sichtbar, daneben ringsum ockerfarbene Häuser mit roten Dächern. Gleich davor der Hafen, eingebettet in die Stadtsilhouette. Er ist relativ leer, was auch schon in Søby der Fall war. Was ist los? Im Juni!