Die Verführung des Wikingers - Sandra Hill - E-Book

Die Verführung des Wikingers E-Book

Sandra Hill

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Beschreibung

Rache ist süß - und verführerisch ...

Männer! Elende Idioten! Vor allem diese Wikinger! Prinzessin Drifa schäumt vor Wut, als sie erfährt, dass ihr Verlobter Sidroc sie nur ihres Geldes wegen heiraten will - und weil er eine Mutter für sein Kind braucht. Ihm einen Tonkrug an den Kopf zu werfen, kommt ihr da noch als milde Strafe vor. Sidroc hingegen findet ihre Reaktion völlig übertrieben - und hegt schon bald verführerische Rachepläne ...

»Sexy, witzig, aufregend!« Christine Feehan

Band 10 der Wikinger-Saga von Sandra Hill. Lesen Sie auch die weiteren Liebesromane der Autorin: "Die Sehnsucht des Wikingers" und "Im Bann des Wikingers".

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



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Seitenzahl: 461

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

Liebe Leser

Über das Buch

Ein Wikinger und seine Eroberung …

Männer! Elende Idioten! Vor allem diese Wikinger! Prinzessin Drifa schäumt vor Wut, als sie erfährt, dass ihr Verlobter Sidroc sie nur ihres Geldes wegen heiraten will – und weil er eine Mutter für sein Kind braucht. Ihm einen Tonkrug an den Kopf zu werfen, kommt ihr da noch als milde Strafe vor. Sidroc hingegen findet ihre Reaktion völlig übertrieben – und hegt schon bald verführerische Rachepläne …

Über die Autorin

Sandra Hill hat schon in jungen Jahren mit dem Schreiben begonnen und ist selbst eine begeisterte Leserin historischer Liebesromane. Die ehemalige Journalistin sammelt außerdem Antiquitäten und besucht gern Auktionen. Sie ist verheiratet und hat vier Söhne.

Website der Autorin: www.sandrahill.net

Sandra Hill

DIEVERFÜHRUNGDESWIKINGERS

Aus dem amerikanischen Englischvon Ulrike Moreno

beHEARTBEAT

Überarbeitete Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2011 by Sandra Hill

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The Norse Kings Daughter«

Originalverlag: Avon Books, an imprint of HarperCollins Publishers

Published by Arrangement with Sandra Hill

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur

Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2014/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Andrea Kalbe

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Dovapi | num_skyman; © hotdamnstock

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5283-2

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Dieses Buch ist meiner Enkelin Jaden gewidmet, die durch und durch Prinzessin ist und perfekt zu meinen fünf nordischen Prinzessinnen passen würde. Sie hat ohnehin etwas Wikingerblut in sich.

Als Mutter von vier Söhnen habe ich irgendwie das Girlie-Gen verloren. Den Wunsch, Chiffon, Rüschen und Lackschuhe in der Schule zu tragen, und die Fähigkeit, es zu tun, ohne albern auszusehen. Zu shoppen wie ein Energizer-Häschen und die allerbesten Schnäppchen aufzutreiben. Die Freude an Umarmungen, selbst bei Freundinnen – oder insbesondere bei Freundinnen. Das Talent, in einem Moment noch auf einen Baum zu klettern und im nächsten schon ein anmutiges Ballett zu tanzen. Oder so wie du, ohne Zögern oder Furcht vor Zurückweisung, »Ich liebe dich« sagen zu können.

Also alles Gute für dich, Jado, und mögest du immer eine Prinzessin in jemandes Leben sein!

Kein Mann vertraue Mädchenreden,Noch der Weiber Worte.Denn auf geschwungnem Rad geschaffen ward ihr Herz,Und launenhaft und unbeständig ist ihr Geist.

Die Lieder-Edda

HÁVAMÁL

Prolog

Es kommt eine Zeit, in der alle braven Wikingerin den sauren Apfel beißen … und sich vermählen müssen …

Wirf das Neugeborene in den Fjord. Oder lass es auf den Klippen liegen. Das Balg wird so oder so vor morgen tot sein.«

Sidroc Guntersson, der dritte Sohn des Jarls Gunter Ormsson, war ein berühmter Krieger, der Grausamkeit in all ihren Spielarten gesehen hatte, doch die Empfehlung seines Vaters hinsichtlich seines neugeborenen Kindes ließ sein Blut gefrieren. »Wie kannst du so etwas für dein eigenes Enkelkind vorschlagen?« Aber wieso überrascht mich das? Wahrscheinlich wünschst du, du könntest mein Leben auf die gleiche Art beenden.

Sein abscheulicher Erzeuger, der das väterliche Zartgefühl eines Steins besaß, zuckte mit den Schultern und lehnte sich auf dem thronähnlichen Lehnstuhl auf dem Podium des Großen Saals zurück. Er streichelte mit seiner prankenartigen Hand das lange, hellblonde Haar seiner neuesten Konkubine, die nicht älter war als dreizehn. In seinen sechsundzwanzig Lebensjahren hatte Sidroc viele Male mitbekommen, wie sein Vater seine sexuellen Gelüste nicht nur bei den more danico, seinen vielen Ehefrauen, sondern auch bei zahlreichen Geliebten, Sklavinnen und jeder Dienstmagd von halbwegs annehmbarem Äußeren befriedigt hatte. Gelegentlich sogar bei allen gleichzeitig. Nur die Götter wussten, wie viele Bastarde er neben seinen vier rechtmäßigen Söhnen und zwei Töchtern gezeugt haben mochte.

»Es ist doch bloß ein Mädchen«, erklärte sein Vater, als rechtfertigte das die Aussetzung eines Neugeborenen.

»Ja, es ist ein Mädchen, und seine Mutter ist tot«, versetzte Sidroc wütend. Seine Stimme war ganz kratzig vor Empörung. Er hatte Männer gesehen, die im Kampf vom Kopf bis zum Rumpf gespalten worden waren, doch das Bild, das ihn in alle Ewigkeit begleiten würde, war das von Astrid, wie sie in ihrem eigenen Blute lag. In einer Blutlache und mit einem brüllenden Bündel wild zappelnder Arme und Beine zwischen ihren Beinen, dessen Nabelschnur noch nicht einmal durchschnitten war.

Eydis, die Amme des einjährigen Jungen seines Bruders Svein, hatte sich bereit erklärt, auch seine Tochter zu stillen, doch nur so lange, bis Sidroc eine andere Amme fand – oder sein Bruder davon erfuhr. Svein teilte mit niemandem, und schon gar nicht mit ihm, seit er ihm als Junge, obwohl er fünf Jahre jünger war als Svein, eine ordentliche Tracht Prügel verabreicht hatte. Sein Bruder hatte den Streit jedoch selbst herbeigeführt, indem er einfach nur so zum Spaß eine Stallkatze ertränkte.

Sidroc war sich voll und ganz der Tatsache bewusst, dass es in einigen Teilen der nordischen Lande üblich war, ein Neugeborenes zum Sterben auszusetzen, wenn es untergewichtig oder mit irgendeiner Behinderung zur Welt kam. Das Leben in dem rauen nordischen Klima war schwierig, und das Überleben blieb wohl wirklich am besten den Widerstandsfähigsten vorbehalten. Aber tatenlos mitanzusehen, wie ein Kind, das keineswegs behindert war, getötet wurde, war etwas, wozu Sidroc sich niemals überwinden konnte. Ob es nun sein eigenes Kind oder das von jemand anderem war.

Wenn er ehrlich sein sollte, hatte er nicht einmal eine Beziehung zu dem kleinen Mädchen, das noch keinen Tag alt war. Aber er wäre kein Mann, wenn er das Schicksal seiner Tochter jemandem wie seinem Vater überließe.

»Es ist keine Seltenheit, dass eine Frau im Kindbett stirbt«, bemerkte sein Vater kühl. »Du bist bloß zu verweichlicht.«

Verweichlicht? Sidroc konnte nur den Kopf schütteln über die Meinung, die sein Vater von ihm hatte. Er war ein namhafter, weithin bekannter Krieger, der sehr geschickt im Umgang mit der Hellebarde und dem Breitschwert war. Sein Vater jedoch sah in ihm nur einen Mann, der nicht die gleiche Art von Grausamkeit wie er besaß.

Astrid war keineswegs durch eine Liebesheirat Sidrocs Frau geworden; wie bei den meisten adligen Familien war die Heirat lange vorher arrangiert worden. Trotzdem hatte er von Anfang an Zuneigung zu Astrid empfunden, auch wenn er sie dann in ihrer zweijährigen Ehe seiner vielen Reisen und des Pelzhandels wegen leider nicht sehr oft gesehen hatte. »Ich habe Astrid an ihrem Totenbett versprochen, dass ich mich um die Kleine kümmere.«

Wieder zuckte sein Vater mit den Schultern, während er mit seiner großen Pranke über die kleinen Brüste seiner Konkubine fuhr. Das dumme Ding kicherte und genoss auch noch diese ungenierte, öffentliche Aufmerksamkeit seines Herrn.

Obwohl Sidroc wusste, dass er nicht die volle Aufmerksamkeit seines Vaters hatte, beharrte er: »Signe verdient es, zu leben.«

»Du hast dem Kind schon einen Namen gegeben?«, fragte sein Vater und schnalzte missbilligend mit der Zunge.

Sidroc erstickte fast daran, seinen Erzeuger um etwas bitten zu müssen, doch was sein musste, musste sein. Im letzten Winter war seine viel kleinere Burg am Rande der Vikstead’schen Besitzungen bis auf die Grundmauern abgebrannt und mit ihr ein Lagerraum, der bis zur Decke mit kostbaren, zum Verkauf bestimmten Pelzen gefüllt gewesen war. Danach hatten er und Astrid bei seinem Vater leben müssen, bis Sidroc die Burg wieder aufbauen konnte. Doch selbst diese kleine Gefälligkeit hatte ihn erbittert. »Ich verlange nicht mehr, als dass Sveins Amme gestattet wird, sich auch weiterhin um mein Kind zu kümmern, bis ich von einer Verpflichtung zurückkehre, die ich den Jomswikingern gegenüber eingegangen bin. Sobald ich meinen Reichtum zurückgewonnen habe …«

»Wenn dir so viel daran liegt, dann nimm das Kind doch mit.«

»Frauen und Kinder sind auf der Jomsburg nicht erlaubt.«

»Wie lange würdest du fort sein?«

Eines Tages, alter Mann … eines Tages!, schäumte Sidroc innerlich und ballte die Fäuste. Als dritter Sohn mit zwei gesunden älteren Brüdern wusste er, dass er das Jarltum niemals erben würde und selbst genügend Geld zusammentragen musste, um seine eigenen Ländereien zu erwerben, diesmal hoffentlich weit entfernt von Vikstead. Sich dem Bund der Jomswikinger anzuschließen war seine beste Möglichkeit gewesen, sein Vermögen zu vergrößern. »Zwei Jahre. Höchstens drei.«

»Pfff!«, höhnte sein Vater. »Dann such dir eine Frau, verdammt noch mal, aber diesmal eine reiche, die Ländereien mit in die Ehe bringt.«

Dies war ein Kommentar, den er schon früher oft von seinem Vater gehört hatte, und eine Forderung, gegen die er sich stets mit aller Macht gewehrt hatte. Mit ziemlicher Sicherheit hatte er Astrid auch deswegen geheiratet, weil sie keine Mitgift mitbrachte und um seinem Vater die Stirn zu bieten. Damals hatte er selbst so viel Vermögen und Land besessen, dass es keine Rolle spielte.

»Du hast sechs Wochen, um eine Braut und ein Zuhause für das Kind zu finden«, räumte sein Vater ein. »Nach dieser Zeit verschwindet das Kind hier. Und das ist mein letztes Wort.«

Wie hatte sich diese Debatte mit seinem Vater von einer Meinungsverschiedenheit zu einem geistigen Wettstreit entwickelt? Wieso hatte er sich so in die Enge treiben lassen? »Ich nehme an, du hast schon jemanden im Sinn, obwohl Astrids Asche auf ihrem Scheiterhaufen noch nicht mal kalt geworden ist?«, stieß Sidroc zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»König Thorvald von Stoneheim hat noch eine unverheiratete Tochter. Versuch’s doch mal bei ihr«, erwiderte sein Vater mit einem boshaften Grinsen. »Oder auch nicht. Mir ist es egal.«

Sidroc kannte die Frau, von der sein Vater sprach. Prinzessin Drifa. Obwohl sie für eine Frau schon ein wenig in die Jahre gekommen war – sie war mindestens vierundzwanzig –, war sie nicht ohne Reiz. Durch ihre halb nordische, halb arabische Herkunft hatte sie feine, exotische Gesichtszüge mit mandelförmigen Augen und eine zierliche Statur. Wenn er sich recht entsann, hatte sie jedoch auch eine merkwürdige Vorliebe dafür, alles Mögliche im Garten anzupflanzen. Oftmals hatte sie sogar Schmutz unter den Fingernägeln und Laub in ihrem Haar, und bekanntlich brachte sie Blumen und Sträucher aus dem Garten in das Haus. Einmal hatte sie sogar nach Mist gerochen, von dem sie behauptete, er mache ihre Blumen schöner.

Nun ja, wahrscheinlich gibt es Schlimmeres, sagte Sidroc sich. Irgendwann würde er so oder so eine Mutter für Signe finden müssen. Außerdem war es gut, eine willige Bettgefährtin zu haben, wenn keine andere verfügbar war.

Und so kam es, dass Sidroc Guntersson von Vikstead in diesem Frühling auf Freiersfüßen wandelte, anstatt auf Reisen zu gehen, wie es seine Gewohnheit war, oder seine Burg wieder aufzubauen. Mochten die Nornen des Schicksals ihm den rechten Weg weisen!

1. Kapitel

Hüte dich vor Spitzbuben mit schlechten Absichten …

Drifa, die Tochter des nordischen Königs Thorvald, wurde nach allen Regeln der Kunst verführt.

Nach vierundzwanzig Jahren, in denen sie eine Ehe beharrlich verweigert hatte – obwohl ihre vier verheirateten Schwestern mit gutem Beispiel vorangingen –, war Drifa dabei, sich ein ganz klein wenig zu verlieben. Oder zumindest ein gewisses … sinnliches Verlangen zu verspüren. Und das nur drei Wochen nachdem der Mann seine Bemühungen um sie begonnen hatte.

Und was für ein gut aussehender Mann er war! Sidroc Guntersson war nicht viel älter als sie, vielleicht sogar erst sechsundzwanzig. Sie war von durchschnittlicher Größe für eine Frau, aber er war mindestens einen Kopf größer. Mit seinem schulterlangen kastanienbraunen Haar, den graugrünen, von dichten dunklen Wimpern umrahmten Augen, dem sinnlichen Mund mit den vollen Lippen und seinem kampfgestählten Körper war er ein Paradebeispiel für einen gut aussehenden Wikinger in seiner maskulinsten Form.

Er war schon einmal verheiratet gewesen, was für Drifa jedoch keine Rolle spielte. Komisch fand sie nur, dass er sich weigerte, über den Tod seiner Frau zu sprechen. »Später«, erklärte er, wann immer sie ihn danach fragte. »Nicht jetzt.«

Einerseits fand Drifa es respektlos, dass er so kurz nach dem Versterben seiner Frau schon einer anderen den Hof machte, andererseits jedoch war ihr bewusst, dass einige Männer nun einmal so waren. Wenn sie sehr geliebt hatten, wollten sie diese Liebe schnell durch eine andere ersetzen. Nicht dass er ihr das alles erzählt hatte, doch sein Schweigen zu dem Thema war beredt genug für Drifa. Und welche Frau würde sich nicht zu einem Mann hingezogen fühlen, der so sehr geliebt hatte?

»Sei so lieb und öffne deinen Mund, Prinzessin«, flüsterte er an ihren Lippen, die schon ein wenig geschwollen waren von seinen vielen Küssen. Irgendwie war es ihm gelungen, sie in einem abgelegenen Teil ihres Kräutergartens aufzuspüren, wo er sie in die Arme genommen und sie mit dem Rücken gegen eine Steinmauer gedrückt hatte.

»Warum?«, fragte sie, was ihm den perfekten Auftakt für einen intimeren Kuss bot.

Seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen und begann die ihre mit rhythmischen Bewegungen zu liebkosen, die widerspiegelten, was er ein wenig weiter unten tat. Die Hände unter ihrem Po, spreizte er mit den Knien ihre Beine und ließ langsam seine Hüften an ihr kreisen. Es war unmöglich, nicht den Beweis seiner männlichen Begierde zu bemerken, der den Eingang zu ihrer intimsten Stelle suchte.

»Du bringst mein Blut zum Kochen«, stieß er rau hervor. »Erlöse mich von meiner Qual, Mylady.«

Oh! Oh! Drifa wurde ganz schwindlig vor Entzücken, besonders, als er ganz sachte an ihrer Zunge sog.

Das war es also, worüber ihre Schwestern flüsterten und seufzten.

Und die Mägde tuschelten.

Oder wozu die Götter Männer und Frauen geschaffen hatten.

Wie hatte sie nur so lange so unwissend sein können? Brachte auch er ihr Blut zum Kochen? Oder kam das nur bei Männern vor? War es nur dieser Mann, der solch aufregende Empfindungen in ihr weckte, oder war für sie einfach nur die Zeit gekommen, nachzugeben? Oh, beim Odem Thors! War sie etwa … überreif? Nein, sie glaubte nicht, dass sie sich von einem x-beliebigen Mann erweichen lassen würde. Heilige Frija! Was tut er denn jetzt?

»Sag mir, dass du meine Frau wirst«, flüsterte Sidroc an ihrem Ohr, das er ebenfalls mit seiner feuchten Zungenspitze und seinem warmen Atem liebkoste. »Ich brauche dich.«

»Warum?«, fragte sie wieder in halb gequältem, halb entzücktem Ton.

Mit einem leisen Lachen presste er sich an sie und ließ sie den Beweis seiner Begierde spüren. Der, falls überhaupt möglich, noch größer und härter als zuvor war.

»Warum ich?«, ergänzte sie.

»Weil ich dich mehr als jede andere Frau begehre. Und weil du mich auch begehrst«, erklärte er mit der üblichen Arroganz eines Wikingers.

Drifa war verwirrt. Wie könnte sie ihm eine Antwort geben, wenn sie doch von so vielen widerstreitenden Gefühlen heimgesucht wurde? Sie war es nicht gewöhnt, den Aufmerksamkeiten eines Mannes nachzugeben. Tatsächlich war es sogar so, dass mehr als zwei Dutzend Wikinger sowie auch einige Angelsachsen in den letzten zehn Jahren um ihre Hand angehalten hatten. Doch keiner von ihnen war ihr so nahegegangen. Pah! Was für eine Untertreibung! Das Blut kocht in meinen Adern. Meine Knochen lösen sich schier auf. Mein Gehirn ist eine einzige pulsierende Masse sinnlicher Vernebelung. »Ich … ich … Das geht mir viel zu schnell.«

»Nein. Zu viel Nachdenken trübt manchmal die Urteilsfähigkeit eines Menschen. Mitunter muss man ganz spontan eine Entscheidung treffen. Manchmal muss eine Frau heiraten, um nicht verrückt zu werden aus Mangel an sinnlichem Vergnügen.«

Was? Das erfindest du doch nur. Drifa bekam jedoch keine Gelegenheit, es laut zu äußern, weil er sie schon wieder küsste … ihre Brüste streichelte … und sich an ihrer empfindsamsten weiblichen Stelle rieb.

Eine Welle aufregendster Empfindungen durchflutete sie, und als er wieder flüsterte: »Bitte, Liebste, werde meine Frau«, antwortete sie mit einem erstickten »Ja«.

Dann – o ihr Götter und Göttinnen, seid gepriesen! – benutzte er seine sündhaften, geschickten Hände und kreisenden Hüften, um sie zu einem Höhepunkt zu bringen, der sie vor Wonne hätte aufschreien lassen, wenn er sie nicht mit seinem heißen Kuss daran gehindert hätte.

Eine ganze Weile ruhte sie kraftlos an seiner Brust, ihr Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben, und rang nach Atem wie ein Pferd nach einer harten Schlacht.

Was ist da gerade mit mir passiert? Bin ich gestorben? War es das, was er mit sinnlichem Vergnügen meinte? Am besten tue ich so, als wäre es nichts Schockierendes für mich, damit er mich nicht auslacht. »Das war schön«, sagte sie, so ruhig sie konnte.

Er lachte. Dieser Flegel lachte sie einfach aus! »Wir werden heute Abend zu deinem Vater gehen«, sagte er zwischen ein paar schnellen Küssen, während er ihr half, ihre gunna und die lange, an den Seiten offene Schürze, die die meisten Wikingerinnen darüber trugen, glatt zu ziehen.

Habe ich etwa Ja gesagt? Offensichtlich, aber … »Vielleicht sollte ich zuerst allein mit ihm sprechen.« Und vielleicht sollte ich das Ganze an irgendeinem stillen Ort weit weg von diesem verführerischen Mann noch einmal gut durchdenken.

Aber er schüttelte den Kopf. »Nein, wir werden zusammen zu ihm gehen. Und dann werden wir binnen einer Woche heiraten, damit wir nach Vikstead zurückkehren und dich meinem Vater vorstellen können.«

Das würde so bald nicht geschehen – aus dem einfachen Grund, dass in zehn Tagen der sechzigste Geburtstag ihres Vaters gefeiert werden würde. Alle würden kommen, einschließlich drei ihrer Schwestern, die in Britannien lebten. Drifa wusste, dass ihr Vater ihr Nichterscheinen bei einem solch wichtigen Ereignis niemals billigen würde. »Wozu die Eile?«

Sidroc errötete, doch das Einzige, was er sagte, war: »Das ist unwichtig, aber du wirst es schon sehr bald verstehen.«

Er war in der königlichen Klapsmühle gelandet,wo allen Männern des Königs – und Frauen –ein paar Steine im Oberstübchen fehlten …

Später an jenem Tag saß Sidroc auf einer Bank am Kamin in Stoneheims größtem Empfangszimmer. Er war umringt von Mitgliedern der königlichen Familie, die von nah und fern gekommen waren, um den bevorstehenden sechzigsten Geburtstag ihres Königs zu feiern. Sie waren ganz so, wie eine Familie sein sollte, und alles, was Sidroc selber nie erfahren hatte.

Nach mindestens einem Dutzend vergeblicher Versuche war er jedoch noch immer nicht dazu gekommen, König Thorvald um die Hand seiner Tochter zu bitten. Vielleicht hätte er Drifa von Anfang an gestehen sollen, warum er heiraten musste – und dazu auch noch so schnell. Doch seiner Erfahrung in der Kunst der Liebe nach war er sich ziemlich sicher, dass sie sich mit Händen und Füßen sträuben würde, falls er ihr gestand, dass weniger er selbst sie brauchte als vielmehr ein neugeborenes kleines Mädchen, das zu Hause auf ihn und eine Mutter wartete. Frauen wollten umworben werden. Später … Später würde er ihr alles erzählen, und dann würden sie gemeinsam über seine Schläue lachen.

Im Moment jedoch beäugten Drifas Schwestern ihn argwöhnisch. Diese Familie tat nichts anderes, als zu reden, zu lachen und sich gegenseitig zu überschreien, und die Themen, die sie erörterten, waren geradezu unerhört. Wie beispielsweise das Gespräch über Experimente, bei denen das Glied eines Mannes mit Honig eingerieben wurde, um eine Empfängnis zu verhüten! »Tja, und wär’s nicht gut, wenn ein Mann dann auch noch seinen eigenen Schwanz ablecken könnte?«, hatte der König ausgerufen, und alle hatten gelacht, sogar die Frauen.

Drifas starrenden Schwestern nach zu urteilen, wäre Sidroc nicht mal überrascht, wenn sie vor versammelter Verwandtschaft gefragt würde, ob sie noch Jungfrau sei. Ehrlich gesagt hoffte er sogar, dass sie es taten. Vielleicht bekäme er dann endlich Gelegenheit, den König um die Hand seiner Tochter zu bitten und es hinter sich zu bringen.

In seiner freudigen Erregung über Drifas Annahme seines Antrags hatte er vergessen, dass sie ihm schon vor Tagen von dem geplanten Fest erzählt hatte. Sie hatte ihn nur nicht vor der Flut von Gästen gewarnt, die schon so bald eintreffen würden. Falls sie glaubte, er würde ohne eine Hochzeit noch zehn Tage länger auf dieser überfüllten Burg verweilen, hatte er schlechte Neuigkeiten für sie. »König Thorvald, könnten wir irgendwo ungestört miteinander sprechen?«, fragte er seinen – hoffentlich – zukünftigen Schwiegervater.

»Später, mein Junge, später«, sagte der König freundlich abwinkend und wandte sich wieder einem Diener zu, um sich einen frischen Kelch Met von einem Tablett zu nehmen.

Drifa, die neben Sidroc saß, drückte seine Hand. »Hab Geduld.«

Geduld! Er presste die Zähne zusammen und versuchte, nicht allzu übereifrig zu erscheinen. Er hatte jetzt schon drei Wochen auf dieser zugigen Burg vergeudet, diesem Mischmasch aus Holz und Stein, das entworfen worden war von einer der Schwestern, Breanne, die mit leidenschaftlicher Begeisterung alles Mögliche erbauen ließ. Stühle, Tische, Schweineställe, Burgen und was sonst noch alles. Sie saß auf der gegenüberliegenden Bank neben ihrem Ehemann, dem Angelsachsen Lord Caedmon, der an einem Stock herumschnitzte, um ein Kind zu unterhalten, das ihm neugierig über die Schulter blickte.

Eine andere Schwester, Ingrith, kam aus der Küche, wo sie mit ihrer speziellen Leidenschaft, dem Kochen, befasst war, wie die köstlichen Düfte bewiesen. Hasenbraten und Honig-Hafermehlplätzchen, würde Sidroc sagen. Ingriths Ehemann, ein weiterer angelsächsischer Lord namens John of Hawk’s Lair, der von der ganzen Situation irgendwie verwirrt schien, flüsterte Sidroc im Vorübergehen zu: »Ihr seid verloren, guter Mann, wenn diese verrückten Hühner Euch erst mal in ihren Krallen haben.«

Lord Hawk war derjenige, der mit Honig und Samenkäppchen herumexperimentierte, um Verhütungsmittel zu entwickeln. Gerade er hatte Sidrocs Ansicht nach kein Recht, sich über »verrückte« Hühner zu beklagen.

»Ich wünschte, du hättest mich bereits in deinen Krallen. So fest wie möglich – und im Ehebett«, flüsterte er Drifa zu.

»Geduld«, sagte sie wieder, aber dieses Mal mit einem reizenden Erröten, das ihn daran erinnerte, wie nahe sie heute daran gewesen waren, intim zu werden. Vielleicht würde er heute Nacht ihr Schlafzimmer aufsuchen, um zu beenden, was sie dort draußen im Garten begonnen hatten.

»Was hast du zu Sidroc gesagt?«, fragte Ingrith ihren Mann, der sie auf seinen Schoß herabzog. Bei einem frisch verheirateten Paar nichts Ungewöhnliches, doch diese beiden waren schon mindestens zwei Jahre zusammen.

»Nur, was für ein Glück er hat, sich unter solch intelligenten Wikingern zu befinden, Liebes«, versicherte er seiner Frau.

»Pah! Ich kann mir schon denken …« Ingrith unterbrach sich, als die älteste Schwester Tyra mit ihrem Ehemann Adam dem Heiler kam. Auch er war Angelsachse. Was war nur los mit diesen Frauen? Würde ein guter, mannhafter Wikinger es nicht auch tun?

Tyra war eine stattliche, hochgewachsene Frau, die sich sogar zur Kriegerin hatte ausbilden lassen. Jetzt starrte sie mit vielsagender Miene Drifas gerötetes Gesicht und ihre Hand an, die in Sidrocs und auf seinem Oberschenkel lag, bevor sie ihn mit ihrem scharfen Blick bedachte.

»Soll ich ihn töten, Vater?«, fragte dieses blutrünstige Frauenzimmer.

»Du liebe Güte, nein, Tyra! Vielleicht kriegen wir ja doch noch einen Ehemann für Drifa«, erwiderte König Thorvald.

Drifa schnalzte nur missbilligend mit der Zunge, um ihre Ansicht dazu kundzutun.

Offenbar war der Alte sich Sidrocs Absichten besser bewusst, als er hatte erkennen lassen. Tatsächlich zwinkerte er ihm sogar zu, bevor er sich mit seinem kräftigen Oberkörper wieder zurücklehnte und seine Beine zum Feuer hin ausstreckte. Trotz seines fortgeschrittenen Alters schien er in guter körperlicher Verfassung zu sein, und obwohl sein Haar und Bart schon schneeweiß waren, waren sie sehr gepflegt und mit kostbaren Edelsteinen geschmückt. Auch die Qualität seiner Tunika, Beinkleider und Stiefel zeugte von seinem hohen Rang.

Sidrocs bester Freund, Finn Vidarsson, der ihn hierher begleitet hatte und auch Finn Finehair genannt wurde, war der einzige andere Mann in seinem Bekanntenkreis, der so viel Wert auf Körperpflege legte. Finn war sogar bekannt dafür, dass er regelmäßig sein Brust- und Schamhaar nachschnitt, weil Frauen das mochten, wie er sagte. Finn hatte nie geheiratet, weil er angeblich noch nie einer Frau begegnet war, die sich mit seiner Schönheit messen konnte. Hätte Sidroc nicht mit eigenen Augen sein kämpferisches Geschick gesehen, würde er an seiner Männlichkeit zweifeln.

Sich auf die Gegenwart besinnend, verlangte Sidroc: »Ich muss so bald wie möglich mit Euch reden, König Thorvald. Es ist äußerst wichtig, dass ich nach Vikstead zurückkehre, bevor …«

»Habe ich Euch schon erzählt, wie Adam mir ein Loch in den Kopf gebohrt hat?«, unterbrach der König ihn.

Nur ein Dutzend Mal. »Habe ich Euch gesagt …?«

»Das hat mir das Leben gerettet«, fuhr der König unbeirrt fort. »Und es hat sogar meinen Schwanz vergrößert, möchte ich wetten.«

»Vater! Was für eine Ausdrucksweise!«, protestierten fünf Frauen gleichzeitig, einschließlich Vana, die mit Rafn verheiratet war, dem wikingischen Hersen, der die auf Stoneheim stationierten Truppen kommandierte. Vana, die ein Faible fürs Saubermachen hatte, schrubbte eine der langen Tafeln hinter ihnen, während die Familienversammlung im Begriff war, zu beginnen. Die Frage jedoch, warum er an einem Familientreffen teilnehmen durfte, ließ sowohl gute wie auch schlechte Möglichkeiten in Sidrocs leicht benebeltem Verstand erstehen.

»Vielleicht sollte Adam auch Euch ein Loch in den Kopf bohren«, schlug König Thorvald vor.

Sidroc kam ins Stottern. »Mein Schwa … Geschlechtsteil ist groß genug.« Beim Odem Thors! Er hoffte nur, dass Finn nichts davon mitbekam. Der Kerl wäre imstande, sich gleich ein Dutzend Löcher in seinen hohlen Kopf bohren zu lassen!

»Na, das hoffe ich doch. Ich versuche schon seit Jahren, Drifa unter die Haube zu bekommen. Nach all dieser Zeit verdient sie etwas … Großes.«

Drifa schnalzte wieder missbilligend mit der Zunge.

Alle anderen lachten, bis auf Sidroc, der nur hilflos die Augen verdrehte.

»Da Ihr Euch meiner Absichten ja offenbar schon bewusst seid, König Thorvald, würdet Ihr dann einwilligen, mir Eure Tochter Drifa zur Frau zu geben?«

Der König verdrehte die Augen. »Ich gebe meine Töchter keinem Mann. Sie haben das Recht, sich selbst einen Mann auszusuchen. Das ist ein Versprechen, das ich ihren Müttern vor langer Zeit schon gab.«

»Was für eine verrückte Idee.«

Fünf Frauen stießen ein Geräusch aus, das fast wie ein Knurren klang.

»Was allerdings nicht bedeutet, dass gleichgesinnte Männer sie nicht überzeugen könnten«, fügte der König ungerührt hinzu.

»Sie überzeugen!«, stieß Sidroc gereizt hervor. »Drifa hat meinen Antrag bereits angenommen, Majestät. So ist es doch, mein Liebling, oder?«, fragte er, während er sie hochhob und auf seinen Schoß setzte. Wenn Lord Hawk sich derartige Freiheiten bei seiner Frau herausnehmen konnte, so konnte er es auch. Und wenn es Überzeugungsarbeit war, was der König wollte, war Sidroc nur allzu gern bereit, seinem Ansinnen nachzukommen.

Drifa versuchte, sich von ihm loszureißen, aber er hielt sie unerbittlich fest.

Alle, selbst die Frauen, starrten ihn an, wahrscheinlich beeindruckt von seiner Finesse.

»Lass mich los, du Grobian«, sagte sie, allerdings nicht sehr nachdrücklich.

»Hör auf zu zappeln.«

»Hör auf, mich mit diesem … Ding zu stoßen.«

»Dein Vater will mir ein Loch in den Kopf bohren lassen, um das Ding noch zu vergrößern.«

»Das habe ich gehört.«

»Manche Leute denken, je größer, desto besser.«

»Manche Leute haben eben auch nur Stroh im Kopf.«

Tyra schaute ihn aus schmalen Augen an. »Ich dachte, Ihr wärt bereits verheiratet, Sidroc.«

Er hatte gehofft, dieses Thema vermeiden zu können, doch dieses Glück schien ihm nicht vergönnt zu sein. »Ich war es. Meine Frau ist verstorben«, erwiderte er mit schmalen Lippen.

»Wann …«

»Hör auf damit, Tyra. Er spricht nicht gern über seine Frau, die nicht mehr in dieser Welt weilt«, sagte Drifa und drückte Sidrocs Hand.

Er starrte sie mit unverhohlener Überraschung an. Drifa verteidigt mich? Das löste widerstreitende Gefühle in ihm aus. Eine etwas eigentümliche Freude darüber, dass ihm jemand – und noch dazu eine Frau – zu Hilfe kam, erfasste ihn, während er sich gleichzeitig schuldig fühlte, weil Drifa den wahren Grund seines Hierseins noch nicht kannte. Ach, das werde ich später wiedergutmachen, sagte er sich und erwiderte ihren Händedruck.

»Es ist nicht so, dass ich …«, begann er, aber Drifa ließ ihn nicht ausreden.

»Nein, Sidroc«, sagte sie entschieden. »Es liegt bei dir, ob und wann du darüber sprechen willst.«

Wer ist diese Frau, mit der ich bald verlobt sein werde? Kann sie wirklich so erstaunlich sein, wie ich allmählich glaube?

»Also, was sagst du dazu, Tochter? Was würdest du von einer gemeinsamen Hochzeits- und Geburtstagsfeier in zehn Tagen halten?«

Sidroc, der schon drauf und dran war, wegen der Verzögerung zu protestieren, biss sich auf die Zunge. Dann hätte er immer noch eine Woche Zeit für die normalerweise zweitägige Heimreise nach Vikstead.

Drifa nickte, und er küsste sie leidenschaftlich, bevor sie Einwände erheben konnte. Zu seiner freudigen Überraschung erwiderte sie den Kuss sogar, während um sie herum Beifall aufbrandete und alle ihnen gratulierten.

Die Nornen des Schicksals waren wohl doch auf seiner Seite.

Oder auch nicht, wie er schon bald herausfinden sollte.

2. Kapitel

Der beste Plan, ob Maus,ob ahnungsloser Wikinger …

Drifa war glücklicher als je zuvor in ihrem Leben. Oder jedenfalls, bis Sidrocs raffinierte Pläne ihr fast das Herz brachen.

Alles hatte später an jenem Tag mit ihrem Lauschen im falschen Augenblick begonnen. Oder war es doch genau der richtige Moment gewesen?

Sidroc saß mit seinem Waffenbruder Finn Vidarsson am anderen Ende des Großen Saals und plauderte mit ihm bei einem Trinkhorn Met. Finn war ein regelrechter Pfau von einem Mann, eitel bis in die Knochen, der alle Stoneheimer Küchen- und Dienstmägde, Kammerzofen und sonstigen weiblichen Dienstboten völlig aus der Fassung brachte.

Als Drifa hörte, dass ihr Name fiel, vermutete sie, dass Sidroc seinem Freund Finn vom Einverständnis ihres Vaters zu der Heirat berichtete.

»Dann hast du ja dein Ziel erreicht«, erwiderte Finn Vidarsson. »Gut gemacht mein Freund!«

Ziel? Was für ein Ziel?

»Und gerade noch rechtzeitig«, bekräftigte Sidroc.

Rechtzeitig wozu?

»Und sie ist ja auch recht hübsch, auch wenn sie meine hohen Ansprüche natürlich nicht erfüllt«, bemerkte Finn.

Ha! Du glaubst doch nicht etwa, dass ich jemanden wie dich an meiner Seite wollen würde!

»Keine Frau ist hübsch genug für deine hohen Ansprüche«, versetzte Sidroc spöttisch.

»Aber ich vermute mal, dass es dir nicht allzu schwerfallen wird, der Prinzessin beizuliegen.«

Sidroc lachte. »Ich hätte sie auch so schon fast beschlafen müssen, um sie dazu zu bringen, Ja zu sagen.«

Oh nein! Bitte sprich nicht so über mich!

»Und wäre das ein Problem für dich gewesen?«

»Nein, aber dieses Geschenk musste ich ihr vorenthalten, um ihre Zustimmung zu der Heirat zu erlangen.«

Geschenk? Du Ratte! Du verdammte, stinkende, miese Ratte! »Weil ich dich mehr als jede andere Frau begehre.« Das ist es, was du zu mir gesagt hast, du verdammter Lügner!

»Ich denke, ich werde sie heute Nacht vernaschen, bis ihr Hören und Sehen vergeht. Und in zehn Tagen werden wir dann heiraten. Danach werde ich sie zur Burg meines Vaters bringen und sie dort zurücklassen, solange mir noch Zeit bleibt, mich den Jomswikingern anzuschließen. Die Gelder ihrer Mitgift müssten meinen Vater eigentlich zufriedenstellen.«

Nur über meine jungfräuliche Leiche, Freundchen!

»Glaubst du, dass dein Vater ihre Begeisterung für Pflanzen dulden wird?«

»Ich wage zu behaupten, dass er ihr erlauben wird zu tun, was sie will, solange es sein Trinken und seine Hurerei nicht stört. Außerdem wird sie neben Rosen und Mist ja auch noch mein Kind haben, um sich zu beschäftigen.«

Er bildet sich wohl ein, er könnte mir gleich beim ersten Mal ein Kind machen, dieser arrogante Esel! Aber trotz ihrer Wut schnitten Sidrocs Worte ihr ins Herz. Sein Interesse an meiner Beschäftigung mit Pflanzen ist anscheinend genauso geheuchelt wie seine angebliche Zuneigung zu mir.

»Und inzwischen baust du dein Vermögen wieder auf und kannst dir ein Haus errichten, wo du willst. Vielleicht sogar auf den Orkney-Inseln, wo viele Wikinger sich angesiedelt haben.«

»Das ist eine gute Idee, Finn. Die Orkneys sind außer Reichweite meines Vaters und bei gutem Wetter dennoch nur eine Tagesreise mit dem Langschiff von den nordischen Landen entfernt.«

Er hat kein eigenes Zuhause? Und er würde in ein anderes Land umsiedeln, ohne mich auch nur zu fragen?

»Die Hochzeit kann also gar nicht früh genug für mich stattfinden«, fügte Sidroc hinzu, »aber das Wichtigste ist, dass sie mich jetzt auf jeden Fall heiraten wird. Eine Verlobung ist genauso bindend wie die eigentlichen Ehegelübde.«

»Denkst du«, sagte Drifa, als sie mit einem frischen Krug Met für die Männer aus dem Gang heraustrat, in dem sie lauschend gestanden hatte. Ihr blutete das Herz, aber sie musste die nächsten paar Minuten überstehen, ohne in Tränen auszubrechen.

»Drifa!«, sagte Sidroc, als er sichtlich beunruhigt über die Schulter blickte.

Und du hast auch allen Grund, beunruhigt zu sein, du lüsterner, verlogener Flegel!

Er stand auf, um auf sie zuzugehen.

Doch Drifa wich zurück und hob abwehrend die Hand, um ihn zurückzuhalten. »Es wird keine Hochzeit stattfinden.«

»Ich kann dir alles erklären.«

Sie schüttelte den Kopf. »Du hattest vor, mich zu heiraten und dann gleich wieder loszuwerden, alles auf einen Streich. Für was für ein dummes Ding du mich halten musst.«

»Ich kann es dir erklären«, beharrte er.

»Ich habe keine Liebe von dir erwartet«, sagte Drifa, seinen Einwand ignorierend, und hoffte, dass das Zucken ihrer Mundwinkel ihre kindischen Träume nicht verriet. »Aber du hast gesagt, du begehrtest mich mehr als jede andere Frau.«

»Und so ist es auch.« Doch dann schaufelte er sich sein eigenes Grab, als er versuchte, einen Scherz zu machen: »Die einzige andere Kandidatin momentan ist Brunhilda von Lade.«

Drifas Herz verkrampfte sich. Brunhilda war vierzig oder sogar noch älter und wog so viel wie ein Schlachtross. Und Sidroc ist dreist genug, mich mit ihr zu vergleichen! Selbst wenn er nur scherzt, finde ich das alles andere als lustig. »Geh! Kehr Stoneheim den Rücken und lass mich dein verlogenes Gesicht nie wieder sehen.«

»Wir würden gut zueinander passen, Drifa. Du weißt, dass es so ist.«

»Ha!«, sagte sie mit hochmütig erhobenem Kinn. »Eher würden Schweine fliegen lernen, bevor ich dich jetzt noch nähme.«

»Ist das ein Spielchen, das du auch mit all deinen anderen Freiern getrieben hast? Hast du auch ihnen weisgemacht, du würdest sie heiraten, um ihnen dann im letzten Moment deine Gunst zu entziehen?«

»Ohhh, versuch nur ja nicht, mir die Schuld an dieser Burleske zu geben!«

»Burleske, sagst du?«

Fast grinste er dabei, der Wicht!

»Du bist eine sinnliche Frau, Drifa«, versuchte er es mit einer anderen Taktik. »Wir würden beide von dieser Verbindung profitieren.«

Sinnlich? Das war ich noch nie, bevor ich dir begegnet bin. Und ich werde es auch nie wieder sein. Sieh doch nur, wohin es mich geführt hat. »Du würdest mir für Geld beiliegen?«, höhnte sie. »Was für eine Art von Mann würde das tun?«

»Ein verzweifelter Mann.«

Will er damit etwa sagen, dass nur ein verzweifelter Mann mich wollen würde? Und wieso ist er verzweifelt? Aber all das spielte jetzt keine Rolle mehr. Er war ein Niemand, der intime Beziehungen vorenthielt, als wären sie eine Art grandioser Preis. Und ihr praktisch unterstellte, hinter ihm her zu sein wie eine läufige Hündin. »Halte dich von mir fern, du räudiger Köter«, zischte sie warnend, als er nähertrat.

Er lachte nur. Was ein großer Fehler war!

Bevor er Drifas nächsten Schritt vorhersehen konnte, hob sie mit beiden Händen ihren Tonkrug an und hieb ihn ihm über den Kopf. Sie stieß ihn nicht nur um und verspritzte Met in alle Richtungen, sondern bewirkte damit auch, dass Sidroc sich bei dem Sturz den Hinterkopf an einer Bank anstieß. Wie eine gefällte Eiche landete er in der Binsenstreu und blieb dort reglos und mit geschlossenen Augen liegen.

»O ihr Götter, steht mir bei! Ich habe den Mann getötet, den ich liebe … den ich hasse, meine ich … Hiiilfe!«

Die Nebenwirkungen waren enorm …

Als Sidroc wieder zu sich kam, schmerzte sein Schädel, als wäre ihm der Hinterkopf gespalten worden und seine Hirnmasse sickerte heraus. Langsam, um den Kopf nicht zu erschüttern und den Schmerz noch zu erhöhen, blickte er sich in dem kleinen Zimmer um, in dem er auf einer Strohmatratze lag.

Er fühlte sich kraftlos wie ein neugeborenes Kätzchen und hätte schwören können, dass sein Magen geschrumpft war. Ja, ein rasches Abtasten seines Oberkörpers ergab, dass seine Rippen vorstanden. Sidroc runzelte verwirrt die Stirn. Wie konnte er in solch kurzer Zeit so viel Gewicht verloren haben …

»Du lebst!« Finn sprang von dem Stuhl auf, auf dem er gesessen hatte, und Sidroc hob die Hände, um ihn abzuwehren. Er glaubte nicht, dass er eine Umarmung ertragen würde … falls es wirklich das war, was Finn vorgehabt hatte.

In seiner fast schon hysterischen Erregung bemerkte er sogar die völlig unerhebliche Tatsache, dass Finns Äußeres nicht so elegant und tadellos war wie immer. Seine Tunika und Beinkleider waren zerknittert, sein in der Mitte geteilter Bart nicht mehr ordentlich gegabelt, und sein Haar sah aus, als wäre er mit einer Heugabel hindurchgefahren.

»Natürlich lebe ich. Dachtest du, ein Schlag auf den Kopf von einem Frauenzimmer würde mich gleich nach Asgard schicken?«

Finn schien zunächst verwirrt und dann erfreut zu sein, als ein anderer Mann den Raum betrat. Es war Adam der Heiler, der angelsächsische Ehemann einer der Schwestern Drifas.

Apropos Drifa – hoffentlich bereute sie jetzt ihr Verhalten. Ihn niederzuschlagen, ohne ihn etwas erklären zu lassen! Wahrscheinlich saß sie irgendwo und weinte sich die Augen aus vor Reue. Eigentlich müsste er sie irgendwie bestrafen … aber wenn, dann nach der Heirat.

»Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, guter Mann«, sagte Adam zu Sidroc, als er sich vorsichtig auf den Rand der Matratze setzte und die Augen seines Patienten zu untersuchen begann, indem er erst das eine und dann das andere Lid anhob.

»Ach ja?«, fragte Sidroc und fuhr sich mit der Zunge, die sich seltsam pelzig anfühlte, über seine ebenso pelzigen Zähne. Dann atmete er tief aus und wurde fast augenblicklich wieder umgehauen von seinem übelriechenden Atem. »Wie lange habe ich geschlafen?«

»Geschlafen?« Finn lachte.

»Du warst sechs Wochen lang bewusstlos«, klärte Adam ihn auf.

»Was?«, brüllte Sidroc und versuchte sich aufzusetzen. Doch fast sofort fiel er zurück und musste gegen die Schwärze ankämpfen, die ihn wieder zu verschlingen drohte. Eine plötzliche unangenehme Erinnerung wurde in ihm wach, an endlose Mengen Haferschleim und Wasser, die ihm löffelweise eingeflößt worden waren und über sein Kinn zu seinem Nacken und seiner Brust hinuntergelaufen waren. »Wo ist die Hexe, die mich in diesen Zustand versetzt hat?«, fragte er wütend.

»Drifa ist weggefahren.« Adam wandte den Kopf zur Seite, um Sidrocs Blick auszuweichen.

»Weg wohin?«

»Ich weiß es nicht genau. Nach König Thorvalds Geburtstag ist sie mit ihren Schwestern auf ihrem eigenen Langschiff, der Wind Maiden, irgendwohin aufgebrochen. Zu einer kurzen Vergnügungsreise, sagten sie. Was meistens Einkaufen bedeutet. Wahrscheinlich in Birka.«

»Wind Maiden? Was für ein dämlicher Name ist das für ein Langschiff?«

Adam zuckte nur mit den Schultern, als er die Felldecke beiseiteschob und den Körper seines Patienten untersuchte – auch wenn Sidroc sich nicht recht vorstellen konnte, wie mit den Fingern auf seine Brust zu tippen dem Heiler irgendwas verraten könnte.

»Du erlaubst deiner Gemahlin, sich ohne dich auf eine ›Vergnügungsreise‹ zu begeben?«

»Die Stoneheimer Prinzessinnen pflegen nicht um Erlaubnis zu bitten.«

Meine wird es tun. Vorausgesetzt, dass wir noch heiraten. Aber dann kam ihm ein anderer Gedanke. »Drifa hat mich einfach bewusstlos hier liegen gelassen?«, fragte er ungläubig.

»Nachdem ich ihr versichert hatte, dass du dich rechtzeitig wieder erholen würdest, um sie erneut beleidigen zu können.«

»Hmmpf!«, brummte Sidroc. »Kann ich davon ausgehen, dass ich nicht mehr verlobt bin?«

»Das wäre eine gute Schlussfolgerung, wenn man bedenkt, was Drifa dich sagen hörte.«

Also wirklich! Frauen schrieben dem Umwerben und der Ehe eine viel zu große Bedeutung zu. Sie erwarteten, dass Männer in einen Taumel der Verzückung verfielen angesichts der Möglichkeit, ihre Gunst zu erlangen, während es in Wirklichkeit so war, dass die meisten Männer die Heirat nur schnell hinter sich bringen wollten, um weitermachen zu können wie zuvor.

Doch dann wurde ihm die ganze Tragweite seiner Situation bewusst, und er schloss für einen Moment die Augen. Sechs Wochen hatte er hier gelegen? Das waren drei Wochen mehr als die Frist, die sein Vater ihm eingeräumt hatte. »Finn?«

Sein Freund, der die unausgesprochene Frage verstand, schüttelte den Kopf. »Ich bin vor zwei Wochen nach Vikstead gefahren, und das Kind war weg.«

Und da stieg rasender Zorn in Sidroc auf. Er fuhr hoch, und trotz der Verbände um seinen Kopf zerrte er an seinem Haar und schrie seine Wut heraus. Sie galt in erster Linie seinem Vater, richtete sich aber auch gegen Drifa wegen ihrer Rolle in diesem makabren Spiel. Und er weinte um das Baby, das er nun nie zu einem Mädchen heranwachsen sehen würde.

Sein Schuldbewusstsein lag ihm wie eine schwere Last auf der Seele. Und er war kein Mensch, der sich so leicht mit einem Scheitern abfand.

Doch dann ging seine Hysterie in ein Lachen über, als ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke kam. »Hast du womöglich gar ein Loch in meinen Kopf gebohrt, Heiler?«

Adam nickte. »Es hat den Druck auf dein Gehirn verringert und zu deiner Wiederherstellung geführt, vermute ich.«

»Ich bat ihn, auch mir eins in den Kopf zu bohren, aber Adam wollte es nicht tun«, maulte Finn.

Noch immer lachend, hob Sidroc den Bund seiner Beinkleider an und warf einen Blick darunter. »Verdammt! Der König hatte recht.«

Und dann versank er wieder in einer gnädigen Ohnmacht.

Während er immer tiefer in das Dunkel eintauchte, das seinen Geist umfing, dachte er: Diese verdammten Nornen des Schicksals sind launische Geschöpfe … wie alle Frauen.

Manche Männer brauchen nur einen kräftigen Schlag,um in die Schranken gewiesen zu werden …

»Was soll das heißen, ›Er ist weg‹? Er kann nicht weg sein.«

»Wie vom Winde verweht.« Drifas Vater gab ein zischendes Geräusch von sich, um seine Worte zu unterstreichen. »Er ist mitten in der Nacht verschwunden mit diesem Geck von Freund von ihm. Sein Langschiff muss die ganze Zeit über auslaufbereit gewesen sein. Sie segelten in derselben Nacht los, in der er das Bewusstsein wiedererlangte – obwohl er schwach wie verwässertes Bier gewesen sein muss. Adam meint, dass seine Seemänner ihn wahrscheinlich hinausgetragen haben.«

»Und wohin ist er gefahren?«

»Das weiß niemand.« Es war Rafn, der jetzt sprach. »Wir dachten, vielleicht zur Jomsburg, um sich den Jomswikingern anzuschließen, was er laut Finn schon vorher vorgehabt hatte. Aber ich habe ein paar Männer hingeschickt, um sich zu erkundigen, und niemand hatte ihn dort gesehen.«

»Er hat sich nicht einmal dafür bedankt, dass ich ihm ein Loch in den Kopf gebohrt habe«, warf Adam grinsend ein.

Drifa wollte gar nicht wissen, was dieses anzügliche Grinsen zu bedeuten hatte.

»Einer meiner Männer hörte, wie sein Waffenbruder Finn von Island sprach«, berichtete Rafn. »Oder war es dieses neue Land hinter Island, das von Erik dem Roten entdeckt wurde?«

»Aber warum hatte er es so eilig, Stoneheim zu verlassen?«

»Tja …«, sagte ihr Vater, und Rafn und Adam wechselten einen Blick.

»Nun redet schon!«, verlangte Drifa.

»Es könnte sein, dass er ein bisschen wütend wegen deiner Abwesenheit war«, sagte ihr Vater achselzuckend.

»Ja, aber hast du ihm denn nicht gesagt, wohin ich unterwegs war?«

»Wie denn? Ich wusste doch selbst nicht, wohin du wolltest. Mir sagt doch niemand was.«

»Tyra sprach von einer ›Vergnügungsreise‹«, warf Adam ein.

»Und du dachtest, wir wären einfach abgedampft wie verantwortungslose junge Mädchen?«

Adam nickte.

Idiot!

Es stimmte schon, dass Drifa keine Aufmerksamkeit auf die Aufgabe hatte lenken wollen, mit der sie und ihre Schwestern sich selbst betraut hatten, aber sie hätte es besser wissen müssen, als die Männer im Dunkeln zu lassen. Männer fanden sich nicht einmal im Nebel zurecht, geschweige denn im Dunkeln.

Als Finn Drifa und ihren Schwestern von Sidrocs Baby und der Notwendigkeit, es zu retten, erzählt hatte, waren die Frauen überaus empört gewesen. Wie hätten sie, die aus einer Familie mit fünf Töchtern stammten, einen Mann wie den Jarl Ormsson, der einem weiblichen Kind keinen Wert zumaß, auch nicht verachten können? Aus diesem Grund beschlossen sie, unverzüglich nach Vikstead aufzubrechen, sich das Kind zu holen und es nach Stoneheim zu bringen, wo Sidroc, wenn er aus seiner Ohnmacht erwachte, überglücklich darüber sein würde, das Baby heil und unversehrt vorzufinden.

Dann aber hatten sie es für ratsamer gehalten, vor der Heimkehr noch nach Birka zu fahren, um mögliche Viksteader Verfolger abzuschütteln, falls es tatsächlich jemanden gab, den es kümmerte, dass das Kind verschwunden war. Als weitere Vorsichtsmaßnahme hatten sie die kleine Signe in Runa umbenannt.

Nichts von alledem war jedoch mit der Absicht geschehen, den Flegel trotzdem noch zu heiraten. Drifa war nur von Schuldgefühlen geplagt worden, weil sie Sidroc niedergeschlagen hatte, so verdient dieser Hieb auch gewesen sein mochte. Aber ganz abgesehen davon – was hatte dieser Narr sich überhaupt dabei gedacht, eine solch wichtige Information vor einer potenziellen Ehefrau geheim zu halten? Wie wenig er sie respektiert haben musste, um zu glauben, sie würde ein Kind sterben lassen, nur weil ihr zukünftiger Ehemann sie nicht liebte. Wenn sie ehrlich sein sollte, hätte sie seinen Antrag wahrscheinlich tatsächlich nicht angenommen, auch wenn ihr seine Beweggründe bekannt gewesen wären, aber sie hätte ihm auf jeden Fall geholfen, das Kind zu retten.

»Aber … jetzt habe ich sein Baby, und er ist nicht mehr hier!«, sagte Drifa und rang bestürzt die Hände.

»Du hast sein Baby?«, fragte ihr Vater vergnügt, als würde der schreiende Säugling im Nebenzimmer bei der Amme seine Anwesenheit nicht allen lautstark kundtun. »Dann wirst du heiraten müssen, das steht fest.«

»Es ist nicht mein Kind, Vater. Nicht mal ich könnte ein Saatkorn pflanzen und es in sechs Wochen zum Erblühen bringen.«

Ihr Vater winkte ab. »Dann eben sein Kind. Aber das ist unwichtig. Wenn du sein Baby hast, wird er darauf bestehen, dich zu heiraten.«

»Du vergisst, Vater, dass die Kleine auch die Enkeltochter des Jarls von Vikstead ist.«

»Oh, oh!«, sagten die Männer im Zimmer wie aus einem Mund.

»Dieser Gunter Ormsson ist ein scharfer Hund«, setzte Rafn hinzu. »Mögen die Götter uns beistehen, denn jetzt werden wir von all den Vikstead-Kriegern angegriffen werden.«

»Warum sollten sie uns angreifen, wenn der Jarl sein Enkelkind doch nicht einmal am Leben lassen will?«, fragte Drifa.

Rafn schüttelte den Kopf über ihre Naivität. »Drifa, Drifa, Drifa – du verstehst die Männer nicht.«

Nun, das lag wohl auf der Hand.

»Ein Mann mag vielleicht etwas nicht für sich selber wollen, aber er wird kämpfen bis zum Tod, um dieses Etwas zu behalten, falls jemand anders es will«, belehrte Rafn sie.

»Das ist nichts als männliches Geschwätz.«

»Überdies könnte auch Stolz eine Rolle spielen, falls Gunter glaubt, dass es hierbei um seine Ehre geht«, fügte Adam hinzu.

»Dieser Mann hat keine Ehre!«, brauste Drifa auf.

Die drei Männer im Zimmer zuckten mit den Schultern.

»Nun, ich denke, damit ist die Sache entschieden. Bring das Baby nach Vikstead zurück«, sagte Drifas Vater mit einem tiefen Seufzer, da er seine Hoffnungen auf die Heirat seiner letzten Tochter schwinden sah.

»Das kann ich nicht tun. Ormsson will das Baby töten«, klärte Drifa ihn auf.

Der König begann, sich mit den Fingerspitzen die Stirn zu reiben. »Von all dem Nachdenken brummt mir schon wieder der Schädel«, sagte er und wandte sich an Adam. »Glaubst du nicht, du müsstest noch mal bohren?«

»Nein. Was du meiner Meinung nach jetzt brauchst … was wir alle brauchen, glaube ich«, sagte Adam nach einer übertriebenen Pause, »ist ein Bier.«

Kurz darauf stand Drifa allein im Zimmer und fragte sich, wie sie in einen derartigen Schlamassel geraten konnte. Er war fast so schlimm wie damals, als sie und ihre Schwestern den Earl of Havenshire getötet und den Rohling auf dem Boden eines Aborts begraben hatten. Nur dass sie jetzt den Beweis ihres Verbrechens sozusagen am Halse hatte. Den lebenden, atmenden, schreienden Beweis …

In dem Moment steckte Rafn den Kopf wieder zur Tür herein und grinste sie an. »Sidroc hat doch etwas gesagt, was dich anging, bevor er aufbrach.«

Drifa zog die Augenbrauen hoch angesichts seiner spitzbübischen Miene.

»Er sagte: ›Sie kann mich mal, die Hexe!‹«

Drifa warf ein Wollknäuel nach Rafn, das jedoch nur noch seinen Rücken traf.

Ach, und wenn schon. Sie war sicher, dass sie Sidroc schon bald finden und er ihr mit Freuden das Kind abnehmen würde.

Komischerweise hätte sie schwören können, dass sie ein Lachen in ihrem Kopf hörte. Waren es die Nornen des Schicksals, die sich über sie lustig machten?

Vielleicht war sie es, die sich den Kopf aufbohren lassen sollte.

Aber andererseits vielleicht auch lieber nicht. Einer ihrer Körperteile könnte sich vergrößern, oder womöglich würde ihr einer wachsen, den sie gar nicht haben wollte.

3. Kapitel

Fünf Jahre später, auf dem Wege nach Byzanz

Es gibt solche und solche Leidenschaften …

Wacht auf, Prinzessin. Zeit, die Rosen zu riechen, ha, ha, ha!«

Prinzessin Drifa drehte sich auf ihrem Strohlager unter der Segeltuchplane an Deck des Langschiffs um und tat so, als schliefe sie.

»Ich rieche Blumen. Riecht sonst noch jemand Blumen? Ha, ha, ha!«

Beachte sie nicht, Drifa. Zeig einfach keine Reaktion.

»Vielleicht sind es deine Achselhöhlen, Arne. Mir scheint, dass ich dort Gras wachsen gesehen habe. Ha, ha, ha!«

Du liebe Güte! Man sollte meinen, sie wären kleine Jungen statt erwachsener Männer!

»Ich für meinen Teil hab vor, ein paar Felder umzupflügen, sobald wir an Land sind, und ich rede hier nicht von Gras. Ha, ha, ha!«

Wir sind zu lange auf See gewesen, wenn diese Geschmacklosigkeit schon als Scherz durchgeht.

»Meine Frau hat einen Garten. Manchmal will sie, dass ich ihn für sie beackere … mit meiner Hacke. Ha, ha, ha!«

Ja, viel zu lange sind wir schon auf See.

»Du laberst nur Scheiße, aber dann wiederum tut Mist dem Boden ja auch gut. Ha, ha, ha.«

Denken sie etwa, ihre Rohheit könnte mich schockieren? Wenn sie wüssten! Ich habe schon viel Schlimmeres gehört. Drifa war in einer Burg voller Krieger aufgewachsen; oft waren es über zweihundert gewesen, die alle gleichzeitig dort lebten. Es war also beileibe nicht das erste Mal, dass sie Ausdrücke wie die nächsten hörte.

»Wenn meine Lilie blüht, will sie nichts als eine hübsche feuchte Furche, in der sie ruhen kann. Ha, ha, ha!«

Ich habe deine Lilie gesehen, Otto, und sie ist nichts, um damit anzugeben.

»Jemand sollte der Prinzessin besser sagen, dass sie sich von ihrem Blumenbeet erheben soll, um sich mit eigenen Augen anzusehen, was am Horizont erscheint.«

Es machte ihr nichts aus, dass die Seemänner sich mit ihren »blumigen« Scherzen über sie lustig machten. Besser das, als über Bord geworfen zu werden, was sie ihr mehr als einmal angedroht hatten, als ihnen ein Missgeschick nach dem anderen widerfahren war und die Lebensmittelvorräte bis auf den verhassten Stockfisch dahingeschwunden waren.

Zu ihrer Verteidigung – auch wenn eigentlich kein Anlass bestand, diese Männer zu verteidigen – musste gesagt werden, dass die Reise von den Wikingerlanden nach Konstantinopel oder Miklagard, die Goldene Stadt, wie die Wikinger sie nannten, eine lange und anstrengende gewesen war, obwohl Njord, der Meeresgott, sie mit gutem Wetter gesegnet hatte. Sie waren über den Dnepr gekommen, wo sie sich durch Seestürme, Wasserfälle, Sandbänke und tückische seichte Stellen hatten hindurchkämpfen müssen. Nicht alle Wasserstraßen waren miteinander verbunden, und gelegentlich war der Transport über Land nicht zu umgehen gewesen und die Seeleute hatten die Langschiffe auf ihren Schultern tragen müssen.

Des Weiteren musste zur Verteidigung der Männer gesagt werden, dass diese Reise ihnen praktisch aufgezwungen worden war, was sie Drifa sehr verübelten.

Sie musste wieder eingeschlafen sein, denn das Nächste, was sie bemerkte, war eine Schuhspitze, die sie an der Hüfte anstieß. Als sie verschlafen aufblickte, sah sie Wulfgar von Wessex, den Kommandeur der kleinen Flotte, zu der auch ihre eigene Wind Maiden gehörte. Er war einer der wenigen Angelsachsen an Bord. »Wir sind beinahe da, Prinzessin Drifa«, teilte er ihr auf seine übliche mürrische Art mit.

»Wirklich? Ganz bestimmt?«

»Wirklich. Ganz bestimmt.« Seine Stimme triefte förmlich vor Sarkasmus, als er sich abrupt von ihr abwandte und wieder ging.

Der alte Griesgram!

Drifa erhob sich, strich ihr zu einem langen Zopf geflochtenes Haar zurück und schüttelte ihre Röcke auf. Und dann stockte ihr der Atem angesichts des Anblicks, der sich ihren Augen bot.

Die Sonne ging schon unter, als die vier Langschiffe mit den stolzen Galionsfiguren eines Drachen, Wolfes, Raben und Bären am Bug die hohen Wellen durchpflügten und auf Konstantinopel zuhielten. Die Goldene Stadt verdiente heute jedenfalls ihren Namen, da ihre Zwiebeltürme und Türmchen, Marmorfassaden und kunstvollen Mosaikwände wie vor Leben sprühende Juwelen funkelten.

Und die Gärten! Ah! Selbst aus der Entfernung konnte Drifa sehen, dass die kräftigen Farben der terrassenförmig angelegten Gärten den Eindruck bunter Edelsteine noch verstärkten.

Für Drifa, die Blumen liebte, war diese Reise ein lang gehegter Traum, der sich verwirklicht hatte. Schon von Kindesbeinen an war sie von Pflanzen geradezu besessen gewesen. Und wo ließen sie sich besser studieren als in den kaiserlichen Gärten von Miklagard?

Die speziell für sie angefertigte Truhe, die Drifa überallhin mitnahm, enthielt sorgfältig geschärfte Federkiele, Pinsel aus seidigem Zobel- und Kamelhaar und Hunderte von Pergamenten mit Zeichnungen von Pflanzen sowie Verzeichnissen ihrer Herkunftsländer und Charakteristiken. Es war zweifellos ein kostspieliger Zeitvertreib in Anbetracht der Seltenheit von Pergament – einmal abgesehen von dem, das für die Mönche vorgesehen war, die sich als Illustratoren und Schriftgelehrte betätigten –, doch andererseits verfügte Drifa ja schließlich über eine enorme Mitgift, die in neunundzwanzig Jahren nur ungenutzt herumgelegen hatte. Oder zumindest pflegte sie ihre teure Leidenschaft damit vor ihrem Vater und ihren vier verheirateten Schwestern zu rechtfertigen.

Nicht dass sie nicht versucht gewesen wäre, den Weg der meisten normalen Frauen zu beschreiten. Da war dieser eine Mann gewesen, Sidroc von Vikstead … Nein, nein, den hatte sie schon lange vergessen – oder versuchte es zumindest, was jedoch schier unmöglich war mit seiner Tochter Runa, die auf Stoneheim herumsprang wie ein junges Lamm. Sie musste lächeln, wenn sie an den kleinen Wildfang dachte, der allen so ans Herz gewachsen war. Das Einzige, was sie an dieser Reise bedauerte, war, dass sie die Kleine nicht bei sich haben konnte.

Aus einer seltsamen Laune des Schicksals heraus, hinter der zweifellos die Nornen steckten, hatte Drifa sich auf die Entführung von Sidrocs Tochter eingelassen. Mit den besten Absichten hatte sie das Baby nach Stoneheim mitgenommen, wo Sidroc noch ohnmächtig von dem Schlag auf seinen dummen Kopf hätte sein müssen, doch siehe da, der Schwachkopf war verschwunden, und bis heute wusste niemand, wo er steckte. Vielleicht war er sogar schon tot.

Drifa hatte sehr gemischte Gefühle, was das anging. Sie wollte, dass Sidroc gefunden wurde, und vor allem lebend. Natürlich wollte sie das, obwohl die Aussichten sehr gering waren nach fünf Jahren. Doch selbst ihre wahre Mutter hätte Runa nicht mehr lieben können als Drifa. Das Kind nannte sie trotz Drifas anfänglicher Berichtigungen sogar Mutter, und sie hatte große Angst davor, dass Sidroc, falls er noch am Leben war, ihr Runa wegnehmen würde. Und warum sollte er es auch nicht tun?

Niemand außer ihren Schwestern wusste von der wahren Herkunft dieses Kindes. Die meisten Leute nahmen an, dass Runa eine Waise war, die Drifa adoptiert hatte. Ihre größte Sorge war, dass Jarl Ormsson den Aufenthaltsort des kleinen Mädchens in Erfahrung bringen und es aus purer Bosheit zu einer Sklavin machen könnte.

Drifa schüttelte den Kopf, um sich in die Gegenwart zurückzubringen und von allen unerwünschten Gedanken an das, was hätte sein können oder vielleicht noch kommen würde, zu befreien.

Im Gegensatz zu ihr kannten viele der Seeleute, die in der Mehrzahl Wikinger waren, die grandiose Hauptstadt des Byzantinischen Imperiums bereits, da einige in der wikingischen Elitetruppe des Kaisers, der Waräger-Garde, gedient hatten. Trotzdem musste dieser erste Eindruck der Stadt bei der Ankunft sogar ihre verhärteten Herzen bewegen. Der Anblick wäre ein Kunstwerk, wenn er sich auf Leinwand übertragen ließe.