Die Sterne über Australien - Anne McCullagh Rennie - E-Book
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Die Sterne über Australien E-Book

Anne McCullagh Rennie

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Beschreibung

Wenn der Kopf nicht weiterweiß, vertraue deinem Herzen: Der Sommerroman »Die Sterne über Australien« von Anne McCullagh Rennie als eBook bei dotbooks. Das Leben der junge Jazz wird durch einen Schicksalsschlag vollkommen auf den Kopf gestellt – nun muss sie das mondäne Großstadtleben von Sydney hinter sich lassen und zu ihren Großeltern aufs Land ziehen! Doch statt Langeweile und Ödnis entdeckt Jazz zu ihrer eigenen Überraschung schnell die raue Schönheit des Outbacks, und auch das idyllische Städtchen mit seinen herrlich kauzigen Bewohnern wächst ihr immer mehr ans Herz. Im kleinen Restaurant ihrer Großeltern wird der jungen Frau noch dazu bewusst, was schon immer ihr heimlicher Traum war: selbst eine gefeierte Köchin werden! Alles könnte so schön sein, zumal auch Amor mit großem Vergnügen seine Pfeile verschießt … doch dann stellt das Leben Jazz vor eine schwere Entscheidung: Ihr Traum von einer Ausbildung zur Sternenköchin kann wahr werden – wenn sie dafür nach Paris zieht! Hin- und hergerissen zwischen Verstand und Gefühl trifft Jazz schließlich eine schicksalhafte Entscheidung … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die berührende Feelgood-Romance »Die Sterne über Australien« von Anne McCullagh Rennie – ein Lesevergnügen wie ihr Bestseller »Der Himmel über Australien«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 439

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Über dieses Buch:

Das Leben der junge Jazz wird durch einen Schicksalsschlag vollkommen auf den Kopf gestellt – nun muss sie das mondäne Großstadtleben von Sydney hinter sich lassen und zu ihren Großeltern aufs Land ziehen! Doch statt Langeweile und Ödnis entdeckt Jazz zu ihrer eigenen Überraschung schnell die raue Schönheit des Outbacks, und auch das idyllische Städtchen mit seinen herrlich kauzigen Bewohnern wächst ihr immer mehr ans Herz. Im kleinen Restaurant ihrer Großeltern wird der jungen Frau noch dazu bewusst, was schon immer ihr heimlicher Traum war: selbst eine gefeierte Köchin werden! Alles könnte so schön sein, zumal auch Amor mit großem Vergnügen seine Pfeile verschießt … doch dann stellt das Leben Jazz vor eine schwere Entscheidung: Ihr Traum von einer Ausbildung zur Sternenköchin kann wahr werden – wenn sie dafür nach Paris zieht! Hin- und hergerissen zwischen Verstand und Gefühl trifft Jazz schließlich eine schicksalhafte Entscheidung …

Über die Autorin:

Anne McCullagh Rennie wurde in Cambridge, England geboren und studierte in London und Wien Musik. In Österreich lernte sie ihren Ehemann Jim kennen und zog mit ihm nach Australien, wo sie zusammen eine Familie gründeten. Die Liebe zu ihrer Wahlheimat und zur Musik bringt sie in ihren Romanen zum Ausdruck.

Anne McCullagh Rennie veröffentlichte bei dotbooks bereits »Das Lied der Honigvögel« und » Der Himmel über Australien«.

Die Website der Autorin: www.annemccullaghrennie.com

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Juni 2020

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2011 unter dem Originaltitel »Where Kookaburras Laugh«. Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Sterne der Sehnsucht« bei Weltbild

Copyright © der englischen Originalausgabe 2011 by Anne McCullagh Rennie

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2011 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © 2011 by Anne McCullagh Rennie

Published by Arrangement with Anne McCullagh Rennie

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/David M. Schrader, Anne Kitzman, schankz und AdobeStock/About Life

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-345-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Anne McCullagh Rennie

Die Sterne über Australien

Roman

Aus dem Englischen von Karin Dufner

dotbooks.

Für Patsy, die nicht nur wunderschön und liebevoll ist, sondern auch ein großes Herz hat

Zwei Dinge braucht die Frau – einen guten Ehemann und einen Satz scharfer Messer.

Kathleen Flinn (The Sharper Your Knife The Less You Cry)

Teil 1

Kapitel 1

Es war ein brütend heißer Nachmittag. Die siebzehnjährige Jacinta Wakehurst stand da und umklammerte ihr Mobiltelefon, ohne das Polospiel vor ihrer Nase wirklich zu sehen. Der erste Spielabschnitt des Hunter’s Cup, des jährlichen Poloturniers, veranstaltet vom im Hunter Valley in Neusüdwales gelegenen Weingut Clarence Lodge, war bereits zur Hälfte vorbei. Seit vier idyllischen Tagen weilte Jacinta nun schon bei ihrem Freund Tim zu Besuch, dessen Eltern das berühmte Weingut betrieben.

Der dunkelhaarige und attraktive Neunzehnjährige galoppierte gerade über das Feld auf sie zu. Er ritt Tiny, eines der preisgekrönten Poloponys seines Vaters, und schwenkte begeistert seinen Schläger. Zur Freude der zweihundert Zuschauer, die ihm jubelnd Beifall spendeten, hatte er das erste Tor erzielt. Da Jacinta seit dem Telefonat mit ihrer Mutter um Fassung rang, hätte sie sein Winken beinahe nicht erwidert.

Vor fünf Minuten noch hatte sie sich auf das Poloturnier, die Preisverleihung und das anschließende festliche Abendessen im exklusiven hiesigen Golfklub gefreut. Danach wollte sie eigentlich ihr dreimonatiges Beziehungsjubiläum feiern, indem sie in Tims Bett ihre Jungfräulichkeit verlor. Alles schien nach Plan zu laufen. Und nun hatte ein einziger Anruf ihrer Mutter die Planung zunichtegemacht.

»Sicher hast du nicht vergessen, dass deine Großmutter am nächsten Mittwoch siebzig wird«, hatte ihre Mutter begonnen. »Nun, ich fürchte, der Zeitplan hat sich geändert. Die Feier findet schon heute Abend statt, was bedeutet, dass du sofort zurückkommen musst. Ich habe dir einen Platz im Zug reserviert. Deine Schwester holt dich ab und bringt dich nach Hause, damit du dich umziehen kannst, bevor wir uns im Restaurant treffen.«

Nervös eine Locke ihres langen roten Haars um den Finger zwirbelnd, hatte Jacinta zunehmend ungläubig ihrer Mutter gelauscht. Ihre »ausgeflippte Oma« – so nannte Jacinta Amelia Newport insgeheim, ihre Großmutter mütterlicherseits – habe alles über den Haufen geworfen, damit eine gute Freundin aus Übersee, die nur zwei Tage zu Besuch war, an der Feier teilnehmen könne.

»Es war ein ziemliches Tohuwabohu, alles umzuorganisieren, Kind. Du kannst stolz auf mich sein. Schließlich liegst du mir immer damit in den Ohren, dass ich spontaner werden soll.« Mit diesen Worten hatte Danielle Wakehurst aufgelegt.

»Spontan?«, wiederholte Jacinta, während ihre aschfahlen Wangen wieder Farbe annahmen. »Aber doch nicht jetzt! Nicht heute! Wie kann sie mir das antun?«

Ihre Mutter hatte ihr nicht einmal Gelegenheit gegeben zu widersprechen. Eigentlich hatte Jacinta geglaubt, ihre Mutter würde zu sehr mit ihrer schwangeren älteren Schwester beschäftigt sein, um sie zu vermissen.

Die fünfundzwanzigjährige Lauren war vor zwei Tagen mit ihrem Mann Michael aus Queensland eingeflogen, um Großmutters Geburtstag zu feiern. Danielle bemutterte sie wie eine Glucke. Wie sollte Jacinta Tim nun beibringen, dass sie in einer Stunde aufbrechen musste? Sie kaute an einem ihrer in fluoreszierendem Blau lackierten Fingernägel herum und flüsterte lautlos »Lust und Wahrheit«, eine kindische Verballhornung ihres Schulmottos »Licht und Wahrheit« vor sich hin. Dabei hielt sie Ausschau nach ihrer besten Freundin Vicki Sealy.

Die beiden Mädchen besuchten die zwölfte Klasse des Heronswood College für junge Damen, einer Eliteschule im Norden von Sydney. Im Moment konnte Vicki den Blick jedoch nicht von ihrem neuesten Schwarm abwenden, dem attraktiven blonden Tiger Johnson. Der hatte nämlich gerade dem kahlköpfigen Besitzer mehrerer Einkaufszentren, dessen Bauch sein grellgrünes Mannschaftstrikot zu sprengen drohte, den weißen Holzball abgenommen.

Hochrot im Gesicht, trieb der sechzigjährige Geschäftsmann sein nass geschwitztes Pferd an und jagte Tiger keuchend und schnaufend über das Spielfeld. Dabei schwenkte er wild seinen Schläger und wäre beinahe von Keith Smart aus dem Sattel gestoßen worden, dem unverschämterweise auch noch gut aussehenden Computerwunderkind und dritten Mitglied von Tims vierköpfiger Mannschaft.

Währenddessen hatte Tim einem weniger attraktiven, dafür aber ziemlich wohlhabenden Immobilienmakler den Ball abgeluchst und ihn seinem Vater zugespielt, der damit über das Spielfeld preschte. Die Männer holten mit ihren großen Schlägern aus. Ihre engen Trikots hoben sich bunt von den mit Schlamm bespritzten weißen Reithosen ab. Beide Mannschaften kämpften um den Ball, und die Hufe der beweglichen Poloponys wühlten den Boden auf. Nach jedem siebenminütigen Spielabschnitt wechselten die Reiter die Pferde, damit die erschöpften Tiere sich ausruhen konnten.

Mitten im dritten Spielabschnitt, Jacinta wollte gerade Vicki ihr Herz ausschütten, kam Tim auf einem frischen Pferd über das Feld geprescht und spielte Tiger den Ball zu. Dieser schlug einen Haken, um einen Zusammenstoß mit einem anderen Spieler zu vermeiden, und beförderte den Ball rasch zwischen die beiden Torstangen. Jacinta klatschte und jubelte wie alle anderen und beschloss, nicht an ihr Problem zu denken und das Spiel zu genießen. Doch als die Minuten des letzten Spielabschnitts verstrichen, klopfte ihr Herz immer schneller. Was sie nun tun musste, würde schreckliche Folgen haben.

Wenn Jacinta nur den Mut gehabt hätte, sich gegen ihre Mutter durchzusetzen. Sie würde Tim die ganze Sache in der kurzen Pause zwischen dem Ende des Turniers und der Preisverleihung beichten müssen. Sie selbst hätte einen Menschen, der ihr so etwas antat, bis ans Ende ihrer Tage gehasst. Beim Blick auf die Uhr krampfte sich ihr der Magen zusammen. Nur noch eine knappe Stunde bis zur Abfahrt des Zuges. Dank ihrer ausgeflippten Großmutter und ihrer Mutter war ihr Liebesleben nun ein Scherbenhaufen. Und das alles nur wegen einer dummen Geburtstagsfeier, auf die sie ohnehin keine Lust hatte. Sie wünschte, sie hätte gewagt, einfach nicht hinzugehen.

Als drittes Kind Noel Wakehursts, Topmanager bei einem Mineralölmulti, und der eleganten, pedantischen Danielle wuchs Jacinta, genannt Jazz, in einer Reihe zunehmend luxuriöser Villen in Sydney auf. Sie war zehn Jahre alt gewesen, ihre Schwester Lauren achtzehn und ihr Bruder Mark sechzehn, als ihr arbeitswütiger Vater ihr derzeitiges Haus am exklusiven Palm Beach gekauft hatte, einem von Sydneys nördlichen Stränden.

Das lange, schmale zweistöckige Anwesen war mit Parkettböden ausgestattet und schmiegte sich an den Hang eines steilen Hügels, sodass man einen atemberaubenden Blick über die berühmte Bucht mit dem goldenen Sandstrand und das üppige immergrüne Buschland genießen konnte. Zur Freude der Familie schlängelte sich ein kleiner Privatweg vom Haus bis zum Strand hinunter.

Jacinta fand ihr Zuhause toll. Dank Danielles Schwäche für Designermöbel sah das Haus aus, als entstamme es den Seiten einer Wohnzeitschrift.

Danielle war überglücklich gewesen, als Lauren mit zweiundzwanzig ihre Jugendliebe Michael Ross geheiratet hatte, einen aufstrebenden Immobilienmakler. Mehrere Frauenzeitschriften berichteten über die Hochzeit. Ein Jahr später zog das Paar nach Queensland, wo Michael seine Chance auf dem boomenden Grundstücksmarkt sah, und Danielle musste den Abschiedsschmerz ertragen.

Sechs Monate danach hatte Jazz’ Bruder Mark verkündet, er weigere sich, in langweiligen Bürointrigen und Papierkram zu versinken. Deshalb wolle er ein Jahr im Ausland verbringen. Zur Verzweiflung seines Vaters reiste er eine Weile in der Welt herum und fand schließlich eine Stelle als Skipper in Spanien. Im Augenblick überführte er Boote von Europa aus in die ganze Welt.

Nach dem Auszug der beiden älteren Geschwister war es beklemmend still im Haus geworden. Ihr Vater hing, wenn er zu Hause war, unweigerlich am Telefon, während die Mutter Jacinta mit ihrem Putzfimmel auf die Nerven fiel. Die Folge war, dass Jacinta sich immer mehr zurückzog. Wenn ihre Mutter sie wegen ihres mangelnden Fleißes in der Schule oder ihres Ungehorsams zurechtwies, trotzte sie, bis Danielle in Tränen ausbrach. Ihr Vater pflegte dann mit Taschengeldentzug zu drohen, worauf Jacinta verzweifelt Besserung gelobte.

In Heronswood hatte sie sich mit Zeugnissen in die elfte durchgemogelt, in denen stand, sie könne eigentlich, wenn sie nur wolle. Dadurch setzte sich bei Jacinta die Vorstellung fest, dass sie nie einen guten Abschluss machen würde. Deshalb hielt sie es auch für zwecklos, sich abzumühen, und widmete sich lieber den Dingen, die ihr Spaß machten – Kleider, Make-up und Jungs. Erst die Ankündigung ihres Vaters, er werde ihr das Taschengeld endgültig streichen, brachte Jacinta dazu, sich überhaupt zur Abschlussprüfung anzumelden.

Allerdings konnten weder schulische Schwierigkeiten noch die Auseinandersetzungen mit ihren Eltern verhindern, dass Jacinta sich glücklich und zufrieden fühlte, wenn sie beim Aufwachen das Tosen der Wellen am goldenen Strand hörte und das Wasser in der Sonne glitzern sah. Ihr Zuhause war für sie immer ein Ort gewesen, an dem sie sich absolut frei fühlte – bis zum heutigen Tag. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte, freute sie sich nicht darauf, nach Hause zu fahren.

»Warum schaust du so miesepetrig?«, rief Vicki und bohrte Jacinta den Finger in die Rippen, sodass diese einen Satz machte.

Jacinta traten Tränen in die Augen.

»Was ist denn los?«, fragte Vicki, plötzlich ernst.

»Mum hat angerufen. Die Geburtstagsfeier von Oma Amelia ist nicht erst am Mittwoch, sondern heute. Der ganze Terminplan wurde umgeworfen. Ich muss den Zug um vier nehmen. Was soll ich nur tun?«, jammerte sie. »Ich kann nicht einmal zur Preisverleihung bleiben.«

»Doch, du Dummerchen! Du kannst mit mir und Tiger nach Hause fahren. Habe ich dir erzählt, dass er morgen nach Argentinien zu einem großen Poloturnier fliegt? Wir machen uns um fünf auf den Weg nach Sydney. Sicher hat er nichts dagegen, dich mitzunehmen, auch wenn du mir damit einen Strich durch die Rechnung machst.« Sie grinste ihre Freundin an und umarmte sie.

»Natürlich! Das hatte ich ganz vergessen«, jubelte Jacinta mit vor Erleichterung leuchtenden Augen.

Auf dem Weingut hatte sie ein Zimmer mit Vicki und Tiger eines mit Tim geteilt. Darum waren die Pläne für die heutige Nacht nur möglich gewesen, weil Vicki und Tiger im Anschluss an das Turnier nach Sydney zurückkehren wollten. Daran hatte sie in ihrer Panik gar nicht mehr gedacht.

»Aber wie bringe ich es Tim bei? Er wird mich dafür auf ewig hassen«, rief sie.

»Nein, wird er nicht. Hör zu …« Vicki legte den Arm um Jacinta. Die Freundinnen steckten die Köpfe zusammen.

»Geheimnisse! Ich will auch wissen, worum es geht«, wurden sie da von einer hochgewachsenen, langbeinigen Blondine unterbrochen. Sie trug ein schmeichelndes zitronengelbes Oberteil aus einem weichen Stoff, einen sehr kurzen Rock und ein dickes goldenes Armband am Handgelenk und drängte sich zwischen die beiden Mädchen.

»Hallo, Samantha«, sagte Vicki und wich zurück.

Jacinta nickte abweisend und wandte sich wieder dem Spiel zu. Sie konnte Samantha nicht leiden, und dass sie hinreißend aussah, machte die Sache auch nicht besser. Ihre Sorgen waren kurz vergessen, als Tim und Tiger, begleitet vom Johlen der Zuschauer, in den letzten Minuten über das Spielfeld preschten und den Ball hin und her schlugen. Die schweißnassen Ponys wichen den Gegnern geschickt aus.

Kurz vor Ende des Turniers wurde Tim beinahe abgeworfen, denn sein Pony bäumte sich, erschreckt von einem gegnerischen Tier, das ihm den Weg versperrte, auf. Jacinta schnappte nach Luft und stieß im nächsten Moment einen erleichterten Seufzer aus, als es ihm gelang, sich im Sattel zu halten. Dann, wenige Sekunden vor dem Schlusspfiff, schoss Tiger das entscheidende Tor für Clarence Lodge. Die Zuschauer jubelten.

Warum musste ihre Mutter alles verderben?, dachte Jacinta, während sie heftig applaudierte. Wenn Tim Schluss mit ihr machte, würde sie das nicht überleben. Allerdings durfte sie nicht den Zorn ihrer Eltern und ganz sicher nicht ihr Taschengeld riskieren. Wenigstens hatte sie jetzt, Vicki sei Dank, ein bisschen mehr Zeit.

Sie fing Tims Blick auf und hastete über das Spielfeld, wobei sie den von den Hufen aufgeworfenen Erdhaufen ausweichen musste. Ohne darauf zu achten, dass er durchgeschwitzt und von oben bis unten mit Schlamm bespritzt neben seinem erschöpften Pony stand, warf sie sich in seine Arme und drückte ihn fest an sich, während einige Zuschauer sich näherten, um ihn zu beglückwünschen.

Ich bin entsetzlich verliebt in ihn, dachte sie und sah zu, wie Tim auf den Bürgermeister von Scone zuging und im Namen seiner Mannschaft den Pokal entgegennahm. Freude erhellte sein ebenmäßiges Gesicht, und er reckte die Trophäe dem Publikum entgegen. Dann marschierte er auf Jacinta zu und küsste sie zur lautstarken Begeisterung der Zuschauer kräftig auf die Lippen.

»Ich muss dir etwas Wichtiges sagen«, keuchte Jacinta und errötete heftig, als er sie losließ.

»Das kann warten«, erwiderte Tim und küsste sie noch einmal. Einen Arm lässig um ihre Schulter gelegt, schlenderte er mit ihr und Tiny zu den Ställen.

Nachdem das Pony wieder in seiner Box stand, stieß Tim Jacinta an. »Was wolltest du mir denn Wichtiges erzählen?«

Vor Angst hatte Jacinta Magenkrämpfe, denn nun war der gefürchtete Moment da. »Mum hat angerufen, als das Spiel gerade anfing. Die Geburtstagsfeier für meine Großmutter ist nicht erst am nächsten Mittwoch, sondern schon heute, und ich muss dabei sein. Also muss ich in einer guten Stunde mit Vicki und Tiger nach Hause fahren. Es tut mir schrecklich leid, Tim, aber es geht nicht anders.«

»Was?« Tim blieb ruckartig stehen. »Das ist nicht dein Ernst!«

Doch Jacinta nickte. »Ich muss nach Hause«, flüsterte sie.

»Nein, musst du nicht. Du bist heute Abend zum Hunter’s Cup Dinner eingeladen. Das ist ein wichtiges Ereignis für meine Familie. Deine Mum kann nicht von dir erwarten, dass du einfach alles stehen und liegen lässt. Außerdem wäre das ziemlich unhöflich von dir.« Tims Gesicht war vor Zorn gerötet.

»Tim, es ist der siebzigste Geburtstag meiner Großmutter. Ich muss hin«, wiederholte Jacinta und griff nach seiner Hand.

»Aber du kannst sie doch nicht ausstehen, deine ›ausgeflippte Oma‹«, entgegnete Tim.

»Es ist nicht, dass ich sie nicht ausstehen kann. Sie ist einfach nur sonderbar. Ständig redet sie über Kräuter und Numerologie und – komischen Hippiekram eben. Als ich letztens mit ihr beim Mittagessen war, hat sie eine Kanne Tee ohne Tee bestellt. Das war so peinlich! Dann hat sie einen vergammelten alten Teebeutel aus ihrer Riesenhandtasche gekramt und ihn in die Kanne geworfen – vor den Augen der Kellnerin. Ich hätte im Erdboden versinken können. Vicki war dabei und hat es allen erzählt. Sogar in der Schule haben sie es mir unter die Nase gerieben. Mir graut schon davor, was Oma auf ihrer Geburtstagsfeier alles anstellen könnte.«

»Tja, dann geh einfach nicht hin.«

»Ich muss aber«, beharrte Jacinta.

»Nein, musst du nicht.« Er entzog ihr seine Hand und marschierte verstockt schweigend weiter. »Das kannst du meinen Eltern selbst beibringen«, verkündete er schließlich und eilte mit langen Schritten voraus.

Jacinta war verzweifelt. Sie lief ihm nach und fasste ihn an der Hand. Sie gingen wortlos am großen Heuschober vorbei und stolperten dahinter beinahe über Samantha, die gerade Steinchen aus ihren Sandalen entfernte.

»Gratuliere, Tim, das letzte Tor war ein Traum«, jubelte sie und fiel ihm um den Hals. »Findest du nicht, Jazz?«, wandte sie sich an Jacinta.

Jacinta verzog betreten das Gesicht. »Tiger hat das letzte Tor geschossen, was du wüsstest, wenn du zugeschaut hättest«, murmelte sie. Tim gehörte ihr ganz allein.

»Du kümmerst dich doch um mich, oder, Sam? Jacinta lässt mich heute Abend nämlich wegen einer ollen Verwandten im Stich. Schwingst du mit mir das Tanzbein?«, fragte Tim mit seidenweicher Stimme und lächelte die attraktive Blondine an.

»Ich werde nur für dich da sein«, erwiderte Samantha, riss erfreut und erstaunt die Augen auf und warf Jacinta einen Blick zu.

»Ein Notfall in der Familie – du weißt schon«, erklärte Jacinta mit einem Achselzucken, trotz des schmerzhaften Stechens in der Brust.

»Tja, Jazz, ich denke, ich werde es überleben«, verkündete Tim, als sie das Haus erreicht hatten.

Jacinta trollte sich nach oben, um ihr Gepäck zu holen. Als sie ihren Koffer aus dem Zimmer schleppte, stand plötzlich Tim vor ihr, stellte das Gepäckstück im Flur ab und schob sie sanft, aber mit Nachdruck zurück ins Zimmer. Verwirrt und voller Angst, ihn zu verlieren, ließ Jacinta sich von ihm küssen und streicheln, bis ihr ganzer Körper vibrierte.

»Versprich mir, dass du mich nächsten Donnerstag besuchst«, flüsterte sie, als er sie schließlich losließ.

»Falls ich dich in meinem vollen Terminkalender unterbringe«, murmelte er mit einem kecken Grinsen, während er sich das Hemd wieder in die Hose steckte. Dann küsste er sie auf den Scheitel und trug ihren Koffer hinaus zu Tigers nagelneuem rotem Sportwagen.

Tims Mutter, Mary Clarence, nahm Jacintas Aufbruch kaum zur Kenntnis. Doch Joseph, sein Vater, drückte ihr zwei Flaschen seines besten Rotweins in die Hand.

»Ein Jammer, dass die hübschesten Mädchen immer zuerst gehen. Ich hatte heute Abend auf mindestens zwei Tänze mit dir gehofft«, verkündete er überschwänglich, worauf Jacinta sich ein wenig besser fühlte.

Sie fragte sich, ob sie den Abschiedsschmerz wohl überleben würde, als das Auto sich in raschem Tempo von Clarence Lodge entfernte. In der ersten halben Stunde konnte sie nur daran denken, dass Samantha, die keinen Freund hatte, nun sicher Jagd auf Tim machte. Dann jedoch erinnerte sie sich daran, wie er sie in letzter Minute an sich gepresst und leidenschaftlich geküsst hatte, was sie ein bisschen beruhigte. Sie lockerte ihre verkrampften Beine und strich ihr rosa T-Shirt glatt. Mit ihrer roten Haarmähne und den grünen, strahlenden Augen hatte sie neben Tim eine gute Figur gemacht.

Zumindest könne sie mit Samantha mithalten, sagte sie sich und fühlte sich sofort wieder bedroht. Tränen traten ihr in die Augen. Aber sie wischte sie entschlossen weg. Alles würde gut werden. Tim hatte sie immerhin geküsst.

Neidisch betrachtete sie Vicki, deren Kopf an Tigers Schulter lehnte. Mit einer Hand steuerte er den Wagen, mit der anderen liebkoste er ihren nackten Oberschenkel. Jacinta wackelte mit den Zehen, deren Nägel in glitzerndem Blau lackiert waren. Sie musterte ihre rosa und silbernen, mit Perlen verzierten Sandalen, ein Geschenk, das ihre Eltern von der letzten Geschäftsreise aus New York mitgebracht hatten. Dann steckte sie sich Ohrhörer in die Ohren, stellte die neuesten Madonna-Songs auf volle Lautstärke und beobachtete, wie verdorrte gelbe Weiden und graugrüne Eukalyptusbäume am Fenster vorbeiglitten. Nur das Wissen, dass sie Tim in wenigen Tagen in Sydney sehen würde, machte ihr Leben einigermaßen erträglich.

Eine Stunde später erreichten sie Palm Beach. Der kleine rote Sportwagen brauste die steile, enge Straße zu Jacintas Haus hinauf und hielt vor dem Carport, in dem Danielles silbrig funkelnder Wagen stand. Danny, Noels Chauffeur, lehnte rauchend an der niedrigen Mauer. Bei Jacintas Anblick drückte er sofort die Zigarette im nächstbesten Blumenkübel aus, rückte sein Sakko gerade und winkte.

»Viel Spaß. Ruf mich später an. Ich gehe ran, wenn ich nicht zu beschäftigt bin«, sagte Vicki durch das Autofenster und wies zwinkernd mit dem Kopf auf Tiger.

Erfüllt von Eifersucht, schulterte Jacinta ihre Handtasche und zerrte ihren Koffer aus dem Auto.

»Hallo, Danny«, rief sie. »Wenn Sie mein Zeug reinschleppen, schwöre ich, niemandem zu verraten, dass Sie gerade Ihre Kippe unter Mums kostbarer orangefarbener Azalee ausgedrückt haben.«

»Was sind wir wieder gut drauf heute, Miss Jacinta. Freuen Sie sich schon auf die Geburtstagsfeier Ihrer Oma? Haben Sie auch Ihren Kamillentee und Ihren Rosenquarz eingepackt?«, gab Danny zurück und warf einen kecken Blick auf Jacintas Handtasche.

Jacinta wollte ihm schon eine patzige Antwort geben, verstummte aber, als Danielle aus dem Haus geeilt kam. Sie trug ein elegantes Abendkleid aus grün-goldener Seide und eine Stola, die sie eigens für diesen Anlass hatte anfertigen lassen. In der Hand hielt sie einen gewaltigen Blumenstrauß und war sichtlich um Ruhe bemüht.

»Jacinta! Gott sei Dank, da bist du ja! Mach dich schnell fertig. Wir sind alle zu spät dran. Dein Vater, Lauren und Michael sind noch drinnen. Oh, was für ein schreckliches Chaos. Lauren, Schatz, lass sie von Danny zum Auto bringen«, befahl sie, als Lauren, einen Stapel bunt eingewickelter Geburtstagsgeschenke im Arm, in der Tür erschien.

Sie war mit einem fließenden grauen Chiffongewand bekleidet. Das dunkelbraune Haar hatte sie kunstvoll aufgesteckt, und der leuchtend rote Lippenstift ließ ihre Augen strahlen. Danny trat vor, nahm ihr die Päckchen ab und legte sie und die Blumen vorsichtig ins Auto.

»Das wäre alles. Beeil dich. Wir sehen uns im Restaurant«, rief Danielle und stieg ein.

»Hallo, Schwesterchen«, rief Lauren und winkte Jacinta zu, während der Wagen sich entfernte.

»Was ist los? Warum ist Mum so hektisch? Und weshalb ist Dad noch hier?«, fragte Jacinta, bereits verärgert, weil ihre Mutter sie schon wieder herumkommandierte. Offenbar würde es ein wirklich vergnüglicher Abend im Familienkreis werden.

Kapitel 2

»Dad wartet auf einen Anruf wegen des Postens im Ausland, über den er und Mum an Weihnachten gesprochen haben. Sieht ganz danach aus, als würdest du ein halbes Jahr bei Oma Amelia und Poppy wohnen müssen«, erwiderte Lauren mit einem fröhlichen Grinsen. »Weißt du das etwa nicht mehr?«, fügte sie hinzu, als Jacinta sie verständnislos ansah.

Jacinta runzelte die Stirn. Undeutlich erinnerte sie sich daran, dass beim Weihnachtsessen von einer Reise nach Übersee die Rede gewesen war, aber sie hatte nicht richtig zugehört. Ihre Eltern gondelten ständig in der Weltgeschichte herum, sodass die Geschäftsreisen ihres Vaters für sie etwas Alltägliches waren.

»Sechs Monate sind kein Weltuntergang, Jazz. Außerdem ist Blue Mists riesig. Denk nur an die Tennispartys am Wochenende und die Grillabende, die du dort veranstalten kannst.«

»Kommt überhaupt nicht infrage. Ich ziehe auf gar keinen Fall zur ausgeflippten Oma und ihrem schrulligen Poppy«, entgegnete Jacinta und folgte ihrer Schwester rasch ins Haus.

Trotz der Verlockung des zur Luxusvilla in den Blue Mountains gehörigen Swimmingpools und des Tennisplatzes, zuckte Jacinta bei dem Gedanken zusammen, dass ihre Großeltern ihre Freiheiten erheblich einschränken würden.

Dieser Umzug schien ihr absolut überflüssig. Schließlich sah sie sich durchaus in der Lage, ein paar Wochen lang auf sich selbst aufzupassen.

Sie stellte die beiden Weinflaschen aus Clarence Lodge auf die Anrichte im Esszimmer und versuchte, das Gefühl zu verscheuchen, schmuddelig und eine graue Maus zu sein. So wirkte die dezente Eleganz ihrer Schwester immer auf sie.

»Wie geht es dir, Mrs. Ross? Ich meine natürlich, euch beiden. Du siehst toll aus.« Jacinta umarmte ihre Schwester und tätschelte dann vorsichtig Laurens kleines Bäuchlein unter den weichen Chiffonfalten. Letzte Weihnachten hatte Lauren die Familie mit der freudigen Nachricht überrascht, dass sie nach drei Jahren endlich schwanger war. Inzwischen war sie fast im vierten Monat und strahlte vor Glück.

»Prima, wenn ich nicht gerade kotze. Außerdem werde ich von Minute zu Minute dicker. Michael treibt sich auch irgendwo hier herum«, erwiderte Lauren vergnügt. »Du musst dich beeilen. Und, Jazz, bitte provoziere Mum heute Abend nicht. Du weißt ja, wie anstrengend Dad werden kann, wenn berufliche Veränderungen anstehen. Sie müht sich schon die ganze Woche ab, damit heute Abend alles klappt. Ich möchte, dass sie auch ihren Spaß hat.«

»Mum wusste schon vor einer Woche, dass die Feier heute stattfindet?«, rief Jacinta entsetzt. »Das hätte sie mir auch früher erzählen können. Spiele ich überhaupt keine Rolle?«

»Sei friedlich, Jazz. Geh dich umziehen. Du hast höchstens eine halbe Stunde«, befahl Lauren.

»Schon gut, ich gehe«, antwortete Jacinta.

Sie sammelte ihr Gepäck ein und steuerte auf ihr Schlafzimmer zu. Auf der Schwelle ihres ganz persönlichen Rückzugsorts seufzte sie selig auf. Froh ließ sie ihre Taschen fallen, zog die Schuhe aus und ging über den dicken cremefarbenen Teppich. Im nächsten Moment drehte sie eine Pirouette und warf sich auf das Doppelbett. Wieder seufzte sie tief. Warum veranstaltete Mum so ein Theater, weil sie sechs Monate lang allein zu Hause bleiben wollte? Sie übertrieb es einfach wieder einmal.

»Ich und Tim, nur wir beide ganz allein! Das wäre ein absoluter Traum«, murmelte sie und schlang die Arme um den Leib. Zufrieden blickte sie sich in ihrem Zimmer mit den einladenden pfirsichfarbenen Wänden und der hellen Holzvertäfelung um.

»Mum hat aufgeräumt«, dachte sie träge, als sie feststellte, dass der für gewöhnlich chaotische Haufen aus Nagellackfläschchen und Schminksachen in Reih und Glied angeordnet war. Ihre Lippenstifte lagen in einem Weidenkörbchen, das auf dem hübschen weißen Frisiertisch stand. Die Haarbürsten lagen in einer Reihe, und die Schals hingen an Haken vor dem Spiegel.

Jacinta seufzte, diesmal verärgert. Ihre Mutter wollte bis ins Kleinste über ihr Leben bestimmen – insbesondere über ihre Beziehung zu Tim. Danielle machte keinen Hehl daraus, was sie von Tim und seiner Familie hielt. Nach ihrer Auffassung handelte es sich bei Clarence Lodge um ein Weingut, in dem es nur um Profit ging. Geführt von geldgierigen Inhabern, die die ausländischen Märkte mit Billigprodukten überschwemmten und dem Ruf des australischen Weins schadeten. Die sich nicht um soziale Belange kümmerten und nur Kontakte zur Oberschicht pflegten. Ganz gleich, ob ihre Mutter nun recht hatte oder nicht, ihre scharfe Kritik und ihr mangelndes Einfühlungsvermögen hatten Jacinta sehr gekränkt und taten immer noch weh.

»Lust und Wahrheit«, murmelte sie und versuchte, ihre Niedergeschlagenheit zu vertreiben.

Sie griff nach einem der säuberlich gefalteten, flauschigen pfirsich-farbenen Handtücher, die am Fußende ihres Bettes lagen, und drückte es sich kurz an die Wange. Dann warf sie es beiseite und begann, sich auszuziehen. Eine Spur aus Kleidungsstücken hinter sich zurücklassend, trat sie rasch unter die Dusche. Einige genüssliche Minuten lang schloss sie die Augen und dachte an Tim und seine Abschiedsküsse, während wohlig warmes Wasser ihren schlanken Körper umspülte.

Eine halbe Stunde später eilte sie, eingehüllt von einer Wolke aus Parfüm und umwogt von leuchtend rotem Haar, das ihr Gesicht umgab wie ein Heiligenschein, die Treppe hinunter. Sie hatte sich in ein sehr kurzes, tief ausgeschnittenes schwarzes Cocktailkleid gezwängt und trug dazu hochhackige schwarze Riemchensandalen. Ihre Lippen waren hellrosa geschminkt, ihre tiefgrünen Augen mit Kajal umrandet und die Wimpern kräftig getuscht.

Lauren saß mit ihrem dunkelhaarigen Mann im kühlen Wohnzimmer und ließ sich ein Glas Limonade schmecken. Michael sah in seinem gut geschnittenen Abendanzug und der grellrosa Fliege einfach hinreißend aus. Durch die Terrassentüren wehte gedämpft das Brausen des Meeres herein. Von Jacintas Vater fehlte jede Spur.

»Fahren wir jetzt zu dieser Feier oder nicht?«, fragte sie verärgert, weil sie sich beim Anziehen so gehetzt hatte, obwohl sonst niemand in Eile zu sein schien. Sie ging zur Hausbar und schenkte sich eine großzügige Rum-Cola ein.

»Wir warten immer noch auf Dad«, erklärte Lauren.

»Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Jazz?«, erkundigte Michael sich missbilligend.

»Ja«, entgegnete Jacinta, goss mit finsterer Miene Rum nach und trank einen großen Schluck.

In diesem Moment kam Noel Wakehurst hereingestürmt, der mit schwarzer Hose, weißem Sakko und schwarzer Fliege sehr distinguiert wirkte.

»So, jetzt steht es fest, Leute. Es klappt. Eure Mutter und ich fliegen in wenigen Wochen nach Dubai«, verkündete er und rieb sich vergnügt die Hände.

»Was! So bald?«, entsetzte sich Jacinta.

»Die Geschäfte warten nicht«, erwiderte Noel leutselig. »Und nun wollen wir dafür sorgen, dass aus der Geburtstagsfeier etwas wird.«

»Gut gemacht, Dad«, rief Lauren, sprang auf und fiel ihrem Vater um den Hals.

»Hast du schon mit Oma Amelia darüber gesprochen?«, erkundigte sich Jacinta erschrocken.

Plötzlich hörte sich alles beängstigend real an. Sie erinnerte sich an die Auseinandersetzung mit ihren Eltern zum Thema Internat in Heronswood und daran, wie heftig sie sich dagegen gesträubt hatte.

»Was ist mit der Schule? Wollt ihr etwa, dass ich sie wechsle?«

»Das musst du mit deiner Mutter erörtern. Lass uns beim Abendessen darüber reden.« Noel steuerte auf die Tür zu.

»Dad, warte! Ich habe ein Recht darauf, ein bisschen mehr zu erfahren, wenn ihr meine ganze Welt auf den Kopf stellt«, beharrte Jacinta und stemmte die Hände in die Hüften.

»Nein, hast du nicht.« Lauren packte ihre Schwester am Arm und zerrte sie trotz ihres Widerstands zur Tür hinaus zum wartenden Wagen. »So schlimm wird es schon nicht, du wirst sehen. Außerdem kannst du uns immer übers Wochenende besuchen«, meinte sie beschwichtigend, während das Auto in Richtung Restaurant rollte.

Leicht berauscht vom Rum, seufzte Jacinta schicksalsergeben und schmiegte sich in den weichen Ledersitz. Wenn ihre Eltern für ein halbes Jahr nach Dubai verschwanden und sie ihre Mutter überreden konnte, sie zumindest einen Teil der Zeit allein wohnen zu lassen, würden das vielleicht die tollsten sechs Monate ihres Lebens werden.

Das Bridgedeck war ein kürzlich renoviertes, kleines und exklusives Restaurant, das einen atemberaubenden Blick auf die Broken Bay bot. Als Jacinta in den Nebenraum kam, schien die Geburtstagsfeier bereits in vollem Schwange. Die Gäste saßen lautstark plaudernd an einem langen Tisch, auf dem einige von Amelias Duftkerzen brannten. Amelia selbst schwebte durch den Raum, gehüllt in türkisen Chiffon mit einem Muster aus Blattgold. Ihr weiches blondes Haar war elegant zurückgesteckt, und an ihrem Hals baumelten einige lange Goldketten, an denen auch ihr Lieblingsstück hing, ein Anch-Kreuz. Auffällige goldene Ohrringe in Form der Zahl Siebzig zierten ihre Ohrläppchen. Beim Anblick der Neuankömmlinge leuchteten ihre Augen auf. Sie breitete die Arme aus, um sie zu begrüßen, und lief ihnen entgegen. Jacinta stellte fest, dass sie in der einen Hand ein Buch über Numerologie und in der anderen einen kleinen Kristallengel hielt.

»Noel, mein Lieber. Lauren! Jacinta! Michael!«, begeisterte sie sich.

»Nicht schon wieder«, murmelte Jacinta.

»Pst«, befahl Lauren und versetzte ihrer Schwester einen Rippenstoß. »Tolle Ohrringe, Oma Amelia«, verkündete sie fröhlich.

»Danke, Lauren, mein Kind. Poppy hat sie mir geschenkt.« Sie lächelte ihrem Mann, der sich gerade näherte, liebevoll zu.

»Eigentlich wollte ich, dass sie die mit der Fünfundzwanzig trägt. Das schien mir besser zu passen, aber sie wollte nichts davon hören«, erklärte Poppy. Alle lächelten höflich.

»Sei stolz auf dein Alter, so lautet mein Motto«, entgegnete Amelia und verteilte Küsse.

Nachdem die Familie einigen der Gäste vorgestellt worden war, begleitete Poppy Jacinta zu ihrem Platz zwischen Amelias älterer Schwester Sorrell und ihrem Enkel, dem achtzehnjährigen Todd. Noel nickte Danielle zu, worauf die beiden unauffällig nach draußen verschwanden.

»Ist das ein Hemd oder ein Kleid?«, meinte Sorrell tadelnd, als Jacinta sich setzte.

»Dreimal darfst du raten«, entgegnete Jacinta keck, die die direkte Art ihrer Großtante kannte. »Du trägst dein wunderschönes Medaillon.«

Sie streckte die Hand nach dem filigranen goldenen Familienerbstück am Hals ihrer Großtante aus.

»Das kannst du mir in deinem Testament vermachen«, fügte sie hinzu und ließ das Schmuckstück zurück auf Sorrells faltige Haut sinken.

Jacinta hatte vor einigen Jahren ihr Herz für ihre Großtante entdeckt, als sie herausgefunden hatte, dass Sorrell Amelias exzentrische Ader für »ziemlich merkwürdig« hielt. Die Großtante fing an, Jacinta nach Tim und ihrem Besuch im Hunter Valley auszufragen.

Als der Hauptgang serviert wurde, stellte Jacinta fest, dass sie tatsächlich Spaß hatte. Schon hoffte sie, dass der Abend amüsanter werden würde als erwartet, als Amelia, gestärkt mit einigen Gläsern Champagner, zu einem Vortrag über die Vorzüge der Körperarbeit ansetzte.

»Es ist ganz einfach. Der Körper weiß, was er braucht, und wenn man richtig hinhört, verrät er es einem«, erklärte sie, was unter den Gästen eine heftige Debatte auslöste.

»Nächste Haltestelle: eine Abhandlung über die Pluspunkte des Stillens«, raunte Todd Jacinta zu und schenkte ihr Wein nach.

»Igitt. Sei bloß still. Du bringst sie noch auf dumme Gedanken«, flüsterte Jacinta zurück und fing an zu kichern.

»Oh mein Gott«, rief Amelia aus, riss das bunte Einwickelpapier auf und nahm eine elegante weiße Keramikvase aus dem Karton, der sich darunter verbarg. »Ach, Kind, die ist wunderschön. Ich weiß schon genau, wo ich sie hinstelle.« Amelia lächelte ihrer Tochter liebevoll zu.

»Ich dachte, sie würde auf dem Tisch in deiner Vorhalle gut aussehen. Mit ein paar der traumhaften Lilien aus deinem Garten darin«, erwiderte Danielle mit einem Seufzer. »Und die sind von Mark«, fügte sie strahlend hinzu, als Amelia zwei kleine vergoldete Feng-Shui-Drachen und ein Päckchen Tarotkarten auspackte. Auf der Rückseite war eine auffällige spanische Tänzerin mit rotem Rüschenrock und schwarzem Spitzenschleier abgebildet.

»Wie reizend«, hauchte Amelia.

Plötzlich vermisste Jacinta ihren älteren Bruder und wünschte, er wäre heute Abend dabei gewesen.

Noel, der seit dem Telefonat ununterbrochen lächelte, gab Lauren, Michael und Jacinta ein Zeichen, ihre Geschenke zu überreichen. Jacinta verdrehte die Augen in Todds Richtung, stand auf und griff nach ihrem kleinen, rechteckigen Päckchen.

Laurens und Michaels Geschenk war ein unbeschreiblich weicher, teurer blauer Kaschmirschal, den Amelia sich sofort um die Schultern legte. Dann öffnete sie Jacintas Geschenk. Sie stieß einen Freudenschrei aus, schlug die Hand vor den Mund und sah ihre Enkelin mit Tränen in den Augen an.

»Als ich es sah, musste ich an dich denken und konnte nicht widerstehen«, platzte Jacinta heraus. Im nächsten Moment errötete sie verlegen, weil sie befürchtete, ihre Großmutter könnte eine große emotionale Szene machen. Insgeheim jedoch freute sie sich darüber, dass ihr Geschenk so gut angekommen war. »Das stimmt«, meinte sie zu Lauren, als sie sich wieder setzte.

Sie war mit Tim durch die Straßen von Muswellbrook geschlendert und dort auf einen kleinen Laden gestoßen, der Handgetöpfertes, Dekorationsgegenstände, Windspiele, bunt bedruckte Seidenschals und esoterische Literatur führte. Als Jacinta Tim voller Neugier hineingeschleppt hatte, hatte sie an der Wand eine kleine weiße, mit hübschen Kringeln in Gold verzierte Kachel entdeckt. Der indische Ladenbesitzer hatte ihr erklärt, die Kringel symbolisierten den heilenden und meditativen Laut »Om«. Jacinta hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört, war aber so von der Kachel begeistert gewesen, dass sie sie gekauft hatte. Auf dem Rückweg hatte Tim sie gehänselt, die schrulligen Familiengene hätten offenbar eine Generation übersprungen. Daraufhin hatte sie beschlossen, die Kachel ihrer Großmutter zu schenken, obwohl sie sich eigentlich nicht davon trennen wollte.

»Sie ist wunderschön. Ich werde einen ganz besonderen Platz dafür suchen«, sagte Amelia und betrachtete ihre Enkelin liebevoll. Dann musterte sie die Kachel noch eine Weile und intonierte dabei »Om«, sodass Jacinta noch heftiger errötete.

»Hat noch jemand Hunger?«, fragte Noel und sah sich um, während die Kellner die Reste des Hauptgangs abräumten. Es wurde still im Raum. »Nein? Dann ist es vermutlich Zeit, den förmlichen Teil des Abends einzuleiten. Ich bitte meine reizende Frau, die Tochter des Geburtstagskinds, die Festlichkeiten zu eröffnen.«

Die aufgesetzte Art ihres Vaters brachte Jacinta zum Gähnen. Sie lehnte sich zurück und verabreichte Todd von Zeit zu Zeit einen Rippenstoß. Während ihre Mutter Amelias englische Freunde begrüßte und eine Ewigkeit über runde Geburtstage und Feiern in ihrer Kindheit sprach, dachte Jacinta an Tim. Zu ihrer Erleichterung hielt Poppy eine erstaunlich kurze und zusammenhängende Rede und endete mit einem Scherz auf Französisch, von dem Jacinta kein Wort verstand.

Wieder gähnte sie und sah auf die Uhr, als Amelia sich bei allen bedankte und noch einmal ziemlich gerührt wirkte. Jacinta schenkte sich Champagner nach und fragte sich, wann sie sich wohl hinausstehlen konnte, um Vicki anzurufen. Gerade räumte sie widerstrebend ein, dass ihre Großmutter zwar ausgeflippt, aber ziemlich jugendlich und attraktiv aussah, als Danielle plötzlich mit einem Messer an ihr Weinglas klopfte und sich erhob.

»Ich möchte Mum nicht die Schau stehlen, denn der heutige Abend gehört ihr und Poppy. Allerdings werden die beiden sicher nichts dagegen haben, dass ich euch mitteile, was für eine wundervolle Nachricht Noel und ich soeben erhalten haben.« Auf einmal wurde es still im Raum. »Sie ist auch der Grund, warum wir so spät gekommen sind.«

Sie holte tief Luft.

»Sein Arbeitgeber hat Noel mit der Leitung eines millionenschweren Projekts in Dubai beauftragt. Das ist ein gewaltiger Aufstieg für Noel und bedeutet, dass wir nicht, wie ursprünglich geplant, für sechs Monate nach Dubai ziehen werden, sondern für drei Jahre.« Sie sah Lauren an. »Keine Sorge, Schatz, die Geburt meines ersten Enkelkinds lasse ich mir nicht entgehen.«

Alle applaudierten. »Wo bleibt der Trinkspruch?«, rief einer der Gäste.

»Vielen, vielen Dank.« Danielle errötete vor Freude. »Ich … wir sind beide sehr aufgeregt. Natürlich wird das zu Veränderungen führen, aber es ist wirklich die Chance unseres Lebens.«

Jacinta, die gerade den Mund voller Champagner hatte, verschluckte sich, lief rot an und bekam einen Hustenanfall.

»Drei Jahre! Ihr habt von sechs Monaten gesprochen«, rief sie ungläubig, als sie die Sprache wiedergefunden hatte.

»Nicht jetzt«, murmelte Sorrell und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.

»Mach dir nichts draus, Jacinta, mein Kind. Du weißt, dass du gern bei uns wohnen kannst, so lange du willst. Wir könnten einen jungen Menschen im Haus gebrauchen, der uns auf Trab hält«, sagte Amelia.

»Siehst du?«, flüsterte Sorrell.

Jacinta ließ sich zurücksinken und starrte mit finsterer Miene aufs Tischtuch. Warum musste ihre Mutter ihr das antun? Weshalb hatte sie nicht gewartet und zuvor mit ihr gesprochen, anstatt ihre hübsche kleine Bombe in Gegenwart von Oma Amelia und ihren schrulligen Freunden platzen zu lassen? Wollte sie absichtlich ihr Leben ruinieren?

»Da wir schon beim Verkünden von Neuigkeiten sind«, meinte Amelia, »habe ich euch auch etwas mitzuteilen. Danielle, ich muss dir beichten, dass dein wunderschönes Geschenk nicht in unserem Haus in den Blue Mountains stehen wird, weil es uns nicht mehr gehört. Wir haben Blue Mists verkauft und ziehen an die Küste. Da wir in Zukunft ein ruhigeres, gemächlicheres Leben führen wollen, haben wir ein reizendes altes Haus gekauft. Es heißt Kookaburra, hat ein altmodisches Blechdach und steht in dem kleinen Küstenort Come-What-May – Komme, was da wolle. Ist das nicht ein schöner Name? Für diejenigen, die es nicht wissen: Come-What-May hat achthundert Einwohner und liegt idyllisch und abgelegen ein paar Autostunden nördlich von Sydney. Die ehemaligen Besitzer des Kookaburra waren Milchbauern. Aber als damit kein Geld mehr zu verdienen war, haben sie das Haus zu einem kleinen, eine Zeit lang sehr beliebten Café umgebaut.«

Sie hielt Poppy die Hand hin.

»Und dieser wundervolle Mann ermöglicht es mir, meinen Traum wahrzumachen und meine eigene Teestube zu eröffnen. Das Haus eignet sich ausgezeichnet für unser Vorhaben, einen gemütlichen Treffpunkt für Senioren einzurichten.«

Alle seufzten auf, prosteten Amelia und Poppy zu und wünschten ihnen viel Glück für ihr neues Projekt.

»Das ist, als lasse man den Fuchs in den Hühnerstall«, meinte Sorrell und tätschelte Jacinta das Knie. Doch anstatt sie zu beruhigen, schürte der Scherz nur Jacintas Wut. Ergriffen von einer Welle des Zorns auf ihre Mutter, sprang sie auf.

»Wahrscheinlich wusstest du das auch schon die ganze Zeit«, schrie sie Danielle an. »Was soll ich dabei? Was ist mit meinem Leben und meinem Zuhause? Bin ich dir völlig egal?«

»Natürlich bist du uns nicht egal, Schatz. Außerdem sind wir genauso überrascht wie du«, erwiderte Danielle und erbleichte. »Du kannst trotzdem bei deinen Großeltern wohnen, nur eben in einem Haus, das ein bisschen kleiner und ein Stück weiter entfernt ist. Während der Woche bleibst du im Internat. Es ist ja nur, bis du die Schule abgeschlossen hast. Du kannst immer noch alles machen.«

»Nur bis ich die Schule abgeschlossen habe«, höhnte Jacinta. »Und wenn ich mich weigere, bei ihnen zu wohnen? Was macht ihr dann? Setzt ihr mich auf die Straße?«

»Jetzt benimmst du dich albern«, stammelte Danielle, die bemerkte, dass die anderen Gäste den Wutanfall ihrer Tochter aufmerksam verfolgten.

»Es gibt jede Menge zu tun. Das Mädchen soll sich mit Spachtel und Schmirgelpapier beschäftigen anstatt mit diesem teuren Designermüll. Meeresluft, Wanderungen durch den Busch und Zeit zum Nachdenken, damit sie endlich erwachsen wird«, meinte Poppy zu niemandem im Besonderen.

»Dein Großvater hat recht. Du wirst ziemlich beschäftigt sein, Jazz. Wir könnten jemanden brauchen, der uns zur Hand geht, wenn wir das Haus herrichten. Deine Freunde sind natürlich auch willkommen. Insbesondere die, die mit einem Pinsel umgehen können«, zog Amelia sie liebevoll auf.

»Das ist offenbar wirklich euer Ernst. Ich fasse es nicht!« Entgeistert starrte Jacinta erst ihre Mutter und dann ihre Großmutter an.

»Ich denke, wir sprechen zu Hause weiter darüber«, verkündete Noel mit Nachdruck.

»Klar, das wäre eine Möglichkeit, Dad, nur dass du es nicht getan hast. Genau das ist ja das Problem«, rief Jacinta, außer sich vor Verzweiflung und Zorn. »Du wusstest Bescheid und hast es mir verschwiegen. Ich stand vor deiner Nase, Dad, und du hast es mir nicht verraten. Du hörst mir nicht zu. Du und Mum, ihr hört mir nie zu. Meine Meinung interessiert euch nicht. Aber ich sage sie euch trotzdem: Ich will nicht ins Internat, und ich will nicht bei Oma Amelia und Poppy wohnen. Ich weigere mich, meine Wochenenden in einer Blechhütte in irgendeinem komischen Kaff mit einem dämlichen Namen in der Einöde zu verbringen. Ich will nicht! Warum sollte ich auch? Ich will nicht, ich will nicht …«

»Jacinta, werde bitte nicht frech«, empörte sich Danielle.

»Komm schon, Jazz«, mischte sich Lauren ein.

»Ach herrje«, seufzte Amelia.

»Heutzutage haben die jungen Leute zu viel Geld und zu viele Freiheiten«, stellte Poppy mit einem traurigen Kopfschütteln fest.

»Es reicht«, donnerte Noel. »Danielle, überlass mir die Sache.«

Die Gäste begannen verlegen zu tuscheln, als er mit versteinerter Miene auf seine jüngere Tochter zusteuerte.

»Du hörst sofort auf, deiner Großmutter die Geburtstagsfeier zu verderben, mein Kind.«

Er zerrte Jacinta hoch, packte sie fest am Ellbogen und schob sie aus dem Lokal auf den Parkplatz.

»Wenn du dich beruhigt hast, kommst du zurück und entschuldigst dich bei deiner Großmutter, deinem Großvater und ihren Gästen. Den restlichen Abend wirst du dich benehmen.« Als er Jacintas Arm losließ, blieben rote Fingerabdrücke auf ihrer zarten Haut zurück.

»Nein! Und ich werde auch nicht bei ihnen wohnen! Ihr könnt mich nicht dazu zwingen.« Jacinta rieb sich den Arm, untersuchte ihn, hielt ihn ihrem Vater hin und wies anklagend auf die Striemen. »Schau, was du gemacht hast. Du hast mir wehgetan! Ich hasse sie, und ich hasse dich! Ich gehe nicht wieder rein, um mich zu entschuldigen!«

»Und wo beabsichtigst du während unserer Abwesenheit zu leben?« Noels Tonfall war eisig. Er griff nach seinem Mobiltelefon. Jacinta sank wie ein Häufchen Elend auf die nächstbeste Bank und kämpfte mit den Tränen.

»Danny fährt dich nach Hause. Hol deine Sachen und komm sofort zurück«, befahl Noel und steckte das Telefon wieder ein. Zehn Minuten später stieg eine mürrisch schweigende Jacinta ins Auto.

»Sie können mich bei Vicki absetzen«, wies sie Danny an, als der Wagen sich in Bewegung setzte.

»Ich fürchte, das geht nicht. Ihr Vater möchte, dass ich Sie auf direktem Weg nach Hause bringe«, erwiderte Danny höflich.

Jacintas Miene verfinsterte sich. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte sie aus dem Autofenster in die Nacht und unterdrückte die Tränen. Danny bog in die Auffahrt ein. Der Wagen stand kaum, als Jacinta schon hinaussprang, die Tür zuknallte und ins Haus rannte.

»Das dürfen sie nicht! Das ist auch mein Zuhause«, schrie sie, schlug die Eingangstür hinter sich zu und schleuderte ihre Handtasche quer durch die Vorhalle ins Wohnzimmer. »Drei Jahre in Come… was auch immer. Drei Jahre! In einem Nest, von dem noch niemand gehört hat. Was ist mit meinen Freunden und mit meinem Leben? Interessiert sich denn gar niemand dafür, was ich will?« Sie riss sich die Sandalen von den Füßen und warf sie hinter der Handtasche her. Dann marschierte sie ins Wohnzimmer, ließ sich auf das fleckenlose cremefarbene Sofa fallen, schubste die ordentlich gestapelten Zeitschriften ihrer Mutter vom Couchtisch auf den Boden und brach in Tränen aus. Sich selbst bemitleidend, weinte sie die nächsten zehn Minuten lang bitterlich und verfluchte ihre Eltern. Ihre rauen Schluchzer hallten durch das leere Haus.

Wegen der warmen Nacht war es stickig im Haus. Nach einer Weile fand selbst Jacinta, dass ihr Weinen ein wenig lächerlich klang. Sie wischte die Tränen mit den Handrücken weg, riss die Terrassentür auf, betrachtete den dunklen Ozean und fragte sich, wie sich ihr Leben wohl verändern würde und wie sie das alles Tim beibringen sollte. Ihre Schultern sackten nach vorn, und sie versank wieder tief in ihrem Elend. Und Vicki. Was würde ihre beste Freundin dazu sagen? Natürlich – Vicki!

Rasch nahm sie ihr Telefon aus der Handtasche und wählte die Nummer. Vicki meldete sich sofort.

»Oh Vicki, du kannst dir nicht vorstellen, was gerade passiert ist. Die reinste Katastrophe«, schluchzte Jacinta in den Hörer.

»Hi, Jazz. Was ist los?« Vicki klang geistesabwesend.

»Es ist einfach entsetzlich«, begann Jacinta, der wieder die Tränen in die Augen traten.

»Du, Jazz, ich kann gerade nicht reden. Tiger ist noch da. Ich rufe dich an, sobald er weg ist, Ehrenwort. Dann kannst du mir alles ganz genau erzählen. Okay?«

»Okay«, erwiderte Jacinta bemüht fröhlich. Im Hintergrund hörte sie Tiger lachen.

Nachdem sie aufgelegt hatte, fühlte sie sich schrecklich einsam. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Tim anzurufen. Aber was, wenn er sich ohne sie amüsierte? Dann würde sie sich nur noch elender fühlen.

Im nächsten Moment fiel ihr Blick auf die noch ungeöffneten Flaschen Wein aus Clarence Lodge. Sie nahm einen Korkenzieher von der Anrichte, entkorkte eine Flasche, trank einen Schluck, verzog das Gesicht und trank noch einmal. Der Wein verursachte ein warmes Gefühl, und nach einigen weiteren Schlucken schmeckte er ihr sogar beinahe.

Jacinta sprang auf, steckte den Korken zurück in die Flasche, rannte nach oben in ihr Zimmer und zog sich das schwarze Minikleid über den Kopf. Nachdem sie es zusammengeknüllt und in die Ecke geworfen hatte, kippte sie ihren Koffer auf dem Boden aus, sodass die Kleidungsstücke in alle Richtungen flogen. Sie griff nach den Designershorts und dem T-Shirt, die sie beim Poloturnier getragen hatte, schlüpfte hinein und lief wieder nach unten. Dort schnappte sie sich die Flasche, eilte aus dem Haus und den gewundenen Pfad hinunter zum Strand.

Wenn das Leben ihr übel mitspielte, zog sich Jacinta stets an den Strand zurück, der an diesem Abend so friedlich und idyllisch wirkte wie immer. Es war Vollmond. Die von funkelndem weißem Schaum gekrönten Wellen brachen sich sanft am Ufer. Kleine silbrige Wölkchen spiegelten sich in den Pfützen, die die Ebbe hinterlassen hatte. Als Jacinta weiterging, spürte sie den weichen Sand unter ihren Zehen und die kühle Nachtluft auf den Wangen. Schließlich hatte sie ihren Lieblingsplatz zwischen zwei großen Felsen erreicht, wo sie sich setzte, die Weinflasche im Sand abstellte, das Kinn in die Hände stützte und bedrückt auf das dunkle Meer hinausstarrte.

Sie würde ihr gewohntes Leben aufgeben müssen, ihre große Liebe verlieren und war absolut machtlos dagegen. Jacinta entkorkte die Flasche und trank einen Schluck Wein. Als sie die Flasche an den Felsen lehnen wollte, kippte diese um, und ein dunkler Fleck breitete sich im Sand aus. Schimpfend griff Jacinta danach, wischte den Sand vom Flaschenhals und richtete sie wieder auf.

Die Flasche war wie ihr Leben, dachte sie. Alles Schöne würde verrinnen.

Wieder traten ihr Tränen in die Augen und liefen die Wangen hinunter. Zu niedergeschlagen, um sie wegzuwischen, ließ Jacinta sie einfach fließen. Nachdem sie versiegt waren, saß sie da, betrachtete die Wellen und leerte in kleinen Schlucken die Weinflasche.

Als sie zu frieren begann, rappelte sie sich ziemlich beschwipst auf und kehrte zum Haus zurück. Sie stellte die leere Flasche auf den Tisch, setzte sich auf den kühlen Wohnzimmerboden, lehnte sich ans Sofa und schloss die Augen.

Die Welt drehte sich um sie, während ihr die Ereignisse des heutigen Abends immer wieder im Kopf herumgingen. Jacinta zog eines der Sitzpolster vom Sofa auf den Boden und legte sich hin. Kurz darauf fing sie leise an zu schnarchen.

Kapitel 3

Jacinta wurde vom Dröhnen des Staubsaugers geweckt. Ihr Schädel pochte, und sie hatte einen faden Geschmack im Mund. Vorsichtig schlug sie die Augen auf, sah sich verdattert um und stellte fest, dass sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer lag. Mit einem Aufstöhnen schloss sie die Augen wieder, als die Hiobsbotschaft des gestrigen Abends erneut über sie hereinbrach.

Wie konnten ihre Eltern ihr das antun? Wie konnten sie ihr Leben ruinieren, indem sie sich drei Jahre lang ins Ausland absetzten? Drei Jahre! Wie sollte sie Tim beibringen, dass sie ihr wunderschönes Zuhause in Sydney aufgeben und in ein langweiliges Nest an der Küste ziehen würde? Wie sollte sie sich mit ihm treffen, wenn sie in Heronswood im Internat wohnte? Und warum hatte er nicht angerufen?

Trotz der Erinnerung an seinen leidenschaftlichen Abschiedskuss machte ihr der Streit weiterhin zu schaffen. Was, wenn sie ihn so verärgert hatte, dass er nun mit Samantha ging und es einfach noch nicht geschafft hatte, es ihr zu erzählen? Nein, das war einfach unvorstellbar! So etwas passte nicht zu ihm.

Jacinta drehte sich um und setzte sich mühsam auf. Sie hatte Kopfschmerzen, und vom Liegen auf dem harten Holzboden tat ihr der Rücken weh. Sie griff nach ihrem Mobiltelefon und klickte sich durch ihr Adressbuch. Als ihr Finger gerade über Tims Nummer schwebte, kam ihre Mutter herein.

»Ach, hier bist du! Sag jetzt nicht, du hättest die ganze Nacht auf dem Fußboden geschlafen, Jacinta!« Mit einem theatralischen Seufzer hob Danielle eine von Jacintas Sandalen auf, die hinter der Tür lag. »Deine Großmutter hat uns in ihr neues Haus in Come-What-May zum Mittagessen eingeladen. Sie hat mich gebeten, Sandwiches mitzubringen. Du musst aufstehen und mir helfen, sie zu belegen«, verkündete sie und klopfte sich dabei mit der Sohle der Sandale auf die Handfläche.

»Ich komme nicht mit«, entgegnete Jacinta mürrisch.

»Doch. Wegen der vielen Veränderungen gibt es eine Menge zu organisieren, und du wirst mir dabei zur Hand gehen«, erwiderte Danielle streng, angelte den zweiten Schuh hinter einem Sessel hervor und stellte beide Sandalen neben Jacinta ab. Dann sammelte sie die auf dem Boden verstreuten Zeitschriften ein und stapelte sie ordentlich auf dem Couchtisch.

»Ist es dafür nicht ein bisschen spät?«, gab Jacinta trotzig zurück. Sie stemmte sich hoch und ließ sich aufs Sofa fallen.

»Zu spät wofür? Was soll das heißen?«

»Mich an den Vorbereitungen zu beteiligen. Bisher habt ihr euch doch auch die Mühe gespart, mich zu informieren. Woher der plötzliche Sinneswandel?«

Danielle entdeckte die leere Weinflasche auf dem Tisch.

»Hast du die etwa ausgetrunken?«, fragte sie, hielt die Flasche ans Licht und sah ihre Tochter missbilligend an.

»Und wennschon.« Jacinta erwiderte den Blick ihrer Mutter mit finsterer Miene.

Danielle seufzte auf. »Komm schon, Liebes, sei vernünftig. Du hast keine andere Wahl.«

»Oh! Also ist es in Ordnung, dass ihr alles auf den Kopf stellt. Und wenn es mir nicht gefällt, habe ich eben Pech gehabt. Was bedeutet, dass ich keine andere Wahl habe. Schließlich gehöre ich auch zur Familie, oder? Warum redet niemand mit mir?«

»Wir haben das Thema an Weihnachten erörtert«, antwortete Danielle erschöpft. »Natürlich bist du uns wichtig, Jazz. Dein Vater hat erst gestern Abend die feste Zusage erhalten. Vorher wussten wir es auch nicht.«

»Schon wieder findest du Ausflüchte und schiebst alles auf Dad. Du hättest es mir vor der Geburtstagsfeier sagen sollen«, zischte Jacinta. »Du hättest es mir erzählen müssen, als ich im Restaurant ankam. Stattdessen hast du es zuerst öffentlich hinausposaunt.«