Die Somatische Systemische Therapie mit der inneren Familie - Susan McConnell - E-Book

Die Somatische Systemische Therapie mit der inneren Familie E-Book

Susan McConnell

0,0

Beschreibung

Susan McConnell ist IFS-Therapeutin und Ausbilderin und hat maßgeblich dazu beitragen, die Systemische Therapie mit der Inneren Familie (IFS) zu entwickeln. Ihr großes Verdienst ist es, den Körper in die Arbeit mit Selbst und Teilen einzubeziehen – über achtsame Körperwahrnehmung, Bewegung, Atem und Berührung. In diesem Buch beschreibt sie, wie körperbasierte Praktiken in die IFS-Therapie integriert werden können. Sie zeigt, wie Klient:innen lernen, in Kontakt mit ihren Teilen wie dem inneren Kind oder inneren Manager zu kommen, indem somatische Werkzeuge angewendet werden, was eine vertiefte heilsame Wirkung hat. Zu den klinischen Anwendungen der somatischen IFS gehört die Behandlung von Depressionen, Traumata, Ängsten, Essstörungen, chronischen Erkrankungen und Bindungsstörungen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 536

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Susan McConnell

Die Somatische Systemische Therapie mit der inneren Familie

Gewahrsein, Atmung, Resonanz, Bewegung und Berührung in der Praxis

Mit einem Vorwort von Richard C. Schwartz

Aus dem amerikanischen Englisch von Pascal Frank

Arbor Verlag

Freiburg im Breisgau

Inhalt

Cover

Impressum

Vorwort

Einleitung

Meine Reise zur Integration von Geist und Körper

Kapitel 1

Einführung in die Somatische IFS-Therapie und die Praktiken, die zum verkörperten Selbst führen

Kapitel 2

Körpergewahrsein: Die Körpergeschichte lesen

Kapitel 3

Bewusste Atmung: Innere und äußere Welten verbinden

Kapitel 4

Radikale Resonanz: Beziehungsbereiche verstärken

Kapitel 5

Achtsame Bewegung: Den Fluss wiederherstellen

Kapitel 6

Einfühlsame Berührung: Die Kraft ethischer Berührung erforschen

Kapitel 7

Verkörpertes Selbst: Das verkörperte innere System

Dank

Über die Autorin

Orientierung

Cover

Inhaltsverzeichnis

Buchinhalt

Anhang

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel: Somatic Internal Family ­Systems Therapy. Awareness, Breath, Resonance, Movement and Touch in Practice, bei North Atlantic Books, Berkeley, CA, USA.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage 2022

Copyright der deutschen Ausgabe © 2022 Arbor Verlag GmbH, Freiburg

Copyright der Originalausgabe © 2020 by Susan McConnell

This translation published by exclusive license from North Atlantic Books and by the agency of Agence Schweiger.

Lektorat: Usha Swamy

Titelgrafik: ©DrAfter123 / istockphoto.com

Umschlaggestaltung und Satz: mediengenossen.de

Alle Rechte vorbehalten

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-383-9

Vorwort

Ich fühle mich äußerst geehrt und freue mich sehr, dass Susan ­McConnell endlich dieses Buch geschrieben hat. Es bündelt all ihre Weisheit aus Jahren des somatischen Studiums und der Praxis des Modells der Systemischen Therapie mit der inneren Familie (IFS), das ich mit großer Hilfe von Susan entwickelt habe.

Ich erinnere mich gern an diese frühen Jahre zurück. Ich hatte die Grundlagen der IFS zu der Zeit ausgearbeitet, als Susan und ich uns um das Jahr 1993 herum trafen. Sie trat einer kleinen Gruppe von Therapeuten bei, die ich in Chicago anleitete und die mit ihren Klienten wie auch untereinander experimentierten, um mir zu helfen, die Grundlagen zu erweitern und zu vertiefen. Das waren aufregende Zeiten, und wir alle wurden miteinander sehr vertraut. Während ich davon begeistert bin, wie die IFS nun in den USA und überall in der Welt geradezu explodiert ist, sehne ich mich auch nach diesen frühen Tagen zurück, als wir wie eine kleine, eingeschworene Familie waren, die nach dem Weg suchte, die IFS dahin zu bringen, wo sie heute ist.

Bevor ich auf Susan traf, hatte ich mit Ron Kurtz, dem Entwickler von Hakomi, einer körper- und achtsamkeitsbasierten Psychotherapiemethode, die IFS gut ergänzt, zusammengearbeitet. Ron und andere in der Hakomi-Gemeinschaft hatten bereits meinen Ansatz hinsichtlich der Teile beeinflusst, indem sie mir bewusst machten, wie wichtig es ist, sie im Körper zu lokalisieren und die Kommunikation von Teilen mit diesen Körperstellen herzustellen. Ich lernte auch, wie wertvoll es ist, manchmal einen Teil die Kontrolle übernehmen und zeitweise einen Körper bewegen zu lassen, sodass er sich vollständig bezeugt fühlt.

Susan war Hakomi-Trainerin und befürwortete sehr, dass IFS noch mehr somatische Komponenten miteinbezieht – was jetzt der Fall ist. Sie nahm auch eine führende Position in der wachsenden IFS-Gemeinschaft ein, als eine der ersten leitenden Ausbilderinnen und Mentorin für viele der folgenden (sie war unsere erste Direktorin der Personalentwicklung). Sie hatte eine Leidenschaft dafür zu helfen, die Dinge zum Laufen zu bringen, und war bei vielen Ausbildungen an meiner Seite, wobei sie meine Reden aufnahm und mir half, aus dem Stegreif erlebnisorientierte Übungen zu entwickeln. Sie war in dieser Zeit meine zuverlässige Beraterin, und sie erstellte die erste Ausbildungsanleitung aus all dem Material, das sie aufgenommen hatte. Dafür bin ich ewig dankbar.

Sie hatte auch den Mut, mich wissen zu lassen, wenn ich mich falsch verhielt. Die Teile von mir, auf die ich mich verließ, um meine Schüchternheit zu überwinden und zu beginnen, IFS in eine skeptische und manchmal feindliche Welt der Psychotherapie zu bringen, waren nicht diejenigen Teile, die am besten geeignet waren, eine Gemeinschaft zu führen. Ich brauchte jemanden, der mich darauf hinwies, wenn ich mich arrogant oder unbedacht verhielt. Susan wie auch einige andere übernahmen oft diese Aufgabe. Weil ich ihr vertraute und wusste, wie sehr ich und die Zukunft von IFS ihr am Herzen lagen, konnte ich ihr zuhören und mit den entsprechenden Teilen arbeiten.

Im Laufe der Jahre habe ich in wachsendem Maße die Beziehung zwischen dem, was ich das Selbst – die unversehrte, heilende Essenz in uns allen – nenne, sowie Teilen und dem Körper erforscht. Es ist wirklich faszinierend, wie Teile das Selbst aus dem Körper ausschließen ­können und wie es, wenn du auf diese Weise entkörpert bist, für dein Selbst schwieriger ist, dein System zu führen. Auf diese Weise bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Verkörperung des Selbst ein wichtiges Ziel in der IFS ist. Das Selbst muss sich im Körper befinden, um genug Einfluss zu haben, gut führen zu können, und es ist schwer für die Teile, die beruhigende Präsenz des Selbst wahrzunehmen, wenn es nicht verkörpert ist. Ist das der Fall, sind Teile gleich elternlosen Kindern in ständiger Angst und werden zunehmend extrem. Wenn das Selbst verkörpert ist, ist es, als ob der Elternteil nach Hause gekommen wäre, sodass sich die Kinder entspannen und Kind sein können.

Niemand hat diese Themen tiefer erforscht als Susan, und dieses Buch enthält die Praktiken, die sie entdeckt hat, um die Verkörperung des Selbst zu erreichen sowie den Körper zu nutzen, um Teile zu finden und zu heilen. Wie sie oft sagte, können wir in dieser Welt nur dann gewalttätig zueinander sein, wenn wir nicht in unserem Körper sind. Aus diesem Grund hat Verkörperung Implikationen für gesellschaftliches Handeln und Wandel.

IFS ist ein großer konzeptueller Schirm geworden, unter dem sich viele Ansätze und Perspektiven stimmig einfügen, solange sie die Heiligkeit der Teile respektieren und an die Existenz des Selbst glauben. Ich habe im Laufe der Jahre das große Glück erfahren, dass so viele talentierte Menschen ihre Leidenschaften unter diesem Schirm untergebracht haben. (Bei der IFS-Konferenz des vergangenen Jahres zählte ich 22 derartige Workshops: IFS EMDR, Yoga, 12-Schritte, Meditation, Atem­arbeit, Antirassismus, Konstellationstherapie etc.) Die Somatische IFS-Therapie steht an der Spitze dieser Liste wertvoller Integrationen, und ich bin Susan so dankbar, dass sie uns dieses enorm wichtige Geschenk macht.

Richard C. Schwartz, PhD, Gründer der Systemischen Therapie der inneren Familie und des IFS-Instituts

Einleitung

Meine Reise zur Integration von Geist und Körper

Die Geschichte des Körpers neben der verbalen Geschichte in die Therapie miteinzubeziehen beleuchtet und erweckt das, was in der Dunkelheit verborgen liegt. Das ungezähmte Tier unseres Körpers kann, vom Licht aufgeschreckt, zurückhuschen, um sich in den dunklen Ecken zu verstecken. Die Berührung, die Nahrung und die Bewegung, nach denen sich unser Körper sehnt, können unter einer Geschichte von Vernachlässigung und Trauma begraben sein. Vielleicht fühlen wir uns, als hätte uns unser Körper betrogen. Wir können eine objektive Einstellung gegenüber unserem Körper internalisiert haben. Unsere individuellen Verletzungen und kollektiven gesellschaftlichen Lasten, die sich in unser Gewebe eingelagert haben, erwarten das Licht unseres Mutes und unseres Mitgefühls, die in die Tiefen unseres Innenlebens scheinen und uns zu der Essenz unseres Seins führen.

Als IFS-Therapeutin und -Ausbilderin widme ich mich der Erhellung der somatischen Aspekte der Bewohner unserer inneren Welt der Psyche. Ich habe die Somatische IFS-Therapie entwickelt, sie besteht aus fünf Elementen, die, in Kombination mit dem IFS-Modell, mit dem inneren Körper-Geist-System arbeiten, um die verkörperte Selbstenergie zu befreien. Dieses Buch beginnt mit meiner Reise, die mich an der Schnittstelle dessen platziert hat, was die westliche Kultur getrennt zu halten versuchte. Es erforscht die fünf Praktiken der Somatischen IFS, die als ein Zweig des IFS-Baums beschrieben wurden. Nicht nur andere IFS-Therapeuten zog es hin, die Früchte dieses Zweiges zu erforschen, sondern ebenso Therapeuten und Erzieher, Körpertherapeuten, Yoga-Praktizierende und alle, die sich für körperliches und emotionales Wohlbefinden interessieren. Die Praktiken der Somatischen IFS – Gewahrsein, Atmung, Resonanz, Bewegung und Berührung – stellen für uns alle, die wir uns nach Ganzheit sehnen, eine Karte zur Verfügung, um sicher in den erfüllenden Bereich des Körpergeists einzutreten.

Auf meinem beruflichen Weg war ich mit einem Bein in der Welt des Geists und einem in der Welt des Körpers unterwegs. Er begann damit, dass ich Kinder mit körperlichen Behinderungen – Muskeldystrophie, Zerebralparese, Spina bifida sowie Hör- und Sehschäden – unterrichtete; Kinder, deren Bewegungseinschränkungen ihre kognitive und emotionale Entwicklung beeinträchtigt hatten. Mein Eintritt in die Welt der Beratung und Therapie begann, als sich die Türen der ersten Unterkunft für Opfer häuslicher Gewalt in Chicago öffneten und Frauen dort Schutz vor Misshandlung suchten. Jede mit einer einzigartigen Geschichte von Mut und Niederlage, viele mit ihren jungen Kindern im Schlepptau, deren Gesichter erstarrt waren. Ihren Geschichten von den körperlichen und seelischen Verletzungen lauschend, hoffte ich, dass die Schutz bietende Hausgemeinschaft es den Frauen erlauben würde, ein neues Leben für sich und ihre Kinder aufzubauen. Als ich sah, wie die meisten von ihnen nach Hause zu ihren Peinigern zurückkehrten, kam ich mir, im Angesicht dessen, wie wenig ich von den lähmenden Folgen körperlichen und emotionalen Traumas verstand, klein vor. Ich wurde von der Komplexität der Situationen der Frauen, dem Papierkram und dem Machtkampf innerhalb der Belegschaft überwältigt. Als sich mysteriöse neuromuskuläre Symptome in meinem Körper zeigten, ignorierte ich sie zunächst. Die Symptome wurden schlimmer. Die verschiedenen allo­pathischen und alternativen Heilpraktiker, die ich aufsuchte, boten keine schnelle Linderung. Mit der Zeit begriff ich, dass das, was mein Körper brauchte, ein anderes Verhältnis zu mir selbst war. Wie die Frauen in der Unterkunft war auch ich in einer passiven, objektivierenden Beziehung zu meinem Körper gefangen. Mein Körper konnte nicht wie ein Auto behandelt werden, das man in die Werkstatt bringt, um die Folgen von Überarbeitung und Vernachlässigung zu reparieren.

Mein Verhältnis zu den Symptomen meines Körpers wechselte von Angst und Frustration zu neugieriger, zarter Beachtung. Ich ging es langsamer an. Ich hörte zu. Ich hörte auf, so viel zu denken. Ich wurde vertraut mit den Pulsationen, Klängen und Schwingungen meines Gewebes. Ich experimentierte. Ich entdeckte Atem- und Bewegungsübungen, die sich für meinen Körper gut anfühlten. Meine körperlichen Bewegungen und Empfindungen führten mich zu Ängsten, Trauer und Wut. Ich zitterte und schluchzte. Ich begann zu verstehen, wie meine Wahrnehmungen, Verhaltensweisen und Überzeugungen die Struktur meines Körpers und seine Funktion formten. Wie bei den Frauen der Unterkunft waren meine körperlichen und emotionalen Narben nicht voneinander zu trennen. Sie zu umarmen führte zur Heilung, sowohl meiner Seele als auch meines Körpers. Ich kam zur Erkenntnis, dass ich mein Körper bin, statt einen Körper zu haben.

Mir wurde klar, dass unsere Kultur uns geprägt hatte, unseren Körper »von außen her« zu sehen. Ich vertiefte mich in die Geschichte und erfuhr, dass diese dualistische Sichtweise auf Geist und Körper durch die kulturellen Überzeugungen der letzten vierhundert Jahre geformt wurde. Einer Sicht, die den Geist und die Seele als heilig und erhaben und den Körper als eine dienende sterbliche Hülle ansieht. Es schien, als ob ein Paradigmenwechsel für uns fällig wäre.

Auf der Suche nach Quellen, die Geist und Körper integrierten, stieß ich auf ein Buch, das mittlerweile als Klassiker gilt: Bodymind.[1] Es gab nicht einmal ein Leerzeichen zwischen den Wörtern! Ich erfuhr auch etwas über den Philosophen und Erzieher Thomas Hanna, der ein Pionier auf dem Feld der Somatik war.[2] Er prägte den Begriff Somatik, indem er ihn vom antiken griechischen Wort soma ableitete, was »Körper« bedeutet. Vieles von dem, was ich in Erfahrung brachte, wie auch meine eigene Erforschung, überzeugten mich davon, dass es möglich ist, die mechanistische Sichtweise des Körpers, die in westlichen Kulturen seit der Aufklärung vorherrscht, zu überwinden. Es ist möglich, dass wir die Objektivierung unseres Körpers als den lateinischen corpus loslassen und dieses soma, diese eher subjektive Sicht unseres Körpers, umarmen. Wir könnten unseren Körper »verkehrt herum« betrachten und ihn als Quelle der Führung und Gefäß für die Seele oder Lebenskraft ehren. Uns selbst zu wandeln kann die Kultur verändern!

Unter der Führung verschiedener Lehrer und Meister lernte ich, auf mein Inneres zu hören – meine Knochen, Muskeln und Eingeweide. Tanz und andere Formen der Bewegung wie Kampfkünste und Yoga, unterschiedliche Arten der Körperarbeit und andere Formen alternativer Heilung halfen mir, meinen Körper wieder in einen Zustand der Gesundheit zu versetzen. Ich entschied mich, Körpertherapeutin zu werden, um diese Form der Heilung anderen zugänglich zu machen.

Beim Besuch eines Körpertherapie-Kurses, der von Vickie Dodd geleitet wurde, war ich die einzige Anfängerin inmitten vieler fortgeschrittenen Körpertherapeuten Chicagos. Vickie, die wusste, dass ich nicht nur Beraterin, sondern auch Töpferin war, versicherte mir, dass ich meinen Händen trauen konnte, die gelernt hatten, dem Ton zuzuhören, wie auch meinem Herzen, das gelernt hatte, den Frauen in der Unterkunft zuzuhören, als ich in dieses neue Feld einstieg. Anstatt uns Striche oder Techniken beizubringen, lernten wir etwas über Reziprozität. Wir entdeckten, dass, wenn wir unseren Kiefer und unsere Gesäßmuskulatur anspannten, während wir unseren Partner am Tisch berührten, sein Körper der Berührung Widerstand leistete. Wenn wir geerdet, zentriert und entspannt waren, öffnete sich dagegen der Körper unseres Partners für unsere Berührung, und unsere Hände waren besser in der Lage, auf die Haut und die darunterliegenden Muskeln und Faszien zu hören.

Meine Ausbilderinnen in struktureller Körpertherapie brachten mir bei, wie man mit dem Bindegewebe arbeitet, um das Gewahrsein der Klienten dafür zu stärken, wie sich ihr Körper zur Schwerkraft verhält, und um mehr Kohärenz in den Körper zu bringen. Sie betonten das Verhältnis zwischen körperlicher Struktur, Funktion und Grundüberzeugungen. Veränderungen in den Faszien führten häufig zur Freisetzung von Gefühlen. Wenn die Gefühle noch nicht bereit waren, ausgedrückt zu werden, leisteten die Faszien dem Wandel Widerstand.

Die Craniosacral-Therapie bot eine sanftere Berührung an, die in die tiefe Arbeit mit den Faszien integriert werden konnte. Während ich mit meinen Händen den subtilen Rhythmen der zerebralen Spinalflüssigkeit lauschte, entspannten sich meine Klienten tiefgehend. Anstatt Korrekturen etwaiger Unstimmigkeiten im Rhythmus vorzunehmen, folgte ich ihnen und spiegelte sie. Ich lernte, dass man die inhärenten Heilkräfte, die sich im inneren System befinden, erreichen kann, wenn man sich auf die tieferen Schichten einstimmt. Die körpereigene Intelligenz stellt die natürlichen Körperrhythmen wieder her, was sich auf das Gehirn, Rückenmark und autonome Nervensystem auswirkt. Als Praktizierende trat ich während der Sitzungen in einen ähnlichen Zustand wie meine Klienten ein und erfuhr eine tiefe Verbindung mit ihnen, die sich bisweilen mystisch anfühlte.

Das erdartige Fundament der strukturellen Therapie mit den wässrigen Bereichen der Craniosacral-Therapie zu kombinieren war so ähnlich, wie Ton auf der Töpferscheibe zu platzieren, während das Wasser ihm ermöglichte, eine bestimmte Form anzunehmen. Wie ich es mit dem Ton gemacht hatte, stimmte ich mich auf die Körper ein, um die Formen freizulegen, die enthüllt werden wollten. Diese beiden gegensätzlichen, aber komplementären Methoden der Körperarbeit führten zu vielen befriedigenden, manchmal profunden und anhaltenden Resultaten, sowohl körperlich als auch emotional. Die Klienten, die zu mir kamen, hatten auch einen Punkt in ihrem Leben erreicht, an dem sie die Botschaft ihres Körpers nicht länger ignorieren konnten. Ihr Schmerz fand – wie tief verwurzeltes Unkraut, über das gepflastert worden war – die Risse und brach durch die Oberfläche. Der Schmerz, der sie überwältigt hatte, war in ihren Körpern gefangen, und ihre Symptome, ob körperlich, mental oder im Verhalten, waren die Versuche des Schmerzes, Gehör zu finden und verdaut zu werden. Als meine Klienten von ihren Gefühlen und Gedanken sprachen, die aufkamen, als ich ihr Gewebe berührte, erfuhr ich, dass die beeinträchtigenden Stellen eingefrorene Gefühle und Erinnerungen beinhalteten. Auf meiner Körpertherapieliege fanden viele emotionale Befreiungen statt, die mit den Freisetzungen unter meinen Händen zu korrelieren schienen. Wenn der Körper losließ, was er jahrelang gehalten hatte, tat der Geist es ihm gleich.

So viel ich auch über Heilung lernte – ich hatte immer mehr Fragen. Während meine Hände mit zunehmender Fähigkeit und Sensibilität das Gewebe erkundeten und die flüssigen Rhythmen wahrnahmen, fragte sich mein Geist, wie man helfen könnte, um optimale Erleichterung und Heilung zu erzielen. Wie kann Veränderung geschehen? Und wie kann Veränderung dauerhaft »haften« bleiben? Ist Timing, die Bereitschaft des Klienten für eine Veränderung, der wesentliche Faktor? Ist es eine Technik – eine Dehnung, eine Bewegung oder eine bestimmte Art der Berührung –, die die blockierten Bereiche öffnen, die Spannung lösen und einen Wandel in der Struktur bewirken wird? Geht es darum, manuell Faszien zu befreien oder Energie zu senden? Oder ist die therapeutische ­Beziehung der wesentliche Faktor der Transformation? Ist Gewahrsein der Schlüssel? Umgeht Craniosacral-Therapie das Gewahrsein des Klienten? Ist mein Gewahrsein allein ausreichend, oder ist es wichtig, das Gewahrsein meines Klienten miteinzubeziehen? Ist strukturelle Therapie invasiv?

Zusätzlich zu den Fragen zur Heilung des Körpers konnte ich die emotionalen und kognitiven Aspekte meiner Körpertherapie-Klienten nicht außer Acht lassen. Unglücklicherweise trugen, aufgrund der weitverbreiteten Gewalt in unserer Kultur, viele, die Hilfe für ihren Körper suchten – insbesondere meine Klientinnen –, Narben von sexuellem, körperlichem und emotionalem Missbrauch. Ihre Muskeln, Faszien, Gelenke und Organe zu berühren bedeutete, wie mir bewusst war, ihr Trauma zu berühren. Das Gewebe konnte den Schmerz offenbaren, während meine Klienten mir ihre Geschichten in Worten und Tränen anvertrauten. Oder der Schmerz war in der Verkürzung und in der Abwehr ihrer Myofaszien eingeschlossen, oder der rhythmische Fluss ihrer Energie behindert. Oftmals waren meine Klienten nicht fähig, für meine Berührung vollständig präsent zu sein.

Manchmal fühlte ich mich unsicher, während ich das emotionale Leben meiner Klienten wie auch ihre körperlichen Erfahrungen in meinem Gewahrsein hielt. In einer Kultur, in der man therapeutische Hilfe im Umgang mit Gefühlen und Gedanken sucht und anschließend einen Körpertherapeuten für Probleme mit dem Körper, fühlte ich mich mit meinem Ansatz nicht unterstützt. Die kulturelle Trennung von Geist und Körper mit ihren getrennten institutionellen, regulatorischen Vertretungen verstärkt die innere Spaltung, an der die meisten von uns leiden, ob sie auf Konditionierung, Trauma oder beides zurückgeht.

Den Weg, nach dem ich suchte für eine Integration von Geist und Körper, fand ich, als die Hakomi-Ausbildung nach Chicago kam. Diese von Ron Kurtz entwickelte somatische psychotherapeutische Methode wurzelt in buddhistischen Achtsamkeitspraktiken. Gewahrsein in das zu bringen, was wir im gegenwärtigen Augenblick in unserem Körper und unseren Gefühlen erfahren, enthüllt sanft und sicher das, was unser Verhalten, unsere Wahrnehmung und unsere Gefühle organisiert. Gewahrsein bringt die Möglichkeit zu wählen mit sich. Ich lernte erfahrungsorientierte Methoden, die die Transformation und Reorganisierung dieses Kernmaterials ermöglichen. Die Art und Weise unserer Haltung und wie wir uns bewegen enthüllt unsere impliziten Überzeugungen und Gefühle und erlaubt einen direkten Dialog mit ihnen. Ich lernte, Gesten, Gang, Haltung, Stimmqualität, Veränderungen in Energie und Atemmustern genauso wie dem gesprochenen Wort zuzuhören. Die Prinzipien der Hakomi-Methode wurden grundlegend in meinem Leben und meiner Arbeit. Ich wurde Hakomi-Ausbilderin. Mehr über die Arbeit mit Trauma durch den Körper erfuhr ich von Pat Ogden, die damals Hakomi-Ausbilderin war und später die Sensomotorische Psychotherapie entwickelte. Ich integrierte und adaptierte Prinzipien und Methoden von Hakomi in meine Körpertherapiepraxis, und ich entwickelte und unterrichtete eine Hakomi-Schulung für Körpertherapeuten.

Der Achtsamkeitsansatz von Hakomi führte mich zum Buddhismus, um meine Achtsamkeitspraxis zu vertiefen. Zen-Buddhismus steigerte das Gewahrsein meines Körpers, meiner Empfindungen und meiner inneren Welt. Obwohl der Körper im Buddhismus in einem ähnlichen Ausmaß wie in anderen Religionen ignoriert und geleugnet werden kann, schließt die Achtsamkeitspraxis, wie sie von Buddha gelehrt wurde, den Körper mit ein. Eine meiner liebsten Anekdoten über den Buddha ist die, wie er, als er dabei war, Erleuchtung zu erlangen, noch einmal herausgefordert wurde. Seine Antwort bestand darin, mit seiner rechten Hand die Erde zu berühren. Ich kann mir vorstellen, wie zutiefst präsent er in seinem Körper gewesen war, während er auf der Erde saß. Sein Gewahrsein war kraftvoller als eine eloquente Exegese oder eine überzeugende Verteidigung. Mit dieser Geste löste sich sein letztes Hindernis zur Erleuchtung auf, und Siddhartha wurde zum Buddha, dem Erwachten.

Zenmeister Bobby Rhodes, auch bekannt als Soeng Hyang von der Kwan Um Schule des Zen, wurde mein Lehrer. Mehrere Tage lang still sitzend, konnte ich weder die Empfindungen von Taubheit und Schmerz in meinen Beinen und im Rücken vermeiden noch die zahlreichen Urteile und Bewertungen, die meinen Geist überfluteten. Meine mentalen und körperlichen Hindernisse lösten sich schließlich auf, und ich empfand ein Gefühl überraschender Verbundenheit zu den Menschen, die mit mir in Stille saßen. In jedem Gespräch präsentierte mir Bobby ein Koan, eine rätselhafte, paradoxe Geschichte oder Situation, die eine Antwort verlangte. Von mir wurde erwartet, dass ich auf die Frage antwortete, indem ich auf den Boden schlug und sagte: »Ich weiß es nicht.« Diese Handlung hielt meinen Geist davon ab zu versuchen, die richtige Antwort herauszufinden. Meine Hand auf den Boden zu schlagen wie auch die Worte, die durch die jahrelange Konditionierung schnitten – beides sollte mir helfen, in das Herz des Koans einzudringen, sodass eine intuitivere Antwort aufsteigen konnte. Wie bei der Anekdote über Buddhas Erleuchtung nahmen die Antworten auf die Koans häufig die Form einer Körperbewegung oder Geste an, die meine direkte persönliche Beziehung zu der präsentierten Situation zum Ausdruck brachte.

Während dieser Jahre, in denen ich forschte, lernte, lehrte und damit beschäftigt war, mich und andere zu heilen, war Richard Schwartz damit beschäftigt, seinen Doktortitel in Paar- und Familientherapie zu erlangen, Professuren an der University of Illinois und der Northwestern University anzutreten und über Familientherapie zu schreiben. Da er mit offenem Herzen, neugierigem Geist und dem Ohr eines ausgebildeten systemischen Familientherapeuten zuhörte, wie seine Klient:innen ihre inneren Kämpfe und Konflikte beschrieben, erschienen ihm ihre inneren Welten so ähnlich, wie er die Beziehungen innerhalb einer Familie sah. Er hörte, wie Klienten von einem »Teil« von ihnen sprachen, der Gefühle, Wahrnehmungen und Glaubenssysteme besaß.

Während Schwartz diesen Aspekten ihrer Psyche zuhörte, schienen sie vielmehr zu sein als bleiche unverkörperte Zwischensubjekte, vereinzelte Archetypen oder internalisierte Repräsentationen externer Figuren. Wenn diese Subpersönlichkeiten sich gesehen, gehört und als Individuum wahrgenommen fühlten, ließen sie ihn wissen, dass sie sich danach gesehnt hatten, gesehen und gehört zu werden. Indem er den Beschreibungen seiner Klienten – ihrer inneren Welten – zuhörte, erkannte er, dass diese Teile das ganze Spektrum von Gefühlen, Geschichten, Absichten, Perspektiven, Überzeugungen und Verhaltensweisen enthüllen wie tatsächliche Menschen. Sie erscheinen am häufigsten als junge Menschen jeglichen Geschlechts, unabhängig vom Geschlecht des Klienten.

Das Konzept der Vielfalt der Persönlichkeit ist nicht neu, weder für psychotherapeutische Modelle noch für Dichter oder Politiker. Aber Schwartz fügte seinem sich entwickelnden Modell einen systemischen Aspekt hinzu, denn er erfuhr, dass diese Teile Beziehungen mit anderen Teilen im System des Klienten hatten, die ebenso komplex waren wie Beziehungen in Familien. Die Teile konnten beschützend und kritisch, abhängig und rebellisch oder sorgend und nachtragend sein. Als er sich diesen Teilen auf dieselbe Weise wie den Mitgliedern einer Familie näherte, entdeckte er, dass ihre Verhaltensweisen schließlich weniger extrem und ihre Beziehungen untereinander partnerschaftlicher wurden. Seine Klienten erfuhren häufig eine tiefe Auflösung der Symptome, die sie in die Therapie geführt hatten.

Ein weiteres zentrales Element seines Modells kam hinzu, als die Teile sich in der Atmosphäre von Sicherheit und Respekt entspannten und Raum schafften, sodass sich ein anderer Persönlichkeitsaspekt entfalten konnte. Schwartz’ Klienten beschrieben diesen Zustand als verschieden von den Teilen, die sie entdeckt hatten – einen Zustand, der von Weisheit und Mitgefühl geprägt war. Sie benannten diesen Zustand nicht als Teil, sondern einfach als »mein Selbst«, also übernahm Schwartz dieses Wort für den Wesenskern in jedem Menschen. Als er seinen einzigartigen Therapieansatz durch seine Arbeit, Studien und Schriften weiterentwickelte, übernahm er die Terminologie seiner Klienten von »Teilen« und »Selbst« – und nannte sein Modell Systemische Therapie der inneren Familie, kurz IFS.

Sollte das Konzept der Vielfalt von Persönlichkeiten herausfordernd für manche sein – die Annahme, dass jeder ein Selbst hat, ist eine ziemlich radikale Vorstellung. Im Kern eines jeden Individuums, wenn alles Zusätzliche weggeschält ist, befindet sich dieser liebevolle, kreative, weise und mutige Zustand. Diese Annahme selbst ist eine Intervention in der Therapie. Sie ändert die Rolle des Therapeuten vom Interpretierenden, Analysierenden oder Problemlösenden hin zu einem, der dieses essenzielle Selbst in seinem Klienten freilegt. Die Selbstenergie des Therapeuten und Klienten ist das Mittel der Transformation. Das Ziel der IFS wurde es, diesen inhärenten Zustand freizulegen und die rechtmäßige Führungsposition des Selbst wiederherzustellen, indem es mit den isolierten, leidenden und nicht vertrauenden Teilen Freundschaft schließt, die die dem Selbst innewohnende Güte und Weisheit verdecken. Wenn das Vertrauen der Teile in das Selbst wiederhergestellt ist, kann allen Teilen des Systems geholfen werden, ihre extremen, auf das Überleben ausgerichteten Rollen loszulassen und sich in partnerschaftlichen, harmonischen Beziehungen zu reorganisieren. Ist das Selbst des Klienten einmal im inneren System verfügbar, ist der Klient nicht länger ausschließlich auf das Selbst des Therapeuten angewiesen.

Schwartz vergleicht den natürlichen, partnerschaftlichen Führungsstil des Selbst mit dem eines guten Orchesterdirigenten. Manchmal eine beobachtende, bezeugende Rolle einnehmend, manchmal mit aktiver, mitfühlender Präsenz, ähnelt die Selbstenergie Photonen, die sich sowohl als Teilchen als auch als Welle manifestieren können. Er beschreibt beide Aspekte des Selbst: »Als eine Entität ist es fähig, rivalisierende ­Perspektiven zu hören, zu nähren und Probleme zu lösen. Als Welle ist es eins mit dem Universum und anderen Menschen, als ob sich auf dieser Stufe alle Wellen in einer ultimativen Gemeinsamkeit überlappten.«[3] Er sah seine Aufgabe zunehmend darin, aus dem Weg zu gehen, wenn das Selbst des Klienten erschien, und es als Mittel zur Heilung im System des Klienten zu unterstützen. Mit der exponenziellen Kraft des Selbst im Therapieraum gelang ein Quantensprung in den Heilprozessen.

Im Plenum einer Konferenz, die ich kürzlich zusammen mit der IFS-Therapeutin Jan Mullen besucht habe, teilte Jan ihre Gedanken über die Anfänge von IFS mit: »Das IFS-Modell entstand in einer Zeit, als Therapie von der kognitiven Analyse des Therapeuten abhängig war, die auf Theorien wie der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie basierte. Es bereitete den Weg für eine ganzheitlichere, mehr auf direkter Erfahrung basierende Therapie. Es war anstrengend, die vorherrschende mono­lithische Sichtweise herauszufordern und die natürliche Vielfältigkeit des menschlichen Geistes geltend zu machen.«

Obwohl Schwartz ein eher stiller, bescheidener Mann ist, war seine Leidenschaft für sein Modell ansteckend. Wie ein Magnet zog er ähnlich denkende Menschen an, die von seinem Modell fasziniert und begierig waren, eine Möglichkeit zu finden, zu der Entwicklung von IFS beizutragen. Da Schwartz in der Nähe von Chicago wohnte und einige Übereinstimmungen zwischen IFS und Hakomi sah, trafen sich schließlich unsere Wege. Ich konnte nicht voraussehen, dass diese Verbindung mein berufliches Leben in den nächsten 25 Jahre neu gestalten würde. Ich wurde anfangs von seiner Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Offenheit und auch seinem Engagement für seinen eigenen Heilungsprozess angezogen. Ich schätze besonders, dass er den Mut hatte, seine strukturelle Familientherapieausbildung hintanzustellen und sein Modell sich entwickeln ließ, indem er seinen Klienten zuhörte. Schwartz wird in seinem Freundes- und Kollegenkreis Dick genannt, und mir wurde die Ehre zuteil, dazuzugehören. Das IFS-Modell und seine Organisation wurde in diesen frühen Tagen von den Menschen geprägt, die auf dem Boden meines Büros saßen und von Dick und seinem neuen Ansatz angezogen worden waren.

Es war mein Bedürfnis nach Beratung und nicht so sehr eine Suche nach einem neuen Therapiemodell, das mich auf diesen lebensverändernden Weg brachte. Ich hatte mit Hakomi substantielle Ergebnisse erreicht, und es machte mir Freude, diese Methode sowohl Psycho- als auch Körpertherapeuten näherzubringen. Ich trat Dicks Supervisionsgruppe bei, als eine meiner Klientinnen versuchte, sich selbst mit einer Überdosis umzubringen, was ihr beinahe gelungen wäre. Die Gruppe unterstützte mich nicht nur, sondern gab mir darüber hinaus die Möglichkeit, seinen im Entstehen begriffenen Therapieansatz kennenzulernen.

In dieser Gruppe lernte ich, dass manche unserer Teile – sie werden »Verbannte« genannt – die schmerzhaften Gefühle von unserem Verlassenwerden oder Trauma halten, während andere dazu gezwungen werden, diese verletzlichen Teile oder das System vor weiteren Verletzungen zu schützen. Diese schützenden Teile, die »Manager« genannte werden, zeigen vielfältige Verhaltensweisen wie etwa kritische, kontrollierende Strategien, während die als »Feuerbekämpfer« bezeichneten Teile impulsiv reagieren, wenn die verletzlichen Gefühle aufzusteigen drohen. Die meisten dieser Teile sind viel jünger als das chronologische Alter der jeweiligen Person. Diese innere Familie aus Teilen verwendet gegensätzliche Strategien, die das System in starren, dysfunktionalen Beziehungen einrasten lassen. Die Beschützer sind überarbeitet, isoliert, bedrängt und belagert. Die verletzlichen Teile sind typischerweise verbannt. Sie sind verzweifelt, einsam und bedürftig. Sie werden weiterhin sowohl äußerlich als auch innerlich verletzt von den Teilen, die sie zu beschützen versuchen. Das innere System ist in einer Zwickmühle gefangen. Die Beschützer können ihren Posten nicht verlassen, bis die verletzlichen Teile sicher umsorgt werden, aber um sie kann sich nicht gekümmert werden, bis die Beschützer loslassen.

Als IFS-Therapeut ist man ein wenig wie ein Archäologe, der die Schichten alter Überreste durchsiebt und herausfindet, wie sie zusammenpassen und welche Geschichten sie offenbaren. Wer sind diese Teile? Was machen sie? Wie lange machen/fühlen/glauben sie das schon? Sind sie Freunde oder Feinde? Bilden sie Gruppen, verstecken sie sich, dominieren oder beschützen sie? Meine Aufgabe bestand darin, dem Klienten zu helfen, diese Teile zu finden und die Selbstenergie, die unter diesen Teilen verschüttet ist, ans Licht zu bringen.

IFS bot eine mitfühlende Sicht auf die beschützenden Teile meiner Klienten. Ob sie kritisch, kontrollierend, wütend, manipulativ oder einfach unauthentisch waren – es kann schwer sein, mit den Beschützern vertraut zu werden. Teile, die der Therapie »widerstehen«, sind der Fluch der Therapiewelt, und das Label »Borderline« lässt viele von uns zurückweichen. Obwohl ihr Verhalten oftmals katastrophale und herzzerreißende Auswirkungen hat, verstand ich schließlich, dass diese schützenden Teile in extreme Rollen gezwungen worden waren, gewöhnlich in einem sehr jungen Alter. Der Tatsache zum Trotz, dass ihr Verhalten zu sehr tragischen Ergebnissen führt – ironischerweise häufig zu genau dem Ergebnis, das sie zu vermeiden suchten –, meinen es alle gut. Ihre schädlichen Handlungen basieren auf ihren verzerrten Wahrnehmungen, die wiederum von den Lasten und dem Druck ihrer inneren und äußeren Systeme gefärbt sind. Die Beschützer glauben, dass allein sie dafür verantwortlich sind, alles im Griff zu behalten. Fast alle meine Klienten wurden früh in ihrem Leben in einem Ausmaß verletzt, das dazu führte, dass ihre Beschützer extrem fleißig sind. Ich verstand nun, dass die selbstzerstörerischen Handlungen meiner Klienten Verhaltensweisen dieser jungen, fehlgeleiteten, aber wohlmeinenden Teile waren. Diese tapferen Beschützer werden sich nur dann wirklich transformieren, wenn ihnen versichert wird, dass diejenigen, die sie beschützen, sicher sind – sicher von innen wie von außen.

Bei der Geburt hat die Selbstenergie, obwohl sie inhärent präsent ist, noch nicht die körperlichen, neurologischen oder erfahrungsmäßigen Fähigkeiten entwickelt, um Verletzungen zu vermeiden oder zu heilen. In manchen Fällen wurde die Selbstenergie zum eigenen Schutz aus dem System gedrückt, ähnlich einem Herrscher, der ins Exil gedrängt wird, bis die Ordnung wiederhergestellt ist. Aber dieser Wesenskern, das Selbst, hat nun die Klarheit, den Mut, die Weisheit und das Selbstvertrauen, und die Beschützer sehnen sich tatsächlich danach, ihre belastenden Rollen aufzugeben. Es ist normal für Klienten, sich zunächst auf die Selbstenergie des Therapeuten zu verlassen, bis ihre Teile mehr Vertrauen haben. Die Selbstenergie fühlend – jene des Therapeuten und/oder des Klienten –, teilen die Beschützer mit, warum sie taten, was sie taten, und sogar, was sie lieber täten, wenn es nur möglich wäre.

Während die Beschützer ihre Seite der Geschichte erzählen, werden die verletzlichen Teile, die sie beschützt hatten, enthüllt. Diese jungen Teile halten überall auf verzweifelte und tragische Weise Ausschau nach Bestätigung und Erlösung, außer bei der einzigen wirklich verlässlichen Quelle – dem Selbst. Wie kleine Kinder, die mit ans Fenster gepressten Nasen nach Rettung Ausschau halten, müssen sie sich einfach nur umdrehen, um zu erkennen, dass die Rettung mit ihnen im Raum ist. Sie können von dort zurückgeholt werden, wo und wann sie eingefroren oder eingesperrt worden sind. Sie finden Sicherheit und Heilung in ihrer Beziehung zum Selbst. Wenn ihre unterdrückte Geschichte gehört wird, sind sie bereit, ihre Lasten – die Gefühle, Wahrnehmungen, Gedanken und Verhaltensweisen – loszulassen, die sie durch ihre Verletzungen auf sich geladen haben. Sie finden häufig einen kreativen Weg, ihre Lasten loszulassen: sie ins Licht zu schicken, tief in der Erde zu vergraben, über eine Klippe zu schleudern oder sie in einem heiligen Becken aufzulösen. Die Last ist gegangen, während der Teil zurückbleibt, wobei seine inhärente Rolle im System wiederhergestellt ist.

Wenn auch nur ein Teil fähig ist, dem Selbst ausreichend zu vertrauen, um die einschränkenden Glaubensmuster loszulassen, die ihn in seine Rolle drängten, dann sind auch andere Teile im inneren System fähig, sich zu verändern. Die Ausstattung unseres inneren Raums kann sich neu ordnen – komfortabler und harmonischer. Teile, die den Teil vor weiteren Schäden zu bewahren suchten, und Teile, die versuchten, einen Schein von Balance im System zu wahren, erkennen, dass sie endlich ihre jahrzehntelangen Bemühungen einstellen können. Sie erinnern sich an ihre bevorzugten Rollen oder entdecken diese wieder. Manchmal erschaffen sie sie auch. Manager, die in die Elternrolle gedrängt worden waren, sind fähig, sich auszuruhen, in dem sicheren Wissen, dass das Selbst die Führung innehat. Dissoziierende oder impulsive, reaktive Feuerbekämpfer können spielerisch und kreativ werden. Ich erhaschte einen Blick auf den Weg, es allen Teilen zu ermöglichen, sich mit dem Selbst und untereinander in harmonischen und gemeinschaftlichen Beziehungen zu verbinden.

Ich lernte die Kraft dieses Modells persönlich kennen, als ich die Geschichte meiner suizidgefährdeten Klientin in der Supervisionsgruppe teilte. Ich hatte erwartet, dass Dick mir zeigen würde, wie sein Modell in dieser Situation anzuwenden sei. Stattdessen forderte er mich auf, in mein Inneres zu schauen und ihm zuzuhören, um zu sehen, was in mir hochkam. Ich spürte in meinen Körper, meine inneren Bilder, Gedanken und Gefühle hinein und fand einen Beschützer, der mich dafür kritisierte, bei meiner Klientin versagt zu haben. Und einen anderen, der nach einer Möglichkeit suchte sicherzustellen, dass meine Klientin nicht nochmals versuchen würde, ihr Leben zu beenden. Meine verletzlichen Teile hielten Angst und Ohnmacht. Dick leitete mich an, diesen Teilen respektvoll und wertschätzend zuzuhören. Ich erkannte, dass diese Teile jung waren – zu jung, um meinen Therapeutinnenplatz zu übernehmen und zu versuchen, dieser jungen Frau zu helfen. Sie waren mehr als glücklich, mir zu erlauben, meinen Sitz wieder einzunehmen.

Als ich das nächste Mal meine Klientin sah, war ich fähig, tiefgehend und ruhig den Teilen von ihr zuzuhören, die ihr Leben beenden wollten. Ich hatte gewusst, dass sie ihre alkoholkranke Mutter bis zu deren Tod betreut hatte. Ab dem Alter von acht Jahren wurde sie von ihrer älteren Schwester und deren Ehemann aufgezogen. Letzterer erschlich ihr Vertrauen und zwang sie, seine »Geliebte« zu sein. Als sie ihrer Familie von diesem Missbrauch erzählte, wandten sie sich gegen sie, gaben ihr die Schuld und mieden sie. Ihr suizidaler Teil sah den Tod als die einzige Möglichkeit an, ihr Leiden zu beenden. Als ich ihrem suizidalen Teil Mitgefühl entgegenbrachte, statt zu versuchen, ihn zu managen, öffnete sich der Teil dafür, zu überlegen, ob es andere Wege geben könnte, ihr Leiden zu verringern. Das schaffte Raum, um den Teilen Gehör zu verschaffen, die nicht sterben wollten, wie auch denjenigen, die zahlreiche Lasten aufgrund des sexuellen Missbrauchs hielten.

Ich integrierte IFS direkt in meine therapeutische Arbeit. Das Modell ergab intuitiv wie auch intellektuell Sinn für mich. Viele meiner Klienten erforschten achtsam ihre innere Welt. Einige von ihnen nutzten bereits das Wort »Teil«, da dies im Sprachgebrauch relativ geläufig ist. Ein Klient sagte mit Erleichterung: »Ich bin nicht das wütende, böse Monster, das ich zu sein glaubte. Ich habe nur einen Teil, der wütend ist.« Er sagte, es sei, als ob der Teil einen wütenden Virus in ihm eingebettet hätte, wie einen Computervirus. Die schwierigen Erlebnisse in seinem Leben hatten die Unschuld seines jungen Teils zerstört, und dieser Virus war wie Schadenssoftware, die sein Verhalten änderte. Er war erleichtert zu hören, dass wir diesen Virus entfernen und sein inneres Betriebssystem wiederherstellen konnten.

IFS stellte mir auch ein anderes Mittel für meine eigene Heilung zur Verfügung und half mir, eine mitfühlendere Therapeutin zu werden. Im Angesicht eines Klienten, der in der Agonie extremen Verhaltens und extremer Gefühle steckte, konnte ich mich daran erinnern, dass die ­Selbstenergie einfach wie die Sonne an einem wolkigen Tag verdeckt war, wenn sie nicht offensichtlich war. Und meine distanzierenden Teile, meine überempathischen Teile und rettenden und sorgenden Teile entspannten sich. Ich verschob meine Verantwortung: Anstatt die Quelle der Heilung meiner Klienten zu sein, bemühte ich mich, in der Selbst­energie zu bleiben, sodass meine Klienten ihre eigene freilegen konnten. Ich wurde immer sicherer im IFS-Modell, selbst als ich begann, meine Erfahrungen aus der Körpertherapie und Hakomi miteinzubeziehen. Diese Methoden zu integrieren, half mir, meine Klienten mit Fürsorge durch ihre profunden persönlichen Reisen zu leiten, indem ich mit meinen eigenen Teilen – und denen des Klienten – arbeitete, um eine Umgebung zu schaffen, in der die Führung des Selbst willkommen war.

Kurz nachdem sein erstes Buch Systemische Therapiemit der inneren Familie[4] erschienen war, ermutigte mich Dick, an der Ausbildung teilzunehmen, die bald in Chicago beginnen sollte. Ich war noch nicht entschieden, als ich diesen Traum hatte: Ich saß an einem langen Tisch mit einigen Hakomi-Kollegen an einem Ende und Dick am anderen. Ich näherte mich ihm, mich daran erinnernd, dass ich ihn zu der IFS-Ausbildung in Chicago fragen wollte. Er antwortete mir, dass es zwei Ausbildungsgruppen gebe – die eine mit etwa 30 Menschen sei bereits ausgebucht. In der anderen Gruppe seien bislang vier, und er wollte mich in dieser kleineren dabeihaben. Als das feststand, begann Musik zu spielen, und Dick und ich fingen an zu tanzen. Ich führte. Er schenkte mir ein großes Lächeln und sagte mir: »Ich mag es, nicht die ganze Zeit über führen zu müssen.« Als ich Dick diesen Traum erzählte, sagte er mir, dass er verstehe, was die Vierergruppe bedeute. Sein Plan für die Ausbildung sei, die ganze Gruppe die ganze Zeit über anzuleiten, bis auf die letzten zwei Stunden des Tages. Dann sollten vier Assistenten kleinere Gruppen führen, das Modell demonstrieren und erfahrungsorientierte Übungen und Diskussionen anleiten. »Das kann ich machen!«, antwortete ich. »Okay, du bist dabei«, sagte er. Wir lachten zusammen, als er auch zugab, dass er es mochte, beim Tanzen mit seiner Frau nicht immer die Führung übernehmen zu müssen.

Schon bald begann ich zu verstehen, wie prophetisch das Ende des Traums gewesen war. Das Modell erwies sich als äußert erfolgreich! Aus allen Gegenden der USA erkundigten sich Therapeuten nach IFS-Ausbildungen. Es wurde bald klar, dass Dick nicht alle Menschen ausbilden konnte, die IFS lernen wollten. Ich fing an, all seine Vorträge zu dokumentieren, zusammen mit den erfahrungsorientierten Komponenten, die ich und andere Assistentinnen entwickelt hatten, um die didaktischen Elemente zu ergänzen. Ich erkannte, dass einige von uns bald eine Rolle in der Ausbildungsleitung übernehmen müssten. Durch diesen Traum und meine Bereitschaft, die Führung im Tanz zu übernehmen, entwickelte ich einen Lehrplan, der teilweise auf dem basierte, was ich aufgenommen hatte. In das erste IFS-Ausbildungshandbuch webte ich einen mehr auf Erfahrung und den Körper basierenden Ansatz in den Lehrplan ein.

Dieser stärker körperzentrierte Ansatz begann aus der Verbannung aufzusteigen und zurück in meine Arbeit mit Klienten zu fließen. Das Geflüster von der potenziellen Kraft, den Körper stärker in jeden Schritt des Modells einzubeziehen, lauerte an den Rändern meiner Imagination. Wie etwas, was in der Dunkelheit darauf wartet, geboren zu werden, wollte der somatische Ansatz, dass ich ihm Leben einatmete und ihn mehr in Richtung des Lichts drückte. Ich verband das, was meine Klienten sagten, mit dem, wie sie es sagten. Ich begann, bei den Empfindungen zu verweilen, die sie erlebten. Die Empfindungen waren der Kern. Die Worte, Bilder und Gefühle entsprangen den Empfindungen. Bei den körperlichen Empfindungen zu bleiben und ihnen dorthin zu folgen, wohin sie uns führten, enthüllte die Geschichten hinter oder neben den verbalen Worten – die Körpergeschichten. Wir begannen, sie mit den verbalen Geschichten zu inkorporieren. Ich erkannte für mich, dass Psychotherapie Physiologie ist. Mich mit meinen Klienten im Prozess der Psychotherapie auseinanderzusetzen bedeutet, in einen somatischen Zustand der Bezogenheit einzutreten, der nicht weniger körperlich ist als zu atmen, geboren zu werden oder zu sterben. Ich konnte nicht ausschließlich mit meinen Ohren zuhören. Ich hörte mit meinen Augen zu und verfolgte die Gesten meiner Klienten, ihre Haltung, ihre Gesichtsausdrücke und ihre Bewegung. Ich hörte mit meinem Körper zu – und auf meinen Körper – und nahm Spannungen, fließende Energie, Prickeln, Zittern, Wärme, Schwere und Wechsel in der Atmung wahr. Ich hörte mit meinen Händen Klienten zu, die offen für körperlichen Kontakt waren. Informationen über die inneren Welten meiner Klienten strömten über meine Augen, meinen Körper und meine Hände in mich ein.

Dick war für einen stärker körperzentrierten Therapieansatz offen. Obwohl er zugab, dass sein Körpergewahrsein hauptsächlich auf seiner Erfahrung auf dem Football- oder Basketballfeld beruhte, erkannte er den Wert an, den Körper in die Arbeit mit der inneren Familie zu integrieren. IFS schließt den Körper in einigen Schritten des Prozesses ein. Wenn ein Klient beispielsweise einen Teil identifiziert, unabhängig davon, ob er als Gedanke, Gefühl oder Bild erscheint, fragen wir den Klienten, wo er ihn in seinem Körper fühlt. Wir können auch das belastete Gefühl oder die Überzeugung im Körper lokalisieren. Das IFS-Modell, so wie wir es in den USA und international unterrichtet haben, ist also nicht unvollständig oder weniger effektiv ohne einen größeren Einbezug des Körpers. Es hat seinen Status als evidenzbasiertes Modell verdient. Mir wurde die Ehre zuteil, das Modell zu lehren und über die Jahre zu seiner Evolution beizutragen. Es ist, als ob das IFS-Modell von meinem Knochenmark absorbiert worden wäre und sich in all meinen Körperflüssigkeiten aufgelöst hat.

Meine IFS-Schüler spürten, dass bei meiner IFS-Methode etwas anders war, wenn sie mich bei meiner Arbeit beobachteten. Sie beschrieben sie als »weiblicheren« Ansatz – mit Betonung auf der rechten Gehirnhemisphäre, zwar immer noch strukturiert, aber nicht so linear, in mancher Hinsicht relationaler und intuitiver. Viele von ihnen fühlten eine Übereinstimmung mit diesem Ansatz und fragten nach einer Ausbildung. Viele Klienten, Schüler und Therapeuten waren daran interessiert, den Körper stärker in die IFS-Therapie einzubeziehen. Körperliche Übungswege wie beispielsweise Yoga, Tanz und Körperarbeit spielten im Leben einiger eine große Rolle. Andere verarbeiteten hauptsächlich kinästhetisch. Viele waren in körperzentrierten Ansätzen wie Somatic Experiencing, Hakomi oder Sensomotorische Psychotherapie ausgebildet. Sie wandten sich der Somatischen IFS-Therapie zu, um sie mit diesen wertvollen Ansätzen zusammenzubringen, oder vielleicht wollten sie nur ein Grundlagenverständnis von IFS, um es in ihre Methoden integrieren zu können. Andere spürten, dass sie Teile besaßen, die ihre Körperlichkeit aufgrund von Trauma oder kulturellen und religiösen Einflüssen verbannt hatten. Sie sagten, dass sie »zu viel in ihren Köpfen« seien und suchten nach Hilfe, um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Diese Menschen waren mit der Bitte an mich herangetreten, die Vorzüge zu erforschen, wenn der Körper stärker in das IFS-Modell einbezogen würde.

Meine Erfahrung hat mich davon überzeugt, dass jedes therapeutische Problem davon profitieren kann, wenn wir die somatischen Aspekte unseres inneren Systems miteinbeziehen. Die körperbasierten Interventionen helfen uns an Stellen, an denen wir nicht weiterkommen. Die Somatische IFS-Therapie betont, dass das Selbst verkörpert werden muss, um ganz zum Ausdruck zu kommen. Sie bietet hierfür einen Weg an. Wenn Individuen ihr verkörpertes Selbst befreien, schlägt die Transformation Wellen nach außen und wirkt sich auf die verschiedenen Institutionen unserer Kultur aus, die von der vierhundertjährigen Trennung von Körper und Geist geprägt sind. Vielleicht kann die Transformation sogar auch gegen die gesellschaftlichen Kräfte wirken, die unsere ­Fähigkeit zur Verkörperung eingeschränkt haben, wie etwa religiöse Institutionen, die den Körper entwerten und sogar dämonisieren, Schulen, die von kleinen Kindern verlangen, stundenlang still zu sitzen und in Reihen zu laufen, und unsere konsumorientierte, mediengesteuerte Kultur, die uns von unserem Körpergewahrsein ablenkt. Somatisches IFS verbindet sich mit anderen Körper-Geist-Ansätzen als Heilmittel gegen diese kulturellen Einflüsse.

Von Dick Schwartz’ inspiriert, der IFS entwickelte, indem er seinen Klienten zuhörte, entwickelte sich die Somatische IFS-Therapie, indem ich meinem Körper und den Körpern meiner Klienten zuhörte, während wir unser inneres System erforschten.[5] Diese Entwicklung wurde auch von der Arbeit vieler Pioniere im Feld der körperzentrierten Psychotherapie genährt wie auch von somatischen Praktiken, die mir halfen, die verkörperte Selbstenergie zum Vorschein zu bringen und zu erhalten. Statt ein separates Modell zu erschaffen, ist das, was aus meinen Studien und meiner Erfahrung hervorging, ein Zweig dieses robusten und wachsenden Baums oder, wie andere vorgeschlagen haben, ein Hybridbaum, der im selben Feld wächst. Ich nenne diesen Zweig (oder diesen Baum) »Somatisches IFS«. Sie wurzelt in denselben Annahmen der Vielfältigkeit, im Rückgriff auf die transformative Energie des Selbst.

Indem ich diese Synthese verschiedener Methoden, Modelle und Ansätze lehrte, fokussierte ich mich auf fünf zentrale, ineinandergreifende Praktiken, die – integriert in das IFS-Modell – zu einem Zustand des verkörperten Selbst führen. Jede dieser Praktiken wird ausführlich in diesem Buch beschrieben und erforscht. Die grundlegende Praxis ist Körpergewahrsein. Das Gewahrsein des Körpers führt auf natürliche Weise zur Praxis der Bewussten Atmung. Der Atem ist die Brücke zum relationalen Bereich durch die Praxis der Radikalen Resonanz. Durch die Praxis der Achtsamen Bewegung bringen wir Gewahrsein in spontane Bewegungen und initiieren bestimmte Bewegungen, um jeden Schritt des Modells zu erleichtern. All diese Übungen unterstützen die Einfühlsame Berührung, die eine sichere und häufig vernachlässigte Kommunikationsbahn zwischen Teilen und dem Selbst zur Verfügung stellt.

Die Struktur dieses Buchs könnte mit der Organisation des Körpers verglichen werden. Wenn das IFS-Modell das Skelett der Somatischen IFS-Therapie ist, das das Gerüst für die Praktiken bereitstellt, könnten die fünf Praktiken als getrennte, aber in Wechselbeziehung stehende Systeme des Körpers, die an den Knochen angebracht sind, gesehen werden. So wie Fleisch, Eingeweide, Nervensystem und Blutkreislauf als getrennte Körpersysteme betrachtet, jedoch als in Wechselbeziehung stehende und voneinander abhängige Aspekte des Körpers verstanden werden, funktioniert jede der fünf Praktiken des Somatischen IFS in ähnlicher Weise.

Das erste Kapitel bietet eine Übersicht und illustriert, wie ein somatischer Ansatz in jeden Schritt des IFS-Modells integriert werden kann. Die folgenden Kapitel erforschen die einzelnen Praktiken der Somatischen IFS-Therapie. Jede der Praktiken eingehend zu beleuchten ermöglicht den Lesenden ein wachsendes Verständnis darüber, wie die somatischen Praktiken in die klinische und berufliche Tätigkeit einbezogen werden können. Übungen und Fallgeschichten sind durchgehend in die theoretischen Aspekte jeder Praxis eingewoben, um erfahrungsorientierte und klinische Anwendungen zu bieten. Bestimmte Körpersysteme sind mit jeder Praxis verbunden, um dabei zu helfen, das konzeptuelle Material zu verkörpern und die systemische Natur des Körpergeists wertzuschätzen. Während die Somatische IFS-Therapie von der jüngeren wissenschaftlichen Forschung profitiert, bezieht sie sich auch auf viele religiöse und Heiltraditionen. Jede Praxis ist mit einem klassischen Element verbunden. Erde, Luft, Wasser und Feuer in die Erforschung jeder Praxis einzubeziehen, verbindet Somatisches IFS mit diesen Traditionen und verknüpft den menschlichen Organismus – Geist, Körper und Seele – mit dem kosmischen Körper, der aus diesen Elementen besteht.

Da die Somatische IFS-Therapie den Körper einlädt, aus seinem verbannten Zustand als corpus zu einer lebenden, atmenden, transformativen Entität zu werden, arbeiten wir mit dem Körper so vorsichtig wie mit jedem Verbannten. Wir prüfen, ob die äußere Realität wirklich sicher genug ist, um eine Rückkehr zur Verkörperung zu erlauben. Während wir mit unseren eigenen Teilen als auch denen des Klienten arbeiten, bereiten wir eine Umgebung vor, in der die somatischen Aspekte unserer inneren Systeme willkommen geheißen werden können. Ich hoffe, dass meine lebenslange Erforschung von Übungen für Geist und Körper, die in diesem Buch kulminiert, eine Einladung und Anleitung für andere sein kann, die einen ähnlichen Weg der Heilung beschreiten. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass diese somatischen Praktiken die Arbeit mit allen möglichen therapeutischen Themen erleichtern, darunter chronische Krankheiten, Suchterkrankungen, Trauma, in der Kindheit erlittene Bindungstraumata sowie sexuelle und Beziehungsprobleme. Meine Klienten haben ihre Körper und die Beziehung sowohl zum Körper als auch zu anderen transformiert. Die Somatische IFS-Therapie ist dem IFS-Modell wie auch den Pionieren auf dem Feld der körperzentrierten Psychotherapie großen Dank schuldig.

Mir ist die Ironie bewusst, dass ich mich darum bemühe, die rechten Worte zu finden, um das auszudrücken, was häufig ohne Worte ist, und was durch den Versuch, es zu verbalisieren, zu erklären oder zu beschreiben, wieder davoneilen kann, um sich in dunklen Ecken zu verstecken. Ich habe gelernt, dass ich diese Somatischen IFS-Praktiken anwenden muss, wenn ich stundenlang an meinem Rechner sitze, tippe und auf den Monitor starre. Als sich mein Rücken mit Nachdruck zu beschweren begann, wandte ich mich Thomas Hannas Buch Beweglich sein – ein Leben lang zu. Die Übungen halfen mir, die Gesundheit meines Körpers und seine Leichtigkeit wiederherzustellen. Ich lege mich regelmäßig auf den Boden und wende mich nach innen, um zu erfahren, worüber ich schreibe – und darüber zu schreiben, was ich erfahre. Ich lade Sie ein, die Ideen und Praktiken, die in diesem Buch vorgestellt werden, auszuprobieren, um zu entdecken, wie sie für Sie und Ihre Klienten funktionieren.

Dieses Buch ist eine Anleitung für alle, die an der Schnittstelle von Körper und Geist arbeiten und in einer gesunden und heilsamen Beziehung mit anderen sein möchten. Ich hoffe, dass die Ideen und Praxispotenziale, die in dieses Buch eingebettet sind, zu den profunden Veränderungen führen werden, die auf jeder Stufe des Systems benötigt werden. Das folgende Kapitel bietet eine eingehende Einführung in die Somatische IFS-Therapie.

1 Ken Dychtwald: Bodymind, New York 1986: Tarcher Putnam.

2 Thomas Hanna: Beweglich sein – ein Leben lang. Die heilsame Wirkung körperlicher Bewusstheit, München 2016: Kösel.

3 Richard C. Schwartz, Martha Sweezy: Systemische Therapie mit der inneren Familie. Vollständig überarbeitete Neuausgabe, Stuttgart 2021: Klett-Cotta.

4 Richard C. Schwartz: Systemische Therapie mit der inneren Familie, München 1997: J. Pfeiffer.

5 Susan McConnell: Embodying the Internal Family, in: Internal Family Systems Therapy. New Dimensions, hrsg. von Martha Sweezy und Ellen L. Ziskind, New York 2013: Routledge, S. 90–106.

Kapitel1

Einführung in die Somatische IFS-Therapie und die Praktiken, die zum verkörperten Selbst führen

Im frühen 20. Jahrhundert erstaunte ein besonderes Pferd namens ­Kluger Hans die Öffentlichkeit mit seiner Intelligenz. Es konnte alle möglichen mathematischen Berechnungen durchführen, die Uhrzeit benennen, lesen, buchstabieren und Deutsch verstehen. Es antwortete korrekt auf Fragen, indem es mit seinem Huf klopfte. Eine spezielle Hans-Kommission wurde ins Leben gerufen, um dieses Phänomen zu erforschen. Die Wissenschaftlerinnen erkannten schließlich, dass Hans auf die unbewusst übertragenen nonverbalen Zeichen des Fragenden – seine Bewegungen, Spannungen und Gesichtsausdruck – antwortete. Der Kluge Hans war mathematisch nicht so begabt, wie man angenommen hatte, aber seine ungewöhnliche Empfindlichkeit half Forscherinnen, die kognitive Verzerrung zu verstehen, die bei Nichtdoppelblindtests aufgrund unbewusster Hinweise besteht.

Was ermöglichte diesem bestimmten Pferd, fähig zu sein, die nonverbalen Hinweise seines Besitzers wahrzunehmen? Hatte es eine besonders resonante Beziehung zu seinem Besitzer, die sein sensorisches Gewahrsein des Gesichtsausdruck, der Körperspannungen, subtilen Veränderungen in der Atmung oder Bewegung von letzterem schärfte? Spielte der Tastsinn eine Rolle? Übertrug der Besitzer die korrekte Antwort, ohne es zu wissen, durch eine subtile Veränderung der Weise, wie er das Zaumzeug hielt? Seitdem dieses Pferd in der Öffentlichkeit Bewunderung hervorrief, hat es Tiere anderer Spezies gegeben, die aus irgendeinem Grund eine außergewöhnliche Fähigkeit zeigten, mit Menschen zu kommunizieren. Ihre Geschichten erinnern uns an die uns angeborene Fähigkeit, die wir mit anderen Tieren teilen: große Mengen an Information zu empfangen, die nonverbal und großteils unbewusst übertragen werden. Das Leben unserer Jäger-Sammler-Vorfahren hing von dieser Fähigkeit ab, und sie nutzten sie ausschließlich, bevor die gesprochene Sprache sich entwickelte. Heute verlassen wir uns viel stärker darauf, was gesagt wird, statt wie es gesagt wird.

Die fünf Praktiken der Somatischen IFS-Therapie

Somatische IFS-Therapeutinnen verfeinern ihre Sensibilität und stärken ihren »Pferdesinn« durch somatische Praktiken, alles im Dienst der Heilung ihrer Klientinnen. Eine tiefe, aufrichtige Verbindung zu ihren Klientinnen aufbauend, hören sie ihnen zu, wie sie sagen, was sie sagen. Sie beachten kleine Veränderungen der Stimmqualität, des Gesichtsausdrucks und des Muskeltonus. Sie sind sich ihrer Atmung bewusst wie auch ihrer unwillkürlichen Bewegungen. Wenn Berührung ein Aspekt der Beziehung ist, dann hören sie auch auf die Information, die durch sie übertragen wird – selbst bei einem Handschlag oder einer Umarmung.

Die Somatische IFS-Therapeutin entwickelt die Praktiken Körpergewahrsein, Bewusste Atmung, Radikale Resonanz, Achtsame Bewegung und Einfühlsame Berührung – und bezieht diese Praktiken in jeden Schritt des IFS-Modells ein. In den folgenden Kapiteln wird jede dieser Praktiken detailliert vorgestellt, mit Beispielen, wie sie in IFS integriert werden können. Die Praktiken sind zu einem gewissen Grad sequenziell: Wie vollständig man eine Praxis erfährt, hängt davon ab, ob man die vorige durchgeführt hat. Sie sind auch wechselseitig abhängig. Beispielsweise hängt Bewusste Atmung von Somatischem Gewahrsein ab, da man sich ohne Gewahrsein nicht über seine Atmung bewusst sein kann. Bewusste Atmung stützt sich auf Gewahrsein und kann auch die Fertigkeit in der Praxis des Körpergewahrseins verbessern. Resonanz ist von Gewahrsein abhängig, wird durch Atmung erleichtert und kann Bewegungen spiegeln oder Berührung nutzen, um Resonanz zu steigern. In diesem Buch werden wir erkunden, wie jede Praxis und alle zusammen zu einer Erfahrung von verkörperter Selbstenergie führen und wie alle zur Ausübung ein bestimmtes Maß an verkörperter Selbstenergie benötigen.

Obwohl die Worte unserer Klientinnen wichtig sind, haben auch ihre Haltungen, Bewegungen und Stimmfarben eine Auswirkung auf uns – und unsere wirken sich auf sie aus. Wir beeinflussen uns gegenseitig über unsere Körpersprache auf vielfältige und größtenteils unbewusste Art und Weise. Indem wir auf die Sprache des Körpers achten, verstärken wir unser Gewahrsein der Kommunikation im Therapieraum, die zu 70 Prozent nonverbal stattfindet. Einfach gesagt, entwickeln und schulen diese fünf Praktiken der Somatischen IFS-Therapie, die den Inhalt dieses Buches darstellen, unsere Aufmerksamkeit und unsere Wahrnehmungsgewohnheiten, und helfen uns, als Therapeutinnen so herausragend zu werden, wie der Kluge Hans es als Pferd war.

Die Somatische IFS-Therapie entstand unter anderem auch deshalb, weil viele Therapeutinnen und Praktizierende einen Weg suchten, die Spaltung zwischen Körper und Geist im Feld der Psychotherapie zu überwinden. Während der Körper in der IFS-Ausbildung zu einem gewissen Grad einbezogen wird, ist es die Absicht der Somatischen IFS-Therapie, den Körper und die somatischen Praktiken in jeden Schritt des therapeutischen Prozesses einzubeziehen, um mit jedem klinischen Problem zu arbeiten. Wir inkorporieren nicht nur somatische Praktiken in jeden Schritt, sondern wir vertiefen und erweitern unser Gewahrsein, wie der Körper bei jedem Schritt teilnimmt. Das kraftvolle und ermächtigende IFS-Modell wird dreidimensionaler – ein kognitiver, emotionaler, spiritueller und körperlicher Prozess, der lebt und atmet. Wie Dick Schwartz mich in seiner vollständig überarbeiteten Neuauflage von Systemische Therapie mit der inneren Familie zitiert hat:

»Wie Teile über den Zeitraum eines Lebens Lasten aufnehmen, werden das Körpergewahrsein, Atemmuster, die Fähigkeit, mit anderen in Resonanz zu gehen, sich mit Leichtigkeit, Schönheit und Freiheit zu bewegen und Berührungen zu geben und zu erhalten, beeinträchtigt, (aber) psychische als auch physische Verletzungen, die im Körper auftreten … können im Körper geheilt werden.«[6]

Die Somatische IFS-Therapie inkorporiert die fünf Praktiken, um im Körper die Lasten der Teile zu heilen, wobei sie das IFS-Modell nutzt. Beim Unterrichten von IFS haben wir festgestellt, dass es hilfreich ist, den Therapieprozess in sequenziellen Schritten zu beschreiben. Als Beispiel folgt eine Sitzung mit meinem Klienten Tim, an der wir sehen können, wie die Somatische IFS-Therapie sich in jeden Schritt des IFS-Modells einfügt.

Die Schritte der Somatischen IFS-Therapie

Die Therapeutin schätzt die externe Situation der Klientin ein

Der erste Schritt besteht für die Therapeutin darin, einzuschätzen, ob die externe Situation der Klientin es ihnen ermöglicht, in einen Prozess der inneren Arbeit einzutreten. Die Sicherheit der Klientinnen hängt häufig von den grundlegenden physischen Bedürfnissen des Körpers ab. Verfügen sie über Nahrung, ein Zuhause und eine angemessene medizinische Versorgung? Sind sie sicher vor körperlichem Schaden? Verfügt die Klientin über adäquate soziale Ressourcen, um die innere Arbeit zu unterstützen? Wenn nicht, kümmert sich die Therapeutin zunächst um diese grundlegenden Bedürfnisse und stabilisiert die äußerliche physische Umgebung der Klientin.

Tim betritt das Büro für seine erste Sitzung. Der Kragen seiner Sportjacke ist bis zu seinen Ohren hochgezogen. Er lässt sich in den Stuhl mir gegenüber fallen, schaut auf seine Hände und reibt seine Finger aneinander. Ich erinnere mich daran, dass er mir am Telefon sagte, er habe kürzlich seine erfolgreiche Karriere in der Geschäftswelt an den Nagel gehängt und gehe nun Gelegenheitsjobs nach, um seine Abfindung aufzupolstern, während er über seine nächsten Schritte nachdenke. Es scheint also, als gäbe es keine offensichtlichen äußerlichen Einschränkungen, die unsere gemeinsame Arbeit betreffen. Tim scheint sich unsicher zu fühlen, aber ich nehme an, dass dies mehr damit zu tun hat, was in seinem Inneren vor sich geht.

Die Therapeutin verkörpert Selbstenergie

In der Therapeutenrolle zu sein kann unsere verletzlichen Teile hochkommen lassen. Obwohl die Therapeutin in der therapeutischen Beziehung über mehr Macht verfügt und die Klientin in einer verletzlicheren Position ist, können wir Therapeutinnen angstvolle Teile haben, insbesondere bei einem neuen oder herausfordernden Klienten. Wir finden die Ängste in unserem Körper. Anstatt zu versuchen, uns zu entspannen, wobei eine zusätzliche Schicht an Teilen auf den angespannten Teil aufgebracht wird, beginnen wir damit, die Spannung zur Kenntnis zu nehmen. Dann bringen wir dem angstvollen Teil einen kurzen Moment Mitgefühl und Beruhigung entgegen. Die Spannung lässt genug nach, sodass wir einen Ort in unserem Körper finden können, von dem aus wir arbeiten können – unsere Wirbelsäule, unser Herz oder jeder andere Ort, der sich offen genug anfühlt, um sich mit der Klientin uns gegenüber zu verbinden.

Ich nehme die Empfindung des Gewichts meiner Schuhe auf dem Boden wahr. Ich atme ein und aus, während ich meine Wirbelsäule strecke und Tim anschaue. Ich fühle eine kleine Erschütterung im oberen Teil meiner Brust. Mein Herz schlägt schneller als gewöhnlich. Ich atme noch einige weitere Male ein und aus, um den leeren Raum in meiner Brust zu füllen. Ich bringe meine Energie wieder zurück in meinen Bauch. Ich beginne, mich ein wenig entspannter und zentrierter zu fühlen. Während dieser wenigen Sekunden habe ich wahrgenommen, wie Tims Augen im Raum umherschweifen. Darauf bin ich neugierig, wie ich auch interessiert bin, mehr darüber zu erfahren, wie es ihm geht.

Die Therapeutin kümmert sich um die Sicherheit der Klientin im Therapieraum

Wenn die Therapeutin erst einmal weiß, dass die Klientin in ihrer Umgebung zu Hause körperlich sicher ist, kümmert sie sich um die Sicherheit der Klientin im Therapieraum. Wie wird der physische Raum von ihr wahrgenommen? Die Therapeutin geht, so gut sie kann, auf ihre Bedürfnisse hinsichtlich Möblierung, Lufttemperatur, Lichtverhältnisse und möglicher Objekte, die das Gefühl stören können, sicher im physischen Raum gehalten zu werden, ein.

Ich fordere Tim auf zu überprüfen, wie sich die Distanz zwischen uns für ihn anfühlt. Er rückt seinen Stuhl weiter und weiter weg, bis er in der entferntesten Ecke des Raums ist. Viele meiner Klienten bewegen ihren Stuhl einige Zentimeter in die eine oder andere Richtung, aber Tim ist der Erste, der sich entscheidet, so weit entfernt zu sitzen. Ich bin erstaunt und neugierig. Ich frage mich, ob ich alarmiert sein sollte. Doch dann gibt Tim einen großen Seufzer von sich.

Tim: Weißt du, niemand hat mich je danach gefragt und war darüber besorgt, ob ich mich sicher fühle.

Ich fühle, wie sich mein ganzer Körper entspannt. Ich lächle Tim an.

Die Therapeutin schließt einen Vertrag mit der Klientin ab

Die Therapeutin und die Klientin verständigen sich darüber, wie sie zusammenarbeiten und was sie bearbeiten. Die Somatische IFS-Therapeutin hört der verbalen wie auch nonverbalen Kommunikation zu. Sie achtet bei diesem Vertrag auf Unstimmigkeiten zwischen dem, was die Klientin sagt und wie sie es sagt. Es kann sein, dass der Vertrag im Lauf der Zeit angepasst werden muss. Wenn ich IFS-Therapeutinnen Supervision gebe, ist dieser Schritt häufig die Wurzel der Schwierigkeiten.

Tim erzählt mir, dass er seinen Alkoholkonsum einschränken möchte. Er hatte aufgrund von Stress bei seiner Arbeit getrunken, doch jetzt, nachdem er mehrere Wochen nicht gearbeitet hat, stellt er fest, dass er sogar noch mehr trinkt. Nach diesen Worten schaut er weg und verstummt.

SM: Wir können auf jeden Fall an deinem Trinkverhalten arbeiten, doch zunächst möchte ich wissen, ob du irgendwelche Hemmungen oder Bedenken hast, das Trinken einzuschränken.

Tim: Nun ja, ich habe das schon einmal probiert, sowohl es einzuschränken als auch damit aufzuhören, aber es funktionierte nicht so gut. Ich habe Angst davor, es noch einmal zu versuchen. Ich werde vermutlich wieder scheitern.

SM: Ich möchte als Erstes mit diesem Teil arbeiten, um den Weg frei zu machen, mit dem Trinken zu arbeiten. Wie klingt das?

Tim schaut mir einen Moment lang in die Augen und nickt anschließend. Ich nehme wahr, dass er mir nicht widersprach, als ich das Wort »Teil« benutzte.

Die Therapeutin arbeitet anhand der »sechs Fs« mit den Beschützerteilen

Wenn wir das IFS-Modell unterrichten, bieten wir sechs Schritte an, um mit Beschützerteilen zu arbeiten. Diese sollen dem Selbst vertrauen, um mit den verletzlichen Verbannten zu arbeiten. In jedem Schritt helfen uns als Erinnerungsstütze Wörter, die den Buchstaben F enthalten. Die ersten drei Schritte umfassen die Unterstützung, damit die Klientin erkennt, dass die Gefühle und Überzeugungen des Teils getrennt sind von ihrem Selbst: den Teil finden, sich auf ihn fokussieren und ihn füllen. Die letzten drei Schritte helfen, eine Beziehung vom verkörperten Selbst zum Teil aufzubauen: den Klienten fragen, wie er dem Teil gegenüber fühlt, sich mit dem Teil anfreunden und die Bef