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Der Staat ist ein Ozean, du brauchst nur die richtige Kelle, um daraus zu schöpfen!" Der Autor war über 25 Jahre Steuerfahnder bei einem Finanzamt. Dabei war er insbesondere als Leiter von Ermittlungsgruppen tätig. Er beschreibt in seinem Roman, basierend auf Erlebnissen als Steuerfahnder, sogenannte "Schwarzgeschäfte" im Dienstleistungsgewerbe. Die fiktive Handlung umfasst Aspekte der organisierten Kriminalität in Bezug zu Steuerstraftaten. Mit Exkursionen zu den Themen Sozialhilfe, Krankenversicherung und Rotlicht-Milieu schildert er anschaulich und spannend die Auswüchse in diesen Bereichen. Zu Beginn des Romans begleiten wir den Protagonisten, Steuerfahnder Tom, zu einer groß angelegten Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und Polizei. Die ersten Durchsuchungen richten sich wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Inhaber von Spielhallen, Dönerketten, einer Security-Firma und einer Baufirma. Bei anschließenden Ermittlungen findet Tom heraus, dass alle handelnden Personen mittels ihrer Firmen Einnahmen erzielen, die sie auf professionelle Art und Weise der Besteuerung entziehen. Dadurch stellen sich die "Unternehmer" in Deutschland oft mittellos und kassieren zusätzlich zu den hinterzogenen Steuern Sozialleistungen. Fazit des Autors: Die im Roman thematisierten Schäden könnten sich locker im Bereich von Milliarden Euro pro Jahr bewegen.
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Seitenzahl: 387
Veröffentlichungsjahr: 2023
>Tom blickte jetzt erst recht vollkommen verständnislos abwechselnd den Gang entlang und zu dem Justizangestellten. Dieser fuhr amüsiert fort:
„Wir müssen für jeden U-Häftling, egal welcher ethnischer Herkunft, ein üppiges Frühstück und Mittagessen bereithalten. Wir haben hier belegte Brötchen liegen, die sind halal, koscher, mit Schweinefleisch oder ohne Schweinefleisch, mit Lammfleisch, vegetarisch, vegan, grün oder rot. Hab ich jetzt noch was vergessen?! Unsere Kantine muss die Brötchen morgens extra richten, damit die Herrschaften nicht verhungern, bevor sie dem Haftrichter vorgeführt werden.“<
Helmut M. Klempa, geboren 1954, war über 25 Jahre Steuerfahnder bei einem Finanzamt. Während seiner aktiven Dienstzeit hat er in allen Wirtschaftszweigen ermittelt, unter anderem auch im Bereich des bandenmäßig organisierten Steuerbetrugs. Dabei war er insbesondere als Leiter von Ermittlungsgruppen tätig.
Helmut M. Klempa
Die Steuerfahndung
und der
Schwarzmeer-Clan
„Der Staat ist ein Ozean,
du brauchst nur die richtige Kelle,
um daraus zu schöpfen.“
Roman
© 2023 Helmut M. Klempa
ISBN Softcover
978-3-347-94697-2
ISBN E-Book
978-3-347-94698-9
Druck und Distribution im Auftrag :
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:
tredition GmbH
Abteilung "Impressumservice"
An der Strusbek 10
22926 Ahrensburg
Germany
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Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort des Autors
Kapitel 1 Aktion in der Stadt
Kapitel 2 Bodran
Kapitel 3 Wieder in der Stadt
Handelnde Personen
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Vorwort des Autors
Ich schildere in meinem fiktiven Roman, basierend auf Erlebnisse aus meinem Berufsleben als Steuerfahnder bei einem Finanzamt, sogenannte „Schwarzgeschäfte“ im Dienstleistungsgewerbe. Die fiktive Handlung umfasst Aspekte der organisierten Kriminalität in Bezug zu Steuerstraftaten. Mit Exkursionen in den Bereich von Sozialhilfe, Krankenversicherung und Rotlicht-Milieu beschreibe ich anschaulich die Auswüchse in diesen Bereichen.
Ich zeige dabei ein spannendes und unterhaltsames aber auch erschreckendes Bild eines Landes auf, das sich immer mehr in einer kulturellen sowie wirtschaftlichen Transformation befindet. Dabei liegt der Fokus auf der hoch kriminell organisierten Schattenwirtschaft im Dienstleistungsgewerbe.
Die Steuerstrafverfahren in diesem Milieu, die im Bereich der organisierten Kriminalität angesiedelt sind, stellen lediglich einen Teilbereich aus der Arbeit der Steuerfahndung dar.
Die Handlung und alle in meinem Roman auftretenden Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit noch lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Kapitel 1 Aktion in der Stadt
„Na du Landei, schon wieder verfahren?“
Tom Möller, Steuerfahnder beim örtlichen Finanzamt und Leiter der Ermittlungsgruppe Schwarzmeer, wollte sich um 6:30 Uhr mit seinen Kollegen in den Räumlichkeiten der Bereitschaftspolizei zu einer Einsatzbesprechung treffen. Alle Abteilungen der Steuerfahndung waren heute Morgen in einer gemeinsamen Durchsuchungsaktion mit der Polizei unter Leitung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft unterwegs.
Als verantwortlicher Ermittlungsführer der Ermittlungsgruppe „EG Schwarzmeer“ hat Tom die für heute angesetzte Durchsuchungsaktion seit Tagen akribisch geplant. Die Ermittlungsgruppe bildet innerhalb der Steuerfahndung eine eigene Organisationseinheit bestehend aus Tom und sechs weiteren Fahndern. Die restlichen Abteilungen waren heute zur Unterstützung der Durchsuchungsmaßnahmen eingeteilt.
Die Ermittlungsgruppen der Steuerfahndung sind vergleichbar mit den aus Film und Fernsehen bekannten Ermittlungsgruppen der Polizei, die auch Sonderkommissionen oder kurz "Sokos" genannt werden. Diesen EGs wird zu Beginn der Ermittlungen ein griffiger Name gegeben, damit Post, E-Mails usw. direkt an die zuständigen Bearbeiter weitergeleitet werden können. Während einer kleinen Kaffeepause in der Dienststelle hatten die Mitglieder der Ermittlungsgruppe nach einem Namen für die EG gesucht. Paul Ehrler, ein langjähriger Kollege und Freund von Tom, hatte die Initialzündung für einen treffenden Namen und verdiente sich damit ein kühles Feierabendbier.
Tom musste beim Gedanken an den Namen „EG Schwarzmeer“ schmunzeln. Der könnte nicht passender sein, da es sich bei den Personen, auf die sich die Ermittlungen derzeit fokussieren, hauptsächlich um Türken, Bulgaren und Rumänen handelt, also alle aus Ländern, die am Schwarzen Meer liegen.
Bei der Steuerfahndung werden EGs für die Ermittlung von bedeutenden Steuerstraftaten oder wie bei der EG Schwarzmeer beim Verdacht einer bandenmäßigen Steuerhinterziehung zusammengestellt. Die EG Schwarzmeer war aktuell für die Ermittlungen von Straftaten im Bereich Geldspielautomaten, Abdeckrechnungen im Baugewerbe, Securitybranche, Dönerbuden und Prostitution zuständig.
Tom hatte sich vor Beginn der Ermittlungen mit seinem Sachgebietsleiter Emir Turan zusammengesetzt, um das Team zusammenzustellen. Beide wussten, dass neben der Qualifikation der einzelnen Teammitglieder auch die Chemie zwischen allen passen musste. Hinzu kam, dass die Fahnder die Ermittlungen an ihre eigenen, aktuellen Fällen, zurückstellen mussten. Weitere Kriterien waren die Bereitschaft auch mal am Wochenende zu arbeiten und vor allem war absolute Teamfähigkeit gefordert. Für diese im Dienstleistungsbereich zu führenden Strafverfahren waren auch spezielle Kenntnisse erforderlich, die Tom und alle Kollegen der EG bei der Arbeit an früheren Verfahren gewonnen hatten. Tom selbst – 50 Jahre alt und vom Dienstgrad her Oberamtsrat - war schon seit Jahren in diesem Sektor tätig. Er wurde von der Staatsanwaltschaft als Ermittlungsführer und Koordinator zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Steuerfahndung eingesetzt.
Heute morgen waren er und weitere Kollegen seines Teams zum Treffpunkt bei der Polizei unterwegs: Der IT-Spezialist Steffen Becker, der im Rahmen der Durchsuchungen für die Datensicherung verantwortlich war, außerdem noch Noah, Mareike, Svenja, Mats und Paul - alle hochqualifizierte Steuerfahnder und Ermittlungspersonen für die Staatsanwaltschaft. Weitere Steuerfahnder aus der Dienststelle unterstützten die Durchsuchungshandlungen und würden danach wieder an ihren eigenen Fällen weiterarbeiten.
Die Fahrt zur Einsatzbesprechung war für Tom wie immer purer Stress, da sich eine Fahrt mit dem Auto durch das Labyrinth der Quartiere mit ihren Einbahnstraßen für ihn immer noch als schwierig erwies. Tom war zwar nach über 20 Jahren Fahndungsdienst ortskundig, aber eine Baustelle brachte ihn dann doch kurzfristig aus dem Konzept.
Die nörgelnde Susi „Wenn möglich bitte wenden!“ half da auch nicht wirklich weiter.
Aber etliche Quartiere später hatte er es geschafft. Tom fuhr um 6:28 Uhr auf den Hof der Polizei, seine Kollegen erwarteten ihn bereits. Breit grinsend kam Paul Ehrler auf ihn zu:
„Na du Landei, schon wieder verfahren?“
Tom ließ das kommentarlos in der frostigen Morgenkälte stehen. Die Bemerkung von Paul bezog sich darauf, dass Tom seit Jahren ca. 40 Kilometer von der Stadt entfernt auf dem Land wohnt. Tom begab sich ohne schuldhaftes Zögern in den riesigen Besprechungsraum der Bereitschaftspolizei. Paul und die Kollegen der EG Schwarzmeer folgten ihm zusammen mit den restlichen Steuerfahndern.
„Jetzt können wir ja anfangen…“
Sie wurden von den Kollegen der Polizei bereits erwartet. Mit den Worten: „Jetzt können wir ja anfangen,“
eröffnete der Polizeipräsident der Stadt die Einsatzbesprechung. Paul, sonst für jeden Spruch zu haben, verzichtete Tom gegenüber auf weitere Kommentare und sie lauschten der Ansprache des Herrn Präsidenten. Nach einer kurzen Begrüßung übergab er das Wort an den Einsatzleiter der Polizei, Thilo Werner, welcher auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei zuständig war.
Die Einsatzbesprechung diente der letztmaligen Absprache und Koordinierung der Durchsuchungen, die an diesem frühen, kalten Aprilmorgen zeitgleich um 8:00 Uhr an sieben Einsatzstellen in der Innenstadt und der weiteren Umgebung beginnen sollten.
Herr des Verfahrens war der neben dem Rednerpult sitzende Erste Staatsanwalt (EStA) Nicolas Mölders von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, ein brillanter, oft schlecht gelaunt wirkender 40 jähriger Jurist. Tom und seine Kollegen kannten Nicolas schon seit Jahren und waren per du mit ihm. Nicolas hielt sich erfahrungsgemäß in solchen Einsatzbesprechungen immer zurück, da vorrangig die logistischen Abläufe für heute Morgen besprochen werden sollten. Dabei war die Polizei federführend. Sie hatte sozusagen das Kommando während der Durchsuchungsaktion.
Die Steuerfahnder, hier speziell die EG Schwarzmeer, waren als Ermittler in Bezug auf Steuerhinterziehung in die Aktion eingebunden. Mit den Sachverhalten waren alle Fahnder schon durch Vermerke, Grafiken, Tabellen und intensiver Vorbesprechungen bestens vertraut. Sie hatten nach Ablauf des Verfahrens die Ermittlungsergebnisse an EStA Nicolas Mölders zu berichten.
Die Polizei stellte an diesem Morgen mit Sondereinsatzkommandos, Schutzpolizei, Bereitschaftspolizei und Kriminalpolizei ein beeindruckendes Kontingent von insgesamt 30 Personen. Diese waren im Rahmen der heutigen Aktion für die Sicherheit der beteiligten Kollegen und die Sicherung der Durchsuchungsobjekte verantwortlich.
Der im Strafverfahren beschuldigte Yusuf Aslan - ein 28-jähriger türkischstämmiger Deutscher - und dessen Umfeld waren quasi alte Bekannte der Polizei. Die Gruppe um Yusuf Aslan fiel der Polizei schon seit Jahren im Bereich bandenmäßiger Betrug, Prostitution und verschiedener Gewaltdelikte auf. Tom war vor einigen Wochen im Verlauf von Vorermittlungen aufgrund einer Anzeige zum Ergebnis gekommen, dass gegen Yusuf Aslan - zusätzlich zu dessen polizeibekannten Aktivitäten - auch der Verdacht auf Steuerhinterziehung in großem Ausmaß bestand. Die Staatsanwaltschaft hatte nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens Polizei und Steuerfahndung für die heutige, gemeinsame Aktion zusammengeführt.
Die Polizisten waren ausschließlich für heute Morgen zugeteilt, sie waren bewaffnet und speziell für Durchsuchungen ausgerüstet. Dies kam besonders Tom und seinen Kollegen zugute, da die Bundesländer ihrer „Steuerpolizei“ aus Kostengründen lediglich Schutzwesten zur Verfügung stellten. Tom erinnerte sich gerade an die letzte Talkshow, die er sich im Fernsehen angesehen hatte. Darin hatte der Ministerpräsident die Grundgedanken seiner Politik verkündet:
„Oberste Priorität im Land hat der Umweltschutz und der Schutz bedrohter Tiere.“
Die Steuerfahnder gehören offensichtlich nicht dazu. Sie waren zusammen mit Staatsanwalt Nicolas Mölders, der in Bezug auf die Ausrüstung ihr Schicksal teilte, als einzige in Zivil unterwegs. Darüber trugen sie einfache Schutzwesten. Es beruhigte Tom, dass für die heutige Durchsuchung die Sicherheit der Aktionen und eventuelle Verhaftungen der Polizei zufielen. Svenja Römer, die zur Rechten von Tom Platz genommen hatte, plagten offensichtlich die gleichen Gedanken. Sie flüsterte Tom zu:
„Ich bin froh, dass die Polizei dabei ist, die Vorstrafen von Aslan und den Kumpels aus seinem Umfeld sind beeindruckend.“
Svenja war innerhalb der Ermittlungsgruppe für die Abklärung der persönlichen Daten der in Verdacht geratenen Personen zuständig und hatte dazu auch deren Vorstrafenregister eingesehen. Heute hatte sie endlich die Möglichkeit, die Steuerstraftaten des Beschuldigten und anderer türkischer Unternehmer aufzuklären, die schon lange in ihrer geliebten Heimatstadt aktiv waren - eine Aufgabe, die ihr sehr am Herzen lag.
Der Einsatzleiter der Polizei, Thilo Werner, ein hochdekorierter Kollege aus dem Führungsstab des Polizeipräsidiums der Stadt und Pressesprecher begann mit seinen Ausführungen. Er stellte aufgrund der bisherigen Erkenntnisse der Polizei mit kurzen, markigen Worten die Straftaten vor, die Yusuf Aslan und den polizeibekannten Personen aus seinem Umfeld zur Last gelegt wurden. Es handelte sich dabei – wie von Svenja auch festgestellt - nach seinen Worten um „das übliche Betätigungsfeld“ der Beschuldigten, dem Glücksspiel an Geldautomaten in den Spielhallen, einhergehend mit Betrug, Erpressung, Drogen und Prostitution.
Thilo meinte dazu noch ergänzend:
„Aslan selber war in diesem Bereich vor einigen Jahren auffällig unterwegs. Aktuell sind eher seine Freunde aus der Poser-Szene und Shisha-Bars im Fokus unserer Ermittlungen. Jetzt haben aber auch die Steuerfahnder Aslan am Wickel.“
Mit seinem Blick auf Tom gerichtet fuhr er fort:
„Denn last but not least, weshalb wir auch die heutigen Durchsuchungen gemeinsam durchführen, geht es diesmal um bandenmäßige Steuerhinterziehung.“
Dabei lächelte er in die Runde der anwesenden Steuerfahnder, da das „last but not least“ ausschließlich deren Job war. Und der war nicht einfach.
Die EG Schwarzmeer führte bereits verschiedene Steuerstrafverfahren im Bereich Sicherheitsgewerbe, Baugewerbe und Dönerbuden. Heute ging es um Spielhallen, die auch schon länger im Fokus der EG Schwarzmeer standen. Begonnen hatte es damit, dass seit geraumer Zeit beim Bereitschaftsdienst der Steuerfahndung immer wieder per Mail und Telefon Anzeigen eingingen. Sie richteten sich u.a. gegen Yusuf Aslan und gegen verschiedene Personen aus dem gerade von der Polizei beschriebenem „Milieu“ in der Stadt. Dabei ging es auch um vermeintlich manipulierte Geldspielgeräte in Spielhallen.
Die Anzeigen führten zunächst zu Strafverfahren gegen Verantwortliche von Bau- und Security-Firmen und Vorermittlungen gegen den Betreiber einer Döner-Kette. Für den Bereich Geldspielautomaten waren die Anzeigen bis vor Kurzem nicht dezidiert genug, um Vorermittlungen in die Wege zu leiten. Nachdem aber eine Anzeigerin während des Bereitschaftsdienstes von Tom Anfang März Manipulationen eines türkischen Spielhallenbetreibers namens Yusuf Aslan mit Wohnsitz in der Stadt unter angeblicher Mithilfe seines Steuerberaters Karl Wendig geschildert hatte, wurde mit Vorermittlungen begonnen.
„Deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund…“
Diese Ermittlungen führten Ende März zur Einleitung eines Verfahrens wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Yusuf Aslan. Die ortsansässige Schwerpunktstaatsanwaltschaft hatte das Verfahren übernommen. Die Steuerfahndung hat zwar ihre „hauseigene Staatsanwaltschaft“ beim Finanzamt, die Straf- und Bußgeldsachenstelle. Deren Zuständigkeit endet aber, wenn es sich um eine sogenannte Haftsache handelt oder wenn sich der zu erwartende Steuerschaden in einem hohen fünfstelligen Bereich bewegt. Bei dem beschuldigten Yusuf Aslan trafen nach den ersten Ermittlungen und der Verifizierung der Angaben der Anzeigerin beide Faktoren - Anregung eines Haftbefehls und die Höhe der zu erwartenden Steuerschuld im hohen fünfstelligen Bereich - zu, weshalb die Staatsanwaltschaft zuständig war.
Die Vorermittlungen, die aufgrund der Anzeige geführt worden waren, hatten ergeben, dass Aslan deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund war. Er war ledig und hatte seinen Wohnsitz innerhalb Deutschlands mehrfach verlegt, zeitweise war sein Aufenthaltsort nicht bekannt. Aslan wohnte nach den Recherchen von Svenja aktuell in einer kleinen Mietwohnung in einem sechsstöckigen Hochhaus am Rande der Innenstadt-Quartiere.
Im Rahmen der Gewinnermittlungen für seine fünf Spielhallen erklärte Aslan in den letzten Jahren Umsätze zwischen 130.000 Euro und 140.000 Euro und Gewinne zwischen 10.000 Euro und 16.000 Euro jährlich. Für das letzte Jahr wurden noch keine Steuererklärungen eingereicht. Für das aktuelle Jahr lagen Umsatzsteuer-Voranmeldungen vor. Es wurden monatliche Umsätze in Höhe von 10.000 Euro bis 12.000 Euro vorangemeldet.
Mit ihrer Anzeige gegen Yusuf Aslan übergab die Anzeigerin an Tom Kopien von verschiedenen Schriftstücken in türkischer Sprache und Auslesestreifen von Geldspielautomaten. Emir Turan, der Sachgebietsleiter und gleichzeitig Chef der EG Schwarzmeer, hatte die Schriftstücke übersetzt. Danach war Yusuf Aslan aufgrund einer türkischen Eigentumsurkunde seit zwei Jahren Eigentümer einer Villa in der Nähe von Bodran an der türkischen Schwarzmeerküste. Der Wert der Villa wurde in diesem „Tapu“ mit umgerechnet 450.000 Euro beziffert. Weiter legte die Anzeigerin ein Bündel Auslesestreifen von Geldspielgeräten im Original vor. Diese Auslesestreifen waren an einen Zettel angeheftet. Auf diesem Zettel befand sich eine handschriftliche Notiz „Yusuf Nakit yatirmak, Ocak Bodran 30.000 Euro“. Übersetzt bedeutet das sinngemäß „Yusuf Bargeldeinzahlung Januar Bodran 30.000 Euro.“
Zu der Herkunft der Unterlagen teilte die Anzeigerin mit, dass sie das „Tapu“, was immer das auch sei, im Tresor ihres Mannes, Manni Drechsler, vorgefunden hätte. Sie habe davon eine Kopie gefertigt und das Original im Tresor belassen. Die Auslesestreifen bringe immer Yusuf zu ihrem Mann, der würde dann die Streifen im Tresor aufbewahren. Nach vier bis fünf Tagen riefe Yusuf bei ihrem Mann an, um ihm mitzuteilen, dass er die Auslesestreifen vernichten solle. Dies habe sie dann auf Anweisung ihres Mannes auch getan. Da sie aber schon lange mit dem Gedanken gespielt hatte, eine Anzeige gegen diesen Yusuf beim Finanzamt zu erstatten, hatte sie die Auslesestreifen für Januar beiseite geschafft.
Seltsamerweise habe Yusuf seit Februar keine Auslesestreifen mehr gebracht. Sie habe deshalb Angst, dass Yusuf oder ihr Mann etwas bemerkt haben könnten. Dieser Yusuf sei ein Freund ihres Mannes und ziehe mit ihm zusammen in letzter Zeit immer öfters nachts durch die Kneipen und Shisha-Bars.
Ihr Mann besitze in den Quartieren Mietshäuser. Er vermiete die Wohnungen überwiegend an Ausländer, die u.a. von Yusuf an ihn vermittelt werden. Von einem bulgarischen Mieter sei ihr auch zugetragen worden, dass ihr Mann ein Verhältnis mit einer Olga hätte. Olga betreibe in der Stadt ein Bordell, in dem sich ihr Mann mit Yusuf und anderen Typen öfters treffen würden. Weiter sei ihr noch bekannt, dass Yusuf seine Steuererklärungen mit Hilfe eines illegalen Steuerberaters oder Buchhalters namens Karl Wendig gefertigt habe.
Mehr wolle sie zu den ganzen Umständen aktuell nicht sagen. Sie übergab Tom zum Schluss ihre Visitenkarte mit ihren Namen, Monika Drechsler, und ihrer Handy-Nummer.
Tom hatte Mareike die Auslesestreifen zur weiteren Bearbeitung übergeben. Aufgrund von allgemein gültigen Erfahrungssätzen im Bereich Geldspielautomaten führte Mareike zunächst eine Nachkalkulation durch. Danach kam sie bei 40 Konzessionen, die Aslan für die Geldspielgeräte bei der Stadt beantragt hatte, auf einen monatlichen Umsatz von ca. 55.000 Euro. Als zweite Kalkulationsgrundlage dienten die Auslesestreifen. Es handelte sich tatsächlich um Auslesestreifen von 40 Geldspielautomaten mit einem Gesamtumsatz für Januar in Höhe von 57.600 Euro. Von Aslan waren bisher monatlich zwischen 10.000 Euro und 12.000 Euro vorangemeldet worden. Damit war zumindest schlüssig, dass dem Finanzamt monatlich zwischen 45.000 Euro und 47.000 Euro nicht gemeldet wurden und quasi als „Beute“ zur Verfügung stehen konnten. Dazu passte der Vermerk, dass vermutlich 30.000 Euro, wie oft und von wem auch immer, in die Türkei geschafft wurden.
Alle Steuererklärungen, die von Yusuf Aslan seit Gründung seiner Firma vor sieben Jahren beim Finanzamt für die Spielhallen eingereicht wurden, hatte laut Aktenlage Aslan selbst gefertigt. Dies widersprach den Angaben der Anzeigerin, aber die Form der Gewinnermittlungen und Erklärungen deutete darauf hin, dass sie von einem Profi gefertigt wurden. Unter Berücksichtigung der Erkenntnis, dass dieser Yusuf Aslan in Bodran eine Villa im Wert von 450.000 Euro besaß, führte Mareike die entsprechenden Geldverkehrsrechnungen und Kalkulationen durch.
Basis der Berechnungen bildeten zum einen die konkreten Daten aus den vorgelegten Auslesestreifen für Januar, hochgerechnet auf sieben Jahre, und zum anderen Berechnungen aufgrund von Erfahrungswerten bei erteilten 40 Konzessionen. Danach bestand der Verdacht, dass Aslan aufgrund falscher Angaben in seinen Erklärungen seit Gründung der Firma insgesamt über eine Million Euro Steuern hinterzogen hatte. Damit war es ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung. Die vergangenen sieben Jahre seit der Firmengründung waren strafrechtlich nicht verjährt und konnten somit überprüft werden.
Die Vorermittlungen von Svenja, die für die Personenabklärung zuständig war, ergab in Bezug auf den mit angezeigten Steuerberater Karl Wendig, dass ihm schon vor Jahren die Zulassung als Steuerberater entzogen worden war. Aktuell betrieb er in den Quartieren ein Buchhaltungsbüro.
Unter Berücksichtigung der persönlichen und steuerlichen Verhältnisse bestand bei Yusuf Aslan der Verdacht auf Hinterziehung von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Außerdem bestand akute Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Er hatte immer wieder wechselnde Wohnsitze, war zeitweise unbekannt untergetaucht und besaß Immobilien im Ausland. Aufgrund seines türkischen Migrationshintergrunds war zu vermuten, dass er Verbindungen ins Ausland hatte. Zudem erwartete ihn bei über einer Million Euro hinterzogenen Steuern eine hohe Haftstrafe. Seitens der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität wurde deshalb das Steuerstrafverfahren übernommen und gleichzeitig beim örtlichen Amtsgericht ein Haftbefehl gegen Yusuf Aslan angeregt.
„…länger als eine Rolle Klopapier…“
Der Haftbefehl gegen Aslan, erlassen durch das zuständige Amtsgericht, lag zwischenzeitlich vor. Die Verhaftung sollte die Polizei vornehmen. Und das war auch gut so. Das Vorstrafenregister von Aslan war länger als eine Rolle Klopapier und umfasste unter anderem Delikte wegen Körperverletzung, Erpressung und Drogen. Deshalb mussten bei der Festnahme Profis ran. Tom und seine Kollegen dürften als Steuerfahnder zwar auch Verhaftungen vornehmen, waren dafür aber nur mittels Crashkursen mehr schlecht als recht ausgebildet.
Für Karl Wendig reichten nach Auffassung von Staatsanwalt Nicolas Mölders die Ergebnisse der Vorermittlungen für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nicht aus, da sich die Beschuldigungen in Bezug auf ihn lediglich auf die Angaben der Anzeigerin stützten. Diese Angaben könnten aber derzeit noch nicht verifiziert werden. Nicolas regte jedoch einen Durchsuchungsbeschluss für die Büroräume von Karl Wendig als beteiligter Dritter gem. § 103 StPO an. Dieser Beschluss vom Amtsgericht sollte mit vollzogen werden.
Die weiteren Vorermittlungen der EG Schwarzmeer erbrachten auch die Erkenntnis, dass Aslan in der Stadt in der Autoposerszene unterwegs war. Dazu gehören vor allem Personen mit Migrationshintergrund, die mit ihren PS-Boliden bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch die Innenstadt rasen und mit ihrem Fahrzeug testosterongesteuert protzen. Vereinzelte Kontrollen in Bezug auf die Eigentümer dieser Fahrzeuge durch die Polizei gehen meistens ins Leere, weil die Poser selbst nicht als Halter der Fahrzeuge registriert sind.
Yusuf Aslan wurde vor einiger Zeit anlässlich einer Polizeikontrolle erwischt. Er hatte dabei gegenüber der Polizei angegeben, dass er den Mercedes Benz AMG C63S für die eine Fahrt von einem Freund ausgeliehen hätte, der auch als Halter im Fahrzeugbrief eingetragen war. Als Eigentümer des Fahrzeugs konnte die Polizei eine Leasingfirma namens Ömer-Car UG aus der Stadt ermitteln.
Bei einer UG (Unternehmergesellschaft) handelt es sich um eine Sonderform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie ist bei Neugründungen, insbesondere im Dienstleistungsgewerbe sehr beliebt, da für ihre Gründung in der Regel ein Mindeststammkapital von einem Euro ausreicht. Als Geschäftsführer werden oft Strohmänner eingesetzt, die in die tatsächlichen Aktivitäten der Firmen keinen Einblick haben. Sie sind rein rechtlich zwar verantwortlich, können aber strafrechtlich oftmals nicht belangt werden. Meistens tauchen sie nach Beginn eines Strafverfahrens ins Ausland ab.
Tom dachte mit Groll daran zurück, dass führende Politiker bei Einführung der Unternehmergesellschaften propagierten, dass damit Firmen-Neugründungen erleichtert werden sollten. Später wurde auch lauthals verkündet, dass Firmenneugründungen seit Einführung dieser Gesellschaftsform sprunghaft nach oben gegangen seien und das insbesondere, weil Personen mit Migrationshintergrund diese Gesellschaftsform nutzen würden. Sie würden damit einen wertvollen Beitrag zur wirtschaftlichen und kulturellen Fortentwicklung in Deutschland leisten. Es sei auch ein Beweis dafür, dass auf dem Wirtschaftssektor die Integration voll im Gange wäre. So kann man das der Öffentlichkeit natürlich auch verkaufen.
Tom und seine Kollegen hatten aber mit diesem Beitrag zur wirtschaftlichen Fortentwicklung täglich zu tun, da ein Großteil dieser Firmen ihren steuerlichen Verpflichtungen in keinster Weise nachkam. Es entstand dadurch in Deutschland ein erheblicher Steuerschaden. Die in diesen Firmen generierten Schwarzgelder wurden häufig nicht in Deutschland reinvestiert, um damit wenigstens die Volkswirtschaft anzukurbeln. Tatsächlich ging der größte Anteil dieser Gelder postwendend ins Ausland und war damit dem Zugriff des deutschen Staates entzogen. Diese UGs spielen auch in der Poser-Szene eine Rolle, da zur Verschleierung der tatsächlichen Eigentümer der Autos Leasingfirmen wie die ÖmerCar UG zwischengeschaltet waren.
Bei früheren Strukturermittlungen von Mareike in Bezug auf die Poser-Szene hatte sich dazu ein bestimmtes Schema abgezeichnet. Danach war die Suche bezüglich der tatsächlichen Eigentümer schwierig, da in der Regel im Kraftfahrzeugbrief als Halter Personen oder Firmen eingetragen waren, die mit den Fahrzeugen nichts zu tun haben. Als Leasinggeber für diese Autos war die Firma ÖmerCar UG einschlägig bekannt.
Diese bestellte in der Regel bei Händlern von Nobelmarken hochpreisige Fahrzeuge. Die Ermittlungen von Mareike bei der ÖmerCar UG ergaben damals, dass die Bezahlung an die Autohändler durch die Leasinggesellschaft mittels Banktransfers erfolgte. Der Leasinggesellschaft wurde zuvor der gesamte Kaufpreis vom tatsächlichen Käufer in bar überlassen und in der Regel bei einer ausländischen Bank deponiert. Die Gelder wurde dann mit einer hohen Leasingsonderzahlung und den fälligen Leasingraten verrechnet.
Diese „Barzahler“ konnten bisher über die Leasinggesellschaft nur selten ermittelt werden, da die dazu durchgeführten Vernehmungen wegen eklatanter Gedächtnislücken der vernommenen Zeugen zu keinem Ergebnis führten. Die Vermutung lag aber nahe, dass es sich bei dem Bargeld um schwarz generierte Gelder der bei der Fahrzeugkontrolle erwischten Fahrer handelte. Durch die Zwischenschaltung von Leasingfirmen wurde Bargeld in den Bankenkreislauf gebracht und damit „gewaschen“. Sinn und Zweck dieser ganzen Aktionen war, den „Bargeldeinzahler“ zu verschleiern.
Mareike stellte im Rahmen der Vorermittlungen dazu weiter fest, dass diese Art „Geldwäsche“ insbesondere von den Clans in der Stadt unter anderem für den Kauf ihrer PS-Boliden genutzt wurde.
Es lag deshalb auch bei Yusuf Aslan der Verdacht nahe, dass er den Mercedes aus seinen nicht versteuerten Spielhallengewinnen bezahlt hatte. Damit wäre auch die Mittelherkunft - das heißt: Woher hatte Aslan das Geld, um so ein Auto zu bezahlen? - erklärbar. Laut Polizei war im Fahrzeugschein, den Aslan bei sich führte, ein Sozialhilfeempfänger aus der Stadt als Halter eingetragen.
Mareike legte deshalb im Rahmen der Vorermittlungen eine Spurenakte an, wonach die Mittelherkunft noch zu verifizieren sei. Dies sollte durch Vernehmungen bei der Leasinggesellschaft nachgewiesen werden. Da die Gefahr bestand, dass Zeugen nach ihrer Vernehmung Informationen an die Betroffenen bzw. Beschuldigten weitergeben würden, sollten die Vernehmungen aus taktischen Gründen erst nach den Durchsuchungen erfolgen.
„Bist du sicher, dass da keine Kugel…“
Tom hing noch diesen Gedanken nach, als er durch ein pochendes Geräusch an seiner Seite aufgeschreckt wurde. Zu seiner Linken saß eine Polizistin in voller Schutzkleidung, zusätzlich mit einer an diesem frühen Morgen wohl nicht unbedingt notwendigen Sonnenbrille, die sie gekonnt in ihrem Haar drapiert hatte, ausgestattet. Sie blickte den verdutzten Tom gelangweilt an und fragte ihn, ob er helfen könne. Tom wusste zwar in dieser Sekunde beim besten Willen nicht, wobei er ihr helfen sollte, fragte aber leise an, was er tun könne. Genervt kam die Antwort seiner Sitznachbarin:
„Ich habe heute schon mehrmals vergeblich versucht, das klemmende Magazin aus meiner Pistole zu bekommen. Gerade habe ich es noch einmal probiert.“
Sie schlug nochmals demonstrativ den Kolben der Waffe auf ihren Stuhl. Tom wurde schlagartig bleich. Er hatte keinerlei Waffenkenntnisse, wusste aber aus Erzählungen und Zeitungsberichten, dass das ein gefährliches Unterfangen sein kann. Ihm hatte sich in das Gedächtnis eingebrannt, dass sich eine noch im Lauf befindliche Kugel plötzlich lösen kann und das unter Umständen mit tödlichen Folgen. Mit einer abwehrenden Geste Richtung Waffe fragte Tom nach:
„Bist du sicher, dass da keine Kugel mehr im Lauf…„.
Die Antwort kam sofort, sozusagen wie aus der Pistole geschossen: „Meinst du, ich bin blöd, natürlich sind das Magazin und der Lauf leer.“
Von der Situation sichtlich angespannt wies Tom seine Nachbarin darauf hin, dass er von der Steuerfahndung sei und keinerlei Waffenkenntnisse habe. Die Polizistin drehte sich daraufhin zu ihrem linken Nachbarn hin. Tom hörte nur ein kurzes, aber intensives Gemurmel. Ihr Sitznachbar nahm ihr kopfschüttelnd die Waffe weg, richtete den Lauf auf den Boden und hantierte kurz an der Pistole. Das Magazin sprang heraus und er gab ihr mit einem unfreundlichen Kommentar die Waffe und das Magazin getrennt zurück.
Tom folgte wieder, jetzt beruhigt, den Ausführungen des Einsatzleiters Thilo.
„Wir von der Polizei wollen zusammen mit der Steuerfahndung bei der heutigen Aktion Präsenz in unserer Stadt, insbesondere in den türkisch beherrschten Quartieren, zeigen. Deshalb unterstützen wir auch vorbehaltlos die Durchsuchungsaktionen der Staatsanwaltschaft heute Morgen.“
In Bezug auf Tom und seine Kollegen fügte er hinzu, dass sich die Steuerfahndung eine eigene Einsatzzentrale für die Koordination der im Einsatz befindlichen Steuerfahnder eingerichtet habe. Tom hatte das mit dem Führungsstab der Polizei vorab so abgesprochen, da mit Ende der Durchsuchungshandlungen für die Polizei der Einsatz beendet war, für die Steuerfahndung die Arbeit aber dann erst richtig begann. Deshalb war die Einsatzzentrale - besetzt mit drei Personen - an der Dienststelle der Steuerfahndung, installiert worden.
Es handelte sich dabei um die Steuerfahnder Kevin und Olivia, die sich schon in anderen Fällen bewährt hatten. Nicolas übernahm als Staatsanwalt die Leitung der Einsatzzentrale und würde direkt nach der Einsatzbesprechung dorthin fahren. Kevin und Olivia waren schon seit 6:00 Uhr an ihrer Dienststelle, ausgestattet mit allen Abfrage- und Informationsmöglichkeiten, die der Steuerfahndung zur Verfügung stehen. Sie waren, salopp gesagt, dafür verantwortlich, dass alle Kollegen bei Beginn der Durchsuchungen pünktlich vor Ort waren, während der Durchsuchungen mit allen notwendigen Informationen versorgt wurden und nach den Durchsuchungen wieder alle in die Dienststelle zurückkehrten.
Thilo Werner ging jetzt auf die Details der Durchsuchungsmaßnahmen ein. Dazu wurden den Polizisten genaue Einsatzbefehle ausgehändigt. Darin wurden Einsatzbeginn, Einsatzorte, die vermutliche Anzahl der sich im Durchsuchungsobjekt befindlichen Personen und die genauen Örtlichkeiten beschrieben. Weiter wurden die Bekleidung und Bewaffnung und die mitzuführenden Ausrüstungsgegenstände präzise bestimmt.
Der Einsatzplan für die Steuerfahnder war an dieser Stelle relativ kurzgehalten, sie sollten sich zunächst den Kollegen der Polizei anschließen und in den Einsatzfahrzeugen warten, bis die statische Lage in den Objekten hergestellt war, das heißt: keiner der Beschuldigter kann sich mehr rühren. Besondere Kleidung - keine, besondere Ausrüstung – keine, eigene Einsatzfahrzeuge – nein.
Thilo meinte noch abschließend:
„Ah, bevor ich es vergesse, ganz wichtig für alle: Überstunden werden angeordnet.“
Danach wurden für die einzelnen Durchsuchungsorte die Objektleiter vorgestellt. So ließ sich gewährleisten dass Polizei und Fahndung wussten, wer der jeweilige Ansprechpartner und Entscheidungsträger vor Ort war. Tom war demnach für die Durchsuchung der Geschäftsräume des „Steuerberaters“ Karl Wendig zuständig. Das Büro befand sich unweit der türkischen Moschee mitten in den Quartieren.
Noah war als Koordinator für die Durchsuchung der Spielhallen zuständig und zunächst für die größte Spielhalle als Objektleiter vorgesehen. Er sollte im Verlaufe der Durchsuchung, wenn erforderlich, zu den anderen Spielhallen wechseln. Yusuf Aslan betrieb insgesamt fünf Spielhallen in der Stadt.
Mats sollte die Durchsuchung der Wohnräume des Beschuldigten Yusuf Aslan leiten, ihm zugeteilt war auch Mareike, damit eine Frau vor Ort war, falls sich in der Wohnung auch Frauen aufhielten. Mareike hatte auch für 7:30 Uhr einen Zeugen von der Stadt zur Polizei einbestellt, da die Strafprozessordnung für Durchsuchungen von Wohnräumen vorschreibt, dass ein neutraler Zeuge während der Durchsuchung anwesend sein muss.
Der Chef der EG Schwarzmeer - Emir Turan - sollte wegen seiner Türkischkenntnisse mit in die Wohnräume von Yusuf Aslan gehen. Seine Sprachkenntnisse waren bereits während der Vorermittlungen in diesem Milieu besonders hilfreich. Emir war seit zwei Jahren als Sachgebietsleiter bei der Steuerfahndung und der Chef von Tom. Er war Volljurist - hatte also auch die Befähigung zum Richteramt - hatte sich aber für die juristische Laufbahn in der Finanzverwaltung entschieden. Vom Dienstgrad her war er Oberregierungsrat - und das mit gerade mal 35 Jahren. Im Laufe der Zeit hatten sich Tom und Emir kennen und schätzen gelernt.
Emir war immer zur Stelle, wenn es darum ging, juristisch knifflige Fragen zu lösen, insbesondere auch bei der Formulierung von Vermerken für die Staatsanwaltschaft. Außerdem kannte er sich bestens im Milieu in den Quartieren aus. Er setzte sich immer wieder kritisch mit den dort entstehenden Parallelgesellschaften auseinander und hatte sich den Kampf gegen die Steuerhinterziehung auf die Fahne geschrieben. Er hatte maßgeblich an dem Einleitungsvermerk gegen Yusuf Aslan mitgearbeitet, um über die Staatsanwaltschaft entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse beim Amtsgericht zu initiieren. In den letzten Tagen arbeitete er eng mit Tom und dem Ersten Staatsanwalt, Nicolas Mölders, zusammen.
Die Steuerfahnder waren aufgrund der richterlichen Durchsuchungsbeschlüsse berechtigt und beauftragt, Unterlagen, die während der Durchsuchung aufgefunden wurden, vor Ort zu sichten und zu beschlagnahmen. Dafür waren, wie die jungen IT-Spezialisten aus dem Team gerne sagten, die älteren Fahnder, die sogenannten Papierfahnder, zuständig. Für die Sicherung und Erhebung der digitalen Beweismittel war seitens der Steuerfahndung Steffen als leitender IT-Spezialist eingeteilt. Ihm waren für die heutige Aktion weitere IT-Fahnder zugeteilt worden.
Der Durchsuchungsablauf selbst wurde von der Polizei organisiert, d.h. nach der Einsatzbesprechung wurden die organisatorischen Maßnahmen minutiös besprochen. Da zu erwarten war, dass sich zu dieser Uhrzeit keine Personen in den fünf Spielhallen aufhalten würden, sollte die Polizei die Objekte ab 8:00 Uhr sichern, damit niemand die Ladenlokale betreten konnte. Schlüssel für die Spielotheken befanden sich, zumindest Zweitschlüssel, vermutlich bei Aslan in der Wohnung.
Bernhard Neuer, ein Fahnder, der für die heutige Durchsuchung eingeteilt war, sollte die Schlüssel ggf. von der Wohnung zu den einzelnen Spielhallen bringen. An dieser Stelle wies EStA Nicolas Mölders darauf hin, dass im Notfall die Eingangstüren aufgebrochen werden sollten. Zum Ende der Besprechung bat er die Steuerfahnder nochmals ausdrücklich, trotz Anwesenheit der Polizei auf ihre Eigensicherung zu achten.
Mats brummte dazu in seinen Bart:
„Im Einsatzfahrzeug sitzen bleiben bis die Luft rein ist.“
Gegen 7:30 Uhr war die Einsatzbesprechung beendet und alle Teilnehmer begaben sich in den Hof der Bereitschaftspolizei. Paul wandte sich beim Rausgehen an Tom mit der Frage:
„Wie sollen wir unauffällig zu den Objekten kommen, die liegen ja alle verstreut in den Quartieren?“
Svenja fügte hinzu:
„Dort gibt es auch kaum Parkplätze vor den Objekten.“
Und Mareike bemerkte:
„Ein weiteres Problem ist, dass wir wenn möglich alle Objekte zeitgleich betreten müssen, damit nicht irgendwelche Informationen vorzeitig weitergegeben und Unterlagen vernichtet werden können.“
„…fährt die Bereitschaftspolizei mit Linienbussen…“
Tom wurde in diesem Moment vom Anblick eines Linienbusses der Städtischen Verkehrsbetriebe abgelenkt, der auf den Hof der Bereitschaftspolizei einfuhr. Mats hatte ihn auch bemerkt und meinte dazu trocken:
„Seit wann fährt die Bereitschaftspolizei mit Linienbussen ins Geschäft?“
Der verantwortliche Einsatzleiter hatte die Bemerkung von Mats gehört und klärte die Fahnder auf:
„Der Linienbus wurde von uns für die heutige Aktion geordert. Alle Kollegen, die für die Durchsuchung der Spielhallen in der Innenstadt eingesetzt sind, werden quasi mit dem öffentlich rechtlichen Nahverkehr zu den einzelnen Einsatzstellen gebracht, dies ist unauffällig. Konkret wird der Linienbus ein Objekt nach dem anderen anfahren, die jeweils für das Objekt zugeteilten Leute steigen aus, sichern die Objekte ab, warten dann vor dem Objekt auf die Schlüssel, bzw. brechen, wenn sich Personen im Objekt befinden und nicht öffnen, die Türen auf.“
Das war auch für Tom und seine Kollegen ein neues Highlight in ihrer beruflichen Laufbahn. Der Einstieg in den Bus erfolgte gegenläufig zum Ausstieg, damit es später keine unnötigen Behinderungen im Bus geben sollte. Weiter wurde durch die Einsatzleitung bestimmt, wie die Unterlagen, die zu beschlagnahmen waren, abtransportiert werden sollten. Dies erfolgte in einem zweiten Schritt mit Kleintransportern der Polizei. Umzugskartons waren bereitgestellt und wurden im Bus mitgenommen. Mats bemerkte kurz:
„Ja, alles sehr unauffällig,“ und kassierte dafür einen unfreundlichen Blick von Thilo.
Kurz darauf fuhr der Bus mit den Einsatzgruppen, die für die Durchsuchungen der Spielhallen zuständig waren, los. Tom selbst stieg mit seinem Kollegen Martin, zwei Leuten von der IT und drei Polizisten in ein Einsatzfahrzeug der Polizei, da sein Einsatzort, das Büro von Karl Wendig, nicht mit dem Linienbus angefahren werden konnte.
„Der Letzte der reingeht, klingelt!“
Sie waren noch nicht lange unterwegs, als ein Anruf der Einsatzzentrale eintraf. Kevin teilte Tom mit knappen Worten mit, dass mit den Durchsuchungen sofort begonnen werden müsse. Für einen zeitgleichen Zugriff sei keine Zeit, weil offensichtlich Informationen über die anstehenden Durchsuchungen an die Betroffenen durchgesickert waren. Nicolas hatte laut Kevin entschieden, dass die Gruppen, sobald sie vor Ort waren und die Türen nicht geöffnet wurden, gewaltsam in die Objekte eindringen sollten. Damit hatte sich auch die Sache mit dem Abwarten, ob sich Schlüssel in der Wohnung von Aslan befinden, erledigt. Nicolas habe auch angeordnet, dass unmittelbar nach Durchsuchungsende eine Nachbesprechung bei der Steuerfahndung stattfinden sollte.
Zwei Minuten später war Tom mit seiner Gruppe vor Ort. Er, Martin Schnell und die IT-Leute blieben absprachegemäß im Auto, die Polizisten klingelten an der Tür des Büros, in dem sich offensichtlich Personen befanden. Da nicht sofort geöffnet wurde, brach die Polizei die Tür auf. Tom nahm den gewaltigen Rumms wahr, den die Ramme der Polizei verursachte, als die Tür gewaltsam aus dem Türrahmen geschlagen wurde. Er hörte noch die flapsige Bemerkung eines Polizisten:
„Der Letzte, der reingeht, klingelt.“
Tom wandte sich überrascht an Martin, der neben ihm im Polizeifahrzeug saß. Martin, an sich ein Hektiker und immer engagiert bei der Sache, starrte regungslos und offensichtlich vollkommen überrascht Richtung Eingangstür und Polizei.
„Martin, hast du das gehört, eine Ramme beim Buchhalter oder Steuerberater, das kann Probleme geben. Wir haben nur einen Beschluss nach § 103 StPO, das heißt die Durchsuchung bei einer anderen Personen mit der Vermutung, dass sich dort Unterlagen für das Strafverfahren von Yusuf Aslan befinden. Da kann ein Aufbruch rechtlich durchaus problematisch werden.“
Martin stimmte Tom kopfnickend zu und meinte nur lapidar:
„Das ist die Sache der Polizei, die werden ihre Gründe haben.“
Zehn Minuten später durfte Tom mit seinen Leuten das Büro betreten. Die Lage war durch die Polizei eingefroren, was bedeutete, dass alle in den Räumen anwesenden Personen nach Waffen durchsucht und die Personendaten aufgenommen waren. Alfred Hauser, Objektleiter der Polizei vor Ort, meldete Tom fast militärisch korrekt die aktuelle Lage.
„Hallo Tom, da auf unser Klingeln niemand öffnete, haben wir die Tür aufgebrochen. Wir haben beim Betreten der Räumlichkeiten sofort gesehen, dass Karl Wendig an einem Aktenvernichter zu Werke war. Er versuchte Schriftstücke zu vernichten. Das rechtfertigt auf jeden Fall unser rabiates Vorgehen mit der Ramme. Die Einsatzleitung Polizei hat mittlerweile auch in Absprache mit Staatsanwalt Mölders entschieden, dass Karl Wendig wegen Vernichtung von Beweismitteln vorläufig festzunehmen ist und ins Polizeigewahrsam gebracht werden soll. Staatsanwalt Mölders hat gleichzeitig gegen Wendig ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung von Yusuf Aslan eingeleitet. Im Büro wurde eine weitere Person namens Feisal Kara angetroffen. Die Personen wurden von mir ordnungsgemäß belehrt. Kara wurde auf Waffen durchsucht, er sitzt noch hinten im Büro.“
Tom dachte bei sich, das fängt ja gut an. Laut Staatsanwaltschaft bestand gegen Karl Wendig bisher kein Anfangsverdacht wegen Steuerhinterziehung. Jetzt wurde aber seitens der Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet und es erfolgte sogar eine vorläufige Festnahme wegen der Vernichtung von Beweismitteln. Karl Wendig wurde in diesem Moment von zwei Polizisten abgeführt. Martin Schnell begleitete die Polizei mit dem festgenommen Karl Wendig absprachegemäß ins Polizeigewahrsam. Tom bemerkte, dass Wendigs letzter bitterböser Blick einer ca. 40-jährigen Person im Nachbarzimmer galt. Das musste Feisal Kara sein. Tom konnte sich nicht erinnern, dass der Name bisher bei den Vorermittlungen aufgefallen war.
Kara hatte zwar offenbar registriert, dass Karl Wendig vorläufig festgenommen und abgeführt wurde. Seine ganze Aufmerksamkeit war aber auf die Durchsuchungsaktion in seinem Büro gerichtet. Er beäugte insbesondere Theo Mann von der IT. Theo wollte gerade die Sicherung an einem Notebook beginnen, das auf dem Schreibtisch stand, an dem sich Feisal Kara angestrengt lässig anlehnte.
„Das dürfen Sie nicht, das ist mein Notebook und mein Büro, ihr Beschluss deckt die Durchsuchung dieser Räumlichkeiten nicht ab,“
herrschte er Theo an und versuchte ihn abzudrängen. Tom ging dazwischen und sprach Kara direkt an:
„Hallo, wir kennen uns noch nicht. Ich bin von der Steuerfahndung, mein Name ist Tom Möller!“
Tom zückte seine Dienstmarke und hielt sie Kara unter die Nase und fragte:
„Was heißt, das ist Ihr Büro, was haben sie hier im Büro von Karl Wendig zu tun?“
Kara antwortete kurz und mürrisch:
„Ich bin seit heute Untermieter bei Karl Wendig und bin zum ersten Mal hier.“
„Und was machen Sie hier?“ fragte Tom nach.
„Ich bin selbständiger Rechtsanwalt, es ist wie gesagt heute mein erster Tag hier im Büro. Mehr muss ich Ihnen auch nicht sagen, meine Personalien wurden von Ihren Kollegen schon aufgenommen, und das sollte genügen.“
Mit diesen Worten wandte er sich von Tom ab und wollte das Notebook an sich nehmen. Tom reagierte sofort.
„Stopp, auch wenn das Ihr Büro und Ihr Notebook sind - was sie erst noch beweisen müssen - können wir das Notebook zumindest danach sichten, ob sich nicht doch Unterlagen darauf befinden, die durch den Beschluss gedeckt sind.“
Feisal Kara fuhr Tom unbeherrscht an:
„Das können Sie vergessen, das Notebook wird weder gesichtet noch gesichert, noch beschlagnahmt. Ich kenne mich in der Strafprozessordnung aus!“
Es folgte noch ein kurzer Spruch auf Türkisch, den Tom nicht verstand. Tom erwiderte aber unaufgeregt:
„Gut, dann soll das der zuständige Staatsanwalt entscheiden, lassen Sie aber in der Zwischenzeit Ihre Finger von dem Notebook. Theo, nimm es erstmal in Gewahrsam.“
Theo nahm das Notebook an sich und Kara beherrschte sich beim Anblick der zwei anwesenden Polizisten, die zwischenzeitlich das Büro betreten hatten, nur mühsam.
„Der Staat ist ein Ozean, du brauchst nur…“
Tom ging in das Büro von Karl Wendig zurück und rief bei Nicolas an. Er schilderte ihm kurz die Lage und schlug Nicolas vor, das Notebook zu beschlagnahmen und anschließend vor Ort zu versiegeln. Es sollte dann umgehend dem Ermittlungsrichter vorgelegt werden. Der könne entscheiden, ob das Notebook im Rahmen des Verfahrens gegen Yusuf Aslan gesichtet bzw. gesichert werden durfte. Nicolas stimmte dem Vorschlag zu und Tom teilte die Entscheidung Feisal Kara mit. Dieser wandte sich zähneknirschend von Tom und Theo ab.
Er verfolgte das anschließende Prozedere der Beschlagnahme und Versiegelung des Notebooks teilnahmslos. Erst jetzt fiel Tom ein großes Poster an der Wand hinter dem riesigen Schreibtisch auf. Darauf prangte in großen Buchstaben der Spruch:
„Der Staat ist ein Ozean, du brauchst nur die richtige Kelle, um daraus zu schöpfen!“
„Na Prost Mahlzeit,“ entfuhr es Tom.
„Wenn das ein Motto der beiden Herren ist, sind wir hier ja genau richtig!“
Tom verschaffte sich zunächst einen groben Überblick über die Räumlichkeiten und die darin befindlichen Papierunterlagen. Die IT-Fahnder waren auch bei der Arbeit. Sie sicherten Daten von den Computern und einem weiteren Notebook im Büro von Karl Wendig. Tom stellte nach einem kurzen Blick in die Regale und Schränke fest, dass auffällig wenig Unterlagen vorhanden waren. Gezielt suchten Tom und seine Kollegen nach den Buchhaltungsunterlagen, die im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Yusuf Aslan standen. Kopien der Steuererklärungen waren schon gefunden worden. Damit war immerhin bewiesen, dass die Anzeigerin recht hatte und sie bei Karl Wendig richtig waren.
Die Durchsuchung der Büroräume von Karl Wendig war relativ schnell beendet. Die wenigen Papiere wurden in ein Beschlagnahmeverzeichnis aufgenommen, die IT war noch mit der Datensicherung zugange und würde erst nach einer Komplettsicherung der Computer die Räumlichkeiten verlassen. Kara wollte solange in den Büroräumen bleiben. Es fiel ihm aber sichtlich schwer, Ruhe zu bewahren - vermutlich befanden sich brisante Daten auf den Computern, dem Notebook von Karl Wendig und auf seinem eigenen Notebook.
Seine angeblich angemieteten Räumlichkeiten wurden nicht durchsucht, da dafür keine Beschlüsse vorlagen. Tom überzeugte sich nur mit einem kurzen Blick davon, dass sich keine Papierunterlagen von Yusuf Aslan und Karl Wendig in dem Büro befanden. Das Notebook von Feisal Kara hatte Theo - nachdem er es versiegelt hatte - an sich genommen. Nach Beendigung der Durchsuchung sollte er es dem Ermittlungsrichter vorlegen, der auch die Durchsuchungsbeschlüsse erlassen hatte. Tom fragte noch kurz bei Theo nach:
„Na Theo, wie lange braucht ihr noch für die gesamte Datensicherung?“
Diese Frage hätte er sich sparen können, denn Theo antwortete wie aus der Pistole geschossen:
„Eine IT-Stunde,“ und grinste dabei.
Das war die übliche Antwort der IT auf die Frage nach der Dauer von Datensicherungen und bedeutete „solange es halt dauert“. Tom schloss aber daraus, dass die IT-Kollegen alleine vor Ort klar kamen. Nach Rücksprache mit Olivia aus der Einsatzzentrale bat er die Polizisten, ihn zurück zur Dienststelle zu fahren. Martin war schon mit Karl Wendig und dem Festnahmeteam zum Polizeigewahrsam im Polizeipräsidium unterwegs.
Auf der Rückfahrt rief Olivia bei Tom an.
„Sorry Tom, du sollst sofort zum Objekt von Noah kommen. Er hat gerade bei mir angerufen. Er sagte im O-Ton: „Die Idioten haben hier die Auslesestreifen der letzten Monate deponiert.“ Abrechnungen hat er wohl auch noch gefunden. Du sollst jedenfalls sofort da vorbeikommen."
Tom schaute auf seinen Einsatzplan, auf dem alle Durchsuchungsobjekte gelistet waren, und nannte dem Fahrer die genaue Adresse der Spielhalle, für die Noah eingeteilt war.
Sie befand sich direkt in der Innenstadt. Kurze Zeit später kam Tom mit der Polizei bei dem Objekt an. Er verabschiedete sich und stieg aus.
Der Eingang zur Spielhalle wurde von zwei Polizisten bewacht.
Tom ging auf die Polizisten zu, als Noah gerade aus der Spielhalle kam. Er lief auf Tom zu.
„Ich hab dich zusammen mit der Polizei kommen sehen, ist ja sehr unauffällig, aber ist jetzt auch egal.“
Noah führte Tom, mit einem kurzen Nicken in Richtung der Polizisten am Eingang, in die Spielhalle. In der Spielhalle standen an der linken und rechten Wand Geldspielautomaten. Im Hintergrund des schummrigen, schlauchförmigen Raums war eine kleine Theke aufgebaut. Noah ging hinter die Theke, quetschte sich zwischen zwei Regalen durch und war verschwunden.
Tom, der Noah gefolgt war, begrüßte die in der Spielhalle anwesenden Kollegen der IT. Sie waren dabei, die Geldspielgeräte elektronisch auszulesen. Tom ging auf die Theke zu, hinter der Noah verschwunden war. Er entdeckte, dass sich hinter der Theke zwischen den Regalen eine schmale Tür befand. Er schlüpfte durch und gelangte in einen großen Raum.
Dieser war mit einem riesigen Teppich ausgelegt und hatte an der einen Wand zwei kleine, vergitterte Fenster. An der