Die therapeutische Beziehung – Spielarten und verwandte Konzepte - Hermann Staats - E-Book

Die therapeutische Beziehung – Spielarten und verwandte Konzepte E-Book

Hermann Staats

0,0

Beschreibung

Die therapeutische Beziehung als wechselseitige Abstimmung zwischen Therapeuten und Patienten und als gelingender gemeinsamer "Tanz" ist für den Erfolg von Behandlungen schulenübergreifend von überragender Bedeutung. In psychodynamischen Therapien wird diese Beziehung zwischen Patient und Therapeut in besonderer Weise genutzt und reflektiert. Sie ist Grundlage differenzierter Konzepte und Trägerin vielfältiger Aufgaben. Ihre Gestaltung wird in diesem Band anhand von empirischen Befunden, klinischen Konzepten und Beispielen aus der therapeutischen Praxis dargestellt. Beiträge der Therapeuten, der Patienten, des Rahmens und des Settings werden untersucht, Belastungen und charakteristische Herausforderungen beschrieben. Die unterschiedlichen Auffassungen zur therapeutischen Beziehung zeigen die vielfältigen Spielformen therapeutischer Beziehungen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 87

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Herausgegeben vonFranz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Hermann Staats

Die therapeutischeBeziehung

Spielarten und verwandte Konzepte

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit einer Abbildung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99846-6

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

Umschlagabbildung: Paul Klee, Ein Fetzen Gemeinschaft, 1932/INTERFOTO/LUBK

© 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkungen

1Die therapeutische Beziehung und ihre Geschwister

1.1Frühe Entwicklungen und Konzepte

1.2Integrationsversuche hin zu einem empirisch prüfbaren Konzept

1.3Neue Ideen und aktuelle Forschungsfragen

2Beiträge der Therapeuten

2.1Empathie und Einfühlung

2.2Wohlwollen und Akzeptanz

2.3Authentisch sein

2.4Kompetenzen vermitteln

2.5Entwicklungsorientiert formulieren

2.6Nichtwissen ertragen

3Beiträge der Patienten

3.1Vertrauen können und die »unanstößige Übertragung«

3.2Bindungsmuster

3.3Dyadische und triadische Beziehungsmodi

4Der Beitrag des Rahmens

4.1Den Rahmen gestalten

4.2 Der Rahmen als gemeinsamer Bezugspunkt oder als Spielfeld

4.3Manches wird erst in Gruppen sichtbar

4.4Beschränktheit der Zeit und Behandlungsende

5Gemeinsame Beiträge von Patienten und Therapeuten

5.1Modelle des Miteinander und gemeinsame Ziele

5.2Therapeutische Beziehung ohne Widerstand?

5.3Regression gestalten

5.4Sich auf strukturelle Störungsanteile einstellen

5.5Abstinenz, Neutralität, Offenheit und interpersonelles Feedback

5.6Wie geht die Beziehung weiter nach der Therapie?

6Angriffe auf die therapeutische Beziehung

6.1Liebe in der Therapie

6.2Geschenke, Machtkämpfe und andere Verführungen

6.3Negative therapeutische Reaktionen

7Verlauf und Gestaltung therapeutischer Beziehungen: Modelle und therapeutische Haltung

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Die therapeutische Beziehung gilt als zentraler Wirkfaktor von Psychotherapien im Allgemeinen. Aber so plausibel die Bedeutung der gemeinsamen Beziehungsgestaltung zwischen Therapeuten und Patienten für das Gelingen einer Psychotherapie erscheint, so schwer ist es, eine gültige Definition zu finden, die schulenübergreifend empirisch erforschbar ist und nicht zu inneren Widersprüchen führt. Vor diesem Hintergrund hat sich der Autor das Ziel gesetzt, die Aufgaben und Konflikte in der Gestaltung therapeutischer Beziehungen so darzustellen, dass individuelle und passende Gestaltungsmöglichkeiten sichtbar werden. Ausgehend von den ursprünglichen Aussagen der Psychoanalyse zu den Themen der unanstößigen Übertragung, des Arbeitsbündnisses und einer therapeutischen Ich-Spaltung in der Differenzierung von Übertragungs- und Realbeziehung wird deutlich, dass das Konzept der Allianz – das beide Seiten und den Interaktionsprozess selbst einbezieht – besser geeignet scheint, Therapievorhersagen zu machen, als ein Konzept, das die Aufmerksamkeit nur auf einen der Interaktionspartner richtet. Die Integrationsversuche in Richtung eines empirisch überprüfbaren Konzepts werden kritisch diskutiert und dahingehend erweitert, dass nicht nur die Übereinstimmung der Interaktionspartner betont werden sollte, sondern vielmehr das aus der Säuglingsforschung entlehnte Konzept des »rupture and repair« einen erfolgreichen Therapieprozess abzubilden vermag. Die Bewältigung von unvermeidlichen Spannungen und Krisen stärkt die Beziehung. Dabei verschiebt sich der Fokus hin zur Intersubjektivität und der Bildung eines Wir-Erlebens. Die therapeutische Beziehung als »zerstrittene Begriffsfamilie« aus unterschiedlichen Teilkonzepten erweist sich damit als eine komplexe Ganzheit, die nur künstlich in unterschiedliche Bestandteile zerlegt werden kann.

Der Autor fokussiert zuerst auf die Beiträge der Therapeuten, wobei Empathie, Wohlwollen und Authentizität ausführlich behandelt und auch die Grenzen der Begriffe aufgezeigt werden. Beiträge der Patienten wie Vertrauen, Bindung und unterschiedliche dyadische und triadische Beziehungsmodi werden danach diskutiert. Der Beitrag des Rahmens wird ausführlich gewürdigt. Schließlich werden gemeinsame Beiträge von Patienten und Therapeuten untersucht. Wertvolle Hinweise zur Gestaltung von Regression und zu den Aufgaben von Abstinenz, Neutralität und Offenheit bereichern das Kapitel. Auch die Angriffe auf die therapeutische Beziehung bleiben nicht unerwähnt.

Ein mutiges und klar strukturiertes Buch zur therapeutischen Haltung und zur Gestaltung therapeutischer Beziehungen. Ein Buch, das Akzente setzt und für Therapeutinnen und Therapeuten wichtiges Grundlagenwissen auf ansprechende Weise zur Verfügung stellt. Das wechselseitige Vertrauen als Ausdruck des therapeutischen Prozesses muss sich im intersubjektiven Raum immer wieder neu entfalten.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorbemerkungen

Die therapeutische Beziehung wird methoden- und schulenübergreifend als zentrales Merkmal von Psychotherapien gesehen. Viele andere, differenzierende Merkmale psychotherapeutischer Konzepte scheinen hinter der Frage nach der Qualität der Beziehung zwischen Patient und Therapeut zurückzutreten (Wampold, 2001). Therapeutinnen und Therapeuten mit guten interpersonellen Kompetenzen bauen festere therapeutische Bündnisse auf und erzielen für ihre Patienten bessere Ergebnisse (Anderson, Crowley, Himawan, Holmberg u. Uhlin, 2016). Was macht die besondere Beziehungsform einer therapeutischen Beziehung aus? Wie kann ihre Qualität gefördert und für Veränderungen in Psychotherapien genutzt werden? Und wie kann ein angemessenes Vertrauen in die therapeutische Arbeit entstehen? Dies sind zentrale Fragen in der Praxis und der Psychotherapieforschung. Die therapeutische Beziehung spielt bei fast allen Themen im psychotherapeutischen Feld mit. Als Leserinnen und Leser finden Sie daher immer wieder Verweise auf weiterführende Literatur, wenn ein interessanter Nebenweg in diesem Buch nicht weiterverfolgt werden kann.

Es ist vielleicht eine Folge dieser zentralen Stellung, dass aktuelle Bücher und Artikel zur therapeutischen Beziehung aus verhaltenstherapeutischer (z. B. Sachse, 2016), jungianischer (Braun, 2016), psychodynamischer (Gödde u. Stehle, 2016) und empirisch-wissenschaftlicher (z. B. Doran, 2016) Sicht inhaltlich nur wenig Überlappungen aufweisen. Die Auswahl der Themen ist unterschiedlich, Schlussfolgerungen und Empfehlungen widersprechen sich gelegentlich. Das Konzept der therapeutischen Beziehung muss inhaltlich gefüllt und konkretisiert werden – es hängt vom Rahmen, der Haltung und den Vorannahmen eines Therapeuten und von der Gestaltung durch Patienten ab.

Vor diesem Hintergrund will dieses Buch die Aufgaben und Konflikte in der Gestaltung therapeutischer Beziehungen so darstellen, dass individuelle und passende Gestaltungsmöglichkeiten sichtbar werden. Dazu gehört auch, die Spannungen und Widersprüche herauszuarbeiten, die zwischen den unterschiedlichen Bestandteilen therapeutischer Beziehungen bestehen. Verschiedene Spielarten therapeutischer Beziehungen sollen deutlich werden, verwandte Konzepte werden dargestellt. Für anregende Diskussionsbeiträge beim Schreiben dieses Buches danke ich besonders Fritz Boencke und Anke Mühle.

Klinische Bezüge und Konzepte stammen in der Regel aus psychoanalytischen und tiefenpsychologisch fundierten Therapien, berühren aber auch andere psychotherapeutische Ansätze. Sie werden mit empirischen Befunden verbunden. Das zu bearbeitende Feld ist groß, die Auswahl der zentralen Themen kann unterschiedlich ausfallen. In diesem Buch wird daher auch etwas von der Haltung und den Vorlieben des Autors deutlich werden.

1Die therapeutische Beziehung und ihre Geschwister

Dieses Kapitel stellt die Entwicklung des Konzepts der therapeutischen Beziehung vor. Es ist damit für Leserinnen und Leser, die nicht auf ihnen bereits vertraute theoretische Modelle stoßen, zunächst eine gewisse Herausforderung. Wissen um die mit inhaltlichen Fragen verbundenen unterschiedlichen Positionen trägt aber dazu bei, für die Praxis wichtige Fragen in ihren Zusammenhängen zu sehen – und damit leichter zu geeigneten Antworten zu kommen.

Der Begriff »therapeutische Beziehung« ist in der psychodynamisch orientierten Literatur vergleichsweise wenig vertreten. Er wird häufig mit Untersuchungen eingeführt, in denen Orlinsky und Howard (1986) die zentrale Bedeutung der Beziehung für den Erfolg von Psychotherapien zeigten. In den klassischen Wörterbüchern der Psychoanalyse kommt die »therapeutische Beziehung« nicht vor. Stattdessen werden damit verbundene Aspekte – in unterschiedlicher Gewichtung – unter anderen Begriffen aufgeführt. Thomä und Kächele (2006, S. 74) sprechen von einer »zerstrittenen Begriffsfamilie«. Zu dieser Familie gehören:

–die sogenannte »milde und unanstößige Übertragung«;

–die reale Beziehung;

–das Arbeitsbündnis oder Behandlungsbündnis;

–die therapeutische Beziehung oder therapeutische Allianz (»therapeutic alliance«);

–die hilfreiche Beziehung (»helping alliance«).

Die Beziehungen dieser Begriffe können nicht gut verstanden werden, ohne weitere »Familienmitglieder« einzuführen, insbesondere

–die positive und die negative Übertragung,

–die Übertragungsneurose und

–die Suggestion.

Wir untersuchen, was die verschiedenen Begriffe (und einige weitere) zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung beitragen. Die »Familiengeschichte« dieser Konzepte wird dargestellt und mit empirischen Befunden verbunden. Den damit verbundenen Fragen und Antworten werden wir im Laufe des Buches erneut und ausführlicher begegnen.

1.1Frühe Entwicklungen und Konzepte