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Mit ihrem Wohnmobil reisen Wolf und Gabriele Leichsenring 12.000 Kilometer durch Neuseeland. Ihre Reise führt sie von Auckland über weite Teile der Nordinsel, bis an Neuseelands Nordkap. Sie besichtigen Wellington und reisen weiter auf die Südinsel. Es ist nicht ihre erste Tour, die sie so erleben, aber dieses Mal finden sie ihr persönliches Paradies. Ein kleines Land, etwa so groß wie Großbritannien, fasziniert das Ehepaar mit seiner fast menschenleeren Natur, ebenso wie mit dem aktiven Leben in seinen Metropolen Wellington, Auckland, Christchurch und Dunedin. Die Reisenden berichten von Kultur und Architektur, die oft stark geprägt ist von den europäischen Einwanderern des 17. und 18. Jahrhunderts. Besonders neugierig erkunden sie an diversen Schauplätzen die kulturelle Ursprünglichkeit, die das Land seinen Ureinwohnern, den Maoris, zu verdanken hat. Mit anschaulich verfassten Legenden nehmen sie die Leserinnen und Leser mit in die Welt der Maori. Die beiden „hoteluntauglichen“ Wohnmobilisten lernen Land und Leute kennen und tauchen ein in die Geheimnisse und Schönheiten dieses Inselreichs. Für Nachahmer haben sie einige Reisehinweise zusammengestellt und bilanzieren: „Kia Ora – Herzlich Willkommen im Paradies!“
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Bildnachweis:
Die Bilder des Textteils: Gabriele Leichsenring
Coverfoto: Gabriele Leichsenring
Karte: © Cartomedia, Karlsruhe
Kartenicon: © Stepmap GmbH, Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2016 traveldiary Verlag
www.reiseliteratur-verlag.de
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Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Bei Interesse an Zusatzinformationen, Lesungen o.ä. nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.
traveldiary Verlag, Mady Host und Cornelia Reinhold GbRBrauereistraße 4, 39104 Magdeburg
Umschlagentwurf und Layout: Jürgen Bold, Jens Freyler
Hintergrundfoto © Carola Vahldiek / Fotolia
Satz: traveldiary Verlag, Mady Host und Cornelia Reinhold GbR
Druck: „Standartu Spaustuve“ www.standart.lt, Tel. 37052167527
ISBN 978-3-942617-00-0
eISBN 978-3-942617-07-9
Wolf Leichsenring
Die Suche nach dem Paradies
Mit dem Wohnmobil 12.000 Kilometer durch Neuseeland
Vorwort
Stolze 12.000 Kilometer rollte unser Wohnmobil innerhalb von zwölf Wochen kreuz und quer durch Neuseeland, zunächst auf der Nordinsel, später dann auf der Südinsel. In dieser Zeit ließen sich zahlreiche, auch abgelegene Ecken dieses wunderbaren Landes erkunden. Genau das haben wir getan. Unsere Entdeckertour führte uns vom nördlichen Cape Reinga bis zum südlichen Land’s End. Wir haben das Land der Kiwis in vollen Zügen genossen.
Bei Neuseelandreisenden schwingt häufig der Wunsch, vielleicht sogar die erklärte Absicht mit, das Paradies zu suchen. Ja, auch wir machen die „Suche nach dem Paradies“ zu unserem Motto. Damit sind wir in guter, historischer Gesellschaft. Egal, ob nun die Maorische Urbevölkerung, um 1300 aus Polynesien kommend, der Holländer Abel Tasman im 17. Jahrhundert oder gut einhundert Jahre später der Engländer Captain James Cook – sie alle versprachen sich viel von ihren Entdeckungsreisen. Entdecken wollen auch wir: Für uns Unbekanntes, Spannendes, bereits Gehörtes oder Gelesenes selbst erleben – kurzum, wir möchten eine weitere Seite im „Reisebuch der Welt“ aufschlagen.
Zusätzlich zu unserem eigentlichen Reisebericht, beleuchten wir gelegentlich den Inselstaat aus der Sicht der Maoris und zwar so, wie es der reiche Schatz ihrer Legenden möglich macht. Da wir keinen „Reiseführer im herkömmlichen Sinn“ vorlegen wollten, verzichten wir in den meisten Fällen auf überbordende Detailangaben für Sehenswürdigkeiten. Für uns steht der Reiseverlauf im Vordergrund. Am Ende des Buches schließen wir eine „unordentliche und nicht abendfüllende“ Liste von „für uns Auffälligem“ an. Für Nachahmer, die vielleicht auch ihr Wohnmobil einmal halb um die Welt verschiffen lassen wollen, haben wir nützliche Tipps zusammengestellt.
Und nun rasch umgeblättert!
Viel Spaß auf der Reise ...
Inhalt
Vorwort
N O R D I N S E L - Kia Ora in Aotearoa
Von Böhmen bis Schottland
Höhenflüge und Tiefgänge
Geburtsort einer Nation
Neuseelands Nordkap
Der westliche Zwillingsbruder
Auckland, die Zweite – The City of Sails
Heißes Wasser nur bei Ebbe
Überfluss allerorten – Bay of Plenty
Letzte Meldung: Heftiger Vulkanausbruch
Sturm
Entführt
Windy Welli
S Ü D I N S E L - Grün, Grün, Grün ...
Goldgelbe Ginster Gorges
Eisige Geschwister
Native Bush contra Quirliges Treiben
Sounds of the Sounds
Von armen Würstchen, verpassten Chancen und Nugget-Angeboten
Verzaubert Verzählt Verzahnt
Leben im Re:START
Durchreise mit und ohne Pass
Schüttelsuppe
Zum Schluss
Was uns auffiel in Neuseeland – Eine ungeordnete, nicht abendfüllende Zufallssammlung
Für Nachahmer
Karte
Über die Reisenden ...
N O R D I N S E L - Kia Ora in Aotearoa
„Kia Ora – Herzlich Willkommen“ leuchtet dem Reisenden am Auckland Airport sofort entgegen. Ein freundlicher Empfang bei Zoll und Passkontrolle unterstreicht das Gefühl, wirklich willkommen zu sein.
Aotearoa – das Land hinter der großen weißen Wolke, so wird Neuseeland gern genannt. Wir bekommen dieses Bild direkt bei unserer Ankunft bestätigt. Doch wie kam es zu dieser Bezeichnung? Der Überlieferung nach will die Tochter des großen maorischen Entdekkers Kupe auf einer Entdeckungsfahrt von Polynesien aus eine große, weiße Wolke am Meereshorizont über einer Insel gesehen haben. Daraufhin soll sie ausgerufen haben: „He ao! He ao!“ – was so viel wie „Eine Wolke, eine Wolke!“ bedeutet. Doch man war noch nicht an Neuseelands Küsten angelangt, sondern an der Great-Barrier-Insel, auf Maorisch „Aotea“ (Weiße Wolke). Erst die Landmassen „Dahinter / Roa“, das heutige Neuseeland, brachte die Expedition ans Ziel – Aotearoa.
Beim Zoll und am Einreiseschalter (Immigration Office) folgt eine kurze Frageprozedur, zu welchem Zweck wir einreisen wollen, wohin wir beabsichtigen zu fahren, wie lange und etwas eindringlicher, wann wir wieder abzureisen gedenken. Alles bleibt aber im Rahmen des Erträglichen, sodass wir kurz darauf unbeschwert das Flughafengebäude verlassen können. Ein Taxi für den 40-Kilometer-Transfer zum Hotel, dem Heritage Hotel in der Hobson Street in der Sky City, ist schnell gefunden. Natürlich ginge es mit einem Shuttlebus etwas preiswerter, dauert jedoch länger, und man wird dann ohnehin nur irgendwo im Stadtzentrum abgesetzt.
Sky City mit dem alles überragenden Wahrzeichen Aucklands, dem 328 Meter hohen Sky Tower, bildet das Zentrum eines quicklebendigen Stadtlebens – sowohl geschäftlich, vor allem in der Queens Street, als auch fürs Amüsement. Einmal abgesehen von den unzähligen Bars und Pubs lockt das Casino am Fuß des Sky Towers an 365 Tagen 24 Stunden lang die Glückritter an. Die Sehenswürdigkeit selbst bietet Vielfältiges: Man kann aus sagenhaften 192 Metern Höhe mit rund 85 Kilometern pro Stunde zu Boden rasen. Welcher Bungee-Springer hat davon nicht schon einmal geträumt? Hier in Auckland hat er die Möglichkeit. Und dazu werden die oder der Mutige von jeder Menge Schaulustiger bestaunt, bewundert oder gar für verrückt erklärt. Auf der gleichen Plattform kann man auch den Skywalk unternehmen, einen Balanceakt auf einem nur 1,2 Meter breiten Laufsteg ohne Geländer rund um den Tower. Auch diesen Waghalsigen ist der Beifall der Zuschauer gewiss. Die anderen 99,5 Prozent der Besucher, zu denen auch wir gehören, lassen es hingegen eher ruhiger und konventioneller angehen. Mit dem Fahrstuhl lassen wir uns für 22 Neuseeländische Dollar in circa 15 Sekunden auf rund 220 Meter Höhe katapultieren, wobei die Turmspitze die bereits erwähnten 328 Meter erreicht. Die knapp 1.300 Stufen vom Erdgeschoss bis zur Aussichtsplattform bleiben dem Besucher versperrt. Einmal oben angekommen, werden wir darüber informiert, dass sich Neuseeland in einer der an Erdbeben und Vulkanausbrüchen reichsten Regionen der Erde befindet. Zeugnis davon legt die der Stadt vorgelagerte Insel Rangitoto ab. Ein Vulkanausbruch vor rund 600 Jahren ließ dieses „geologische Baby“ das Licht der Welt erblicken. Zur Beruhigung trägt diese Information für die Besucher auf der Aussichtsplattform nicht gerade bei. Das flaue Magengefühl bessert sich nicht wesentlich, als wir erfahren, dass der Turm einem rund zwanzig Kilometern entfernten Erdbeben bis zur Stärke 8.0 auf der Richterskala standhalten soll. Glücklicherweise brauchen wir seine Standfestigkeit nicht persönlich ausprobieren.
Doch Auckland besteht natürlich nicht nur aus Sky Tower und Sky City. Das Angebot an Sightseeing-Möglichkeiten ist vielfältig. Die beiden Linien der Hop-On-Hop-Off-Busse fahren alles Wichtige an. Wer einen fantastischen Ausblick auf die Skyline Aucklands genießen möchte, begebe sich zum Savage Memorial Park unweit der Panorama-Uferstraße Tamaki Drive. Fußgänger finden ihr Glück an der Quay Street mit dem historischen Ferry Building. Kletterbegeisterten empfehlen wir den stadtnahen Mount Eden. Hier kann der interessierte Bergsteiger auf Aucklands höchsten Berg kraxeln. Dieser bringt es immerhin auf eine Höhe von 129 Meter (!). Von dort aus blickt man zum benachbarten Mount Hobson, der mit 120 Metern in den Himmel ragt. Museumsliebhabern sei das unübertreffliche Auckland Museum empfohlen. Eigentlich beherbergt der Prachtbau auf der Anhöhe Auckland Domain drei voneinander unabhängige Museumsabteilungen: Einen Teil zu Neuseelands allgemeiner Geschichte, das Auckland War Memorial Museum, welches sich thematisch dem Ersten Weltkrieg widmet, und die Schatzkammer der Maori-Kultur. Vor allem letztere gewährt einen hervorragenden Einblick in das Leben von Neuseelands Ureinwohnern. Eine Folklorevorführung mit typischer Musik und charakteristischem Tanz der Maoris beschließt den Rundgang.
Exkurs - Piwakawaka's Kriegstanz
Haka ist der Kriegstanz der Maoris. Nach einer Kulturveranstaltung mit maorischen Tänzen und Gesängen lassen wir uns von einem Künstler die Herkunft dieses Tanzes erläutern. Der Piwakawaka ist ein in ganz Neuseeland verbreiteter Vogel des tropisch-feuchten Urwaldes (native bush). Dieses Tier nimmt eine wichtige Position in der maorischen Mythologie ein. Alles geschah im heftigen Kampf um die Vorherrschaft zwischen den Land- und den Seevögeln.
Große weiße Wolke
Der Landvogel Piwakawaka plusterte sich auf, so lang bis seine Haltung alles und jeden überragte. Dann fing er an zu tanzen, starrte seinen Gegner wütend an, wobei er auf jegliche Art und Weise gestikulierte. Waffen schwingend, sprang er von einer Seite auf die andere, begleitet von zornigem Gebrüll. Der Kriegstanz der Maoris, der Haka, basiert in seiner Darstellung auf diesem mythologisch kriegerischen Vogeltanz.
Die hier geschilderten ersten Eindrücke, unmittelbar nach Ankunft am anderen Ende der Welt, können sicherlich nicht erschöpfend sein. Wir werden später noch ausführlicher über die Stadt an der Wespentaille Neuseelands berichten, denn wir kehren im Verlauf der Rundtour noch zwei Mal in das 1,4 Millionen Einwohner zählende und nur elf Kilometer breite Häusermeer zwischen dem Pazifik im Osten und der Tasman Sea im Westen zurück. Einmal treibt es uns noch auf dem Rückweg vom hohen Norden (Far North) in Richtung Südinsel dorthin und ein zweites Mal, wenn wir unser Wohnmobil zur Verschiffung nach Australien wieder abgeben müssen.
Nun aber, nachdem der Jetlag überwunden ist, unser Wohnmobil den Schiffstransport von Bremerhaven hierher offensichtlich ohne Seekrankheit und fahrtüchtig überstanden und wir den notwendigen neuseeländischen TÜV (Registration) sowie den Versicherungshürdenlauf schadlos überlebt haben, brechen wir auf – immer nordwärts, immer entlang der Ostküste.
Von Böhmen bis Schottland
Nur wenige Kilometer nordöstlich von Auckland stoßen wir auf die ersten Anzeichen europäischer Wurzeln. Und diese zeigen sich wie folgt: Zwischen Böhmens größter Stadt Prag bis zur Hauptstadt Schottlands, Edinburgh, liegen in Europa knapp 2.000 Kilometer. Doch hier an der Ostküste von Neuseelands Nordinsel, nördlich von Auckland, beträgt die Distanz zwischen den beiden Regionen lediglich knapp 200 Kilometer. Es bewahrheitet sich also, dass Neuseeland den gesamten Globus en miniature abbildet. Denn Böhmen, hier repräsentiert durch „The Bohemian Village“ in Puhoi, und Schottland mit dem Ort Waipu, sind in der Tat europäische Ableger.
Malerisch eingebettet in die dunkelgrüne Hügellandschaft, zeichnen zwei Anziehungspunkte das Fünfhundert-Seelen-Dorf Puhoi aus: Das Museum über die gleichnamige böhmische Siedlung sowie die landesweit be- und gerühmte Käsefabrik. Die Käsefabrik erklärt sich von selbst. Haupterwerb dieser Region sind offensichtlich alle Arten von Viehzucht. Vielfalt und Geschmacksrichtungen der Käsesorten lassen nichts zu wünschen übrig. Was spricht gegen den Verzehr einer der im angeschlossenen Café angebotenen „Käseplatte“? Außer dem relativ hohen Preis, der für neunzig Gramm Käse mit 15 Euro pro Person zu Buche schlägt, nichts!
So reich an Delikatessen ging es bei den böhmischen Einwanderern Mitte des 19. Jahrhunderts anfänglich nicht zu. Die seinerzeit 82 Aussiedler erhielten vom damaligen neuseeländischen Staat je rund vierzig Hektar hügeliges Buschland zur Urbarmachung. Wie groß mag dazu noch der Kulturschock gewesen sein bei ersten Begegnungen mit den Maori Ureinwohnern, die den Neusiedlern gegenüber nicht nur freundlich gestimmt waren?
Ostküste bei Waipu
Man sollte also eher von einem Überlebenskampf sprechen. Einige Siedlungshäuser, die 1880 erbaute Schule sowie die St. Peter und Paul Kirche von 1882 sind erhalten geblieben. Eine am Museumseingang gehisste deutsche Fahne weist den Weg.
Weiter führt uns die Tour direkt an die Pazifikküste entlang nach Leigh, wo wir zur Erkundung der Unterwasserwelt im „Goat Island Marine Reserve“ stoppen. Per Glasbodenboot gleiten wir über die Pflanzen- und Fischwelt des Meeresbodens hinweg. Das Garantieversprechen: „No Fish – No Charge“, also Geldrückgabegarantie bei Ausbleiben der Fische, kommt nicht zur Anwendung – auch wenn sich die visuelle Ausbeute leider in Grenzen hält. Egal, erfreuen wir uns eben an der umgebenden Küstenlandschaft und unternehmen eine Rundfahrt um die Ziegeninsel, Goat Island, mit tiefen Einblicken in die vom Meer eingekerbten Höhlen.
Exkurs - Goat Island - Woher bekam die Insel ihren Namen?
Motu Hawere, so der Maori-Name für Goat Island, ist spirituell und kulturell signifikant für den Stamm Tohuhunuiarangi, war der Küstenstreifen vor der Insel doch der erste Landeplatz des Kriegskanus Moe Karaka.
Später, Mitte des 19. Jahrhunderts als die ersten europäischen Siedler von Nova Scotia, Kanada, hierher gelangten, verdrängten sie allmählich die angestammte maorische Urbevölkerung.
Die Neuankömmlinge fingen an, Häuser zu bauen, Land zu kultivieren und Viehzucht zu betreiben. So liegt es nahe, dass die bewachsene Goat Island schlichtweg als Futterkoppel diente. Da man auf solchen Eilanden tatsächlich Ziegen zurücklassen konnte, um sie als Nahrungsquelle für mögliche Schiffsbrüchige zu nutzen, erhielten solche kleinen, einem Küstenstreifen vorgelagerten Inseln ohne Trinkwasserzugang, von den frühen europäischen Entdeckern oftmals den Namen „Goat Island“. Dies trifft jedoch nicht auf dieses Eiland zu, so hat auf „unserer Ziegeninsel“ kein einziges dieser Tiere je gelebt. Nur Schweine hatte man dort zum Grasen zurückgelassen. Diese entflohen jedoch und schwammen zurück zum Festland.
Waipu - The Search For Paradise
In einem Land, in dem es mehr als zehn Mal so viele Schafe wie Einwohner gibt (Verhältnis: 44 Millionen zu drei Millionen), und welches deshalb den Spitznamen „Paradies für Schafe“ trägt, verwundert es nicht, häufig auf verschieden große Schaffarmen zu treffen. Die Palette reicht von einigen hunderten bis mehreren zehntausend Tieren. Nahe des Ortes Warkworth lohnt sich der Besuch einer mittelgroßen Farm mit rund 10.000 Tieren. Während einer lehrreichen Unterrichtsstunde im Schafscheren, inklusive einiger Eigenversuche, erfahren wir, dass diese Prozedur für die Tiere keinesfalls an vermeintliche Tierquälerei grenzt. Der Schafscherer kennt wie ein Chiropraktiker die Druckpunkte genau, um die Reflexe der Tiere für die benötigten zwei bis drei Minuten ruhig zu stellen. Ungeschorene Schafe würden letztendlich am Gewicht des Fells, besonders wenn es sich mit Regenwasser vollgesogen hat, und an der Wärmeentwicklung zugrunde gehen. Wie uns John, der „Profifriseur“ erläutert, könne er von dem aktuellen Wollpreis zwischen 3,50 und 5,00 Neuseelanddollar pro Kilogramm ganz gut leben, allerdings nur bei einer Tagesleistung von 500 Schaf- bzw. 800 Lammschuren. „That’s real work to do!“, betont er. Unsere Schurversuche bringen innerhalb von zehn Minuten immerhin eine Wollmenge in Taschentuchgröße hervor.
Reine Schurwolle benötigten und benötigen auch heute noch die schottischen Aussiedler im Ort Waipu zur Herstellung des Tartan. Dabei handelt es sich um ein Webmuster für Schottenbekleidung, auch Schottenkaros genannt. Das Museum über diese erste schottische Siedlung in Neuseeland versinnbildlicht die „Suche nach dem Paradies“. In mehreren Wellen landeten im 19. Jahrhundert an der nahe gelegenen Küste mehrere Schiffe voller Aussiedler. Diese armen Teufel waren wegen der „clearance“, dem Beginn der schottischen industriellen Schafzucht, gezwungen, ihr angestammtes Farmland und ihr traditionelles Farmerwesen aufzugeben. Und so verließen insgesamt sieben Schiffe mit 940 Vertriebenen den Hafen von Ullapool (1817), zunächst Richtung Kanada nach Nova Scotia. Hier wurden sie nicht glücklich, zum einen wegen des harschen Klimas, zum anderen machten ihnen Hungersnöte zu schaffen. Also unternahmen sie unter der Führung des Calvinistenpfarrers Norman McLeod die Weiterreise (1851) nach Australien, nach Adelaide, später dann nach Melbourne.
Den Lebensbedingungen während des damaligen „Goldrush“, geprägt von Kriminalität und Epidemien, konnten und wollten die Schotten nicht standhalten. Der Ausweg bestand in der Weiterreise nach Neuseeland, eben in jenes Waipu.
Diese Odyssee wird heute noch als „The Search for Paradise“, also „die Suche nach dem Paradies“ bezeichnet. Trotz aller Widrigkeiten pflegen die Aussiedler ihre schottischen Traditionen bis heute, was sich zum Beispiel in den jährlichen stattfindenden „Highland Games“ widerspiegelt.
Neben den jährlichen Highland Games pflegen die Einwohner Taipus noch eine sehr viel eindringlichere schottische Tradition: Sie haben sich ein eigenes Tartan-Muster erschaffen. Der Vorsitzende der örtlichen Scottish Heritage Association (SHA) erklärt uns die entsprechende Entstehungsgeschichte.
Exkurs - Der WAIPU Tartan
Für die Nachfahren der Waipu-Immigranten wird ein großer Traum nun endlich Wirklichkeit: der Waipu Tartan. Er soll nur für die schottischen Nachfahren der Waipu-Region Gültigkeit haben und ihre schottischen Wurzeln sichtbar werden lassen.
Der Teilnahme und Hartnäckigkeit vieler Bürger ist es zu verdanken, dass als Endergebnis ein eigenständiges, genehmigtes Tartanmuster herauskommt. Selbst die Grundschule beteiligt sich an dem ausgeschriebenen Wettbewerb, betont der Vorsitzende. Das entstandene, künstlerisch hochwertig gewebte Tartanmuster, wird detailliert in einem Gedicht des örtlichen Webemeisters Lloyd Cullen beschrieben. Der Waipu Tartan spiegelt die verschiedenen Muster der ortsansässigen Weber wider, welche als Immigranten aus allen Ecken Schottlands stammen. Jede kleine Region besitzt ihr angestammtes Tartanmuster, welches ausschließlich von den örtlichen Webern hergestellt wird. Infolgedessen entwickelte sich die schottische Clan-Bildung. Mit dem offiziellen Siegel als „anerkanntes einzigartiges Muster“ der Schottischen Tartan Gesellschaft versehen, wurde der erste Versuch des Waipu Tartans aus 100 Prozent Wolle noch in Schottland hergestellt. Im Jahr 2008 wurde das Tuch dann nach Waipu versandt. Nunmehr stellt es ausschließlich der anerkannte Tartanwebemeister in Waipu selbst her. Eine Regel der örtlichen Schottlandgesellschaft (SHA) zum Tragen des Tartan-Musters besagt: „Trage und zeige den Waipu Tartan mit dem Stolz, welcher von den Einwohnern Waipus in die Erschaffung dieses Musters gesteckt wurde“. Voller Stolz werden die Kilts und Tücher mit dem Waipu Tartan-Muster zu jeder sich bietenden Gelegenheit getragen.
Und wie steht es um die Landschaft um uns herum? Hier und da treffen wir auf frei zugängliche Höhlen, wie die Puhoi Caves. Ansonsten machen uns die Naturschönheiten schier sprachlos, denn wir können das Frühlingserwachen der Pflanzenwelt förmlich spüren. Bei circa 15 Grad Celsius sprießen alle möglichen Knospen. Das beginnende Hellgrün der in Europa bekannten Mischwälder paart sich hier mit dem dunkleren Grün von Palmen- und Farngewächsen – ein Charakteristikum für eine subtropische Vegetation. Die Küstenstreifen ähneln denen Schottlands, schroff, felsig mit oft unendlich weitgezogenen, fast weißen Stränden. Doch auf der neuseeländischen Nordinsel nennen wir es „Schottland de luxe“, denn an diesen Stränden laden Frühlingssonne und Wärme zum Relaxen und für Verwegene zum Schwimmen und Tauchen ein.
Höhenflüge und Tiefgänge
Nach so viel „Europa“ wird es Zeit, typisch Neuseeländisches zu erkunden. Also begeben wir uns nur wenige Kilometer weiter gen Norden.
Mit den Kiwis ist es wie mit den Elchen in Norwegen: Hunderte Warnschilder, doch keines solcher Tiere lässt sich blicken. Vielleicht hängt das mit der Lebensweise von Kiwi und auch Elch zusammen, die überwiegend in der Nacht- bzw. Dämmerung aktiv sind? Wir trösten uns damit, dass auch ein Kiwi-Schild schon einmal etwas Schönes ist. Und ein Foto aus einer Kiwi-Schutzstation zeigt zumindest die Umrisse von Neuseelands Wappentier. Wo wir den generell flugunfähigen Vogel entdeckt haben? Etwa fünfzig Kilometer nördlich von Waipu stoßen wir auf das Tor zum Norden, die 50.000 Einwohner zählende Stadt Whangarei. Wenn wir in diesem Zusammenhang von einem „Höhenflug“ sprechen, so ist damit nicht der 240 Meter hohe Hausberg Mount Parihaka mit seinem Obelisken gemeint, obschon der Rundblick aus der Höhe auf die Stadt an sich schon einen Besichtigungshöhepunkt darstellt. Vielmehr finden sich die eigentlichen Höhenflüge der Stadt auf kulturellem und natürlichem Gebiet. Zwar stark industriell geprägt, strahlt die Stadt eine ruhige, fast provinzielle Atmosphäre aus. Die Gebäude an der Hafenuferpromenade im Town Basin, dem Herz der City, weisen einen Kolonialstil auf. Auf dem fünf Kilometer langen Rundweg, dem Hatea Loop Walkway, trifft der Besucher auf eine sehenswerte Skulpturenmeile mit dem künstlerischen Hauptwerk, der „Waka and Wave Sculpture“, dem Symbol der Maoris für die Anlandung auf Neuseeland. Generell fühlt man sich in Whangarei eher wie in einer Kunst- und Museumsmeile oder in einer Parklandschaft aufgehoben, als in einer Stadt. Nicht weniger als fünf Galerien und Museen laden zum Besuch ein: das Whangerei Art Museum, die Reyburn Art Gallery, das Quarry Arts Center, Paper Mill sowie das Kiwi North Refugium/Museum. Da darf dann natürlich auch der wöchentliche Kunstmarkt auf der Canopy Bridge nicht fehlen. Als Königin unter diesen Sehenswürdigkeiten sticht jedoch das „Claphams National Clock Museum“ hervor. Unter dem Motto „Now’s the time to explore time!“, also „Die Zeit ist reif, Zeit zu entdekken!“, flaniert der Besucher durch eine Galerie von 5.000 Uhren. Was für ein Ticken, Rasseln, Schlagen, Klingeln, Schellen und Singsang der Spieluhren, zusätzlich zu all den optisch überwältigenden Eindrücken! Würden diese Uhren alle gleichzeitig zur vollen oder halben Stunde schlagen, löste das Taubheitseffekte aus. Also lässt man sie nacheinander akustisch erklingen. Für den angeheuerten Uhrmacher bedeutet das Museum einen einträglichen Fulltime-Job. Nicht weniger beeindruckend sind die vielfältigen Naturschauspiele und Parks des Ortes, ob nun der Caffler Park mit seinem Rosengarten, der Botanische Garten mit einem Schwerpunkt auf subtropische Pflanzenwelt, der A. H. Reed Kauri Park, eine als Urwald belassene Schlucht voller Farne, Palmen und den riesigen Kauribäumen. Ergänzt wird dieses Parkspektrum von den „Quarry Gardens“, einem geschickt renaturierten ehemaligen Steinbruch, und den 26 Meter hohen Whangarei Wasserfällen. Ob man die „Fudge Farm“ im Stadtzentrum als Sehenswürdigkeit oder Verführungstempel betrachtet, mag offen bleiben. Wir schließen uns dem Werbespruch an: „Let your taste buds take a trip down memory lane!“ Übersetzt bedeutet das so viel wie: „Schicke deine Geschmacksknospen auf den Wiedererkennungstrip!“. Na, dann: Guten Appetit!
Whangarei Falls
Der schnellste, kürzeste aber auch uninteressanteste Weg gen Norden führt über die inländische SH 1 Route. Viel spannender an Natur und Erlebniswelt sind die Panorama-Küstenrouten, zwei Straßenschleifen immer dem „Twin Coast Discovery Trail“ entlang. Die südlichere führt uns an die Tutukaka Coast. In den kleinen Küstenorten findet sich manches Kleinod.
Nun zu den Tiefgängen, sprich den Unterwasseraktivitäten: Taucherparadiese gibt es unzählige in Neuseeland, kein Wunder bei insgesamt etwa 15.000 Kilometern Küstenlinie. Über ein weniger bekanntes Tauchareal wollen wir heute berichten. Rund drei Autostunden von Auckland entfernt, auf der Nordinsel Neuseelands, schaut eine kleine, schroffe Inselgruppe aus dem Meer. Vier lediglich mit Buschwerk bewachsene Felsen ragen 24 Kilometer von der Küste entfernt, rund 300 Meter aus dem Ozean empor. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese unwirtlichen Eilande von Maoris besiedelt. Eine Fehde verschiedener Maoristämme untereinander soll jegliches menschliches Leben dort aber ausgelöscht haben. Eine Wiederansiedelung erfolgte nicht. Schließlich erklärte das „Department of Conservation“, die Umweltschutzbehörde, die Inseln und das sie umgebende Meer im Jahr 1981 zum Meeresnaturpark. Das bedeutet, dass kein Mensch die Inselgruppe betreten darf, von einigen DOC-Angehörigen einmal abgesehen. Erlaubt sind lediglich wenige, nachweislich umweltfreundliche Yachten für Tauchexpeditionen.
Was hat es mit dem Namen der Inselgruppe Poor Knights Islands, also „Inseln der armen Ritter“, auf sich? Es gibt mehrere Deutungsvarianten. Die gleichnamige Süßspeise soll Vollnahrungsmittel zu Zeiten Captain Cooks gewesen sein, als dieser am Weihnachtstag 1769 die Inseln entdeckte.
Ein anderer Erklärungsversuch bezieht sich auf die Silhouette der beiden Hauptinseln, welche einem liegenden Ritter ähneln soll. Oder war es doch nur schlichtes Konkurrenzdenken?
Poor Knight Island
Denn bekanntlich hatte ja etliche Jahre zuvor der Niederländer Abel Tasman – James Cooks ewiger Entdeckerkonkurrent – Australiens nördlichste Inseln erforscht und diese „Three Kings“ genannt. Heute spielt das aber alles keine große Rolle mehr, für ausgewiesene Tauchfans zählen vielmehr das klare Wasser und die warme, subtropische Meeresströmung.So geht es denn frühmorgens bei strahlendem Sonnenschein von der kleinen Marina im noch kleineren Ort Tutukaka los. Steve, der Skipper, und seine Crew erläutern die notwendigen Regeln für die beiden bevorstehenden Tauchgänge. Insgesamt achtzehn Passagiere sind mit an Bord, davon fünfzehn erfahrene Taucher im Alter von zwanzig bis siebzig Jahren. Nach etwa einer Stunde Fahrt im Full-Speed-Modus erreichen wir die erste der Felseninseln. Die Einfahrt in das einem Becken ähnelnde, halbwegs geschützte Gewässer, erfolgt durch einen gigantischen Felsentunnel. Hiervon gibt es insgesamt vier, einer davon so riesig, dass sich während des Ersten Weltkrieges ein japanisches U-Boot darin verschanzen konnte. Rund dreißig Minuten dauert es, dann ist die Taucherausrüstung angelegt, überprüft und das Tauchen offiziell freigegeben. Schwarzen Robotern ähnlich plumpst ein Unterwassersportler nach dem anderen in die Wellen. Und schon sind sie nur noch an den aufsteigenden Luftblasen erkennbar. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spaß erst einmal vorbei. Durchgefroren, da die Wassertemperatur bei frischen 15 Grad Celsius liegt, und mit zerknitterten Gesichtern klettert einer nach dem anderen wieder an Bord. Heiße Getränke und Suppen sind von der Crew bereits vorbereitet worden. Nach einer Aufwärmstunde nehmen die meisten Unterwasserfans einen weiteren Tauchgang in Angriff. Manche haben allerdings immer noch mit der Auftauproblematik zu kämpfen und bleiben lieber in der wärmenden Sonne sitzen. Bis zu diesem Zeitpunkt verläuft der Boots-Tauch-Trip idyllisch und problemlos. Auch der nahende Helikopter erregt eigentlich keine besondere Aufmerksamkeit. Erst als er dann doch längere Zeit über uns kreist, wird klar, dass es sich nicht um einen regulären Besuch handelt. Und schon gar nicht mehr, als sich dann ein Retter auf unser Schiff abseilt. Was vom Oberdeck her nicht bemerkbar war, erweist sich als Notfalleinsatz für einen kollabierten Taucher. War er zu unerfahren oder hat er sich überschätzt? Ist er zu tief getaucht? Wir haben nicht weiter nachgeforscht. Beruhigende Informationen erhalten wir auf der Rückfahrt zum Festland – es besteht keine Lebensgefahr mehr. Wir merken: Vermeintliches Paradies und drohende Hölle können doch sehr dicht beieinander liegen.