Die Taufe - Hans Schneider - E-Book

Die Taufe E-Book

Hans Schneider

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Beschreibung

Die Taufe - Vom Klischee zum Symbol Während des Theologiestudiums von Hans Schneider in den frühen 90er-Jahren war die Kindertaufe für viele Eltern noch selbstverständlich. Er schreibt: "Wenn ein Kind geboren ist, bringen sie es in ein Haus, wo die meisten von ihnen gewöhnlich nicht hingehen und kleine Kinder schon gar nicht. Sie nennen dieses Haus Kirche und was sie dort tun, Gottesdienst, wobei es nicht ganz klar ist, ob sie dort Gott dienen oder Gott ihnen dient, oder ob beides oder keines von beidem der Fall ist. Jedenfalls sitzen in diesem Gottesdienst die meisten von ihnen in Bänken, die alle in die gleiche Richtung ausgerichtet sind, und sie stehen nur ab und zu zum Singen auf. Zu Beginn und zum Schluss der Versammlung und manchmal auch zwischendurch spielt jemand Orgel. Und einer von ihnen zieht sich ein schwarzes langes Gewand über, sie nennen ihn Pfarrer. Dieser steigt, während die Orgel spielt, eine Treppe hoch auf einen erhöhten Platz und hält einen Vortrag, den sie Predigt nennen. In einen solchen Gottesdienst bringen sie also ihren Säugling und lassen ihn taufen." Als Vater und werdender Pfarrer wollte Hans Schneider den verlorenen Sinn der Taufe wieder finden. Es galt zu entscheiden, ob seine Söhne getauft werden sollen und wie er als Pfarrer Tauffeiern gestalten wollte. In der Zulassungsarbeit zur Lizentiatsprüfung findet er auf drei Wegen Zugang zum Sinn der Taufe - im Gespräch mit der Psychoanalyse, im Gespräch mit den biblischen Tauftexten und im Gespräch mit ZeitgenossInnen. Die Arbeit erschliesst Die Taufe als offenes Symbol und gibt einen nicht repräsentativen Einblick ins Taufverständnis im Kanton Bern am Ende des 20. Jahrhunderts

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

I. Formales zur Arbeit

II. Gedanken zur Wissenschaftlichkeit

1. Wissen

2. Wissen schaffen

a) Schaffen

b) Neues Wissen?

3. Selbständigkeit

4. Geistiges Eigentum

III. Themenwahl

1. Eigene Tauferfahrungen

2. Taufverständnis

IV. Zielsetzungen

V. Methode

A - Die Taufe aus psychoanalytischer Sicht

I. Zwei geheimnisvolle Handlungen

1. Der Mann und die Schlüssel

2. Wasser, Kreuze und heiliger Geist

3. Die Analogie

4. Wenn der Sinn verloren ist

II. Sigmund Freuds Antwort auf die Frage nach dem Sinn

1. Kultur, Neurose und religiöses Ritual

2. Deutung symbolischer Darstellungen

3. Religionskritik

III. Vom Klischee zum Symbol - ein hermeneutisches Modell

1. Einverständnis mit Freuds Modell

2. Drei Superthesen zu Freuds Modell

a) Verständnis, Kausalität und Analogie

b) Grenzen der Kultur

c) Wahre Religiosität

3. Klischee, Symbol und Zeichen

a) Symbol

b) Klischee und Zeichen

4. Symbol und Identität

5. Die Taufe - ein Symbol wurde zum Klischee

B - Die Taufe aus biblischer Sicht

I. Textauswahl

II. Semantik und Syntax von Taufwörtern und Tauftexten

1. Die Bedeutung der Taufwörter

2. Die formalen Elemente des Taufgeschehens

3. Präpositionen

4. Voraussetzungen für das Gespräch mit den biblischen Tauftexten

III. Taufe im Alten Testament

1. Überblick

2. Aspekte der Taufe am Beispiel ausgewählter Texte des Alten Testaments

a) Markierung - Die blutigen Türpfosten

b) Reinigung - Naeman wird im Jordan vom Aussatz geheilt

c) Einswerdung - Die Taufe im Tau des Himmels

3. Erkenntnisse für die Taufe aus dem Alten Testament

IV. Taufe im Neuen Testament

1. Überblick

a) Die Taufe in den Evangelien

b) Die Taufe in der Apostelgeschichte

c) Die Taufe in den Briefen

2. Jesus und die Taufe

a) Taufe und Metanoia

b) Taufkonkurrenz

c) Einmaligkeit der Taufe

d) Der Taufbefehl Jesu

3. Taufe in Christus

C - Die Taufe aus zeitgenössischer Sicht

I. Allgemeines zur vorliegenden Umfrage

II. Sollen Kinder getauft werden?

1. Erste Frage und angekreuzte Antworten

2. Quantitative Auswertung

3. Argumente für und gegen die Kindertaufe

a) Bewusste Entscheidung

b) Biblische Belege

c) Anpassung an die bürgerliche Norm

e) Weitere Argumente gegen die Taufe

III. Die Form der Taufe

1. Zweite Frage und angekreuzte Antworten

2. Quantitative Auswertung

a) Ein Gruppenvergleich

b) Die "allgemein gültige" Form der Taufe

3. Die formalen Elemente der Taufe

a) Gemeinschaft und Gottesdienst

b) Zu taufende Person und Tauffamilie

c) Autorisierte Person

d) Versprechen und Bekenntnis

e) Wort und Wasser

IV. Bedeutung und Wirkung der Taufe

1. Dritte Frage und angekreuzte Antworten

2. Quantitative Auswertung

3. Aspekte der Taufe

a) Kindertaufe und Erwachsenentaufe

b) Zeichen oder Wirkung

c) Gemeinschaft

d) Gottesbeziehung

e) Verschiedenes

V. Interviewskizzen zur Taufe

1. Bitte keine Märchen

2. Vor Gott gibt es nicht zwei Kategorien Kinder

3. Anpassung für das Kind

4. Die Wiedertaufe brachte nichts

5. Zeichen von Umkehr und Neubeginn

6. Aufnahme in die Kirchgemeinde

Schlussbetrachtung

I. Rückblick

1. Psychoanalytische Sicht

2. Biblische Sicht

3. Zeitgenössische Sicht

II. Dimensionen der Taufe

1. Allgemeines

2. Kindertaufe

3. Metanoia zum Leben

4. Die mystische Taufe

Literaturverzeichnis

Vorwort

Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und das viele Studieren ermüdet den Leib.1 Um diese Erfahrung des Predigers bin auch ich beim Schreiben der vorliegenden Arbeit nicht herumgekommen, und die Warnung Christian Links, zu Grunde geht, wer immer nach den Gründen geht,2 hing öfters wie ein Damoklesschwert über mir. Um so mehr bin ich nun erleichtert darüber, dass die Arbeit doch zu einem Ende gekommen ist und ich hoffen kann, von den Gründen wieder aufzusteigen in lichtere, leichtere Welten.

Am meisten zu schaffen gemacht hat mir der Anspruch der Wissenschaftlichkeit. Manchmal hatte ich das Gefühl, es wäre dringender gewesen, eine wissenschaftstheoretische Arbeit zu schreiben als eine über die Taufe. Wir befinden uns in einer wissenschaftstheoretischen Wendezeit und müssen unsere wissenschaftliche Identität neu finden. Parallel mit dem wachsenden Selbstbewusstsein und Gleichwertigkeitsanspruch der Frauen beginnen wir zu verstehen, dass die Aufklärung nicht den Sieg der Wissenschaft gebracht hat, sondern eher den Sieg einer Methode über die Wissenschaft. Die hochgehaltene klare Trennung zwischen forschendem Subjekt und dem Forschungsgegenstand ist vor allem in der Geisteswissenschaft fragwürdig geworden, und allmählich realisieren wir, dass der forschende Geist sich selbst zum Objekt hat, dass zwischen Subjekt und Objekt ein hermeneutischer Zirkel besteht, der nicht aufzulösen ist. Durch die fortschreitende Spezialisierung verlieren wir zunehmend das Ganze und damit den Sinn aus den Augen, und wir stellen fest, dass es nötig ist, die verschiedenen Teilgebiete, die verschiedenen Disziplinen und Fakultäten wieder miteinander in Beziehung zu bringen. Wir können und müssen nicht alles kausal-final erklären. Analogien, Gleichnisse, Symbole vermögen eine Sache oft besser verständlich zu machen. Das intuitiv schauende Denken ist dem rational schlussfolgernden Denken ebenbürtig, und die diskursiv digitale Sprache ist nicht die einzige Möglichkeit, Wissen zu vermitteln. Nicht nur das, was explizit gesagt wird, sondern auch die innere Kraft der Wörter und die sich daraus ergebenden Assoziationen sind wichtig.

Eine Wendezeit wirkt verunsichernd und ist zugleich eine Chance. Das Alte ist nicht mehr und das Neue noch nicht. In diesem Spannungsfeld entstand diese Arbeit. Ich habe versucht, etwas vom Neuen zu verwirklichen und bin dabei das Alte doch nicht losgeworden.

Die Taufe war für mich ein sinnleeres, von der alltäglichen Erfahrung und Vernunft abgekoppeltes Klischee. Auf drei verschiedenen Zugängen versuchte ich, dem verlorenen Sinn der Taufe wieder auf die Spur zu kommen, die Taufe wieder in Beziehung zu bringen mit Erfahrung, Vernunft und aktuellem Lebensvollzug. Verschiedene "Offenbarungen", die mir auf diesem Weg zuteil wurden, haben mich besonders beeindruckt: so etwa die verblüffende Ähnlichkeit der Taufe mit einem zwangsneurotischen Ritual, die mystische Dimension der Taufe, die mir bei der ersten Durchsicht der biblischen Tauftexte aufleuchtete oder die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen, die mir aus der Umfrage zur Taufe besonders deutlich wurde. Mehr und mehr ist mir die Taufe auf diesem Weg zu einem mehrdimensionalen, lebendigen Symbol für elementare Erfahrungen und Voraussetzungen menschlicher Existenz geworden.

Ausserdem war diese Akzessarbeit für mich ein Übungsfeld für einen "langen Atem", für Geduld, Ausdauer und sorgfältiges Arbeiten. Sie war auch Anlass, mich in ein Textverarbeitungsprogramm einzuarbeiten und dabei die Möglichkeiten und Tücken eines Computers kennenzulernen.

Äusserer Anlass, die Arbeit zu schreiben, war, die Bedingungen zum Abschluss des Theologiestudiums zu erfüllen. Und so hoffe ich nun, mit dieser Arbeit bei Referenten und Prüfungskommission Gnade zu finden. Wenn die Arbeit darüber hinaus noch jemandem die eine oder andere befreiende oder sinnstiftende Einsicht vermitteln könnte, oder sogar Anregungen für Seelsorge, Taufgespräche oder Taufliturgie zu geben vermöchte, wäre das eine mehr als erfreuliche Zugabe.

Für das Zustandekommen der Arbeit habe ich verschiedenen Personen zu danken: namentlich Herrn Prof. Christoph Morgenthaler für die wissenschaftliche Betreuung, Frau Marianne Bühler, die als Akzessgruppenleiterin zusammen mit den andern GruppenteilnehmerInnen mit dazu beigetragen hat, dass der Weg nach den Gründen nicht auf dem Grund endete und Herrn Bruno Stadelmann, der die Arbeit zur Korrektur gelesen hat. Besonderer Dank gebührt all jenen, die mir in Gesprächen über die Taufe bereitwillig Auskunft gegeben haben und vor allen jenen, die Zeit und Mühe nicht gescheut haben, ihre Sicht sogar schriftlich zu formulieren.

Widmen will ich diese Arbeit meiner Frau, die als kritische Gesprächspartnerin bei der Entstehung dieser Arbeit mitgewirkt hat und meinen beiden Söhnen, die bisher auf eine rituelle Taufe "verzichten" mussten und nun zugunsten "der Taufe" öfters auch noch auf mich; in Physis war ich zwar mit ihnen, aber im Geiste auf der Suche nach den Gründen.

Elfenau, im Juli 1993

Hans Schneider

1 Pre 12.12

2 Christian Link, Vorlesung Gottesfrage und Gotteskritik, Wintersemester 92/93

Einleitung

I. Formales zur Arbeit

Alles, was in dieser Arbeit dargestellt ist, auch wenn es um die Meinung anderer geht oder um sogenannte Tatsachen, ist dargestellt aus meiner Sicht. Von daher wäre die Ich-Form die einzig richtige. Trotzdem werde ich öfters in Wir-Form schreiben da, wo ich annehme, dass die Darstellung auch für Sie und andere LeserInnen dieser Zeilen gültig und unmittelbar einleuchtend ist.

Ich habe mich darum bemüht, dort, wo Frauen und Männer, Mädchen und Knaben gemeint sind, geschlechtsneutrale Formulierungen3 zu wählen oder durch ein grosses "I" im Wortinnern deutlich gemacht, dass beide Geschlechter gemeint sind. Aber ich habe als Mann geschrieben. Die LeserInnen mögen mir deshalb den hier und dort immer noch durchschlagenden androzentrischen Sprachgebrauch verzeihen.

Zitate, derer ich mir bewusst bin, stehen in Kursivschrift. Die Quelle ist in der Regel in einer Fussnote angegeben. Im Kapitel C sind allerdings Zitate aus den Fragebogen öfters direkt im Text durch eine in Klammer stehende Zahl gekennzeichnet. Fussnotenreferenzzahlen und die Zahlen in Klammern, die auf den entsprechenden Fragebogen verweisen, stehen vor dem Komma oder Punkt, wenn sie sich nur auf einen Teil eines Gliedsatzes beziehungsweise Satzes beziehen. Wenn sie sich auf den ganzen Gliedsatz oder Satz beziehen, stehen sie nach dem Komma beziehungsweise nach dem Punkt. Fussnoten sind normalerweise durch eine kurze, waagrechte Linie vom Haupttext getrennt. Wenn Fussnoten schon auf der vorangehenden Seite begonnen haben, geht die Linie über die ganze Seite.

Abkürzungen für die biblischen Bücher und andere Abkürzungen habe ich dem Abkürzungsverzeichnis im Wörterbuch zum Neuen Testament von Walter Bauer4 entnommen. Auf die Erstellung eines eigenen Abkürzungsverzeichnisses habe ich deshalb verzichtet.

Diverse eigene Texte, Tabellen und Zusammenstellungen, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen, habe ich in einem separaten Anhang zusammengestellt.

II. Gedanken zur Wissenschaftlichkeit

Die vorliegende Arbeit ist eine Akzessarbeit. Nun stellt sich natürlich die Frage, welchen Ansprüchen eine Akzessarbeit zu genügen hat. Dazu steht in den Empfehlungen zur Abfassung von Akzessarbeiten: Laut Prüfungsreglement ist die Akzessarbeit eine wissenschaftliche Abhandlung über einen frei gewählten Gegenstand aus dem Gesamtgebiet der Theologie...Es gibt unterschiedliche Arten von Wissenschaft, deshalb auch unterschiedliche wissenschaftliche Methoden... Gemeinsam ist aller Wissenschaftlichkeit eine offene, kritische Grundhaltung in Bezug auf den Gegenstand, aber auch in Bezug auf die eigenen Voraussetzungen, Interessen, Entscheidungen...Diese Arbeit kann laut Reglement auch völlig selbständig erarbeitet werden.5 Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist besonderer Wert auf die vollständige, deutliche sowie einheitliche Zitierung fremder Quellen zu legen... Vollständigkeit bedeutet, dass jede Verwendung fremden geistigen Eigentums durch genaue Quellenangabe kenntlich gemacht werden muss.6 Ich will versuchen, diese Empfehlungen zu beherzigen und mir vorgängig ein paar Gedanken zu meinem Verständnis von Wissenschaft und der sich daraus ergebenden Methode machen. Etymologisch gesehen besteht das Wort "wissenschaftlich" aus den beiden Wörtern "wissen" und "schaffen". So will ich vorgängig die Begriffe "wissen", "schaffen", "selbständig" und "fremdes geistiges Eigentum" genauer beleuchten.

1. Wissen

Was heisst "wissen"? Dazu erst ein kleines Beispiel:

Das Wattenmeer

In der Sekundarschule hatten wir in der Geographie vom Wattenmeer gehört. Wahrscheinlich hatte der Geographielehrer das Wattenmeer selbst nie erlebt. Aber jedenfalls "wusste" ich von daher, dass es an einer Küste Deutschlands ein untiefes Meer mit Sandbänken gibt, eben das Wattenmeer. Bestenfalls, ich weiss es nicht mehr genau, stellte ich mir noch vor, das Wattenmeer sei wahrscheinlich ähnlich wie der Neuenburgersee in Gampelen, den ich vom Baden kannte. Der war auch nicht tief und wir konnten dort auf sandigem Grund weit hinausgehen.

Nun kam ich vor ein paar Jahren tatsächlich an die Nordsee. Wir fuhren mit dem Zug nach Norddeich-Mole. Dort bestiegen wir ein grosses Schiff. Jedenfalls schien es mir gross im Verhältnis zu den Thunerseeschiffen, die mir vertraut waren. Eine Stunde lang fuhren wir nun übers Meer nach Jüst, einer der Nordseeinseln. Ein paar Birkenzweige, die hier und dort aus dem Meer ragten, fielen mir zwar auf, aber ich schenkte ihnen weiter keine Beachtung. Auf der Insel mieteten wir Fahrräder und suchten anschliessend eine Unterkunft. Als ich nach etwa zwei Stunden vom Zimmer aus einen Blick aufs Meer werfen wollte, war das Meer nicht mehr da. Eine riesige nasse Sandfläche mit ein paar Wasserpfützen war da, wo eben noch das Meer war, welches wir in einer stündigen Fahrt mit dem grossen Schiff überquert hatten.

Nun wusste ich: Das war also das Wattenmeer, von dem ich in der Schule gehört hatte. Es war ganz anders als der Neuenburgersee in Gampelen.

Wissen ist immer an die Erfahrung der Wirklichkeit gebunden. Wissen ohne Erfahrung ist Scheinwissen, ist Bücherwissen, ist hohl und leer.

2. Wissen schaffen

Um Wissen zu schaffen, muss ich mich einer Sache zuwenden. Und in dieser Zuwendung kann ich die Sache vielleicht finden, sie sehen, sie erkennen. Diese Erkenntnis, dieses in der Zuwendung zustande gekommene Wissen, ist erst einmal rein subjektiv, das heisst, es ist nur jenem Subjekt zugänglich, das mit der Sache wirklich in Berührung gekommen ist.

So kann also nur wissen, wie ein Apfel schmeckt, wer einen Apfel gegessen, wissen wie die Aussicht vom Finsteraarhorn ist, wer auf ihm gestanden und wissen, wie eine Rose duftet, wer daran gerochen hat.

Weder gute Bücher, noch Fotos, noch figürliche Darstellungen oder Erklärungen von Wissenden können die persönliche Zuwendung zur Sache selbst, die Bemühung um sie und Erfahrung mit ihr ersetzen.

Wenn ich aufmerksam lese, kann ich wissen, was lesen ist, aber ich weiss noch nichts von den Dingen, die da beschrieben sind, ausser ich habe sie bereits selbst erfahren, nichts von den Gedanken, die da dargestellt sind, ausser ich bin den Gang durch solche Gedanken schon gegangen.

Bücher, Bilder, Worte und Darstellungen können uns im besten Fall auf Dinge, Gedanken und Geschehen hinweisen, die wir wissen können, wenn wir uns ihnen zuwenden.

a) Schaffen

Weiter stellt sich die Frage nach dem Schaffen. Können wir Wissen tatsächlich schaffen? Nein, denke ich. Zwar können wir uns einer Sache zuwenden, sie aufsuchen. Aber damit wir sie finden und etwas von ihr wissen können, muss sich die Sache auch uns zuwenden, sie muss sich uns zeigen, sich uns offenbaren.

Aus Erfahrung weiss ich, dass ich den Zugang zu einer Sache oder auch zu einer Person eigentlich nur dann finde, wenn ich Interesse für diese, wenn ich die Liebe zu ihr habe.

Nur die Liebe ermöglicht eine Zuwendung von ganzem Herzen. Ohne Liebe ist alles nichts.8 Aber die Liebe zu einer Sache oder Person können wir nicht erzwingen. Liebe ist nicht machbar, sie wird uns geschenkt.

Wissen schaffen in dem Sinn, dass dies einzig von unserer Bemühung abhängig wäre, können wir nicht. Wir können uns höchstens um die rechte Haltung bemühen, in der sich Wissen ereignen kann. Wir können eine Sache aufsuchen, ihr uns zuwenden, wenn wir die Liebe dazu haben. Aber dort, wo uns die Liebe fehlt, uns mit ganzem Herzen einer Sache zuzuwenden, wird sich kaum Wissen ereignen.

b) Neues Wissen?

Nun wäre es natürlich schön, irgend Etwas neues zu entdecken, im unendlich weiten Feld der Dinge.

Aber schon der Prediger im Alten Testament hat es gewußt: Es gibt nichts Neues unter der Sonne....Längst schon ist es dagewesen, in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.9 Und Müller schreibt es in seinem Buch so: Es gibt ja kaum etwas, was nicht unter anderen Koordinaten von Zeit und Ort auch schon gedacht und gesagt worden wäre.10 So kann es sicher auch mir, wie jedem anderen forschenden Subjekt, nicht darum gehen, objektiv neues Wissen zu schaffen. Bestenfalls wird mir, dem forschenden Subjekt, längst Gewusstes hier und jetzt neu bewusst.

Sobald wir dies wissen, ist es nicht mehr sinnvoll, zu einem Thema möglichst alle Literatur zu sichten, um ein bisschen weiter draussen ein noch nicht befahrenes (erfahrenes) Feld zu finden, in welches wir dann unsere neue Spur legen können.

Es macht uns nicht wissender, wenn wir möglichst viele Forschungsberichte zu einer Sache lesen. Denn auch Forscher stehen immer wieder in der Gefahr, von oder über eine Sache zu schreiben, der sie gar nicht begegnet sind und in dicken Büchern Zugangsberichte anderer ohne eigene Verarbeitung und Einsicht zusammenzustellen. Zudem kann auch der beste Forschungsbericht die eigene Erfahrung mit der Sache nicht ersetzen.

Natürlich können wir uns glücklich heissen, wenn wir einen Forscher kennen, der jener Sache, die wir suchen, wirklich begegnet ist und schon weiss, was wir an Wissen selbst noch "schaffen" wollen. Er kann uns vielleicht durch seinen Forschungsbericht einen Zugang zur Sache eröffnen, so dass wir ihr dann selbst begegnen und in dieser Begegnung mit ihr Wissende werden können.

3. Selbständigkeit

Die Akzessarbeit darf völlig selbständig erarbeitet werden11, steht in den Empfehlungen zur Abfassung von Akzessarbeiten. Aus dem bereits Gesagten ergibt sich eigentlich, dass jede Arbeit, die Wissen schafft, keine andere als eine selbständige sein kann. Denn wo sonst kann Wissen geschaffen werden, ausser im erkennenden, bewussten Subjekt, ausser im Selbst. Wissen ist nie unabhängig von einem Subjekt. Wissen ist immer subjektiv. Es ereignet sich zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort in einem bestimmten Subjekt. Ein Subjekt, das sich selbst erkennt, weiss sich und ist selbstbewusst. Und nur eine Sache, die sich dem Selbst wirklich gezeigt hat, ist dem Selbst verständlich, ist also selbstverständlich und somit selbständig (selbst-ständig), weil sie zu ihrem Bestehen nicht mehr auf ein Buch oder sonst eine äussere Autorität angewiesen ist, sondern im Selbst gründet, im Selbst Stand genug hat.

Es ist auch Descartes schon aufgefallen, dass das unselbständige, scheinwissenschaftliche Sich-Berufen auf Autoritäten unser bewusstes Sein mehr und mehr verdüstert. So hat er denn alles, was im Selbst (ihm selbst) nicht ohne Beistand von Autoritäten verständlich war, alles also, was nicht selbstverständlich, nicht klar und deutlich12 war, verworfen. Ich meine, dass diese Einsicht auch für uns heute wieder neu wichtig werden muss. Es ist nötig, dass wir wieder selbstbewusster werden und wieder wagen, uns am Selbstverständlichen, an dem, was uns aus persönlicher Erfahrung klar und deutlich geworden ist, zu orientieren, statt unser Urteil ängstlich von sogenannten Wissenschaftlern und Experten abhängig zu machen13.

4. Geistiges Eigentum

Es wird verlangt, dass wir in einer wissenschaftlichen Arbeit Zitate als solche kennzeichnen. Ich werde mich bemühen, dies zu tun, wenn mir bewusst ist, dass ein anderer vor mir genau die Worte, die ich hier und jetzt brauche, um meine Erfahrung zu beschreiben, auch schon gebraucht hat.

Aber alles, was ich zu sagen habe, verdanke ich andern Menschen...,14 sind Worte, die ich irgendwo, irgendwann gehört oder gelesen habe, bevor ich sie nun brauche, um meine eigene Erfahrung damit zu beschreiben. Meine Sprache ist kein "Eigenprodukt". Und gerade bei Erkenntnissen, die ich mir zu eigen gemacht habe, die mir einleuchten, klar und deutlich und selbstverständlich geworden sind, weiss ich oft nicht, woher ich sie habe. Aber wahrscheinlich würde ich weder Johannes, noch dem Prediger, weder Descartes, noch Müller schaden, wenn ich heute ihre Worte brauche, ohne diese zu kennzeichnen, um etwas darzustellen, was mir selbstverständlich, klar und deutlich geworden ist. Denn auch sie verdanken ihre Sprache andern und ihre Erkenntnisse haben sie nicht gemacht, sie wurden ihnen geschenkt. Wer dem Geist begegnet, weiss, dass man ihn nicht besitzen kann, dass er weht, wo er will15 und wann er will, dass es also so etwas wie geistiges Eigentum eigentlich nicht geben kann und dass der Geist mit keiner Methode in den Griff zu bekommen, "dingfest" zu machen ist.16

III. Themenwahl

1. Eigene Tauferfahrungen

Ich bin als Säugling getauft worden, habe später einige Taufen miterlebt und bin auch zweimal Pate gestanden.

Auch wenn in den einleitenden Erklärungen zu den Taufen, die ich erlebt habe, leicht unterschiedliche Akzente gesetzt wurden, war der Kern der Taufe, soweit ich mich erinnere, immer ähnlich gestaltet.

Ein Mann (einmal war es eine Frau) in schwarzem Gewand malte mit Wasser drei Kreuze auf die Stirn des Kindes und sprach dazu die Taufformel: "Ich taufe dich auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes."

Vor diesem Kernstück hatten Eltern und Paten zu versprechen, das Kind in christlichem Sinn zu erziehen. Nach der Taufformel wurde dem Kind ein für es ausgewählter Bibelspruch, der sogenannte Taufspruch, zugesprochen.

Diese Handlung an sich wäre für mich nichts Besonderes gewesen, wenn sie nicht vom Gefühl getragen gewesen wäre, sie stehe nur symbolisch für einen verborgenen, tieferliegenden Sinn. Aber was sich denn da hinter dem äusserlich Sichtbaren wirklich ereignet, welche Bedeutung diese Handlung für unseren Lebensvollzug hat, konnte mir nie jemand überzeugend erklären.

2. Taufverständnis