Die Stapostelle Erfurt - Franca Schneider - E-Book

Die Stapostelle Erfurt E-Book

Franca Schneider

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Beschreibung

Das Buch beschäftigt sich mit der Geschichte der Gestapo von Thüringen, die ihren Hauptsitz in Erfurt von 1933 bis 1945 hatte. Es wird der Aufbau, die Arbeit in den Abteilungen, die Mitarbeiter sowie Leiter dieses besonderen Amtes im Dritten Reich beschrieben.

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Inhaltsverzeichnis:

1. Einführung

Die Entstehung und allgemeine Bedeutung der Gestapo im NS-Staat

2.Die Bildung der Geheimen Staatspolizeistelle Erfurt 1933

3.Die Leiter der Staatspolizeistelle Erfurt seit 1933

4.Die Unterbringung der Geheimen Staatspolizeistelle Erfurt

5. Die Struktur der Geheimen Staatspolizeistelle Erfurt 1937

5.1. Die Abteilung I

5.2. Die Abteilung II

5.3. Die Abteilung III

6. Die Suspendierung der Staatspolizeistelle Erfurt 1941

7. Die Struktur der Außenstelle Erfurt der Staatspolizeistelle Weimar

8. Die Leitung der Staatspolizeistelle Weimar

9. Die Arbeit in der Staatspolizeistelle Weimar

9.1 Die Verfolgung des politischen Widerstandes

9.2 Die religiöse Verfolgung

9.3 Überwachung und Verfolgung der Zwangsarbeiter

9.4 Kriegsendphasenverbrechen

10. Die letzten Tage der Staatspolizeistelle Weimar

11. Die Außenstellen der Geheimen Staatspolizei im NS-Gau Thüringen

12. Das Thüringer Gestapopersonal nach dem Krieg

13. Fazit

14. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einführung

Der Name Gestapo wird wie keine andere Bezeichnung in der modernen Begriffswelt mit Angst, Überwachung und Unterdrückung in direktem Zusammenhang gebracht, ja als Synonym gebraucht. Die Geheime Staatspolizei wird als DAS Repressionsorgan des NS-Regimes verstanden. Zeitzeugen haben immer wieder die Allmacht der Gestapo beschrieben, die Geschichtsforschung und die beiden deutschen Gesellschaften nach 1945 wollten dies auch bereit willig glauben, und haben hier ihren Teil beigetragen. Erst zu Beginn der 1990er Jahre wurden neue Impulse, vor allen Dingen aus dem Ausland und von jüngeren Historikern gegeben, um eine breitere Forschung hinsichtlich der Gestapo zu ermöglichen. Daniel J. Goldhagen und die Wehrmachtsaustellung von 1995 lieferten auch hier den entscheidenden Beitrag. Es wurde schnell festgestellt, dass das Image des „Großen Bruders“ zum großen Teil projiziert war und sich die Effektivität der Behörde aus der Denunziationsbereitschaft, besonders der unteren Schichten, ergab. In wie weit die Dinge in Erfurt liegen, wird die Forschung noch zu erkunden haben. Bis heute gibt es nur wenige Veröffentlichungen zum Thema und Forschungsmaterial zu erhalten, ist an Hindernisse geknüpft, die für einen Outsider der Historikerszene unmöglich sind zu überwinden. Aus diesem Grund kann sich dieser Beitrag erst mal nur mit Grundlagen auseinandersetzen, d.h. mit der Struktur der Behörde, dem Personalstand, der Verordnung im Beziehungsgeflecht der Thüringer und Erfurter Behörden, aber auch schon auf regionale Besonderheiten und Beispiele für die Arbeit eingehen.1

Forschungsstand

Die Zeit des Nationalsozialismus hat eine außergewöhnlich umfangreiche und breit gefächerte Forschungsleistung hervorgebracht. Die Themen von Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich sind eine kaum noch überschaubare Literatur. Auch öffentliche Debatten und die Fachliteratur zur Gestapo sind überaus umfassend. Der Forschungsstand ist zufriedenstellend. Zur Thüringer Gestapo wurde bis jetzt keine Untersuchung vorgelegt. Das Thema ist Forschungsdesiderat. Es gibt aber Lokal- und Regionalstudien, Quelleneditionen zur Polizei im Nationalsozialismus und speziell zur Gestapo und mehrer jüngere Dissertationen. Zur Polizei in Thüringen im Nationalsozialismus existiert aber keine abgeschlossene Forschung. In der Literatur wird Thüringen nur ganz am Rande erwähnt. Die Gestapo-Forschung klammert Ostdeutschland aus, oder stützt sich auf problematische Literatur. Thüringer Archive werden von den Autoren fast gar nicht genutzt. Die Forschung wird aber in die Bildungsarbeit der Polizei eingebettet. Die Forschungsarbeit von Andreas Theo Schneider beinhaltet vor allen Dingen die Täterforschung. Die Arbeit ist eine Kollektivbiografie. So konnte bewiesen werden, dass fast unbekannte Mitarbeiter der Gestapo aus Thüringen an der Verfolgung und Massenvernichtung sowie an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Dr. Rudolf Lange nahm als „erfahrener Praktiker“ der Massenexekution an der Wannsee-Konferenz teil. Dr. Ludwig Hahn ist neben Jürgen Stroop als Hauptverantwortlicher für die Liquidierung des Warschauer Ghettos 1943 verantwortlich. Auch die Brüder Rolf und Hans Günther waren als enge Mitarbeiter Adolf Eichmanns im Judenreferat (IV B 4) des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) tätig. Dabei kann als Forschungsfrage gestellt werden, dass der permanente Führungswechsel in der Geheimen Staatspolizei als Effekt der Rotation und Personalpolitik noch unbekannte Auswirkungen hatte.2

Quellenlage

Erst seit wenigen Jahren sind Quellen zugänglich, die erst seit diesem Zeitpunkt genutzt werden können, insbesondere die Akten der Abteilung IX/11 des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Die Quellenlage ist höchst unbefriedigend und unübersichtlich. Gründe hierfür sind die unterschiedlichen Praktiken der verschiedenen Dienststellen der Gestapo in der Kriegsendphase, der Rückzug, Räumung, Verlegung, Evakuierung, und besonders die Behandlung und Vernichtung der umfangreichen Gestapo-Akten als potenzielle Primärquellen, die meisten Akten wurden im März / April 1945 vernichtet. Weiter liegen in verschiedenen Archiven Sachakten der Justiz, die über strafverfolgende Tätigkeiten Auskunft geben. Die Aktenbestände sind nur teilweise und unsystematisch überliefert, im Berlin Dokument Center, in Bundesarchiven, die Akten im Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten sind Quellen die erst seit wenigen Jahren intensiv genutzt werden können und im Thüringisches Hauptstaatsarchiv in Weimar. Die Suche im Sonderarchiv Moskau war erfolglos. Weiteres liegt im Archiv der Gedenkstätte Buchenwald, und anderen Archiven. 3

Quellenkritik

Es sind wenige Primärquellen überliefert. Als Sekundärquellen sind die Akten typisch zersplittert und bedürfen besonderer Betrachtung. Quellen sind die Lageberichte der Gestapo Weimar und Erfurt, Tagesberichte, Monatsberichte, auch Wochenberichte. Sie beruhen auf verschiedenen Informationsquellen. Sie waren die übliche Berichtserstattung an die vorgesetzte Dienststelle in Berlin. Lageberichte, obwohl unüblich, sind in Erfurt weiter präsent, deshalb sind sie mit größerer Vorsicht zu verwenden. Es muss festgestellt werden, dass sie in der Forschung deshalb kaum Einfluss haben. Weiter gibt es die Lageberichte der Justiz. Sie dienten dem Zweck, vorgesetzte Justizbehörde zu berichten. Sie sind ein weit verzweigtes Berichtswesen. Den Berichten liegen Akten zugrunde, die als objektivierende Quellen herangezogen werden können. Weiteres sind Häftlingsberichte. Das ist eine besondere Quellengattung, die entscheidend das Nachkriegsbild der Gestapo geprägt hat. Die bisherige Forschung hat sich ausführlich darauf bezogen. Weiteres sind die Vernehmungsprotokolle der Gestapo und der Justiz. Diese sind besonders kritisch zu bewerten, können sie doch durch Methoden der Gestapo durch Androhung von Gewalt und Folter entstanden sein. Sie haben keine zeitliche Einordnung, beziehen sich aber auf konkrete Ereignisse. Sie vertuschen die Wahrheit, sind als Quellen aber unverzichtbar. Anderes sind die Gefangenenakten eines Strafgefängnisses. Sie sind eine wichtige Informationsquellen, dabei ist der Quellengehalt sehr unterschiedlich. In ihnen stehen unerwartete Informationen. In der historischen Forschung sind sie selten betrachtete Quellen. Zusätzlich gibt es die Anklageschriften der Staatsanwaltschaften und Gerichtsurteile. Diese sind mit großer Sorgfalt zu interpretieren. Eine eigene Kategorie sind die Protokolle von Vernehmungen nach 1945. Sie sind nach Sinn und Zweck der Erstellung zu interpretieren und sehr quellenkritisch zu sehen. Viele juristisch arbeitende Personen sind auf Erinnerungen angewiesen. Es kommt aber in den Protokollen zu kampagnenartiger Aufruf an potenzielle Opfer und diese werden als Ergebnisse in ein Verfahren übernommen. Auf diese Weise können sich in Nachkriegsschilderungen subjektive Sichtweisen und Fehler einschleichen.4

1 Siehe Einleitung bei Mallmann/ Paul: Die Gestapo im zweiten Weltkrieg, S. 1- 8.

2 Schneider, S. 9-18

3 Schneider, S. 18-20

4 Schneider, S. 21-25

2. Die Entstehung und allgemeine Bedeutung der Gestapo im NS-Staat

Die Gestapo führte organisatorisch, personell, polizeitaktisch und in seiner Feindbildorientierung den Habitus der Politischen Polizei der Weimarer Republik, besonders der in Preußen weiter. Schon die Zentralisierung 1936 durch Himmler war ein Plan des SPD Innenministers Carl Severing gewesen. Für die politische Polizei war deshalb der „Preußenschlag“5 im Juli 1932 durch das Reichskabinett von Papen viel bedeutender als Hitlers Machterhalt ein halbes Jahr später. Denn nun wurden die Führungsebenen im preußischen Flickenteppich ‚gesäubert’, die Beobachtung der zukünftigen Gegner eingeführt und auch in den anderen Ländern des Reiches die politische Änderung nach rechts vorgenommen.6

Von Mai 1933 bis Juni 1936 wurde die Entstehung der Gestapo durch drei Gesetzte vorangetrieben. Sie gaben die rechtlichen Grundlagen, um die neue Sonderbehörde in einem „rechtsfreien Raum staatlichen Handels“7 zu etablieren, sie gegen die Justiz abzuschotten und ihre „Herauslösung (...) aus (...) der inneren Verwaltung“ umzusetzen8. Der Zuspruch von Sonderkompetenz, u.a. um die Schutzhaft und die Ernennung Himmlers als Politischen Polizeikommandeur aller Länder beendete nicht nur die ‚unordentlichen’ Verhältnisse, welche die Methoden der SA mit sich gebracht hatten, sondern führte auch zur Verschmelzung von Polizei und SS zu einem „Staatsschutzkorps“.

Dessen eigenständige, und völlig frei definierbaren Aufgaben waren deshalb „alle staatsgefährlichen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen und zu bekämpfen“. Mit Ende der Transformationsprozesse 1936/379 wurde die Aufgabe der politischen Polizei zudem durch Dr. Werner Best als „völkische Polizei“ definiert, was hieß, dass „der ‚politische Totalitätsgrundsatz’ des Nationalsozialismus (...) ‚ keine politische Willensbildung, die sich nicht der Gesamtwillensbildung einfügt (dulde). Jeder Versuch, eine andere politische Auffassung durchzusetzen oder auch nur aufrechtzuerhalten, wird als Krankheitserscheinung, die die gesunde Einheit des unteilbaren Volksorganismus bedroht, ohne Rücksicht auf das subjektive Wollen seiner Träger ausgemerzt.’“ Best’s Definition der Politischen Polizei lautet damit folgend: „... als eine Einrichtung, die den politischen Gesundheitszustand des deutschen Volkskörpers sorgfältig überwacht, jedes Krankheitssymptom rechtzeitig erkennt und die Zerstörungskeime ... feststellt und mit jedem geeigneten Mittel beseitigt.“ 10

Von der Forschung wird zwar behauptet, dass Verwaltung nicht spezifisch nationalsozialistisch war, da sie in den alten Häusern und Ministerien arbeiteten und auch die Bindung an den Beruf und die üblichen Karrierewünsche, die die meisten Verwaltungsmitarbeiter zur Anpassung an das neue System bewogen, eher bürgerlich waren. „Gleichwohl war die Existenz einer ordentlich und effektiv arbeitenden Verwaltung eine notwendige Voraussetzung für den Bestand des NS-Staates.“11 Die Verwaltung war die bürgerliche Seite des nationalsozialistischen Staates: Bürgerliche Tüchtigkeit, bürgerliches Denken, bürgerliche Tugenden im Dienste der NS-Herrschaft. Die Tugenden des Berufsbeamtentums des deutschen Staates, kulminiert in Preußen und in der Weimarer Republik, bewirkte mit Effizienz und Kreativität, persönlichem Einsatz und Dienst an der Sache, dass der Krieg vorbereitet, geführt und des zur Entrechtung und Vernichtung von Millionen von Deutschen und ausländischen Bürgern kommen konnte. Es waren nicht die Schwächen, sondern sie Stärken der deutschen Beamtentradition, die Bestand und Wirkung des NS-Staates und der Gestapo ermöglicht haben.12

Zur Bedeutung der Gestapo ist festzustellen, dass der einzelne Beamte einen – eigentlich nicht vorhandenen – Ermessensspielraum bei Veraltungsvorgängen ausnutzen und so innerhalb eines unmenschlichen Herrschaftssystems „menschliche Züge“ zeigen konnte. Diese Züge wurden in Thüringen aber gänzlich vergessen und auch hier während der gesamten Zeit nicht angewendet. 13

5 Wilhelm, S. 32ff., Graf, S. 49ff.

6 Siehe Zusammenfassung bei Mallmann/Paul: S.599f., Butler, S. 13ff.

7 Jede Maßnahme, die die Organisation der Verwaltung betraf oder ihr Handeln regelte wurde als formaljuristisch korrektes Gesetz oder Verordnung erlassen, in zahlreichen Fällen wurde politisches Handeln auch erst nachträglich und rückwirkend legalisiert. FHSVR, S. 18

8 Mallmann/Paul: S. 600.

9 Wilhelm, S. 37ff.

10 Mallman/Paul, S. 601, 604f., 607, 613.

11 FHSVR, S. 10

12 FHSR, S. 11, Giles, S. 3f.

13 FHSVR, S. 29

3. Die Bildung der Geheimen Staatspolizeistelle Erfurt 193314

Mit dem Erlass des Ministerpräsidenten und Innenministers für Preußen, Göring15 über die „Neuorganisation der politischen Polizei“