Die Stunde der Helden (Fantasy Roman) - Jörg Benne - E-Book

Die Stunde der Helden (Fantasy Roman) E-Book

Jörg Benne

5,0

Beschreibung

"Die meisten Helden sind Narren - tote Narren, die sich für ihren Ruf einen Dreck kaufen können." Huk, Wim und Dalagar sind in den düsteren Nordlanden als "die Helden" bekannt. Deshalb ist der junge Geschichtensammler Felahar begeistert, als er sich ihnen als Chronist anschließen darf, um aus erster Hand von ihren Taten zu berichten. Enttäuscht muss er feststellen, dass ihr Alltag weniger heldenhaft ist, als gedacht. Doch dann hält das Schicksal ein Abenteuer für das Quartett bereit, bei dem jeder von ihnen beweisen muss, ob er zum wahren Helden taugt. "Erfrischend anders als viele übliche Fantasyromane" – NeueAbenteuer.com "Sollten sich vor allem eingefleischte Rollenspieler nicht entgehen lassen" – Fantasyguide.de "Jörg Benne gelingt es immer wieder, sein Publikum in den Bann zu ziehen" – Phantastik-News "Mir gefiel die Geschichte aus dem Land Nuareth. Es gibt viele überraschende Wendungen, humorvolle Momente und ein überraschendes Ende." – Phantastischer Bücherbrief "Ein gut geschriebener Fantasy-Roman, der bis zum Schluss unterhaltsam bleibt." – Ringbote.de

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Jörg Benne

Legenden von Nuareth

DIE STUNDE DER HELDEN

Jörg Benne

Legenden von Nuareth

DIE STUNDEDER HELDEN

Roman

Deutsche Erstausgabe

1. AuflageVeröffentlicht durch den MANTIKORE-VERLAGNICOLAI BONCZYKFrankfurt am Main 2015www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen AusgabeMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYKText © Jörg Benne 2014

Titelbild: Alberto Dal LagoLektorat: Nora-Marie BorruschSatz & Bildbearbeitung: Matthias LückCovergestaltung: Dejan Krivokapic

ISBN: 978-3-945493-22-9

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Danksagung

1

Junaksruh. Ein passender Name für die kleine Ansammlung von Häusern, die ich im Dämmerlicht vor mir in der Wildnis liegen sah. Bis vor einigen Stunden hatte ich noch nie von dieser Ortschaft gehört, ein Wegweiser an einer Kreuzung hatte mich hergeführt. Verglichen mit meiner Heimatstadt Kela weit im Westen war Junaksruh allenfalls ein Nest, aber die letzten Nächte hatte ich in noch kleineren Siedlungen oder gar allein in der Wildnis verbracht – sowohl vor Kälte als auch vor Angst schlotternd. Daher erschien mir das Licht aus den Fenstern des Dorfes in der hereinbrechenden Dämmerung wie eine Verheißung von Zivilisation inmitten der wilden Nordlande.

Eine gefährliche Gegend – nicht wenige hatten mich einen Narren genannt, als ich meine gut bezahlte, sichere Stellung als Schreiber am Gericht von Kela aufgab, um ganz allein in die Nordlande aufzubrechen.

Mittlerweile war ich sogar geneigt, meinen Kritikern recht zu geben. Damals hatte ich in meinem Leichtsinn nur die Schultern gezuckt über ihre düsteren Prophezeiungen, nach denen ich entweder von Räubern gemeuchelt oder von Wildtieren zerfleischt werden würde. Mittlerweile hätte ich noch Verhungern und Erfrieren als mögliche Ursachen für ein vorzeitiges Ableben hinzugefügt.

Zwar weilte ich noch unter den Lebenden, aber es war schwer zu sagen, wer ein traurigeres Bild abgab, mein Nobo oder ich. In den letzten Tagen bockte die Reitechse selbst dann gelegentlich, wenn ich sie nur hinter mir herzog, und sie weigerte sich beharrlich, mich zu tragen. Dabei hatte ich seit meinem Aufbruch aus Kela ein wenig an Leibesfülle verloren – nicht zuletzt, weil ich sowohl mit meinen Vorräten als auch mit meiner Barschaft seit einigen Tagen haushalten musste. Aber in den kargen Hügeln fand auch die Echse nur ein paar kümmerliche Gräser oder etwas Moos und war daher auch nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte.

Die Leute, die in diese unwirtliche Gegend mit den langen, harten Wintern kamen, waren ein besonderer Menschenschlag. Wagemutige Siedler, die mit ihren Familien freies Land finden und urbar machen wollten, ohne einem Adligen einen Großteil ihrer Ernte und die erste Nacht mit ihren Töchtern überlassen zu müssen. Dafür waren sie bereit, viele Widrigkeiten in Kauf zu nehmen.

Mich reizte indes nicht die Aussicht auf ein eigenes Stück Land. Hier, an der Grenze der zivilisierten Welt, in der ein Siedler genauso schnell seine Freiheit wie den Tod finden konnte, hier erhoffte ich mir neue Geschichten für mein Kompendium von Abenteuern, mit dem ich mir als Poet einen Namen machen wollte. Immerhin hatte man mir schon seit meiner Jugend ein Talent für das Erzählen von Geschichten nachgesagt.

Beim Verfassen immer neuer Protokolle bei Gericht war ich bereits in meiner Fantasie auf Reisen gegangen, hatte die Welt erkundet und echte Helden getroffen. Irgendwann war ich so gelangweilt von meinem Alltag und so geblendet von meiner Fantasie, dass ich tatsächlich meinen Beruf als Schreiber aufgab und meine Reise in die Nordlande antrat.

Wie lange war das her? Ich sah zum Abendhimmel auf. Über mir zogen die drei Brüder ihre Bahnen. Banyak, der kleine Mond, lugte wie meistens kaum über den Horizont, Vejan und Xajan, im letzten Sonnenlicht nur blass zu erkennen, waren einander schon recht nahe. Vejan hatte seinen Bruder beinahe eingeholt, würde ihn in ein oder zwei Tagen verdecken und dann vor ihm fliehen, bis die Jagd der Brüder nach einer Dunkelnacht ohne Mondlicht von Neuem begann. Als ich vor einer Mondjagd aufgebrochen war, hatte es beinahe dieselbe Konstellation gegeben, fast dreißig Tage war ich also bereits unterwegs. Ich schüttelte den Kopf über meinen Leichtsinn.

Angetrieben von der Aussicht auf Wärme und etwas zu essen trottete ich über den schlammigen Pfad nach Junaksruh. Selbst der Nobo schien geneigt, sich aus eigenem Antrieb zu bewegen, wenngleich er mit dem schwindenden Sonnenlicht rasch träge wurde und seine beiden kräftigen Beine weniger geschmeidig als sonst bewegte. Ich wünschte, es gäbe noch andere Reittiere, die wechselwarmen Echsen waren für diese Gegend einfach nicht geschaffen.

Wie um meine Hoffnungen zu bestärken, wehte mir schon am Eingang des Dorfes der Duft von gebratenem Fleisch entgegen, und das Wasser lief mir im Munde zusammen. Es schien mir, als hätte ich seit Wochen keine frisch zubereitete Mahlzeit mehr bekommen.

Ich schleppte mich und meinen Nobo also bis zur Dorfschenke, die den wenig einfallsreichen Namen Zum Fass trug. Ein Stallbursche wollte mir mein Reittier abnehmen, doch ehe ich es ihm überließ, prüfte ich das Gepäck und sandte den Göttern ein kurzes Dankgebet. Trotz des Sturzregens der letzten Stunden waren meine Papiere trocken geblieben. Ich nahm den ledernen Rucksack an mich und trat in den Schankraum.

Dämmeriges Licht von einigen Kerzen, Gelächter und von Rauch und dem Geruch vieler Menschen geschwängerte Luft empfingen mich. Am Tresen gab es einige freie Hochstühle und ich setzte mich auf einen. Ich schälte mich aus meinem tropfnassen Mantel und legte ihn auf den Stuhl neben mich.

Der eine oder andere Dörfler maß mich mit unverhohlener Neugier, vielleicht waren auch misstrauische Blicke darunter. Meine Kleider mochten feucht und verdreckt sein, doch dass sie von edlerer Herkunft waren als die mehrfach geflickten Hosen der Dörfler, konnte niemandem entgehen. Meine Statur – manch einer nennt mich beleibt, ich bevorzuge wohlgenährt – fiel ebenfalls auf, denn die Siedler hier arbeiteten hart und ernteten oft nicht viel, daher waren sie meist von schlankem, drahtigem Körperbau. Die Leute verloren aber rasch das Interesse an mir und nahmen ihre Gespräche wieder auf.

Der Wirt, ein Mann in mittleren Jahren mit abgetragenen, fleckigen Kleidern und einem Spültuch über der Schulter, trat auf mich zu, hob aber nur fragend die Brauen, statt das Wort an mich zu richten.

Nun, übermäßige Gastfreundschaft hatte ich auch nicht erwartet. Schon im letzten Dörfchen war der Empfang recht kühl ausgefallen. Zu viele zwielichtige Gestalten, die auf der Flucht vor den Obrigkeiten der südlichen Reiche waren, trieb es in den freien Norden. Die Leute hier taten daher gut daran, Neuankömmlingen mit Argwohn zu begegnen.

Ich kramte in meiner Geldbörse und förderte die letzte Krone zutage. Die Mundwinkel des Wirtes zuckten leicht, als ich das Geldstück vor ihm auf die Theke legte. »Bier, Essen und ein Zimmer für die Nacht«, bestellte ich und rang mir trotz meiner Erschöpfung ein Lächeln ab.

Der Wirt brummte irgendetwas, die Krone verschwand in seiner Hosentasche und kurz darauf hatte ich einen Krug Würzbier und zwei Silbermünzen als Wechselgeld vor mir. Nachdem ich in den letzten Tagen nur abgestandenes Wasser aus meinem Schlauch getrunken hatte, erschien mir das Bier köstlich, wenngleich es wohl kein besonders gutes Gebräu war. Ich kippte den halben Krug in einem Zug herunter und wischte mir danach mit einem zufriedenen Seufzer den Schaum aus dem Schnurrbart. Als mir kurz darauf auch noch ein Teller mit Brei, köstlichem Fleisch und Soße serviert wurde, war ich für einige Minuten einer der zufriedensten Menschen auf der Welt.

Nach dem Mahl genoss ich eine Weile das Gefühl des Sattseins, lehnte mich an den Tresen und ließ meinen Blick durch die Schenke schweifen.

An einem Ecktisch tuschelten drei Frauen, gut ein Dutzend Männer saß an den übrigen Tischen. Die meisten schienen nur wenig älter als ich mit meinen knapp fünfundzwanzig Wintern, sicher hatte keiner von ihnen vierzig oder mehr gesehen. Alte Menschen zog es meist nicht in die Wildnis und wenn doch, überlebten sie in der Regel nicht lang.

Ob diese Leute mir Quell für neue Geschichten sein würden? Nun, zuerst würde es andersherum laufen, schon meiner fast leeren Geldbörse wegen. Es war Zeit, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen, auch wenn mir eher danach zumute war, meine feuchten Kleider abzulegen und mich unter einer Decke zu wärmen. Doch bei Tag würden diese fleißigen Männer und Frauen ihrer Arbeit nachgehen, die Muße, Geschichten zu lauschen und welche zu erzählen, hatten sie nur am Abend.

Ich zupfte also meine klammen Gewänder zurecht, erhob mich von meinem Stuhl und räusperte mich übertrieben laut. »Liebe Leute«, hob ich an und spürte, wie die Blicke aller Anwesenden zu mir wanderten. »Ich möchte mich vorstellen: Mein Name ist Felahar von Brickstein, Barde aus Kela. Ich bin den weiten Weg gekommen, um euch mit Geschichten zu unterhalten, die ich gesammelt habe. Möchtet ihr eine Geschichte hören?« Mit einem auffordernden Lächeln sah ich in die Runde. Im letzten Dorf hatten sie mein Angebot ausgeschlagen, deshalb war meine Reisekasse nun aufgebraucht. Wenn auch diese Leute keine Geschichten hören wollten, hatte ich ein Problem.

Schweigen. Meine Hände wurden feucht. »Wie wäre es mit einer Geschichte von Piraten auf hoher See? Oder von einer glorreichen Schlacht?«, legte ich nach. Ich spürte, wie mir das Lächeln auf den Lippen gefror.

»Das Meer is’ weit weg«, brummte ein hagerer Mann, der eine üble Narbe von einem Peitschenhieb auf der Wange trug.

»Ich hab’s noch nie gesehen«, schnarrte ein anderer. »Und Schlachten sind auch nix für uns.«

Oh verdammt. Ich musste diese Leute für mich gewinnen oder ich würde am nächsten Tag um Arbeit auf dem Feld betteln und mein eigentliches Anliegen hintanstellen müssen.

»Kennst du denn eine Geschichte von Wim, Huk und Dalagar?«, fragte eine der Frauen. Beifälliges Gemurmel von den Männern.

»Genau, was von den Helden. Solche Geschichten hören wir hier gern«, meinte der mit der Peitschennarbe, der eben noch skeptisch geklungen hatte.

»Aber selbstverständlich«, log ich lächelnd, durchforstete aber gleichzeitig mein Gedächtnis. Die Namen der drei kamen mir bekannt vor, vermutlich hatte ich in einem der letzten Dörfer von ihnen gehört. Aber es waren auf meiner Reise schon einige Geschichten zusammengekommen und auf Anhieb konnte ich die Namen nicht einer von ihnen zuordnen.

Ich sah mich um, entdeckte einen freien Ecktisch nahe dem Kamin. »Hier erzählt es sich angenehmer«, sagte ich jovial, legte mein Gepäck ab und machte es mir übertrieben ausführlich gemütlich, nur um Zeit zu gewinnen. Ich hatte mittlerweile eine vage Erinnerung an die drei Helden, meinte mich grob zu entsinnen, wie sie mir umschrieben worden waren, vermochte die Namen aber nicht den Beschreibungen zuzuordnen. Ich bewegte mich auf dünnem Eis, konnte den Beginn aber nicht länger hinauszögern und musste mir also etwas aus den Fingern saugen. Nun würde sich zeigen, ob ich wirklich zum Poeten taugte.

»Kennt ihr die Geschichte, als Wim, Huk und … äh … Galagar damals …«

»Dalagar«, berichtigte mich die Frau. Eine Falte bildete sich dabei zwischen ihren Augenbrauen.

Ich hüstelte. »Dalagar, natürlich. Kennt ihr also die Geschichte, wie die drei Helden es mit dem Drachen Hirkanas aufnahmen?« Erwartungsvoll sah ich in die Runde. Es sollte mich sehr wundern, wenn jemand nicken würde, schließlich hatte ich mir den Aufhänger in diesem Moment ausgedacht.

Allgemeines Kopfschütteln.

»’n Drache, hier in ’er Gegend?«, meinte einer der Männer skeptisch.

»Lass ihn doch erzählen«, beschwichtigte ihn ein anderer. »Hauptsache, die Geschichte is’ spannend.«

Hauptsache, ihr lasst dafür nachher ein paar Münzen springen, fügte ich in Gedanken hinzu, räusperte mich ein weiteres Mal und fing an, mein Garn zu spinnen.

»In einem Dorf südwestlich von hier, nicht weit von den Kromhöhen, lebten die Menschen viele Jahre glücklich und zufrieden. Die Arbeit war hart, aber die Ernte reichte zum Leben und in guten Jahren gar, um etwas zu verkaufen und sich Bier und Wein zu gönnen.

Doch eines Tages kam Hirkanas in die Gegend. Er war ein großer roter Drache, mit einem Leib, gewaltig wie ein Haus. Wenn er die Flügel aufspannte, hätte er ein Dorf wie Junaksruh in seinen Schatten tauchen können. Wie alle Drachen liebte er vor allem zwei Dinge: Schätze und Jungfrauen.

Er kam also über das Dorf, brannte einige Felder mit seinem Feuerodem nieder und verlangte einen Tribut, damit er nicht die ganze Ernte vernichtete. Schätze konnten die Bauern ihm nicht bieten, also mussten es Jungfrauen sein. Und so brachten sie ihm fortan jedes Jahr im Frühling eine schöne Maid als Opfer dar. Der Drache kam, nahm die unschuldigen Mädchen mit sich und sie wurden nie mehr gesehen.«

Jemand gähnte. Mein Blick registrierte die eine oder andere gerunzelte Stirn, ein Zuhörer stützte den Kopf schwer auf seine Hand. Mir wurde klar, dass ich mit den Klischees etwas sparsamer umgehen musste, um meine Zuhörer nicht zu verlieren.

Ich hob die Stimme. »Eines Sommers aber kam eines der Mädchen zurück ins Dorf.« Ha, jetzt hatte ich sie am Haken, das konnte ich an ihren Reaktionen sehen. Diese Wendung war neu für sie – allerdings auch für mich. Ich musste einen Kloß im Hals imitieren, um Zeit zu gewinnen. »Es erzählte vom Los der Mädchen, die der Drache in seinem Hort hielt. Er brachte ihnen Fleisch und es gab Wasser, aber sie mussten immer im Dunkel der Höhle leben, sahen niemals die Sonne, und da ihre Kleider mit der Zeit zerrissen, mussten sie sich mit Fellen bedecken, als seien sie Wilde. Das Mädchen, das entkommen war, trug auch nur einen Mantel aus Fell.«

Eine der Frauen schlug sich die Hand vor den Mund, die Männer warfen einander grinsend Blicke zu. Die Vorstellung spärlich bekleideter Mädchen gefiel ihnen natürlich. Ich verstand mein Handwerk ja schließlich auch.

»Die Menschen im Dorf wussten nicht, was sie empfinden sollten. Die Mütter der Mädchen waren einerseits glücklich, dass ihre Kinder noch lebten, jammerten aber auch über deren grausames Schicksal. Dazu kam noch die Angst, dass nun der Drache über das Dorf kommen und die Ernte verbrennen könnte. Manch einer forderte gar, das arme Mädchen wieder an den Drachen auszuliefern, wenn er käme.«

Nun hingen alle Zuhörer gebannt an meinen Lippen. Die Einleitung war also gelungen. Zeit, die Helden in die Geschichte einzubringen.

»Zu ihrem Glück kamen zufällig unsere drei Helden des Weges. Sie hörten von dem Unglück des Dorfes und boten großmütig ihre Hilfe an. Das tapfere Mädchen wollte ihnen den Weg zum Drachenhort weisen und so zogen sie los, um dem Drachen den Garaus zu machen und die anderen Jungfrauen zu befreien.«

An dieser Stelle wurde ich unterbrochen, weil die Tür sich öffnete und einige Männer hereinkamen. Niemand beachtete sie, alle wollten, dass ich fortfuhr. Dennoch wartete ich, bis sie sich an einen der anderen freien Tische gesetzt hatten, ehe ich fortfuhr.

»Nach kurzer Reise gelangten sie schließlich zum Hort des Drachen, einem finsteren Gelass in den Tiefen eines Berges. Wie ihr wisst, schlafen Drachen oft viele Tage, und so hatte Hirkanas noch gar nicht bemerkt, dass eins der Mädchen entkommen war. Nun jedoch, als ihm der Geruch der Männer in die Nüstern stieg, erwachte er und sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein großer Roter wie Hirkanas kennt jedoch keine Furcht. Nichts und niemand kann mir etwas anhaben, dachte er, also brüllte er nur: ‚Wer wagt es, in meinen Hort einzudringen?‘, und seine Stimme hallte so laut von den Wänden wider, dass es den Menschen in den Ohren klingelte.«

Jetzt begab ich mich auf schwieriges Terrain, denn meine Erinnerung an die drei Helden war nach wie vor mehr als vage. Allzu gern hätte ich in meinen Aufzeichnungen gestöbert, aber dafür war keine Zeit. Nun durfte ich bloß keinen falsch beschreiben, sonst flog alles auf. »Der Tapferste unter den dreien trat ohne Angst vor den riesigen Drachen und rief: ‚Gib die Jungfrauen frei, Drache, oder wir werden sie uns holen.‘«

»Dalagar«, seufzte die Frau, die die Heldengeschichte gefordert hatte, mit schwärmerischem Gesichtsausdruck. An einem anderen Tisch lachte jemand unterdrückt.

Danke für den Hinweis, dachte ich. »Dalagar stand also Auge in Auge mit dem Drachen und sie maßen einander mit Blicken. Der Drache bewunderte den Mut des Menschen, ärgerte sich aber genauso über dessen Unverfrorenheit. Und er wusste nicht, ob er ihn nun mit seiner Flamme rösten oder mit einer Pranke zermalmen sollte.«

Wieder räusperte ich mich. Meine Gedanken rasten. Wie sollten drei Helden bloß einen Drachen besiegen, den ich in meinem Eifer noch dazu als derart riesig beschrieben hatte? Ich beschloss, mich einer alten Sage zu bedienen, die ich noch aus der Stadt kannte. Hoffentlich hatte keiner der Bauern sie gehört.

»Der Listigste unter ihnen nutzte den Moment und sprach: ‚Wir wollen keinen Streit mit dir, Drache, das könnte jedem von uns schlecht bekommen. Was hältst du von einem Wettbewerb?‘

Ihr müsst wissen: Was Hirkanas neben Schätzen und Jungfrauen über alles liebte, waren Wettbewerbe, doch mit den verängstigten Mädchen konnte er sich schlecht messen, sodass ihm diese Freude meist versagt blieb. Nun aber bot sich ihm die Gelegenheit.

‚Ein Wettbewerb? Was für ein Wettbewerb?‘, wollte er voller Neugier und Vorfreude wissen.

Der Listige winkte dem Drachen, dessen Kopf hoch über ihnen schwebte. ‚Komm näher, damit wir nicht so schreien müssen‘, sagte er, und versuchte, möglichst unschuldig zu klingen.

Der Drache, furchtlos und selbstsicher, senkte den Kopf ein wenig, doch der Listige hustete und gab vor, nicht mehr laut sprechen zu können. Der Drache sollte den Kopf bis zum Boden senken.«

»Ja, Huk ist schon ein durchtriebener Kerl«, ließ sich einer der Zuhörer vernehmen. Somit war auch das geklärt und ich meinte mich noch zu erinnern, dass der dritte im Bunde überaus groß und kräftig gewesen war. Endlich konnte ich aus den Vollen schöpfen.

»All das hatten unsere Helden geplant. Wim und Dalagar hatten ein mächtiges Seil dabei, und als Hirkanas sich tief genug herabgebeugt hatte, warf Wim es über den Hals des Drachen. Gemeinsam zogen sie daran, und dank Wims Kräften gelang es ihnen für einen Moment, den überrumpelten Drachen auf den Boden zu zwingen.

Hirkanas war derlei noch nie widerfahren, er war zu überrascht, um zu reagieren. Hätte er Feuer gespuckt oder den Kopf hochgerissen, hätten die drei Helden den Kampf womöglich verloren. So aber hielt er für den einen Moment inne, den Huk brauchte. In Windeseile spannte er seinen Bogen und schoss zwei Pfeile in die einzigen verwundbaren Stellen des Drachen, seine Augen.«

Jemand brummelte irgendetwas, wurde aber von den anderen gemahnt, still zu sein, alle waren gespannt, wie es weiterging. Ich kostete den Augenblick aus und trank aus meinem Bierkrug.

»Töten konnte man den Drachen mit zwei einfachen Pfeilen jedoch nicht. Er war lediglich geblendet und tobte. Die Helden vermochten das Seil nicht mehr zu halten, Hirkanas warf sich herum, spuckte Feuer in alle Richtungen. Schnell griffen sich die Helden die Mädchen und eilten mit ihnen zum Ausgang, während hinter ihnen der Drache gegen die Wände seines Hortes prallte, unaufhörlich Feuer spuckte und den Schatz, den er über Jahrhunderte angesammelt hatte, einschmolz. Schließlich fiel er in den See aus Gold, den er geschaffen hatte, und ehe er sich befreien konnte, erstarrte das Metall um seinen Körper. Und so ist Hirkanas bis heute gefangen in seinem Hort, eingeschlossen in einen See aus Gold.«

Die Zuschauer stießen den angehaltenen Atem aus, der eine oder andere klatschte sogar bereits.

»Die Helden aber«, leitete ich das Ende ein, »reisten zum Dorf zurück, wo sie unter Jubel empfangen wurden. Sie blieben einige Tage, genossen ihren Ruhm, ehe sie weiterzogen, neuen Abenteuern entgegen.«

»Bravo«, rief einer.

»Die drei sind wirklich verdammte Helden«, schwärmte ein anderer.

»Den Göttern sei gedankt, dass es solche Helden gibt«, rief eine der Frauen aus. Ihr Gesicht war gerötet.

Ich empfing meinen Beifall, stand auf, verneigte mich und schnappte mir eine leere Schüssel vom Tresen. »Ich hoffe, meine Geschichte hat euch unterhalten«, rief ich über das Gemurmel hinweg. »Vielleicht ist sie euch ja die eine oder andere Münze wert.«

Ich schritt Tisch für Tisch ab und die Leute ließen sich nicht lumpen. Münzen klimperten in der Schüssel, keine goldenen, aber Reichtümer hatten die Leute hier ja auch nicht zu verschenken. Für eine zweite oder dritte Kost und Übernachtung sollte es wohl reichen, befand ich.

Zuletzt kam ich an den Tisch mit den Neuankömmlingen. Ein seltsames Trio war das. Ein Glatzköpfiger vom kleinwüchsigen Volk der Dashiri, der mir kaum bis zum Bauchnabel reichte, ein Athlet von einem Menschen mit blonder Lockenpracht und Augenklappe, und ein Hüne, zwei Köpfe größer als ich und beinahe doppelt so breit. Der Dashiri warf mir zwei Silbermünzen in die Schüssel. »Hat mir gefallen, Barde«, schnarrte er.

»Echt? Aber …«, begann der Hüne.

»Halt die Klappe«, fuhr ihm der Dashiri grob über den Mund.

Hinter mir wurden Stühle zurückgeschoben, die Einheimischen wandten sich zum Gehen. »Wie wäre es, liebe Leute«, rief ich aus, »wenn ihr mir morgen eure Geschichten erzählt?« Damit hatte ich wohlweislich bis jetzt gewartet, sonst hätte womöglich der eine oder andere gemeint, das sei Lohn genug für meinen Vortrag. »Ich sammle nämlich die Geschichten der Gegend.«

Der eine oder andere nickte, eine Frau schenkte mir sogar ein Lächeln, das sah nach einer guten Ausbeute für den morgigen Tag aus.

»Wir könnten dir heute noch eine Geschichte erzählen«, sagte jemand hinter mir.

Ich drehte mich zu dem Trio um. Der Athlet lächelte mich an, er hatte strahlend weiße Zähne, keine Lücken, sehr ungewöhnlich in dieser Gegend. Ein Adliger vielleicht?

»Gleich jetzt?«, fragte ich überrascht. Der lange Marsch steckte mir noch in den Knochen und ich sehnte mich nach einem Bett.

»Warum nicht? Wir sind nur auf der Durchreise, morgen sind wir schon wieder fort.«

»Aber lass uns erst nochmal über diese Heldengeschichte von eben reden«, meinte der Dashiri. »Setz dich, Barde. Wir spendieren dir auch ein Bier.«

Müdigkeit hin oder her, da wollte ich nicht Nein sagen, zog mir einen Stuhl heran und setzte mich zu ihnen. Mittlerweile hatten alle anderen Gäste die Schenke verlassen und der Wirt war, nachdem er uns unser Bier gebracht hatte, in der Küche zugange.

»Eine erstaunliche Geschichte«, meinte der Dashiri. »Ganz erstaunlich.«

»Die Sache mit den Jungfrauen hat mir besonders gefallen«, grinste der Athlet.

»Aber ich glaube, ich habe noch nie einen Drachen gesehen«, brummte der Riese, der als einziger unzufrieden wirkte. »Daran würde ich mich doch erinnern.«

»Ach Wim«, schüttelte der Dashiri nachsichtig den Kopf.

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Bier. Ja natürlich, bei allen Göttern. Ein Riese, ein Dashiri und ein Mann mit Augenklappe. Genau so waren mir die drei Helden beschrieben worden, von denen ich eben erzählt hatte. Da saßen sie vor mir, leibhaftig. Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf. »Freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat. Ich … man verlangte eine Geschichte über euch, und da habe ich …« Ich zuckte unschuldig die Achseln.

Der Dashiri, Huk, wenn ich mich recht erinnerte, winkte ab. »Kein Problem, Sängerknabe, das ist in Ordnung.« Seine beruhigenden Worte verfehlten allerdings ihre Wirkung, denn in seiner Hand, an der er wie alle Halbgnome nur vier Finger hatte, ließ er die ganze Zeit über eine kleine Axt kreisen. »Allerdings kann ich gar nicht mit Pfeil und Bogen umgehen«, fügte er hinzu. »Ich benutze lieber sowas.« Er deutete an, mit der Axt nach mir zu werfen, und ich zuckte zurück, doch er hielt die Waffe fest und ließ sie wieder unter dem Tisch verschwinden. Dabei grinste er gehässig, sein Gebiss war weit weniger ansehnlich als das seines Gefährten.

»Wie hast du dir das mit den Jungfrauen denn vorgestellt?«, wollte der Athlet, Dalagar, wissen und beugte sich verschwörerisch vor. »Ich meine, nachdem wir sie gerettet haben, haben wir dann mit ihnen … na, du weißt schon. Also zumindest ich hätte mir das nicht entgehen lassen.«

»Du hast auch immer nur die Weiber im Kopf«, knurrte Huk. »Ich hätte sie bei dem Drachen gelassen und mir lieber die Taschen mit Münzen vollgestopft.«

Ich sah von einem zum anderen, wusste nicht recht, ob sie mich veralberten. Außerdem stand mir nach Huks Gehabe mit der Axt noch der Angstschweiß auf der Stirn.

»Und ich bin mir sicher, ich habe noch nie einen Drachen gesehen«, sagte Wim noch einmal. »Das wüsste ich doch noch. Da stimmt doch was nicht.«

Huk verdrehte die Augen. »Das ist ein Barde, Mann. Der hat sich das ausgedacht, kapier das doch endlich.«

Wim, der Riese, sah mich mit großen Augen an. »Ausgedacht? Darf der das denn? Sich einfach ’ne Geschichte über uns ausdenken?« Er legte die Stirn in Falten, was die eben noch dümmliche Miene in eine durchaus furchterregende verwandelte.

Ich hob abwehrend die Hände. »Wie gesagt, ich bitte um Vergebung. Wenn das Publikum eine Geschichte verlangt, muss ich mir eben zur Not etwas ausdenken. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich euch kurz danach leibhaftig vor mir haben würde.« Jäh wurde mir klar, welcher Quell an echten Geschichten sich mir hier bot, und ich schluckte die Furcht herunter. »Ihr könntet mir doch wirklich eins eurer Abenteuer erzählen«, schlug ich vor. »Dann müsste ich mir beim nächsten Mal nichts ausdenken, es wäre ganz unverfälscht, vielleicht mit der einen oder anderen Ausschmückung für die Dramaturgie, aber …«

»Drama-was?«, fragte Wim verständnislos.

»Wir müssen nicht einmal was erzählen. He, Wirt!« Dalagar wartete, bis der Mann aus der Küche kam. »Wir haben gehört, du hast ungebetene Gäste im Keller?«

Die düstere Miene des Mannes hellte sich schlagartig auf. »Könnt ihr euch dessen annehmen, ja?«

»Klar. Wie viele Biester sind es denn?«

Der Wirt zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Beim letzten Mal waren es drei, aber ich habe mich länger nicht in den Keller gewagt.«

Dalagar verdrehte die Augen. »Nur drei? Wir helfen ja gern, aber mit drei Ratten wirst du doch noch selbst fertig, oder nicht?«

Ich runzelte die Stirn. Wenn man Ratten im Keller hatte, stellte man doch gemeinhin Fallen auf. Wozu in aller Welt brauchte der Wirt die Helden?

»Ich habe es ja versucht«, gab der Wirt kleinlaut zurück. Er schob den Ärmel seines Hemdes zurück und zeigte uns eine mäßig verheilte Bisswunde.

Ich schluckte bei dem Anblick. Offensichtlich handelte es sich nicht um die Art Ratten, die ich aus Kela kannte. Die vermochten zwar die Frauen zu erschrecken, aber ihre Kiefer hätten nicht annähernd für einen Biss dieser Größe ausgereicht.

»Verstehe, die großen Exemplare, das dachten wir uns schon«, meinte Huk. Er wirkte alles andere als beunruhigt. »Machst du das, Dalagar?«

»Wieso ich? Hast du etwa Angst, dass die Ratten größer sind als du, Huk?«

»Huk und ich waren aber das letzte Mal dran. Die Katakomben unter dem Tempel in Nulkin, du erinnerst dich?« Wim schüttelte sich. »Seitdem hasse ich Ratten, vor allem die großen.«

Dalagar verzog den Mund und stand auf. »Als ob ich sie nicht hassen würde«, brummte er, wandte sich aber an den Wirt. »Ich schaue mir das an. Wenn es nur drei sind, gibt es freie Kost und Unterkunft für uns. Für jede weitere eine Silbermünze, einverstanden?«

Der Mann nickte. »Aber du willst wirklich allein da runter? Warum geht ihr nicht zusammen, dann …«

Dalagar grinste. »Du hast die Geschichte doch auch gehört, oder? Zu dritt sollen wir es mit einem großen roten Drachen aufnehmen können, wie stehen wir denn da, wenn sich einer von uns nicht traut, gegen ein paar jämmerliche Ratten anzutreten? Gib mir eine Laterne.«

Während der Wirt die Lampe holte, zog Dalagar sein Schwert, eine lange, elegant geschmiedete Klinge. Er schüttelte den Kopf. »Eine Schande, eine solche Waffe zu benutzen, um ein paar Ratten zu töten.« Dennoch nahm er die Laterne in die andere Hand und ließ sich die Tür zum Keller zeigen.

Als der Wirt sie für ihn öffnete, hielt ich den Atem an und erwartete fast, dass sich eine Riesenratte auf uns stürzen würde, doch nichts geschah. Dalagar holte noch einmal tief Luft, dann stieg er die Treppe hinab.

Der Wirt sah ihm nach und hielt dabei das Türblatt immer noch mit einer Hand, als wolle er sichergehen, sie möglichst schnell zuschlagen zu können. Huk und Wim tranken hingegen ungerührt ihr Bier.

Eine Treppenstufe knarrte unter Dalagar, wir hörten ihn niesen und dann laut fluchen. Ich lauschte gespannt.

»Wäre einfacher, die Viecher zu finden, wenn hier nicht so eine Unordnung herrschen würde«, drang Dalagars Stimme dumpf zu uns.

Der Wirt errötete.

Etwas quiekte, es klang wie eine normale Ratte. Gefolgt wurde das Geräusch jedoch von einem Fauchen, das mir die Haare zu Berge stehen ließ. Wieder ein Quieken, schriller diesmal.

»Verdammte Drecksviecher!«, fluchte Dalagar laut. Rumpelnd fiel etwas zu Boden, Holz splitterte. Noch einmal quietschte eine Ratte schrill auf.

»Achtung!«, brüllte Dalagar von unten herauf, der Wirt knallte die Tür zu und wich erschrocken zum Tresen zurück.

Laut trampelte Dalagar die Treppe hinauf und ein letztes Mal erklang das schrille Quieken, dann folgte Stille.

Die Tür öffnete sich und Dalagar trat mit blutiger Klinge in den Schankraum. »Einen Lappen«, befahl er und der Wirt reichte ihm einen.

Der Krieger wischte seine Klinge sauber und steckte sie zurück in die Scheide. Er ging wieder in den Keller, wo wir ihn eine Weile herumfuhrwerken hörten, schließlich kam er mit der Laterne in der einen und drei Ratten in der anderen Hand zurück. Er hielt sie an den Schwänzen, sodass die Kadaver hin- und herbaumelten. Sie waren groß wie ein menschlicher Kopf und ihre hervorstehenden Schneidezähne lang wie ein Finger. Mich schauderte, Ratten dieser Größe hatte ich noch nie gesehen.

»Bitte sehr«, sagte er zum Wirt und hielt ihm beides hin. »Ich habe keine weitere Ratte gesehen, aber vielleicht haben sie irgendwo genistet. Mit Rattenjungen wirst du aber wohl selbst klarkommen, nehme ich an.«

Der Mann nickte und nahm voller Ekel die Kadaver im Empfang. »Was mache ich damit?«

Dalagar zuckte nur die Schultern. »Freie Kost und Unterkunft also. Leider ist eine Kiste zu Bruch gegangen, tut mir leid. Dafür hat mir eines der Viecher Löcher in den Stiefel gebissen, wir sind also quitt.« Er schlurfte zu unserem Tisch zurück und leerte seinen Bierhumpen auf einen Zug.

»Gute Arbeit, Dalagar«, lobte Huk, ein hämisches Grinsen auf den Lippen.

Der Krieger verzog den Mund. »Nächstes Mal bist du wieder dran.« Er wandte sich an mich. »Da hast du deine echte Geschichte.«

Ich war etwas enttäuscht. »Willst du wirklich, dass ich erzähle, wie du einige Ratten getötet hast?«

Dalagar gähnte. »Nein, da hast du recht. Aber wir haben eine lange Reise hinter und leider auch noch vor uns. Lasst uns nun lieber schlafen gehen.«

»Ist ja auch kein Weib da, das dich noch bei Laune halten könnte«, knurrte Huk.

Dalagar überging die Bemerkung einfach und stand auf. »Vielleicht haben wir morgen früh vor unserer Abreise noch Gelegenheit, etwas zu erzählen.«

»Er könnte doch mitkommen«, meinte Wim beiläufig.

Seine beiden Gefährten und auch ich sahen ihn entgeistert an. »Mitkommen?«, wiederholte Dalagar.

»Mitkommen?«, fragte Huk und tippte sich an die Stirn. »Du spinnst wohl.«

»Mitkommen?«, brachte auch ich nur hervor. Im ersten Moment erschien mir die Idee wahnwitzig, doch dann besann ich mich eines Besseren. Ich als Chronist der drei Helden, deren Taten überall hier in den wilden Nordlanden erzählt wurden. Was für eine Gelegenheit. »Das ist doch eine gute Idee«, setzte ich schnell hinzu. »Ich könnte alles aufschreiben. Ihr könntet mir mehrere eurer Abenteuer während der Reise erzählen und auch, wie es zu allem gekommen ist, wie ihr Helden geworden seid.«

»Genau«, meinte Wim.

Huk und Dalagar tauschten einen Blick, beide schienen skeptisch. »Lass uns beim Frühstück darüber reden«, schlug Dalagar schließlich vor. »Aber verschlaf nicht.«

Ich erhob mich und sah den drei Helden nach, wie sie den Schankraum verließen und die schmale Stiege zum Obergeschoss erklommen. Die Stufen ächzten unter Wims Gewicht.

Ich rief den Wirt herbei und schärfte ihm ein, mich sofort zu wecken, wenn einer der drei Helden sich im Schankraum blicken ließ.

Mit klopfendem Herzen ging auch ich in meine Kammer. Nebenan hörte ich die drei Helden noch eine Weile murmeln. Ich lag lange wach, fürchtete die ganze Zeit, diese Gelegenheit zu verschlafen. Aber um die Nacht durchzuwachen, fehlte mir die Kraft, und der Schlummer umfing mich letztlich doch.

2

Ich brauchte die Dienste des Wirtes nicht, trotz der anstrengenden Reise, die hinter mir lag, erwachte ich rechtzeitig. Ein Blick aus dem Fenster meiner Kammer zeigte mir, dass die Sonne gerade erst über den Horizont gestiegen war. Zu aufgeregt, um weiterschlafen zu können, suchte ich in meinen Aufzeichnungen nach Notizen über die drei Helden.

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