Die Studentin, die nach Cannes wollte: Eine Erzählung über die Kunst, mit Fake zu leben - Jörg Tropp - E-Book

Die Studentin, die nach Cannes wollte: Eine Erzählung über die Kunst, mit Fake zu leben E-Book

Jörg Tropp

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Beschreibung

Was macht menschliche Kommunikation in ihrem Innersten aus? Ist "Realität" überhaupt das, was wir darunter verstehen? Jörg Tropp nimmt uns in seiner Erzählung mit auf eine Entdeckungsreise durch die Welt des Fake. Wir erfahren, warum Fake ein grundlegender Bestandteil der Kommunikation ist und wir ihm nicht entfliehen können. Denn: Menschliche Wahrnehmung ist immer Interpretation. Das Entweder-oder von Wahr und Falsch ist nur die Oberfläche. Der Autor gibt uns Hinweise für einen verantwortungsvollen Umgang mit Fake, denn ein authentisches Leben ist möglich, auch wenn wir Fake nicht entgehen können. Es liegt allein in unserer Verantwortung, wie wir die Wirklichkeit erleben. Machen Sie sich auf den Weg ins richtige Leben im Fake!

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Jörg Tropp

DIE STUDENTIN,DIE NACH CANNES WOLLTE

Eine Erzählung über die Kunst,mit Fake zu leben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© FAZIT Communication GmbH

Frankfurter Allgemeine Buch

Frankenallee 71 – 81

60327 Frankfurt am Main

Umschlag: Nina Hegemann, FAZIT Communication GmbH

Illustrationen: Julia Deutschen, Pforzheim

Literarische Texte: Prof. Dr. Dr. Siegfried J. Schmidt, Münster

Redaktion: Dr. Peter Schäfer, Gütersloh

Lektorat: Wolfgang Barus, Frankfurt am Main

Satz: Nina Hegemann, FAZIT Communication GmbH

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

1. Auflage

Frankfurt am Main 2019

ISBN 978-3-96251-065-7eISBN 978-3-96251-070-1

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Ich danke Caspar, Chris, Erik, Felix,meiner Frau Uta und meinem Sohn Elias.

Mein besonderer Dank gilt einer mir namentlichnicht bekannten Studentin.

oft wußte ernicht genauwovon seine texte handeltenwas seine sorgfaltbei ihrer verfertigungin keiner weise beeinträchtigte

Siegfried J. Schmidt

Inhalt

Zur Sache: Realität, wo bist du?

Goldideen

Das Geschäft mit dem gefakten Fake

„Möglich sein“

Leben im Fake (LiF)

Strategischer und nichtstrategischer Fake: Kenne den Unterschied!

Erste Empfehlung für den Umgang mit Fake

Boom des Fakes

Leben wir im Zeitalter des Misstrauens?

Glaubwürdigkeitskrise der Medien

Finde Deine Vertrauensmedien und mache ihnen keine Fake-Vorwürfe!

Zweite Empfehlung für den Umgang mit Fake

Wer sich bemüht, „echt“ zu sein, ist es nicht

Die Authentizitätsfalle

Vermeide ein Faker-Image – kommuniziere getreu deines Selbst-Werts!

Dritte Empfehlung für den Umgang mit Fake

Aufbruch ins richtige Leben im Fake

Epilog

Weiterführende Literatur

Im Anfang ist die Wahrnehmung …

Damit es ein Faktum überhaupt gibt, muss es von Menschen wahrgenommen werden.

Menschliche Wahrnehmung ist immer Interpretation.

Fakten sind immer Interpretationen dessen, was wir Realität nennen.

Und die können sich voneinander unterscheiden.

Zur Sache: Realität, wo bist du?

Gerade in Situationen, in denen man mit sich selbst unzufrieden ist, seine Ruhe haben will und das Gefühl hat, dass sich unbedingt etwas ändern muss, geschieht etwas vollkommen Unerwartetes. Etwas, das großen Einfluss auf den weiteren Verlauf des eigenen Lebens nimmt. Das Gespräch mit einer mir bis dahin unbekannten Studentin war so ein Erlebnis. Es brachte mich dazu, mich mit der Frage zu beschäftigen, was eigentlich unsere menschliche Kommunikation in ihrem Innersten ausmacht. Ausgerechnet dabei fand ich den Weg zu mir selbst, denn wenn man seine Vorstellungen von der Realität und Wahrheit ordnet, erlangt man eine Klarheit, die das Leben erleichtert und bereichert. Den Namen der Studentin kenne ich bis heute nicht. Doch auf sie komme ich später zu sprechen.

Wenn ich in meinem Freundeskreis solche Themen diskutiere, taucht häufig die Frage auf, was man denn heute überhaupt noch glauben kann. Sind wir nur von unverlässlichen Informationen umgeben? Was ist Fake, was ist Wahrheit? Und überhaupt: Warum machen nur noch Drama, Zerstörung und Bedrohung Schlagzeilen? Als gäbe es nur noch schockierende Amokläufe an Schulen, schreckliche Giftgasangriffe in Kriegsgebieten, grausame Foltermethoden sogar in der westlichen Welt sowie verheerende Naturkatastrophen weltweit.

Natürlich gibt es all das. Die Medien machen diese Meldungen, Reportagen und Schlagzeilen für diejenigen, die nicht dabei waren. Aus Fakten und Ereignissen, für die man nur dankbar sein kann, sie nicht selbst unmittelbar erlebt zu haben, werden (Schreckens-)Nachrichten produziert. Diese werden online in verschiedensten Foren aufgeregt diskutiert, und selbst Außenstehende können beurteilen, dass dabei häufig der Bezug zur Realität verloren geht.

Ich nahm mir vor, das Wort „Realität“ künftig sehr sparsam zu verwenden bzw. weitestgehend zu vermeiden. Warum sollte ich dieses Wort denn auch benutzen, wenn so viele andere, die das Gegenteil für wahr halten, ebenfalls vehement darauf bestehen, die Realität bestens zu kennen und dafür auch gute Argumente vorweisen können? Die daraus resultierende Erkenntnis, dass die mit der Unterscheidung Fake versus Faktum assoziierte, pauschale Gegenüberstellung von böse versus gut eigentlich viel zu kurz gegriffen und auch nicht zielführend ist, irritierte mich. Mehr noch, mich beschlich der Verdacht, dass die Unterscheidung Fake versus Faktum mehr und mehr in sich zusammenfällt. Die Folge ist, dass uns zunehmend die Chance entgleitet, aus dem sich einstellenden Leben in Ungewissheit ausbrechen und eine wahrhafte und wirkliche Welt erfahren zu können. Dieser Gedanke frustrierte mich ungemein.

Dann ist mir aber bewusst geworden, dass es in meiner Verantwortung liegt, wie ich die Wirklichkeit erlebe. Dass es also an mir liegt, wie ich die in den Medien dargebotene Wirklichkeit wahrnehme, mit ihr umgehe und sie verarbeite. Doch es dauerte, bis ich diese Lektion lernte.

Goldideen

Das Geschäft mit dem gefakten Fake

Frustriert verließ ich wie so oft in letzter Zeit den Vorlesungsraum. Von Semester zu Semester nervte es mich mehr, Studenten etwas über Marketingkommunikation und Werbung beizubringen, ohne dass ich hätte erklären können, woher mein Verdruss kam. Es war aber nicht dieser typische Frust, der aufkommt, wenn man über Jahre hinweg denselben Job macht, mit seinem Leben grundsätzlich unzufrieden ist und gleichzeitig jedoch nicht den Mut aufbringt, etwas zu ändern. Seit nunmehr vierzehn Jahren war ich als Hochschulprofessor für strategische Kommunikation tätig. Mir war stets bewusst, dass ich einen der schönsten Jobs ausübe, die es in unserer Gesellschaft gibt. Zwar verdiente ich bei Weitem nicht so viel wie in der Zeit vor meiner wissenschaftlichen Laufbahn, als ich Geschäftsführer in einer internationalen Werbeagentur war. Aber ich wusste sehr zu schätzen, was es heißt, verbeamtet zu sein und ein in wirtschaftlicher Hinsicht krisensicheres Dasein zu führen. Vor allem der Freiraum für die eigenen Forschungsinteressen gefiel mir. Natürlich verfügte ich über Lehrroutine, die zugegebenermaßen gelegentlich auch in Langeweile umschlug.

Aber das war nicht der Punkt. Ich spürte, dass mein Frust tiefer lag, grundsätzlicher war, und dass ich mich endlich mit ihm auseinandersetzen musste. Sonst hätte ich die Fähigkeit verloren, meinen Job mit Freude, Ruhe und Glücksgefühlen auszuüben.

Jetzt erst mal einen Kaffee, dachte ich mir. Da ich bis zur nächsten Vorlesung zwei Stunden Zeit hatte, entschied ich, nicht in die Cafeteria, sondern in mein Lieblingscafé in der Stadt zu gehen, um mehr Ruhe zu finden. Ich ging kurz in mein Büro, griff mir ein paar Unterlagen sowie die Tageszeitung und machte mich auf den Weg.

Es war ein Café in typischem italienischen Stil: eine große Bar, an der man im Stehen seinen Espresso trinken konnte, ein paar Tische zum gemütlichen Quatschen mit Freunden. Stets stand eine Auswahl an schmackhaften Panini und Focaccia bereit, und es war immer gut besucht. Ich hatte Glück. Gerade, als ich das Café betrat, wurde ein Tisch in einer Ecke frei. Ich bestellte einen Cappuccino und blätterte die Unterlagen durch, die ich dabeihatte. Aber weder auf die werbewissenschaftlichen Fachzeitschriften noch auf die Masterarbeit, die ich schon längst hätte begutachten müssen, hatte ich Lust. Ich legte daher alles wieder zur Seite und griff mir die Tageszeitung.

Ein Glück, dachte ich, noch zwei Wochen, dann beginnen die Semesterferien. Dann habe ich hoffentlich die nötige Ruhe, um endlich den Grund meiner Unzufriedenheit zu klären. Am besten fahre ich ein paar Tage weg. Eine andere Umgebung wird mir bestimmt guttun.

Natürlich nutzte ich, vor allem auch beruflich, intensiv mein Smartphone und wusste die Vorteile der Digitalisierung und Online-Medien sehr zu schätzen. Die Nutzung von Online-Banking und E-Shopping zählten ebenso dazu wie die regelmäßige Lektüre der Nachrichten auf unterschiedlichen News-Plattformen.

Dennoch: Auf meine Tageszeitung konnte und wollte ich nicht verzichten. Ich bin noch im analogen Zeitalter mit Druckmedien und ohne Computer aufgewachsen. Erst während meines Studiums hatte ich mit Computern zu tun. Aber selbst heute, rund dreißig Jahre später, war es für mich immer noch unvorstellbar, dass im Zuge der digitalen Transformation die gedruckte Zeitung eines Tages verschwinden könnte.

Das darf einfach nicht sein, dachte ich immer wieder. Das Gefühl, eine Zeitung in der Hand zu halten und diese gemütlich bei einem Cappuccino in meinem Lieblingscafé durchzublättern, durfte nicht durch das hektische Scrollen der News auf irgendeiner Online-Plattform verdrängt werden. Natürlich war mir klar, dass dies eine naive, ja, trotzige Haltung war. Ich war eben kein Digital Native. Die unaufhaltsam voranschreitende Digitalisierung unseres Lebens und der damit verbundene Überlebenskampf der Printmedien, in die die Unternehmen und ihre Agenturen immer weniger Werbebudget fließen ließen, war nicht aufzuhalten. Gerade wegen dieser Unumkehrbarkeit der Entwicklung hielt ich an meinem Abonnement der Tageszeitung fest. Ich wollte damit dazu beitragen, dass die Tageszeitung die Möglichkeit hat, ihre neue Funktion in unserer Gesellschaft zu finden. Außerdem konnte ich so gleichzeitig prüfen, ob das aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert stammende und in der Medienwissenschaft viel diskutierte Rieplsche Gesetz zutrifft. Ihm zufolge wird kein etabliertes Medium durch ein höher entwickeltes Medium verdrängt. Schließlich hatte auch die Steintafel ihren medialen Funktionswandel erfolgreich gemeistert: vom gesellschaftlichen Leitmedium in der Zeit vor Christus zum heutigen Gedenkmedium auf Gräbern. Hinzu kommt, dass heutige Trends wie Entschleunigung, Achtsamkeit und haptisches Erleben zu einer Renaissance der analogen Medien wie beispielsweise der Vinyl-Schallplatte beitragen. Und im Zeitschriftenmarkt sorgen sie dafür, dass Mindstyle-Titel wie „Landlust“, „Flow“ oder „Bewusster leben“ boomen.

Ich fragte mich: Welche Rolle wird die Zeitung einmal haben? Vielleicht wird sie sich ja vom Informationsmedium zum Vertrauens- und Wohlfühlmedium entwickeln.

Ich überlegte weiter: Haben wir es nicht der Digitalisierung der Medien zu verdanken, dass Redaktionen heute Faktencheck-Abteilungen und sogar die Bild-Zeitung einen Ombudsmann installieren müssen, damit sie nicht Gefahr laufen, ungewollt Fake News zu verbreiten? Dank der Digitalisierung sitzt der Journalismus doch immer öfter der Meinungsmache in den Sozialen Medien auf. Ob nun empörte Kommentatoren oder Fake Accounts in Form von Social Bots dafür verantwortlich sind. Höchste Zeit, dass die Gatekeeper-Funktion der Medien und damit die Qualitätskontrolle wiederhergestellt werden und die Medien nicht eigennützig instrumentalisiert werden können, etwa von neurechten Populisten. Die Medien müssen dringend den Rahmen dafür schaffen, dass ihre Selbstbeobachtung und -bestimmung funktioniert. Denn ihre Berichterstattung basiert doch immer häufiger auch auf den Informationen und Berichten, die in anderen Medien – vor allem den Sozialen Medien – kursieren. Haben wir der Digitalisierung der Medien etwa nun den endgültigen Beweis zu verdanken, dass die alte römische Weisheit Mundus vult decipi, ergo decipiatur wahr ist, nach der die Welt betrogen sein will, und daher also betrogen werde? Ein erschreckender Gedanke!

All dies waren für mich Gründe, meiner Zeitung treu zu bleiben, und sei es nur, weil ich damit den unwillkommenen Begleiterscheinungen der Digitalisierung und Vernetzung in meiner kleinen privaten Lebenswelt die Stirn bieten konnte. Auch wenn dies auf Dauer wohl ein vollkommen hoffnungsloses Unterfangen sein würde, wie mir vollkommen klar war.

Gerade nahm ich einen Schluck von meinem Cappuccino und blieb an einer Artikelüberschrift hängen: US-Präsident Trump bezeichnete wieder einmal eine kritische Berichterstattung als Fake News. Da wurde ich angesprochen.