Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie - Hermann Staats - E-Book

Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie E-Book

Hermann Staats

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Beschreibung

Erfahrungen in Gruppen sind fast allgegenwärtig, wenn Patient:innen über Familie, Schule und soziale Netzwerke, Freunde und Arbeitskollegen erzählen. Für viele Aspekte unseres Lebens hat die Zugehörigkeit zu Gruppen zentrale Bedeutung. Mit dieser Einführung in gruppentherapeutisches Arbeiten finden Therapeut:innen, die ihre ersten Gruppen leiten, einen integrierenden Rahmen für ihre Erfahrungen in der Klinik, für Theoriebausteine und für Überlegungen aus Supervisionen. Einzeltherapeut:innen und Berater:innen lernen etwas zum Einfluss von Gruppen auf das Erleben und Verhalten ihrer Patient:innen und Klient:innen. Hermann Staats stellt Modelle, Theorien und Forschungsergebnisse zum Arbeiten mit Gruppen aus klinischer und gruppenanalytischer Perspektive dar.

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Herausgegeben vonFranz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Hermann Staats

Gruppenanalyse undGruppenpsychotherapie

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2023 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe

(Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Paul Klee, Individualized altimetry of stripes/akg-images/ De Agostini Picture Lib.

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Erstellung: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2566-641X

ISBN 978-3-647-99341-6

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkungen und Einführung

1Gruppen im Alltag: Ein wenig beachteter Aspekt unseres Erlebens

1.1 Gruppen als Grundlage menschlichen Lebens

1.2 Wir-Gefühl als eine Form des In-Beziehung-Seins: dyadische, triadische und Gruppenbeziehungen

1.3 In- und Outgroups

1.4 Identität als ein Ergebnis von Gruppenzugehörigkeiten

1.5 Digitale Gruppen

1.6 Wenn Gruppen schaden: Rollenfixierung, Sündenbocksuche, Mobbing, Bullying

2Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse: Modelle und Konzepte

2.1 Was hilft?

2.2 Modelle: Gruppenleitung, Teilnehmende an Gruppen und »die Gruppe«

2.3 Das Konzept der Matrix

2.4 Klein- und Großgruppenprozesse: Teams, Stationen, Kliniken und Supervision

3Mit Gruppen arbeiten und Gruppen leiten

3.1 Was ansprechen? Beschreiben und konfrontieren

3.2 Wie ansprechen? Sich wundern, antworten und deuten

3.3 Normen und Regeln in Gruppen aushandeln

3.4 Mentalisieren in Gruppen

3.5 Übertragungen mentalisieren in Gruppen

3.6 Wann ansprechen? Den Verlauf einer Gruppe berücksichtigen

3.7 Vorbereitung und Beginn einer Gruppenpsychotherapie

4Über Gruppen nachdenken

4.1 Geschichte der Gruppenpsychotherapie und aktuelle Herausforderungen

4.2 Gruppen leiten lernen – Ausbildungsmodelle

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten und Patientinnen hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich die Leserin, der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Von Geburt an ist das Kind auf ein beziehungsvolles Umfeld angewiesen, es kann gleichsam nur in der Gruppe seiner wichtigsten Bezugspersonen überleben. Die Bedeutung von Gruppenzugehörigkeit »für unser Leben, Erleben und Verhalten« kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gruppen geben Sicherheit, ermöglichen Anerkennung und Eingebundenheit, Gruppen haben evolutionsbiologisch eine Bedeutung für die Entwicklung der menschlichen Kultur. Sie erzeugen ein Wir-Gefühl und können sogar tiefgreifende Einflüsse auf die Identitätsentwicklung des Individuums ausüben. Die Regulierung narzisstischer Bedürfnisse in und zwischen Gruppen ist »mit der Bildung von Zugehörigkeiten und Ausschlüssen verbunden«.

Auch digitale Gruppen haben in der Form sozialer Netzwerke enormen Einfluss auf das Individuum und erzeugen Resonanz als eine Art soziales Kapital für den Einzelnen. Gruppen können aber auch Konformitätsdruck ausüben und die »individuellen Fähigkeiten des Denkens und Urteilens« als Kompetenzen des Ichs schwächen. Demgegenüber bieten sich besondere Möglichkeiten, durch das Zusammenarbeiten in Gruppen den »tatsächlichen Sachverhalten« im Sinne einer »Schwarmintelligenz« immer näher zu kommen. Gruppenprozesse können also nur durch ein dialektisches Verständnis »günstiger und ungünstiger Folgen« realistisch erfasst werden.

In der Psychoanalytischen und psychodynamisch orientierten Psychotherapie gibt es mehrere Modelle und Konzepte für die Behandlung in Gruppen. Gruppenanalyse umfasst dabei nach Hermann Staats unterschiedliche Vorgehensweisen, die für die Arbeit mit Gruppen fruchtbar sind. Dabei werden »psychoanalytische, gruppendynamische und sozialpsychologische Konzepte« benutzt, die mit den Erkenntnissen der Psychotherapieforschung sowie der Lern- und Entwicklungspsychologie verbunden werden und so eine methodische Grundlage für unterschiedliche Einsatzgebiete in Psychotherapie, Pädagogik oder Organisationsentwicklung bilden. Die Veränderungen von interpersonellen Beziehungen sowie Veränderungen der Beziehung zu sich selbst bleiben dabei zentrale Anliegen einer Arbeit mit Patientinnen und Patienten. Psychische Störungen und persönlicher Leidensdruck werden in ihrer engen Verbindung mit Beziehungsstörungen zum Ausgangspunkt der Interventionen. Diese Beziehungsstörungen stellen sich in der Gruppe dar und können dort bearbeitet werden. Das Erleben von Kohäsion in Gruppentherapien umfasst einen Beziehungsaufbau der Teilnehmenden zueinander und zum Therapeuten bzw. zur Therapeutin, wobei Anteilnahme und Teilhabe am Leben in einer Gemeinschaft bedeutungsvoll sind.

Die Rolle des Gruppenleiters oder der Gruppenleiterin kann unterschiedliche Formen annehmen:

Bei der »Therapie der Gruppe« steht der Gruppenleiter der Gruppe »gegenüber«. Gruppenprozesse können gut beobachtet werden, dyadische Beziehungsmuster zwischen Gruppe und Therapeuten werden gefördert.

Bei der »Therapie durch die Gruppe« verteilen sich die Aufgaben zwischen Mitgliedern und Therapeuten, wobei stereotype Rollenübernahmen und ihre biografischen Wurzeln zum Thema werden können.

Die »Therapie in der Gruppe« konzentriert sich auf die Arbeit mit einem Patienten oder einer Patientin in der Gruppe »wie in einer Einzeltherapie« in Anwesenheit anderer. Die individuellen Übertragungen einzelner Gruppenmitglieder auf den Leiter und auf andere Gruppenmitglieder können so bearbeitet werden.

Das Konzept der therapeutischen Matrix sieht das Individuum in seinen Verbindungen mit anderen. Jede Störung des Einzelnen ist auch eine Störung im Netzwerk, »das Soziale konstituiert erst das Persönliche«. So wird das Individuum innerhalb eines Netzwerks beständig »neu konstruiert und dekonstruiert«.

Viele Psychotherapeutinnen und -therapeuten erleben ebenfalls »die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Intervisionsgruppen als zentralen Teil ihrer beruflichen Arbeit und als eine wichtige Entlastungs-, Lern- und Korrekturmöglichkeit«, auch für Einzeltherapeutinnen und -therapeuten ist es bedeutsam, die unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeiten für das Erleben ihrer Patientinnen und Patienten zu verstehen. Stationäre Psychotherapien sind dabei immer mehr oder minder auch Gruppentherapien, weil die Betroffenen sich untereinander beeinflussen.

Mit Gruppen zu arbeiten kann man lernen. »Zur Technik des Arbeitens in und mit Gruppen gehören zunächst die auch in der Einzeltherapie geforderten Qualitäten«. Darüber hinaus gehende Kriterien werden im Buch anschaulich dargestellt. Was wird wann und wie vom Gruppenleiter angesprochen? Antworten und Deuten, das Aushandeln von Normen und Regeln, das Mentalisieren in Gruppen und die Bearbeitung von Übertragungen werden ausführlich beleuchtet.

Das letzte Kapitel gibt einen kurzen Einblick in die Geschichte der Gruppentherapie und stellt Ausbildungsmodelle zum Erwerb von theoretischem Wissen und Kompetenzen für die Arbeit als Gruppentherapeutin und -therapeut vor.

Ein wichtiger Überblick über ein immer noch zu wenig beachtetes Feld der Psychotherapie, das in der neuen Weiterbildung eine zunehmende Rolle spielen wird, und damit eigentlich unverzichtbar für alle, die im therapeutischen Kontext tätig sind.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorbemerkungen und Einführung

Gruppentherapeutinnen und Gruppentherapeuten beginnen ihre Arbeit mit Gruppen oft an Kliniken. Sie dürfen – oder »müssen« – Gruppen leiten, bevor sie eine qualifizierte Ausbildung in Gruppenpsychotherapie begonnen oder abgeschlossen haben. Für sie bietet dieses Buch eine komprimierte Einführung in das Arbeiten mit Gruppen. Es soll helfen, für die eigenen Erfahrungen in der Klinik Theoriebausteine und für Überlegungen aus Supervisionen einen integrierenden Rahmen zu bieten. Bezugspunkt dieses Rahmens ist das »Göttinger Modell der Gruppenpsychotherapie« (ausführlicher in Staats, Bolm u. Dally, 2014). Übergreifende Modelle, Grundlagen und wissenschaftliche Befunde zum Arbeiten mit Gruppen sind gut lesbar zusammengefasst bei Strauß (2022). Hier finden sich auch Angaben zur empirisch überzeugend belegten Wirksamkeit von Gruppentherapien.

Inzwischen ist die empirische Prüfung und die Integration unterschiedlicher theoretischer Konzepte in einen Gesamtzusammenhang ein Kennzeichen moderner gruppentherapeutischer Modelle. Aus der englischsprachigen Literatur sind dazu zum Beispiel die Bücher von Susan Barlow (2013), Steinar Lorentzen (2014) und John Schlapobersky (2016) zu nennen. Vor diesem Hintergrund kann der Text auch für erfahrene Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter eine interessante neue oder erweiternde Perspektive bieten.

Noch für eine weitere Gruppe von Leserinnen und Lesern kann das Buch von Interesse sein. Es richtet sich auch an Menschen, die mit ihren Patientinnen und Patienten überwiegend in Einzeltherapien arbeiten, zu zweit also. Hier vermittelt es Wissen über Psychotherapien in Gruppen. So kann eine gute Indikationsstellung gelingen. Wird »Gruppe« gekannt und geschätzt, bekommen mehr Menschen die Chance, aus den unterschiedlichen gruppentherapeutischen Angeboten Nutzen zu ziehen. Einzeltherapeutinnen und Einzeltherapeuten arbeiten mit Patienten, die ihnen von ihren Erfahrungen in und mit Gruppen berichten – dem Aufwachsen in der Ursprungsfamilie, in Kindergarten und Schule, ihren Konflikten am Arbeitsplatz und in ihrer eigenen Familie, Ausschlusserfahrungen in gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen. Wenn in Therapien Erzählungen mit Gruppeninteraktionen ausbleiben, ist dies diagnostisch ein wichtiger Befund. Und um Entwicklungsprozesse in Gruppen erkennen und verstehen zu lernen, sind Kenntnisse über das Funktionieren von Gruppen notwendig.

Sowohl Einzel- als auch Gruppenpsychotherapeuten stehen dabei vor einer besonderen Herausforderung: Wir sind in unserer Kultur gewohnt, vom Individuum her zu denken. Das Soziale, Beziehungen, Familien, Kultur sind dann Ergebnisse der Interaktion von Individuen. Vor diesem Hintergrund ist in der Psychoanalyse die innere Welt von Patienten das Zentrale. Die äußere Welt wird nach dem Vorbild innerer Vorstellungen von Individuen gestaltet – theoretische Modelle wie der Wiederholungszwang, Charakter oder Übertragung betonen diese Sichtweise.