Die Tudors - Dieter Berg - E-Book

Die Tudors E-Book

Dieter Berg

4,6

Beschreibung

Kaum eine europäische Herrscherdynastie hat so schillernde, mitunter skandalträchtige Herrscherfiguren hervorgebracht wie Die Tudors. Ob Heinrich VIII., Maria die Blutige oder die Virgin Queen Elisabeth - sie zählen zu den markantesten und eigenwilligsten Vertretern des englischen und europäischen Königtums. Das Buch vergegenwärtigt in eindrucksvollen Porträts die englischen Herrscher der Tudorfamilie seit dem Amtsantritt Heinrichs VII. bis hin zum Stewartkönig Jakob I., dem Nachfolger Elisabeths, und zeichnet ihre Bedeutung für die englische und kontinentaleuropäische Geschichte nach. Diese neue, äußerst lesbare Gesamtdarstellung entwirft neben dem königlichen Familien- ein Epochenbild, das neben Politik und Wirtschaft auch die Kunst, Literatur und Architektur umfasst; zudem wird das sich wandelnde Bild der Dynastie in Spiel- und Fernsehfilmen skizziert.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 406

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,6 (16 Bewertungen)
11
4
1
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dieter Berg

Die Tudors

England und der Kontinent im 16. Jahrhundert

Verlag W. Kohlhammer

 

 

 

 

 

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025670-5

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025671-2

epub:    ISBN 978-3-17-025672-9

mobi:    ISBN 978-3-17-025673-6

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

1 Vorwort

2 Grundlagen England und der Kontinent im ausgehenden 15. Jahrhundert

2.1 Bürgerkrieg, Dynastiewechsel und Herrschaftsstabilisierung

2.2 Richard III., Heinrich Tudor und Bosworth

3 Dynastie und Herrschaft

3.1 Konstituierung der Dynastie: Heinrich VII. (1485–1509)

3.1.1 Herrschaftsstabilisierung und Revolten

3.1.2 Innenpolitische Reformaktivitäten

3.1.3 Außenpolitische Initiativen

3.1.4 Dynastiesicherung

3.2 Aufstieg und erste Blüte: Heinrich VIII. (1509–1547)

3.2.1 Heinrichs »Neue Politik« und erste außenpolitische Aktionen

3.2.2 »The King’s Great Matter« – Katharina von Aragón und Anna Boleyn

3.2.3 Kirchenpolitische Reformversuche

3.2.4 Heinrichs weitere Ehen und sozio-religiöse Revolten

3.2.5 Neue außenpolitische Aktionen und Cromwells innenpolitische Reformen

3.2.6 Heinrichs letzte Ehen – Katharina Howard und Katharina Parr

3.2.7 Heinrich und die Anglicana ecclesia

3.2.8 Letzte außenpolitische Unternehmungen

3.2.9 Heinrichs Lebensabend und Ringen um Dynastiesicherung

3.3 Erste Krisenerscheinungen: Eduard VI. (1547–1553)

3.3.1 Thronfolge Eduards und Herrschaft Somersets

3.3.2 Kirchenpolitische Reformmaßnahmen und sozio-politische Revolten

3.3.3 Warwick als Lord President und die Thronfolge-Problematik

3.4 Neuerliche Krisen und Religionskämpfe: Maria I. (1553–1558)

3.4.1 Maria und die Neun-Tage-Königin Jane Grey

3.4.2 Modifikationen innenpolitischer Machtstrukturen

3.4.3 Heirat Marias mit Philipp II

.

3.4.4 Restauration der »alten Religion« und Repression

3.4.5 Reformierte Finanz- und Wirtschaftspolitik

3.4.6 Außenpolitische Neuorientierung

3.4.7 Nachfolgeproblematik

3.5 Höchste Blüte und Dynastie-Ende: Elisabeth I. (1558–1603)

3.5.1 Herrschaftsstabilisierung und kirchenpolitische Neuorientierung

3.5.2 Außenpolitische Krisen

3.5.3 Innenpolitische Revolten und englische Reformation

3.5.4 Neue außenpolitische Krisen

3.5.5 Expansion und Neue Welt

3.5.6 Außenpolitische Konfliktkontinuität

3.5.7 Die spanische Armada vor England

3.5.8 »Gloriana« und das sog. »Goldene Zeitalter«

3.5.9 Neue Krisen und Umsturzversuche

3.5.10 Lebensabend Elisabeths und das Ende der Tudor-Dynastie

4 Dynastie und Wandel Aufstieg der Stuarts: Jakob I. (1603–1625)

4.1 Union of the Crowns, Herrschaftssicherung und Mäzenatentum

4.2 Gottesgnadentum und Friedenspolitik

5 Dynastie und Suzeränität Die »keltischen Reiche« und die Tudors

5.1 Wales

5.2 Irland

5.3 Schottland

6 Dynastie und System

6.1 Gesellschaft und Wirtschaft unter den Tudors

6.2 Architektur, Malerei und Literatur unter den Tudors

7 Dynastie und Rezeption Das Bild der Tudors in Filmen und Romanen

7.1 Filme

7.2 Romane

8 Resümee Die Tudors und ihre Bedeutung für die englische und europäische Geschichte

Zeittafel

Stammbaum der Tudors

Karte Englands im 16. Jahrhundert

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Literatur

Anmerkungen

Personenregister

1          Vorwort

 

 

 

 

Zweifellos gehört das Haus Tudor zu einer der bedeutendsten Dynastien Großbritanniens, welche auch heute noch großes Interesse in der öffentlichen Kultur und in der historischen Wissenschaft findet. Dieses Faktum wurde jüngst in einer Umfrage der britischen Historical Writers’Association nach dem »schlechtesten« bzw. »besten König der Geschichte« von über 60 Autoren weitgehend bestätigt: Diese bewerteten Elisabeth I. mit Abstand als Best Monarch in History, d. h. in der Weltgeschichte (mit 36 % der Stimmen), während ihr Vater Heinrich VIII. als Worst Monarch (mit 20 % der Stimmen) – vor den englischen Königen Eduard VIII., Karl I. und Johann Ohneland – bezeichnet wurde.

Trotz dieses anhaltenden Interesses am Schicksal der Tudors ist die Zahl der Gesamtdarstellungen zu deren Historie in Relation zu den zahllosen biographischen Werken für einzelne Königinnen und Könige dieser Dynastie vergleichsweise überschaubar.1 Zudem ähnelten sich zahlreiche Gesamtstudien hinsichtlich Struktur bzw. Aufbau und beschränkten sich zumeist auf die weitgehend unverbundene Abhandlung der Regierung der sechs Monarchinnen und Monarchen in chronologischer Reihenfolge. Hierbei wurde nur im Ausnahmefall eine analytische Gesamtschau hinsichtlich des Wirkens bzw. der historischen Bedeutung dieser Dynastie in der englischen bzw. europäischen Geschichte vorgenommen. Weitergehende systematisch-strukturelle Analysen, die epochenübergreifend und problemorientiert angelegt sind, unterbleiben in diesen Werken oftmals. Auch die Bilder, die hierbei von den einzelnen Herrscherinnen und Herrschern entworfen werden, ähneln sich weitgehend. Es dominieren zum einen biografische Betrachtungsweisen, in welchen Familien- und Ehe-Probleme im Vordergrund standen und die mit der Entwicklung von Stereotypen bzw. der Verkündigung zeitgebundener Verdikte (insbesondere über Heinrich VIII. und seine Ehen) verbunden waren. Zum anderen wurde oft eine »anglozentrische Perspektive« bei der Analyse der politischen Ereignisgeschichte gewählt, in welcher die Berücksichtigung außenpolitischer Probleme nicht selten auf die Beziehungen Englands zu den »keltischen Reichen« (d. h. Irland, Schottland, Wales) beschränkt blieb.

Schon das erste Werk »wissenschaftlicher Geschichtsschreibung« im 19. Jahrhundert des viktorianischen Historikers J. A. Froude, das eine Gesamtdarstellung der Tudor-Dynastie bot, war von den ebengenannten Strukturen geprägt (1862–1870). In der 12-bändigen, auf Archivstudien beruhenden Untersuchung gab der Autor neben detaillierten biographischen Ausführungen eine materialreiche Darstellung der konstitutionellen Entwicklung des Landes, der Rolle des Parlamentes und der Veränderungen im englischen Verwaltungswesen. Hauptschwerpunkt der nützlichen Darstellung waren die Regierungen von Heinrich VIII. und Elisabeth I. Diese wurden in viktorianischer Manier als »gott-gesegnete Monarchen« verherrlicht, welche die »Ehre« des Commonwealth in existentiellen Krisen gerettet hätten.2

Noch vor dem Ersten Weltkrieg erschienen umfangreiche Darstellungen zur Political History of England in der Tudorzeit von H. A. L. Fisher und A. F. Pollard (21910, 41919). In diesen Werken wurde wieder ausführlich »politische Ereignisgeschichte« beschrieben, jedoch erweitert durch Hinweise auf Grundprobleme der Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie der Bildungshistorie. Erneut betrachtete man Heinrich VIII. und Elisabeth I. als Hauptprotagonisten, die als bedeutende Leiter ihres Landes erschienen und dieses zu einer frühen Blüte führten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste S. T. Bindoff (1950) für die bekannte Pelican History of England einen Band über »Tudor England«, in welchem er außer einer Historie der »Staatsaktionen« der Tudor-Herrscher einige stärker strukturell-systematisch angelegte Kapitel bot (u. a. über »The English«, das Parlament und religiöse Konflikte). Im Anschluss an dieses Erfolgswerk schrieben J. A. Williamson (1953) und C. Morris (1955) jeweils eine Überblicksdarstellung für die Tudors in traditionell verherrlichender Tendenz, gefolgt von G. R. Potter, G. R. Elton und R. B. Wernham (Eds.), die im Rahmen der »New Cambridge Modern History« (1957–1968) ebenso wie E. F. Jacob, J. D. Mackie, J. B. Black und G. Davies in der »Oxford History of England« (1959–1966) eine thematisch weiter gefasste und weniger »nationalistisch« geprägte Darstellung der Tudor-Epoche bzw. der Regierung Jakobs I. schufen. Zwar boten die Beiträge solide Informationen von der Politischen Geschichte bis zur Kulturgeschichte, dennoch war ihr Tenor grundsätzlich ähnlich, indem auch sie Heinrich VIII. und Elisabeth I. als Schöpfer der Grundlagen für das British Empire und für England als Weltmacht verklärten.3

Nachdem M. Levine die dynastischen Probleme der Tudors untersucht (1968) und D. M. Loades die Effizienz des Central Government unter den Tudors im Vergleich zu den kontinentalen Reichen gewürdigt hatte (1974), wählte G. R. Elton für seine Darstellung einen anderen Ansatz, indem er den Königshof sowie die Räte in den Mittelpunkt der Analyse stellte (21974). Gemäß seiner Hauptthese (von einer Revolution in Government unter Heinrich VIII.) behandelte er hierbei ausführlicher dessen Innovationen bzw. Cromwells in der Herrschaftsorganisation sowie im Finanz- und Verwaltungswesen. Diese Ansätze verfolgte er in der New History of England weiter, während sich die übrigen Autoren des Handbuchs (J. R. Lander, P. Collinson) auf eine eher »konventionelle« Darstellung (etwa von Government and Society bzw. Politics) beschränkten (1977–1980). Die nächst folgende Tudor-Geschichte von A. Plowden setzte diese Tendenzen mit einer stark auf die Herrscherpersönlichkeiten bezogenen Darstellung fort (1976), während dagegen J. A. F. Thomson und A. G. R. Smith in ihrer mehr strukturgeschichtlichen Analyse der Foundations of Modern Britain u. a. Probleme der Transformation des mittelalterlichen Englands, des Verwaltungswesens und der Tudor-Krisen behandelten (1983–1984).4

In den 1990er Jahren berücksichtigte der Elton-»Schüler« J. Guy in seiner materialreichen Darstellung (mit Schwerpunkten auf Heinrich VIII. und Elisabeth I.) ebenfalls die Rolle des Hofes bzw. der königlichen Berater sowie Aspekte der Political Culture eingehender und führte den politischen Erfolg der Tudors vor allem auf deren Einbeziehung von Adel bzw. Oberschicht in die Entscheidungsprozesse zurück (1990).5 Die folgenden Werke von J. Lotherington (1994) und P. Williams (1995) stellten wieder eher »konventionelle« Gesamtdarstellungen der Tudor-Epoche dar, wobei stärker Probleme der politischen Institutionengeschichte und Außenpolitik thematisiert wurden. Eine ähnliche Akzentuierung wiesen die Studien von M. Nicholls und D. L. Smith über die Geschichte der Modern British Isles auf, in welchen besonderes die Bedeutung der jeweiligen Monarchen für die Entwicklung der beiden regna England und Schottland bis 1603 als auch für die folgende Vereinigung beider Reiche unter den Stuarts verdeutlicht wurde (1998–1999).6

Während die wenigen Gesamtdarstellungen der Tudor-Historie von deutsch-sprachigen Autoren wie P. Wende und H. Haan bzw. G. Niedhart Probleme der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in den Vordergrund rückten (1985, 1993), wandte sich die Engländerin S. Brigden intensiver der Religions- und Kultur-Geschichte zu. Sie beschäftigte sich mit Lost worlds, die durch Renaissance und Reformation untergingen, und mit den New Worlds, welche durch dieselben Bewegungen sowie durch die Entdeckung der Neuen Welt erschlossen wurden (2000). Neue thematische Akzente setzte auch J. Ridley in seiner Historie des Tudor Age, indem er vorrangig die Geistes- und Sozialgeschichte und das Alltagesleben in dieser Epoche quellennah behandelte (2002).7

Zur gleichen Zeit legte R. Rex eine Studie über »Englands Aufbruch in die Neuzeit« vor, in welcher er die Politik der jeweiligen Tudor-Monarchinnen und -Monarchen aus deren Sicht ebenso darzustellen versuchte wie die politischen Konsequenzen ihres »persönlichen Charakters und [ihrer] Anschauungen« (2002).8 In der neuesten deutsch-sprachigen Studie zur Tudor- und Stuart-Herrschaft von R. Eßer (2004) wählte diese einen stärker problemorientierten Zugriff und behandelte für alle Tudor-Herrscherinnen und -Herrscher zentrale Probleme wie »außenpolitische Bemühungen«, »Ordnungen von Finanzen und Verwaltung«, die Gründung der Anglicana ecclesia etc. Zudem beschrieb sie (mit Skizze der englischen Forschungsdiskussion) die verschiedenen »Versatzstücke«, welche zur »Konstruktion einer englischen nationalen Identität« dienten.9 – Auch R. Hutton verwandte in seiner kurzen Geschichte der Tudor- und Stuart-Dynastien einen eher strukturgeschichtlichen Ansatz, indem er Kurzbiographien der sechs Tudor-Herrscherinnen und -Herrscher mit thematisch bezogenen Kapiteln (über Gesellschaft, Wirtschaft, Lebensverhältnisse etc.) verband (2010). G. J. Meyer hingegen stellte wieder eine Serie von Biographien der einzelnen Monarchinnen und Monarchen in den Mittelpunkt seiner Darstellung, wobei er bemüht war, große Entwicklungslinien zu verdeutlichen und die Tudor-Dynastie als a continuum, a unity zu verstehen (2010).10

Als wesentlich anspruchsvoller erwies sich die knappe Dynastie-Geschichte des ausgewiesenen Tudor-Forschers D. M. Loades, der in seiner Analyse biographische Skizzen für die einzelnen Herrscherinnen und Herrscher mit themenbezogenen Ausführungen (etwa zur Außenpolitik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zur Propaganda) verband. Souverän würdigte er die Leistungen der Tudors für ihr Land, ohne hierbei die Defizite zu übergehen (2012). – Stärker populärwissenschaftliche Züge wies die History of England im Zeitalter der Tudors von P. Ackroyd auf, der sich außer biografischen Skizzen zu den verschiedenen Monarchinnen und Monarchen um eine anekdotenreiche Berücksichtigung von sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Problemen der Zeit bemühte (2012). – Schließlich fasste L. de Lisle die Geschichte der Tudors primär als Family Story auf, indem das politische Geschehen besonders im Kontext familiärer Vorgänge (wie »mütterlicher Liebe für den Sohn«, des Gattenmordes, der reckless love affairs) behandelt wurde, wobei aber der Erkenntnisgewinn begrenzt blieb (2013).11

*

Aufgrund der beschriebenen Akzentuierungen und Schwerpunkte, welche in den bisherigen (vor allem englisch-sprachigen) Werken zur Geschichte der Tudor-Zeit feststellbar sind, vermag die vorliegende Gesamtdarstellung mit neuen Problemstellungen und veränderter Betrachtungsweise vielleicht eine Lücke in der Literatur des deutschsprachigen Raums zu füllen. Wie schon in der Monographie des Autors über Heinrich VIII. von England (2013) soll auch in diesem Werk nicht nur die (zumeist in der englisch-sprachigen Forschung) oftmals England-zentrierte Betrachtungsweise zugunsten einer europäischen Perspektive der Darstellung verlassen, sondern auch ein methodischer Neuansatz gewählt werden. Hierbei wird ein ereignisgeschichtlich-biographischer Zugang mit einem thematisch-systematischen Zugriff auf ausgewählte Problemfelder kombiniert. In den sieben Teilen des Werkes werden zuerst die Grundlagen skizziert, welche die politische, ökonomische und soziale Lage Englands und des Kontinents im ausgehenden 15. Jahrhundert bestimmten. So sind insbesondere die Auswirkungen der »Rosenkriege«, die dynastischen Wirren unter den letzten Plantagenets und schließlich der Endkampf zwischen Richard III. und Heinrich Tudor mit der Gründung der neuen Herrscherdynastie der Tudors zu beschreiben [Kap. 2].

Hieran schließt sich der große, ereignisgeschichtlich-biographisch angelegte Hauptteil an, in welchem alle sechs Tudor-Monarchinnen und -Monarchen in chronologischer Reihenfolge in ihrem politischen Wirken charakterisiert werden [Kap. 3]. Beginnend mit dem Dynastie-Gründer Heinrich VII. werden dessen Maßnahmen zur Herrschaftsstabilisierung (u. a. gegen Umsturzversuche) ebenso beschrieben wie seine innenpolitischen Reformmaßnahmen. Zudem erfolgt eine Skizzierung der außenpolitischen Unternehmungen, welche die Akzeptanz seines Königtums durch ausländische Monarchen und die Königsherrschaft für seinen Sohn Heinrich VIII. sicherten. Dessen Aktivitäten werden wegen ihrer »weltpolitischen Bedeutung« ausführlicher gewürdigt, wobei sein problematisches Verhältnis zu Frauen bzw. sein Ehe- und Liebesleben (im Gegensatz zu den gängigen Biographien) eher am Rande und unter dem Gesichtspunkt »Dynastie und Herrschaft« Berücksichtigung erfährt. Größere Bedeutung wird hingegen den innenpolitischen Reformen, die er mit Cromwell realisierte, und seiner kontinentalen Rekuperationspolitik beigemessen. Hinzu kommen Analysen bezüglich seiner Konzeption eines imperialen englischen Königtums sowie der wechselvollen Beziehungen zu Adel und Parlament, welches eine zentrale Rolle bei der Trennung Heinrichs von Rom spielte. Schließlich finden die Konstituierung der Anglicana ecclesia ebenso Berücksichtigung wie die Bemühungen des Königs um Sicherung der Thronfolge.

Die Regierung der beiden folgenden Herrscher (Mid-Tudors) wird infolge ihres »Übergangscharakters« knapper behandelt, wobei – nach Skizze der kirchenpolitischen Reformen unter Eduard VI. – nicht nur die Versuche Marias I. zur Restauration der »alten Religion«, sondern auch ihre finanz- und wirtschaftspolitischen Initiativen gewürdigt werden. Zudem wird im Kontext ihrer Heirat mit Philipp II. von Spanien das gängige Bild der verbohrten Ideologin und Protestantenverfolgerin (Bloody Mary) überprüft bzw. revidiert. – Den zweiten Schwerpunkt des Hauptteils bildet eine Darstellung der Regierung Elisabeths I., deren fast 50-jährige Herrschaft höchste Blütezeit und das Ende der Dynastie bedeutete. Hauptakzente der Darstellung liegen zum einen auf den zahlreichen außenpolitischen Aktivitäten der Monarchin, die – erstmals nach ihrem Vater Heinrich VIII. – eine interventionistische Politik auf dem Kontinent betrieb, in mitunter existentielle Konflikte insbesondere mit Schottland und Spanien geriet und schließlich die Expansion englischer Herrschaft in die Neue Welt forcierte. Zum anderen werden neben ihren Bemühungen um eine Reform des Finanz- und Steuerwesens sowie um eine staatliche Sozialpolitik vor allem ihre religionspolitischen Regelungen (Elizabethan Settlement) gewürdigt, welche die Anglicana ecclesia gegen alle Opposition zur Staatskirche machten und zudem das Inselreich zur Schutzmacht des Protestantismus in Europa werden ließen. In diesem Kontext wird auch die Rolle von Parlament und »staatlichem Apparat« (insbesondere des »Geheimdienstes«) gewürdigt, welche die Herrschaft Elisabeths sicherten und vielfach ihre physische Existenz bei zahlreichen Anschlägen retteten.

Im folgenden zweiten, systematisch-strukturell angelegten Teil des vorliegenden Werkes sollen einige ausgewählte Problembereiche, die für die Tudor-Dynastie von besonderer Wichtigkeit waren, in zeitlich übergreifender Weise behandelt werden. So etwa die Herrschaft des Thronfolgers Jakob I. mit einer Realisierung der Union of the Crowns (d. h. die Vereinigung des englischen und schottischen Reiches), den retardierenden außenpolitischen Maßnahmen des Stuarts sowie seinem problematischen herrscherlichen Selbstverständnis, das mit einer fragwürdigen Innenpolitik zur Entstehung des Bürgerkrieges unter seinem Sohn Karl beitrug (Dynastie und Wandel) [Kap. 4]. Hieran schließen sich vergleichende Analysen der Beziehungen Englands (mit seinem Oberherrschaftsanspruch) zu den sog. »keltischen Reichen« (Wales, Irland, Schottland) an, wobei den konfliktreichen Entwicklungen auf der Grünen Insel mit ihren Auswirkungen bis in die Zeit der Stuarts besondere Beachtung geschenkt wird (Dynastie und Suzeränität) [Kap. 5]. Diese Überlegungen werden ergänzt durch problemorientierte Ausführungen über Dynastie und System, d. h. sowohl über die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft unter den Tudors als auch über die Förderung von Architektur, Malerei und Literatur durch diese Dynastie. Deren Mäzenatentum erwies sich in solchem Maß als nachhaltig, dass etwa die Epoche der Herrschaft der letzten Tudor als »Elisabethanisches Zeitalter« bezeichnet wird [Kap. 6]. Diese Analysen werden abgeschlossen durch ein Kapitel über Dynastie und Rezeption, in welchem das Bild der Tudors in der Nachwelt, d. h. in modernen Medien (wie TV- und Kino-Filmen) und in Romanen, untersucht wird [Kap. 7].

Angestrebt wird mit dem vorliegenden Band eine Überprüfung bzw. gegebenenfalls eine Revision der »traditionellen Bilder«, die vor allem in der englisch-sprachigen Literatur sowohl von der gesamten Tudor-Dynastie als auch von einzelnen Tudor-Herrscherinnen und -Herrschern oftmals in panegyrischer Verehrung gezeichnet wurden bzw. werden. Wie bereits erwähnt, soll bei der Darstellung der Herrschaft der einzelnen Monarchinnen und Monarchen – insbesondere bei Heinrich VIII. und Elisabeth I. – auf deren bislang in der Literatur oftmals erfolgte Reduzierung auf biographisch-familiäre Probleme (wie Liebes- und Ehe-Leben, angebliche »Virginität« und Eheverweigerung etc.) vermieden werden. Als weiterführender erscheint hingegen der Versuch, das Handeln dieser Königinnen und Könige in gesamteuropäischen Zusammenhängen darzustellen und hierbei zu untersuchen, unter welchen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen diese handeln mussten und welche Handlungsspielräume sie besaßen bzw. nutzten. Im Gegensatz zur gängigen englisch-sprachigen Forschung soll dies im europäischen Kontext geschehen und zugleich die Stellung bzw. die Rolle Englands im Kreise der abendländischen Reiche verdeutlichen. Zudem soll in Abkehr von einer ausschließlich »Herrscher«-fixierten Betrachtungsweise deren Aktivitäten im Rahmen eines aufzuzeigenden, komplexen »Kommunikationsgeflechtes« dargestellt werden, das innen- und außenpolitische Akteure (Höflinge, Adlige, auswärtige Monarchen etc.) und Handlungspartner umfasste und das nachhaltig das politische Handeln der Tudor-Königinnen und -Könige beeinflusste. Diese »Kommunikationspartner« spielten zudem beim Aufbau wichtiger Herrschaftsinstitutionen des Inselreiches (etwa des Parlamentes), aber auch bei der Ausbildung der Englischen Staatskirche sowie bei der Konstituierung eines englischen »Nationalstaates« bzw. später des British Empire eine bedeutende Rolle, die zumindest ansatzweise aufzuzeigen ist. Abschließend ist die (vor allem in England) häufig gestellte Frage zu beantworten, welche Bedeutung die Tudors für die englische und europäische Geschichte besessen haben (What Did The Tudors Do For Us? – D. W. Loades) [Kap. 8].

*

Schließlich ist vom Verfasser zahlreichen Institutionen und Personen zu danken, die zum Entstehen des vorliegenden Bandes beigetragen haben. Der größte Dank gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in The National Archives (Kew) für ihre Hilfe sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der British Library (London) sowie der Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität (Bochum), die kenntnisreich bei der Beschaffung umfangreicher Spezialliteratur behilflich waren.

Zudem ist der Autor Herrn Dr. Daniel Kuhn (Kohlhammer Verlag) auch bei diesem Werk für seine Betreuung zu großem Dank verpflichtet.

2          Grundlagen England und der Kontinent im ausgehenden 15. Jahrhundert

2.1       Bürgerkrieg, Dynastiewechsel und Herrschaftsstabilisierung

Als eine der Hauptursachen für die jahrzehntelangen Bürgerkriege und den Dynastiewechsel (durch die Tudors) wird man sowohl die Absetzung Richards II. (1399) bzw. die Usurpation des englischen Throns durch Heinrich IV. aus dem Hause Lancaster als auch die Herrschaftskrise nach der englischen Niederlage im Hundertjährigen Krieg (1453) betrachten dürfen. Hinzu kamen Revolten englischer Großer wegen des Verlustes ihrer Kontinentalbesitzungen sowie – nach Ausbruch einer Geisteskrankheit Heinrichs VI. – wachsende Spannungen zwischen den rivalisierenden Zweigen des Hauses Plantagenêt – den Lancasters (Symbol rote Rose) und den Yorks (weiße Rose).1 Als einflussreich erwies sich hierbei die walisische Familie Tudor mit ihrem Oberhaupt Owen Tudor, dessen Söhne – Edmund, Earl von Richmond (* 1430), und Jasper, Earl von Pembroke (* 1431) – Lancaster-Parteigänger waren. Der Ältere wurde mit der 12-jährigen Margarete Beaufort verheiratet, einer Nachfahrin des Johann von Gent (des dritten Sohnes von Eduard III.), die jedoch wegen der angeblichen Illegitimität der Ehe ihrer Eltern von der Thronfolge ausgeschlossen wurde.2 Dennoch versuchten die Tudors später, über Beaufort erbrechtlich eigene Thronansprüche geltend zu machen.

Die Rivalitäten im Hause Plantagenêt führten zum Ausbruch der »Rosenkriege« (1455–1485/87),3 die von den »Privatarmeen« (Affinities) mächtiger Adliger geprägt wurden (Bastard Feudalism), jedoch auf wenige Regionen des Landes beschränkt blieben und nur selten die »einfache« Bevölkerung beeinträchtigten. Erst später wurden benachbarte geopolitische Räume – wie Schottland, Irland, Calais – in die Auseinandersetzungen involviert. Die Kämpfe begannen mit der ersten Schlacht bei St. Albans (22. Mai 1455), in der zahlreiche Lancaster-Lords getötet wurden, York den König in seine Gewalt brachte und anschließend Zugriff auf die Regierungsgewalt erlangte. Auch Edmund Tudor, der für Heinrich VI. walisische Burgen sicherte, unterlag Yorkisten um William Herbert, der ihn in inhaftierte, wo er starb († 1. November 1456). Seine 13-jährige Witwe Margarete Beaufort floh zu ihrem Schwager Jasper Tudor nach Pembroke Castle, wo sie am 28. Januar 1457 den Sohn Heinrich (VII.) gebar. Dessen Erziehung und Schutz übernahmen vorerst Jasper, da Heinrichs Mutter nach ihrer dritten Heirat (1459) von diesem getrennt im Haushalt ihres Gatten Henry Stafford lebte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!