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In einer Welt voller Konflikte und Herausforderungen bietet der Jainismus mit seiner Philosophie der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) einen faszinierenden Weg zu innerem und äußerem Frieden. Sarah L. Vogel lädt Sie auf eine inspirierende Reise in die Tiefen einer der ältesten spirituellen Traditionen der Welt ein. „Die stille Kraft der Gewaltlosigkeit“ beleuchtet die zeitlosen Prinzipien des Jainismus, die weit über eine religiöse Praxis hinausgehen. Von den ethischen Lehren der Wahrhaftigkeit und Nicht-Anhaftung bis hin zur Bedeutung der Selbstdisziplin zeigt dieses Buch, wie jainistische Weisheiten nicht nur das persönliche Leben bereichern, sondern auch Antworten auf globale Fragen von Nachhaltigkeit, Gleichheit und Frieden geben können. Mit klarer Sprache und tiefem Respekt für die jahrtausendealte Tradition erschließt die Autorin die essenziellen Konzepte und Praktiken des Jainismus für moderne Leser. Entdecken Sie, wie die Prinzipien von Ahimsa und Achtsamkeit nicht nur Ihr eigenes Leben transformieren, sondern auch die Welt zu einem besseren Ort machen können. Ein Buch für alle, die inmitten der Hektik des Alltags nach einem Sinn, nach Klarheit und nach nachhaltigem Frieden suchen.
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Seitenzahl: 216
Veröffentlichungsjahr: 2024
Sarah L. Vogel
Die stille Kraft der Gewaltlosigkeit
Der Jainismus und seine zeitlosen Prinzipien für ein friedliches Leben
Die frühen Spuren des Jainismus in der antiken indischen Zivilisation führen uns tief hinein in eine Zeit, die von mythischen Figuren und historischen Persönlichkeiten geprägt war. Der Jainismus, eine der ältesten und beständigsten spirituellen Traditionen der Welt, hat seine Wurzeln in einem komplexen Geflecht von Glaubenssystemen und Philosophien, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben.
Die Ursprünge des Jainismus lassen sich bis ins zweite Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen. Während dieser Zeit entwickelte sich der religiöse und philosophische Kontext des indischen Subkontinents, in dem zahlreiche Glaubensrichtungen, darunter der Vedismus und der frühe Brahmanismus, ihren Platz fanden. Diese Vielfalt an geistigen Strömungen bot einen fruchtbaren Boden für das Entstehen des Jainismus.
In der frühen Bronzezeit, um 3000 bis 1500 v. Chr., blühte die Indus-Tal-Zivilisation auf, eine hochentwickelte Kultur, deren Religion Elemente von Ahimsa (Nicht-Gewalt) und asketischen Praktiken enthielt, die später zu zentralen Prinzipien des Jainismus wurden. Die symbolischen Darstellungen von meditativen Figuren und Tierverehrung aus dieser Epoche lassen vermuten, dass die geistigen Grundlagen des Jainismus bereits vorhanden waren.
Die erste namentlich bekannte historische Persönlichkeit des Jainismus ist jedoch Parsva, der 23. Tirthankara, der im 9. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben soll. Parsvas Lehren, insbesondere die Vierfache Kodex (Chaturyama Dharma), legten den Grundstein für viele der grundlegenden Werte des Jainismus, die später von Mahavira, dem 24. Tirthankara, weiterentwickelt wurden.
Der 24. Tirthankara, Vardhamana Mahavira, gilt als der größte Reformator und Organisator des Jainismus. Geboren im 6. Jahrhundert v. Chr. in dem Königreich von Vaishali, führte Mahavira ein Leben intensiver Askese und spiritueller Suche. Nach 12 Jahren strenger Meditations- und Entsagungspraktiken erreichte er Kevala Jnana, die höchste Stufe des Wissens und der Erleuchtung.
Die Beiträge von Mahavira zur Verbreitung und Systematisierung des Jainismus waren enorm. Er konsolidierte die Lehren seiner Vorgänger und stellte eine detaillierte ethische und spirituelle Disziplin auf, die in den "Zwölf Versen des Jainismus" (Dwadashangi) niedergelegt wurde. Diese Schriften, die ursprünglich mündlich überliefert wurden, dienten als grundlegender Kanon für die Jain-Gemeinschaft.
Die Verbreitung des Jainismus über den indischen Subkontinent lässt sich ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. deutlich nachvollziehen. Die Jain-Gemeinschaften etablierten sich in Nordindien, insbesondere in den Gebieten Magadha und Avanti. Jainische Mönche und Nonnen zogen durch die Lande und trugen zur Verbreitung der Lehren bei, während wohlhabende Laiengemeinschaften den Bau von Tempeln und Klöstern förderten.
Ein besonders wichtiger Aspekt der frühen Geschichte des Jainismus ist das Konzept der Tirthankaras, der erleuchteten Lehrer. Diese weisen Wesen, von denen es 24 gibt, verkörpern die spirituelle Entwicklung und die ethischen Ideale des Jainismus. Jeder Tirthankara, von Rishabha, dem ersten, bis zu Mahavira, dem letzten, repräsentiert eine Stufe der spirituellen Evolution und der ethischen Praxis.
Durch die Jahrhunderte hinweg blieb der Jainismus trotz politischer und sozialer Veränderungen in Indien robust. Die Lehren des Jainismus, insbesondere Ahimsa, beeinflussten tiefgehend die indische Kultur und Gesellschaft. Diese Prinzipien fanden auch Ausdruck in bemerkenswerten literarischen und künstlerischen Werken. Ein Beispiel ist die Förderung von Kunst und Architektur durch die Jain-Gemeinschaften, die prächtige Tempel und Skulpturen schufen, die bis heute bewundert werden.
Besonders in der Gupta-Periode (ca. 320-550 n. Chr.) erlebte der Jainismus eine Phase intensiver kultureller und philosophischer Aktivität. Die Jain-Schriftgelehrten dieser Zeit schufen bedeutende Werke in den Bereichen Logik, Ethik und Naturphilosophie, die zu den intellektuellen Höhepunkten der indischen Geistesgeschichte zählen.
Zusammenfassend ist die frühe Geschichte des Jainismus unverzichtbar, um die Entwicklung dieser einzigartigen und beständigen Spiritualität zu verstehen. Von den Wurzeln in der Indus-Tal-Zivilisation über die Lehren von Parsva und Mahavira bis hin zur Etablierung und Verbreitung der Jain-Gemeinschaften bietet diese Phase einen faszinierenden Einblick in die Entstehung und Evolution einer der ältesten und bedeutendsten Religionen der Welt.
Parśva, oft auch Parshvanatha genannt, gilt als die historische Gestalt des 23. Tirthankara im Jainismus und spielte eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Verbreitung der jainistischen Lehren. Obwohl die genauen historischen Daten seines Lebens immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen sind, wird allgemein angenommen, dass Parśva etwa im 9. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat. Als charismatischer spiritueller Führer und Reformator legte er den Grundstein für viele Praktiken und Prinzipien, die später von Mahavira, dem 24. Tirthankara, weitergeführt und verbreitet wurden.
Parśva stammte aus einer königlichen Familie in Varanasi, einer der ältesten und heiligsten Städte Indiens. Seine Eltern, Ashvasena und Vama, waren wohlhabende und angesehene Mitglieder der Gesellschaft. Parśva zeigte schon in jungen Jahren eine ausgeprägte spirituelle Neigung und entschied sich im Alter von etwa 30 Jahren, das weltliche Leben hinter sich zu lassen. Er gebeultete das königliche Leben auf und zog sich in die Wälder zurück, um sich der Meditation und spirituellen Praxis zu widmen.
Eines der herausragenden Merkmale von Parśvas Lehren war seine Betonung auf die vier grundlegenden Prinzipien, die als Chaturyama bekannt sind. Diese umfassen Ahimsa (Gewaltfreiheit), Satya (Wahrhaftigkeit), Asteya (Nicht-Stehlen) und Aparigraha (Nicht-Besitzergreifung). Diese Prinzipien legten den Grundstein für die ethischen Normen des Jainismus und wurden später von Mahavira um ein fünftes Prinzip, Brahmacharya (Keuschheit), ergänzt.
Ahimsa oder Gewaltfreiheit ist vielleicht das bekannteste und am meisten betonte Prinzip in den Lehren von Parśva. Diese Vorstellung der absoluten Gewaltfreiheit erstreckt sich nicht nur auf physische Gewalt, sondern auch auf Worte und Gedanken. Parśva lehrte, dass jedes Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, ein eigenes Bewusstsein und das Recht auf ein friedliches Leben hat. Diese Idee revolutionierte das spirituelle Denken seiner Zeit und beeinflusste nicht nur den Jainismus, sondern auch andere religiöse Traditionen wie den Buddhismus und den Hinduismus.
Wahrhaftigkeit oder Satya war ein weiteres zentrales Element in Parśvas Lehren. Er betonte, dass geistige und spirituelle Reinheit nur durch das strikte Festhalten an der Wahrheit erreicht werden kann. Lügen und Täuschung, so Parśva, führen nicht nur zur persönlichen Degradierung, sondern haben auch karmische Konsequenzen, die das spirituelle Wachstum behindern.
Asteya, das Prinzip des Nicht-Stehlens, geht über die bloße Aneignung von Eigentum hinaus. Parśva lehrte, dass es auch darauf ankommt, keine Gedanken des Begehrens oder der Habgier zu hegen. In einer Welt, in der Besitz und Reichtum oft als Statussymbole betrachtet werden, forderte er seine Anhänger auf, diese weltlichen Versuchungen zu überwinden und sich auf den Pfad der spirituellen Reinheit zu konzentrieren.
Aparigraha, der Verzicht auf Besitzgier, war für Parśva ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur spirituellen Erlösung. Er glaubte, dass übermäßiger Besitz und materieller Reichtum zu Anhaftung und letztlich zu Leid führen. Durch das Praktizieren von Aparigraha können die Jains ein einfaches und untadeliges Leben führen, das im Einklang mit den jainistischen Prinzipien der Gewaltfreiheit und Wahrhaftigkeit steht.
Parśva sammelte eine beträchtliche Anhängerschaft, die von seinen klar definierten und prägnanten Lehren angezogen wurde. Seine Anhänger, bekannt als Parshvakas, folgten ihm auf seinen Reisen und trugen seine Botschaft in verschiedene Teile Indiens. Die Gemeinschaft, die unter seiner Führung entstand, legte die organisatorische und spirituelle Basis für die jainistische Religion, wie sie heute bekannt ist.
Obwohl Mahavira oft als der eigentliche Begründer des Jainismus angesehen wird, ist es unbestritten, dass Parśva einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung dieser alten Religion hatte. Viele der heute praktizierten jainistischen Rituale und Philosophien lassen sich direkt auf seine Lehren zurückführen. Die Heiligen Schriften des Jainismus, insbesondere die Agamas, enthalten zahlreiche Hinweise auf die Lehren und das Wirken von Parśva.
In der modernen Forschung wird Parśva oft als historische Persönlichkeit anerkannt, die eine Verbindung zwischen den frühen Askesebewegungen in Indien und dem etablierten Jainismus herstellt. Seine Lehren über Ahimsa und ethische Reinheit bleiben zentrale Themen der jainistischen Philosophie und Ethik. Es ist diese Tradition der Gewaltfreiheit und der moralischen Integrität, die den Jainismus weltweit als eine friedliche und tief spirituelle Religion auszeichnet.
Parśvas Vermächtnis lebt in den Lehren und Praktiken des Jainismus weiter und inspiriert Millionen von Anhängern weltweit, ein Leben in Harmonie mit den Grundprinzipien von Gewaltfreiheit, Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen und Verzicht auf materiellen Besitz zu führen. Durch seine Weisheit und sein unermüdliches Streben nach spiritueller Reinheit hat Parśva unwiderruflich die spirituelle Landschaft Indiens und darüber hinaus geprägt.
Vardhamana Mahavira, der als der 24. Tirthankara des Jainismus verehrt wird, spielt eine zentrale Rolle in der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte dieser alten Religion. Geboren im 6. Jahrhundert vor Christus, wird Mahavira nicht nur als spirituelle Lichtgestalt angesehen, sondern auch als Reformer, der die ethischen und philosophischen Grundlagen des Jainismus erheblich prägte.
Mahavira wurde in einem kleinen Dorf namens Kundagrama im heutigen Bihar, Indien, in einer adligen Familie geboren. Seine Eltern, Siddhartha und Trishala, stammten aus einer Kshatriya-Familie, was bedeutet, dass Mahavira ursprünglich in Krieger- und Herrscherschichten aufwuchs. Schon in jungen Jahren zeigte er eine besondere Neigung zur inneren Reflexion und zur Suche nach spiritueller Wahrheit. Die Legenden besagen, dass Mahavira mit 30 Jahren seine Familie und sein weltliches Leben hinter sich ließ, um ein Leben der Askese und Meditation zu führen.
Für etwa zwölf Jahre praktizierte Mahavira rigorose Selbstdisziplin und Meditation, durchwanderte verschiedene Orte und ertrug extreme physische Entbehrungen. Diese Phase des intensiven Tapasya (Askese) wird in den jainistischen Schriften als entscheidend für seine spirituelle Erleuchtung beschrieben. Durch diese harten Praktiken erlangte er „Kevala Jnana“, eine Form der allumfassenden Erkenntnis oder allwissenden Bewusstseins, die ihn schließlich als Tirthankara (Erleuchteter) manifestieren ließ. Mahavira lehrte, dass der Weg zur Befreiung durch strengste Selbstbeherrschung und Gewaltfreiheit (Ahimsa) zu gehen sei.
Mahaviras Lehre konzentriert sich auf fünf Hauptgelübde, die auch als die „Fünf Großen Schwüre“ oder „Mahavratas“ bekannt sind: Ahimsa (Gewaltlosigkeit), Satya (Wahrhaftigkeit), Asteya (Nicht-Stehlen), Brahmacharya (Keuschheit) und Aparigraha (Nicht-Besitzergreifen). Obwohl diese Prinzipien schon vor Mahavira im Jainismus vorhanden waren, legte er besonderen Wert darauf und förderte ihre strikte Einhaltung. Die Philosophie der Gewaltlosigkeit, ein zentraler Grundsatz seiner Lehren, wurde später auch ein inspirierendes Leitprinzip für Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi.
Die Bedeutung von Mahavira im Jainismus kann nicht nur durch seine ethischen Lehren, sondern auch durch die organisatorische Struktur und die sozialen Reformen verstanden werden, die er initiierte. Er stellte eine Saṅgha (Mönchs- und Nonnenorden) auf, die die Lehren bewahren und verbreiten sollte. Diese Saṅgha bildete die Grundlage für die jainistische monastische Tradition, die in den folgenden Jahrhunderten wuchs und sich weiterentwickelte. Die jainistische Gemeinschaft teilt sich dabei in zwei große Gruppen: die Mönche und die Laienanhänger, die sich verpflichtet fühlen, den ethischen Kodex des Jainismus zu befolgen und zu unterstützen.
Mahaviras Einfluss erstreckt sich auch auf die sozialen Strukturen seiner Zeit. Der Jainismus unter Mahavira förderte die Gleichheit und Freiheit aller Lebewesen, was in einer Zeit, die stark von Kastenstrukturen geprägt war, revolutionär war. Daher spielte seine Philosophie eine zentrale Rolle dabei, die soziale Hierarchie zu hinterfragen und eine inklusivere Gesellschaft zu fördern. Dies spiegelt sich auch in der veganen und vegetarischen Lebensweise wider, die jainistische Anhänger praktizieren, um jedes Leben zu respektieren und zu bewahren.
Das Vermächtnis Mahaviras bleibt durch die umfangreiche jainistische Literatur und durch zahlreiche Tempel und heilige Stätten in Indien lebendig. Sowohl Digambara (Himmeltragend) als auch Svetambara (Weiße Kleidung tragend) Jainen verehren ihn, auch wenn sie in bestimmten Ritualen und Interpretationen differieren. Die Verbreitung von Mahaviras Lehren durch seine Anhänger hat wesentlich dazu beigetragen, die essenziellen Werte des Jainismus weltweit bekannt zu machen.
Mahavira starb im Alter von 72 Jahren in Pava, dem heutigen Bihar, doch sein philosophisches und spirituelles Erbe lebt bis heute weiter. Er hinterließ eine Religion, die unermüdlich nach spiritueller Reinheit und ethischer Vervollkommnung strebt. Durch seine unnachgiebige Hingabe an Prinzipien wie Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Aparigraha (Nicht-Besitzergreifen) schuf er eine Tradition, die sich in der modernen Welt als ethisch relevant und geistig inspirierend erweist. Die umfassende Verbreitung und praktische Anwendung seiner Lehren machen Mahavira nicht nur zu einer historischen Gestalt, sondern zu einem zeitlosen spirituellen Führer.
Die Schriften und mündlichen Überlieferungen des Jainismus
Die Erkundung der Schriften und mündlichen Überlieferungen des Jainismus bietet tiefgehende Einblicke in das innere Wesen dieser alten spirituellen Tradition. Die Jain-Schriften, bekannt als Agamas oder Siddhanta, bilden das Hauptkorpus der heiligen Literatur des Jainismus und sind von zentraler Bedeutung für das Verständnis seiner Lehren und Praktiken. Gleichzeitig spielen mündliche Überlieferungen eine wichtige Rolle bei der Weitergabe von Wissen und Traditionen durch die Jahrhunderte.
1. Ursprung der Jain-Schriften
Die Entstehung der Jain-Schriften lässt sich bis auf die Lehren der Tirthankaras zurückführen, besonders auf den 24. Tirthankara Mahavira. Obwohl die ursprünglichen Schriften von den frühen Jain-Mönchen in Prakrit und Ardhamagadhi verfasst wurden, existieren heute zahlreiche Übersetzungen in Sanskrit, Apabhramsha und anderen indischen Sprachen. Die Schriften wurden hauptsächlich mündlich überliefert, bevor sie schließlich niedergeschrieben wurden, was zu ihrer bemerkenswerten sprachlichen Vielfalt führte.
Die Digambara- und Svetambara-Sekten des Jainismus, die sich insbesondere in ihrer Anschauung über die Schriften unterscheiden, haben jeweils ihre eigenen Sammlungen heiliger Texte. Während die Svetambaras die Anga- und Angabahya-Schriften als authentische Schriften akzeptieren, lehnen die Digambaras diese ab und stützen sich stattdessen auf Texte wie die Shatkhandagam und Kashayapahuda.
2. Die Anga-Literatur
Die Anga-Literatur stellt die primären Schriften des Jainismus dar, die die wesentlichen Lehren und ethischen Grundsätze dieser Tradition enthalten. Sie bestehen aus zwölf Texten, die als Kerngesetze und -prinzipien betrachtet werden. Ein prominentes Beispiel ist das Acaranga Sutra, das die ethischen Richtlinien für Mönche und Nonnen beinhaltet. Weitere bedeutende Texte sind das Sutrakritanga, welches metaphysische und philosophische Erörterungen enthält, und das Samavayanga Sutra, das kosmologische und wissenschaftliche Themen behandelt.
Ein Aspekt, der bei der Untersuchung der Anga-Literatur besonders hervorgehoben werden muss, ist die Bedeutung der Ethik und Disziplin in der Jain-Praxis, welche in diesen Schriften eingehend behandelt wird. Der Wert von Ahimsa (Gewaltlosigkeit), Aparigraha (Nicht-Besitz) und Anuvratas (kleine Gelübde) wird ständig betont.
3. Die Angabahya-Literatur
Die Angabahya-Literatur ergänzt die zwölf Angas und umfasst zahlreiche philosophische, mythologische und didaktische Schriften. Diese Begleittexte spielen eine wichtige Rolle in der komplementären Erklärung und Ausweitung der in den Angas enthaltenen Lehren. Eine der bedeutendsten Werke innerhalb dieser Kategorie ist das Uttaradhyayana Sutra, das in Erzählform spirituelle Anweisungen und Weisheiten übermittelt.
Ein weiteres herausragendes Werk ist das Kalpasutra, das biografische Episoden aus dem Leben der Tirthankaras, insbesondere das von Mahavira, beschreibt. Es enthält auch Regelungen für das Mönchtum und ist während des Paryushana-Festes von zentralem Nutzen.
4. Kommentare und weiterführende Texte
Zusätzlich zu den primären und sekundären Schriften existiert eine Vielzahl von Kommentaren und weiterführenden Texten, die über Jahrhunderte entstanden sind und auf verschiedene Aspekte der Lehre eingehen. Studienwerke wie das Niyamasara und das Panchastikayasara vertiefen die philosophischen Grundlagen der Jain-Metaphysik und Ethik.
Die Kommentare der acharyas (spirituellen Lehrer) wie Umāsvāti, Kundakunda und Haribhadra haben wesentlich zur Interpretation und Anwendung der grundlegenden Lehren in der täglichen Praxis und zur akademischen Theologie beigetragen. Ihre Werke werden in der Jain-Gelehrtentradition hoch geschätzt und sind Feinkommentare bestehender Schriften, die komplexe philosophische Themen verständlicher machen.
5. Mündliche Überlieferungen und ihre Rolle
Mündliche Überlieferungen haben in der Jain-Tradition eine herausragende Bedeutung. Die Jain-Mönche und -Nonnen waren und sind Meister der mündlichen Überlieferung, die heiligen Texte und Lehrreden werden seit Jahrtausenden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Diese Praxis ist nicht nur ein Zeichen der spirituellen Hingabe, sondern auch ein wirksamer Schutz der Lehren vor Verfälschung und Verlust.
Erzählungen, Fabeln und Gleichnisse spielen hierbei eine entscheidende Rolle, um moralische und ethische Prinzipien zu verdeutlichen. Viele Geschichten sowohl in den schriftlichen als auch in den mündlichen Traditionen drehen sich um Tugenden wie Tapferkeit, Großzügigkeit und Weisheit, verkörpert durch Figuren wie König Shrenik oder den Heiligen Nemi.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Jain-Schriften und mündlichen Überlieferungen ein unverzichtbarer Grundstein für die Bewahrung und Verbreitung der Glaubensgrundsätze und Rituale des Jainismus darstellen. Die fortlaufende Studie dieser Werke bietet nicht nur historisches Wissen, sondern auch eine kontinuierliche Quelle der spirituellen Erneuerung und moralischen Orientierung für die Jain-Gemeinschaft weltweit.
Die Entwicklung und Verbreitung der Jain-Gemeinschaften ist ein faszinierendes Thema, das die Dynamik und Resilienz einer der ältesten spirituellen Traditionen Asiens beleuchtet. Jainismus, entstanden in einem kulturell und religiös überaus reichhaltigen Kontext des antiken Indiens, hat eine beeindruckende Reise durch die Zeit unternommen, die sowohl von innerer spiritueller Tiefe als auch äußerer gesellschaftlicher Anpassung gekennzeichnet ist.
Zunächst ist zu bemerken, dass die Gemeinschaft der Jains als Mönche und Laien konstituiert ist. Die Mönche und Nonnen, bekannt als „Sadhu” und „Sadhvi,” leben nach strengen asketischen Regeln, während die Laienanhänger, die „Shravakas” und „Shravikas,” die Lehren des Jainismus in ihr tägliches Leben integrieren. Diese duale Struktur hat es der Jain-Gemeinschaft ermöglicht, sowohl in religiösen als auch weltlichen Sphären zu gedeihen.
Die ersten Jahrhunderte nach Mahaviras Nirvana (ca. 527 v. Chr.) waren für den Jainismus von intensiver schriftlicher und mündlicher Überlieferung gekennzeichnet. In dieser Periode formulierten Jains erste kanonische Schriften, die Agamas, und weitere bedeutende Texte wie zum Beispiel das „Tattvartha Sutra.” Diese Schriften lieferten nicht nur spirituelle Anleitungen, sondern auch praktische Richtlinien für die Gemeinschaftsorganisation.
Als eine der bemerkenswertesten Entwicklungen ist die Verbreitung der Jain-Gemeinschaften während der Maurya-Periode (circa 322–185 v. Chr.) zu nennen. Kaiser Chandragupta Maurya soll nach der Legende zum Jainismus konvertiert sein und seine letzten Jahre als Mönch verbracht haben. Diese Verbindung zur politischen Macht trug erheblich zur Verbreitung und zum Ansehen des Jainismus bei. Insbesondere in den Regionen von Bihar und Karnataka entstanden bedeutende Jain-Zentren.
Die gut bekannte Spaltung des Jainismus in die Digambara- und Svetambara-Sekten, die etwa im 1. Jahrhundert n. Chr. ihren Höhepunkt erreichte, führte zu einer weiteren institutionellen und gesellschaftlichen Differenzierung innerhalb der Jain-Gemeinschaft. Diese beiden Hauptsekten entwickelten unterschiedliche Interpretationen und Praxisformen, die jedoch beide zur blühenden Vielfalt und geografischen Verbreitung des Jainismus beitrugen.
Im Mittelalter fanden die Jains bedeutende Unterstützung durch regionale Königreiche, vor allem in den westlichen und südlichen Teilen Indiens. Königreiche wie das der Chalukya, Rastrakuta, und Hoysala förderten den Bau imposanter Jain-Tempel und Klöster. Besonders bemerkenswert sind die Arbeiten von Jain-Architekten und Bildhauern, die einige der feinsten religiösen Kunstwerke der Geschichte schufen, wie zum Beispiel die monumentalen Statuen von Gomateshwara in Shravanabelagola.
Der Handel spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle in der Stabilisierung und Verbreitung der Jain-Gemeinschaften. Jain-Kaufleute und Banker wurden aufgrund ihrer Reputation für Ehrlichkeit und Integrität geschätzt und erhielten oft Privilegien und Schutz durch lokale Herrscher. Diese Handelsnetzwerke ermöglichten es den Jains, sich weit über ihre traditionellen geographischen Grenzen hinaus zu verbreiten, einschließlich dem nördlichen und zentralen Indien.
Ein auffälliges Merkmal der Jain-Gemeinschaften ist ihre Fähigkeit, sich anzupassen und gleichzeitig ihre fundamentalen Prinzipien zu bewahren. Trotz der Eroberungen und Veränderungen in der politischen Landschaft Indiens gelang es den Jains, ihre nachahmswerte Tradition der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) und anderen ethischen Prinzipien beizubehalten, während sie sich dennoch an neue soziale und wirtschaftliche Bedingungen anpassten.
In der frühen Neuzeit kam es unter der britischen Kolonialherrschaft zu bedeutenden Veränderungen in der Struktur der Jain-Gemeinschaften. Der Zugang zu modernen Bildungssystemen und die Möglichkeiten zur Migration, besonders in städtische Zentren und sogar ins Ausland, ermöglichten es den Jains, neue soziale und wirtschaftliche Rollen zu übernehmen. Dabei half ihnen ihre starke soziale Kohäsion und die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden, die sowohl auf Vertrauen als auch auf gemeinsamen religiösen Werten beruhten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklung und Verbreitung der Jain-Gemeinschaften eine einzigartige Verbindung von Treue zu geistigen Prinzipien und pragmatischer Anpassung an weltliche Gegebenheiten darstellt. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass der Jainismus auch in der heutigen globalisierten Welt eine lebendige und einflussreiche Rolle spielt.
Der Jainismus, eine der ältesten religiösen Traditionen Indiens, entwickelte sich in einer Zeit, die geprägt war von tiefgreifenden philosophischen und religiösen Auseinandersetzungen. Insbesondere der Buddha und die Vedischen Traditionen, die später als Hinduismus bezeichnet wurden, traten als bedeutende Herausforderer der jainistischen Lehren auf. Ein Verständnis des Jainismus ist daher unvollständig ohne eine eingehende Betrachtung der Wechselwirkungen und Rivalitäten zwischen diesen bedeutenden Strömungen.
Die Zeit um das 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. im Nordosten Indiens, insbesondere in den Gebieten des heutigen Bihar und Uttar Pradesh, war geprägt von intensiven intellektuellen und spirituellen Diskussionen. In dieser Ära, bekannt als die Zeit der "Sramana-Bewegungen", traten zahlreiche heterodoxe Traditionen auf, die die Autoritäten der vedischen Priesterkaste herausforderten. Die Sramanas, zu denen auch die Jains gehörten, lehnten die vedischen Rituale, die tierischen Opfer und die Kastenhierarchien ab und entwickelten alternative ethische und philosophische Systeme.
Ein zentraler Akteur in diesem Kontext war Siddhartha Gautama, bekannt als der Buddha. Wie Mahavira, der 24. Tirthankara des Jainismus, war Gautama Buddha ein zeitgenössischer Lehrer, der das etablierte vedische System in Frage stellte. Beide Lehrer forderten ein Leben in strenger Askese und Meditation und legten großen Wert auf gewaltfreie Ethik. Dennoch unterschieden sich ihre philosophischen Ansätze erheblich.
Die Jains propagierten die Lehre der “Anekantavada” (Nicht-Einseitigkeit), die besagt, dass die Wahrheit in ihrer Gesamtheit nicht durch eine einzige Perspektive vollständig erfasst werden kann. Diese Lehre trat in einen wechselseitigen Diskurs mit der buddhistischen Lehre der “Shunyata” (Leerheit), die behauptet, dass alle Phänomene leer von inhärenter Existenz sind. Obwohl beide Glaubenssysteme Erkenntnistheorien entwickelten, die sich auf die Vergänglichkeit aller Dinge stützten, führte der Jainismus zu festen ethischen Prinzipien, die auf einer realistischeren Metaphysik basierten, während der Buddhismus einen Mittelweg zwischen den Extremen des Nihilismus und Essentialismus suchte. Laut den buddhistischen Texten, insbesondere den “Samannaphala Sutta”, führte der Buddha Diskussionen mit Mahavira, und es herrschte ein reger intellektueller Austausch.
Die hinduistischen Traditionen entwickelten sich während dieser Zeit ebenfalls weiter, um auf die Herausforderungen der Sramana-Bewegungen zu reagieren. Das philosophische Gedankengut der Upanishaden, das sich in dieser Periode herausbildete, griff viele Konzepte auf, die sowohl dem Jainismus als auch dem Buddhismus nahe standen. Begriffe wie “Karma”, “Moksha” (Erlösung) und “Ahimsa” (Gewaltlosigkeit) wurden im Hinduismus ebenfalls weiterentwickelt und integriert. Zusätzlich führte die ständige Interaktion und der philosophische Wettstreit zu einer Verfeinerung der Hindu-Denkschulen, wie z.B. dem Vedanta, das durch seine Advaita-Lehre dem Jainismus in vielerlei Hinsicht entgegengesetzt war.
Trotz der Konflikte und theologische Differenzen entwickelten sich auch fruchtbare Dialoge, bei denen Ideen von einem Glaubenssystem zum anderen flossen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Einfluss von Ahimsa (Gewaltlosigkeit), das aus dem Jainismus stammt und durch Mahatma Gandhi im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Prinzip sowohl in Indien als auch weltweit wurde. Mahatma Gandhi, obwohl selbst ein Hindu, wurde stark von den jainistischen Lehren der Gewaltlosigkeit und des Fastens beeinflusst, was seine philosophischen und politischen Ansichten prägte.
Ein weiterer Punkt der Interaktion war der soziale und wirtschaftliche Einfluss der Jain-Gemeinschaften. Die Jains, die sich besonders durch ihren wirtschaftlichen Erfolg und ihre soziale Disziplin auszeichneten, trugen dazu bei, dass ihre ethischen und sozialen Praktiken auch von den umliegenden Gesellschaften übernommen wurden. Viele Handels- und Geschäftspraktiken in Indien, die auf Ehrlichkeit, Integrität und Gemeinschaftsorientierung basieren, können auf jainistische Einflüsse zurückgeführt werden.
In der Beurteilung der jainistischen Geschichte im Kontext von Buddhismus und Hinduismus wird deutlich, dass der Jainismus nicht isoliert betrachtet werden kann. Der gegenseitige Austausch, die Auseinandersetzungen und die wechselseitigen Einflüsse dieser Traditionen haben die indische Philosophie und Religion tief geprägt. Der Jainismus hat in diesem komplexen Geflecht eine einzigartige und unverzichtbare Rolle gespielt und bietet auch heute noch wertvolle Einsichten für eine gerechte und friedliche Lebensweise.
Während Mahavira und der Buddha zentral für die Gründung und Entwicklung ihrer jeweiligen Traditionen waren, zeigt die längerfristige Entwicklung, dass die Ideen und Praktiken des Jainismus tief verwurzelt und adaptiv geblieben sind. In einem kontinuierlichen Dialog mit dem Buddhismus und Hinduismus haben die Jains eine reiche spirituelle und philosophische Tradition entwickelt, die sowohl unabhängig als auch interaktiv mit den anderen großen religiösen Strömungen des alten und modernen Indien ist.
Die Spaltung in die beiden Hauptsekten des Jainismus, die Digambara und die Svetambara, ist eine der bedeutendsten historischen Entwicklungen in der Geschichte dieser Religion. Diese Spaltung fand etwa im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) statt und war das Resultat einer Vielzahl von theologischen, geografischen und kulturellen Faktoren.
Zum Verständnis der Unterschiede zwischen den beiden Sekten ist es wichtig, ihre grundlegenden Glaubenssysteme und Praktiken zu betrachten. Die Digambara-Sekte, deren Name "Himmelsgewandete" bedeutet, vertritt die Ansicht, dass völlige Nacktheit ein Zeichen der höchsten Entsagung und ein notwendiger Schritt zur Erreichung der Moksha (Befreiung) ist. Die Digambaras glauben, dass wahre Mönche keine Kleidung tragen sollten, um völlige Loslösung von materiellen Bindungen zu demonstrieren. Sie beziehen sich hierbei auf die Praktiken von Mahavira, dem 24. Tirthankara, der angeblich in völliger Nacktheit lebte.
Die Svetambara-Sekte, deren Name "Weißgekleidete" bedeutet, ist weniger streng in der Frage der Bekleidung. Svetambaras glauben, dass spirituelle Reinheit nicht notwendigerweise mit physischer Nacktheit einhergehen muss. Sie tragen weiße Kleidung als Symbol für Reinheit und Einfachheit. Zudem sind Svetambaras der Ansicht, dass Frauen ebenfalls die Moksha erlangen können, während die Digambaras dies verneinen. Diese Unterschiede in den Ansichten über Nacktheit und die Rolle der Frauen führten zu signifikanten theologischen Debatten und bildeten die Grundlage für die Spaltung.
Geografische Faktoren spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Spaltung der Jain-Gemeinschaft. Während der Hungersnot in Nordindien zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert n.u.Z. wanderten einige Jains nach Süden aus, was zur Entstehung der Digambara-Tradition in Karnataka und den umliegenden Regionen führte. Diejenigen, die im Norden blieben, entwickelten die Svetambara-Tradition weiter. Diese geografische Trennung förderte die Herausbildung unterschiedlicher Praktiken und Rituale.
Das Schisma wurde auch durch Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der kanonischen Schriften des Jainismus vertieft. Die Svetambaras behaupten, dass die heiligen Schriften, Agamas genannt, von Mahaviras Hauptjüngern überliefert wurden und authentisch sind. Im Gegensatz dazu glauben die Digambaras, dass die ursprünglichen Schriften verloren gingen und daher die Svetambara-Texte nicht als absolut zuverlässig betrachtet werden können. Dies führte zu einer deutlichen Trennung in den textlichen Traditionen der beiden Sekten.
Ein weiterer bedeutender Unterschied zwischen den beiden Sekten liegt in ihrer Ikonografie und Tempelpraxis. Digambara-Tempel zeichnen sich oft durch das Fehlen von Bekleidung bei den Tirthankara-Statuen aus, während Svetambara-Tempel normalerweise bekleidete Statuen zeigen. Auch unterscheiden sich ihre Rituale und Festlichkeiten, was zur Entwicklung unterschiedlicher kultureller Identitäten beitrug.
Trotz ihrer Unterschiede haben beide Sekten wichtige Beiträge zur Erhaltung und Verbreitung des Jainismus geleistet. Die Digambaras und Svetambaras pflegen jeweils umfangreiche philosophische und literarische Traditionen, die ein reiches Erbe an Texten und Kommentaren umfassen. Beispielsweise haben die Digambaras bedeutende Werke wie das „Samayasara“ von Acharya Kundakunda hervorgebracht, während die Svetambaras durch Schriftgelehrte wie Hemachandra und ihre umfassende Arbeit an den Agamas bekannt sind.
In der heutigen Zeit gibt es Bemühungen zur intersektarischen Zusammenarbeit und größerem Verständnis zwischen den beiden Gruppen. Viele Jains erkennen die Bedeutung der Einheit und Zusammenarbeit in einer globalen Welt und arbeiten daran, die historischen Differenzen zu überwinden. Initiativen wie gemeinsame Feste, Konferenzen und Dialoge tragen dazu bei, ein besseres Verständnis und Respekt zwischen Digambaras und Svetambaras zu fördern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Spaltung in Digambara und Svetambara ein komplexes Ergebnis von theologischen, geografischen, und historischen Faktoren ist. Trotz ihrer Unterschiede teilen beide Sekten die fundamentalen Lehren des Jainismus und tragen gemeinsam zum reichen spirituellen und kulturellen Erbe dieser alten Religion bei.
Der Jainismus, eine der ältesten spirituellen Traditionen Indiens, hat im Laufe der Jahrhunderte tiefgreifende und bleibende Einflüsse auf die indische Kunst, Kultur und Literatur ausgeübt. Obwohl er oft im Schatten der größeren Religionen wie Hinduismus und Buddhismus stand, hat der Jainismus durch seine einzigartigen philosophischen und ethischen Lehren einen unverkennbaren Stempel hinterlassen.
Die religiöse Praxis und Philosophie des Jainismus finden einen bedeutenden Ausdruck in der Kunst. Jainistische Tempel und Höhlen, die in verschiedenen Teilen Indiens zu finden sind, sind bemerkenswerte Beispiele architektonischer Brillanz. Ein solches herausragendes Beispiel ist der Dilwara-Tempel in Rajasthan, der für seine exquisite Marmorskulpturen und komplizierten Steinmetzarbeiten berühmt ist. Die Architektur dieser Tempel spiegelt die Werte des Jainismus wider, insbesondere das Prinzip der Ahimsa (Gewaltlosigkeit), in der Sanftheit und Eleganz der Kunstwerke. Diese Bauten sind nicht nur religiöse Zentren, sondern auch kulturelle Denkmäler, die die spirituelle und künstlerische Sensibilität der Jain-Gemeinschaft vergangener Epochen manifestieren.
In der Malerei haben jainistische Manuskripte, die oft illuminierte Handschriften sind, eine wesentliche Rolle gespielt. Diese Manuskripte sind reich verziert und illustrieren Szenen aus dem Leben der Tirthankaras (Lehrer) und Geschichten aus der jainistischen Mythologie. Die Palas und der Guptas, zwei bedeutende Dynastien in der indischen Geschichte, haben solche Kunstwerke gefördert, die heute als kostbare kulturelle Erben angesehen werden. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Kalpa Sūtra, ein zentraler Text im Jainismus, illustriert mit lebhaften Miniaturen, die die Lebensgeschichte von Mahavira und anderen Tirthankaras darstellen.
Die Literatur des Jainismus bietet ebenfalls wertvolle Einblicke in die kulturelle Landschaft Indiens. Jainische Gelehrte haben enorm zur Entwicklung der indischen Sprachliteraturen wie Prakrit, Sanskrit und Kannada beigetragen. Der berühmte Jain-Dichter und Gelehrte Hemachandra, ein Genie des 12. Jahrhunderts, verfasste zahlreiche Werke in verschiedenen Disziplinen, einschließlich Grammatik, Poesie und Philosophie. Er spielte eine zentrale Rolle in der kulturellen Renaissance während der Herrschaft der Solanki-Dynastie in Gujarat und seine Werke sind bis heute von großer Bedeutung.
Jainische Literatur ist nicht nur auf religiöse Texte beschränkt. Sie umfasst auch moralische Geschichten und Fabeln, die tief in die Prinzipien des Jainismus eingebettet sind. Samantarayakatha, eine Sammlung von Geschichten, die moralische und ethische Lehren verkörpern, hat als Rahmenwerk für die Entwicklung der erzählerischen Literatur in Indien gedient. Solche Werke wurden oft in den alten Sprachen der Region verfasst, was zur Bereicherung und Bewahrung dieser Sprachen beigetragen hat.