Die vergessenen Passagiere der Titanic - Norbert Zimmermann - E-Book

Die vergessenen Passagiere der Titanic E-Book

Norbert Zimmermann

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Beschreibung

Als die RMS Titanic am 15. April 1912 unterging, riss sie 1496 Menschen in den Tod. Besonders tragisch: Ein Viertel der Opfer stammte aus der Dritten Klasse- Männer, Frauen und Kinder, deren Geschichten kaum erzählt wurden. Während die Welt vor allem die Schicksale der Reichen und Berühmten in Erinnerung behielt, gerieten jene in Vergessenheit, die kaum eine Chance auf Rettung hatten. Dieses Buch gibt den Passagieren der Dritten Klasse eine Stimme. Es erzählt von ihren Hoffnungen, Träumen und dem verzweifelten Kampf ums Überleben -und beleuchtet die erschütternden Gründe, warum so viele von ihnen das Unglück nicht überlebten.

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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2025

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„Auf der TITANIC hatte sogar ein Hund höhere Überlebenschancen als ein Passagier der dritten Klasse!“

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Vorwort von Commodore Ron Warwick

Die Dritte Klasse der Titanic

Barriere in den Köpfen

Leo Zimmermann - Der Landwirt aus dem Schwarzwald

Die Addergoole 14

August Wennerström - Der politisch Verfolgte aus Schweden

Die Longford- Girls

Das Drama der Familie Asplund

Die Geschichte von Frankie Goldsmith

Die dramatische Rettung des Olaus Abelseth

Die abenteuerliche Reise zweier Geschwister an Bord der Titanic

Die traurige Geschichte von Rosa Abbott

Das tragische Schicksal der Familie Skoog

Die glückliche Rettung der Familie Coutts

Danksagungen

DER AUTOR

Norbert Zimmermann, Jahrgang 1970, beschäftigt sich seit fast vierzig Jahren intensiv mit der Geschichte der TITANIC. Durch seine langjährige Forschung und seine umfassenden Kenntnisse gilt er heute als einer der führenden deutschen Experten auf diesem Gebiet.

Sein Wissen und seine Begeisterung für das Thema teilt er regelmäßig als Gastredner bei internationalen TITANIC-Kongressen. Auch bei künstlerischen Projekten rund um das berühmte Schiff wird er geschätzt: So wirkt er als historischer Berater des TITANIC-Musicals am Theater Osnabrück mit. Darüber hinaus koordiniert er die Aktivitäten der British Titanic Society (BTS) in Europa.

EINLEITUNG

Der tragische Untergang der RMS TITANIC auf ihrer ersten Fahrt von Southampton nach New York hat bis heute nichts an seiner Anziehungskraft verloren. Die Schicksale der Passagiere dieses berühmten Luxusliners, die durch die Tragödie so früh ihr Leben verloren, bewegen uns nach wie vor. Doch auch über ein Jahrhundert nach der Katastrophe wissen wir oft mehr über die prominenten Passagiere der Ersten Klasse – bekannte Namen wie John Jacob Astor, das Ehepaar Straus oder Benjamin Guggenheim – als über die vielen Passagiere der Dritten Klasse, die sogenannten „Zwischendeck“-Passagiere.

Damals richtete sich das Interesse der Öffentlichkeit auf die reichen und berühmten Persönlichkeiten an Bord. Diese prominenten Figuren standen im Rampenlicht, während die Schicksale der weniger wohlhabenden, meist namenlosen Passagiere aus der Dritten Klasse oft unbeachtet blieben. Das zeigt sich auch daran, dass in den beiden Untersuchungsausschüssen, die nach dem Unglück eingerichtet wurden, nur sehr wenige Dritte Klasse-Passagiere, wie etwa Daniel Buckley oder Olaus Abelseth, zu Wort kamen. Die Zeitungen der damaligen Zeit konzentrierten sich auf die angeblichen Heldentaten prominenter Passagiere, obwohl viele dieser Berichte frei erfunden waren. Die traurigen Geschichten derjenigen, die sich das Ticket für die Dritte Klasse oft nur mit großen Mühen leisten konnten, gingen in den dramatischen Erzählungen der Presse meist unter.

Dabei stellten die Dritte Klasse-Passagiere mit insgesamt 708 Personen nach der Besatzung die größte Gruppe an Bord. Von ihnen überlebten jedoch nur 180 Menschen das Unglück. Viele große Familien, die in die Reise auf der TITANIC ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben in Amerika gesetzt hatten, gingen mit dem Schiff unter und ließen kaum jemanden zurück, der von ihnen hätte berichten können.

Mit diesem Buch möchte ich diese Schicksale der Dritten Klasse wieder ins Gedächtnis rufen. Auch ihre Geschichten verdienen es, gehört zu werden.

So zum Beispiel die erschütternde Geschichte einer Gruppe irischer Auswanderer, der so genannten Addergoole 14, die selbst in ihrer Heimat jahrelang beinahe vergessen war. Jahrelang unerzählt blieb auch das Schicksal der „Longford Girls“ und vieler anderer Passagiere der Dritten Klasse.

Es ist mein Wunsch, dass dieses Buch dazu beiträgt, das Vermächtnis dieser Menschen zu bewahren. Sie alle waren Teil der TITANIC und auch ihre Lebensgeschichten sind es wert der Nachwelt erzählt zu werden.

Norbert Zimmermann

März 2025

VORWORT VON COMMODORE RON WARWICK

Im Jahr 1912 legte die vom Unglück verfolgte TITANIC auf ihrer Jungfernfahrt in Cobh an. Unter den Passagieren befanden sich auch vierzehn aus Addergoole, die beschlossen hatten, ihre Familien, Verwandten und Freunde auf der Suche nach einem besseren Leben im fernen Amerika zu verlassen.

Diese Gruppe von Passagieren aus der Grafschaft Mayo ist unter dem Namen "Addergoole 14" bekannt geworden und dieses Buch soll uns mehr über sie als Individuen, ihre Gründe für das Verlassen ihrer Heimat und ihre Hoffnungen für die Zukunft erzählen.

Zweifellos wurden einige Tränen vergossen, als sie ihre Heimat verließen, aber jede Traurigkeit wich bald den Gedanken an das bevorstehende Leben und der Aufregung, an Bord des neuesten und modernsten Dampfschiffs zu sein.

Wie wir alle wissen, fand das Leben so vieler Menschen ein jähes Ende in den eisigen Gewässern des Nordatlantiks, doch drei von ihnen überlebten. Sie überlebten, um ihre Geschichten über den Untergang zu erzählen, wie viele andere, deren Schicksale in diesem Buch wiedergegeben werden.

Oft braucht es eine Katastrophe mit vielen Toten, um die Bedingungen für die Zurückgebliebenen zu verbessern. Dies war mit Sicherheit der Fall für alle, die an Bord der TITANIC waren - Passagiere und Seeleute gleichermaßen. So traurig es auch war, diejenigen, die starben, taten dies nicht umsonst. Die Tragödie machte das Leben der Reisenden auf dem Meer sicherer. Es wurden weitere Sicherheitsvorschriften eingeführt, darunter die Bereitstellung ausreichender Rettungsbootkapazitäten für alle an Bord, und es wurde die Internationale Eiswacht gegründet.

Die British Titanic Society hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Andenken an die Verstorbenen zu bewahren, und ich beglückwünsche das Mitglied Norbert Zimmermann zu diesem schriftlichen Gedenken an sie.

Commodore R. W. Warwick OBE President – British Titanic Society

DIE DRITTE KLASSE DER TITANIC

Die TITANIC war – wie viele andere Schiffe ihrer Zeit – auf den Transport möglichst vieler Auswanderer ausgerichtet. Die Menschen, die mit ihr reisten, hofften auf ein neues Leben in Amerika und verließen oft ihre Heimat mit nichts als ihrem Mut und ein paar wenigen Habseligkeiten. In der Dritten Klasse, dem Bereich für die einfachen Auswanderer, sah es auf Schiffen bis dahin oft eher düster aus.

Einige Jahre vor dem Bau der TITANIC war die Dritte Klasse, auch „Zwischendeck“ genannt, kaum mehr als ein umfunktionierter Frachtraum. Hier wurden die Auswanderer oft wie Fracht untergebracht. Die Bedingungen waren hart, die Ausstattung minimal, und mancher beschrieb die Reise eher als „Viehtransport“. Es war eng, unhygienisch und so kam es häufig zu Krankheiten und Seuchen an Bord. Die Zustände auf den Schiffen waren für die Menschen der Dritten Klasse meist eine große Belastung und gefährdeten ihre Gesundheit.

Die White Star Line, die Reederei, zu der die TITANIC gehörte, erkannte das Potenzial, sich durch bessere Standards von der Konkurrenz abzuheben. Man beschloss, der Dritten Klasse einen gewissen Komfort zu bieten, um die Reise erträglicher zu machen. Dieser neue Ansatz war nicht nur menschlicher, sondern auch ein geschickter Geschäftszug. Durch die besseren Bedingungen in der Dritten Klasse sprach sich in Auswandererkreisen schnell herum, dass die Schiffe der White Star Line eine gute Wahl waren. In einer Zeit, in der viele Menschen Europa verließen, um ihr Glück in Übersee zu suchen, erwies sich dies als profitabel.

Und so begann man damit, die Einrichtung und Unterbringung sowie die Verpflegung der Dritten Klasse sukzessive zu verbessern.

Natürlich war diese bessere Einrichtung im Vergleich zur Ersten und Zweiten Klasse immer noch als eher spartanisch anzusehen. Im Vergleich zu anderen Reedereien war die Dritte Klasse auf der TITANIC oder auch der OLYMPIC aber geradezu luxuriös ausgestattet und wahrscheinlich mit der Zweiten Klasse auf vielen anderen Schiffen der Konkurrenz vergleichbar, die erst nach und nach auf die Idee kamen, die Dritte Klasse den Anforderungen der moderneren Zeit anzupassen.

Unter anderem gab es auf den Schiffen der Olympic-Klasse (OLYMPIC, TITANIC und später BRITANNIC) einen eigenen Aufenthaltsraum für die Passagiere der Dritten Klasse.

Dieser Raum war mit Bänken, Tischen und Stühlen ausgestattet und auch ein Klavier stand bereit, sodass die Reisenden gemeinsame Abende mit Musik und Gesang verbringen konnten. Die Wände waren mit Kiefernholz und Emaille-Verzierungen verkleidet, die Möbel bestanden aus stabilem Teakholz. Für die damalige Zeit war dies ein außergewöhnlicher Komfort, vor allem für die einfachen Leute, die sonst nur wenig Aufmerksamkeit erhielten.

Die Dritte Klasse auf den Schiffen der Olympic-Klasse bot den Passagieren einige besondere Annehmlichkeiten, auch wenn diese nicht so luxuriös wie in der Ersten und Zweiten Klasse waren. So gab es auch einen Rauchsalon, der mit Vertäfelungen aus Eichenholz und Möbeln aus Teakholz ausgestattet war. Dieser Salon war zwar schlicht gestaltet, bot den Passagieren der Dritten Klasse aber einen Ort, um sich zu entspannen und mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen.

Der Speisesaal der Dritten Klasse war einfach gehalten, aber funktional. Er war 30,5 Meter lang und erstreckte sich über die gesamte Breite des Schiffs, sodass er bis zu 470 Passagieren Platz bot. Im Vergleich zu den oft üblichen, festgeschraubten Bänken, boten die Stühle im Speisesaal den Passagieren deutlich mehr Komfort.

Eine Besonderheit für die Dritte Klasse war die Anzahl und Qualität der Mahlzeiten. Die Passagiere waren es oft nicht gewohnt, mehrmals am Tag abwechslungsreiche und warme Mahlzeiten zu bekommen, die ihnen sogar durch das Schiffspersonal am Tisch serviert wurden. Der Tag begann mit einem reichhaltigen Frühstück. Zum Mittagessen wurde ein mehrgängiges Menü serviert, bestehend aus einer Gemüsesuppe, einem Hauptgang (meist mit Kartoffeln, Gemüse und Fleisch) und anschließendem Obst.

Nachmittags gab es eine „Tea-Time“ mit Gebäck und einer heißen Getränkeauswahl, darunter Tee, heiße Milch oder heißer Kakao. Das Abendessen war für die Dritte Klasse ebenfalls großzügig gestaltet und wurde mit heißer Milch oder Kakao abgerundet. Diese regelmäßigen und vielfältigen Mahlzeiten stellten für viele Passagiere eine neue Erfahrung dar und trugen erheblich zum Wohlbefinden an Bord bei.

Überlieferungen einiger Passagiere zufolge, war Bestandteil der täglich servierten Mahlzeiten sogar ein Stück Fleisch, was – gemessen an den damaligen Standards – ein Beleg für die überaus gute Küche und Versorgung an Bord ist.

Ein Nachbau einer Kabine der dritten Klasse © Privatfoto Norbert Zimmermann

Einige Stewards erzählten sogar, dass manche Passagiere aus der Dritten Klasse nach der Suppe bereits den Tisch verlassen wollten, in der Annahme, dies wäre schon die Hauptmahlzeit gewesen. Erst auf Hinweis des Personals blieben sie sitzen, um den weiteren Gängen beizuwohnen.

Da der Speisesaal nur eine begrenzte Kapazität hatte, wurde das Essen in zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen serviert, mit einem Abstand von etwa 30 Minuten. So hatten alle Passagiere die Möglichkeit, an den Mahlzeiten teilzunehmen, ohne dass es zu einem großen Gedränge kam.

Der White Star Line war auch ein sehr guter Marketingeinfall gekommen: Jede Speisekarte konnte umseitig auch als Postkarte genutzt werden, damit die Auswanderer, die ihre in der Heimat gebliebenen Familien bald möglichst nachholen wollten, diese Karten als Beleg für die üppigen Mahlzeiten an Bord versenden konnten.

Das Ziel dieser Botschaft war klar: Wenn die Mahlzeiten so gut und üppig in der Dritten Klasse waren, dann sollte die nachkommende Familie doch möglichst auch mit einem Dampfer der White Star Line emigrieren.

Die Kabinen der Dritten Klasse waren meistens mit vier oder sechs Betten ausgestattet. Um die Passagiere in ihren Schlafräumen voneinander zu trennen, wurden unverheiratete Männer und Frauen auf entgegengesetzten Seiten des Schiffes untergebracht. Auch in Familien war oft eine Geschlechtertrennung üblich: Väter und Söhne schliefen zusammen in einer Kabine, während Mütter und Töchter eine eigene Kabine teilten.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die reine Ausstattung und Verpflegung der Dritten Klasse auf der TITANIC für ein Schiff der damaligen Zeit außergewöhnlich gut war.

BARRIERE IN DEN KÖPFEN

Als die Nachricht vom Untergang der TITANIC die Menschen erreichte, reagierte die Welt entsetzt. Schließlich galt die TITANIC als das sicherste Schiff der Welt und wurde als „unsinkbar“ beschrieben. Doch genau dieses Schiff sank auf seiner ersten Fahrt, mit insgesamt 2.208 Menschen an Bord.

Die ersten Informationen über das Unglück waren sehr ungenau und ließen viele Fragen offen. Die „New York Times“ war die erste Zeitung, die berichtete, dass die TITANIC gesunken sei – noch bevor dies von der White Star Line offiziell bestätigt wurde. Die Redakteure der Zeitung hatten anhand der vorhandenen Informationen eine plausible Schlussfolgerung gezogen: Der Funkkontakt mit der TITANIC war um 2:17 Uhr abrupt abgebrochen. Für sie gab es nur eine mögliche Erklärung – die TITANIC war untergegangen!

Jede Zeitung wollte die dramatischste Geschichte bieten, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch kaum verlässliche Informationen gab. Der Funkverkehr der TITANIC mit anderen Schiffen war die einzig vorhandene Quelle, aus der wilde Geschichten gesponnen wurden. Niemand wusste wirklich, was geschehen war – doch die Leser wollten Antworten und vor allem Geschichten über die berühmten Passagiere an Bord.

Besonders die Schicksale wohlhabender und prominenter Reisender wie John Jacob Astor und Benjamin Guggenheim standen im Fokus. War einer von ihnen gerettet worden?

Arthur Henry Rostron, der Kapitän der CARPATHIA, die den Überlebenden schließlich zur Hilfe kam, hatte nur die nötigsten Informationen an die Öffentlichkeit weitergeben lassen.

Bekannt wurde lediglich, dass die TITANIC gesunken sei und die CARPATHIA die Überlebenden nach New York bringen würde. Auch als der damalige amerikanische Präsident William Howard Taft sich persönlich nach seinem Freund und Berater, Major Archibald Butt, erkundigte, blieb seine Anfrage unbeantwortet.

Der Kapitän der CARPAHIA, Arthur Henry Rostron, wurde durch seine Rettung der TITANIC-Überlebenden zum Helden © Library of Congress

In Ermangelung an Informationen begann die weltweite Presse ihre eigenen Geschichten über die Geschehnisse an Bord zu verfassen. Es kursierten bald Berichte über Heldentaten bekannter Passagiere, mutige Rettungsaktionen und dramatische Momente – viele davon frei erfunden. Einige dieser Geschichten halten sich bis heute und prägten die Vorstellung der Öffentlichkeit von den Ereignissen auf der TITANIC.

Als die CARPATHIA am Abend des 18. April 1912 in New York eintraf, warteten bereits zahlreiche Journalisten gespannt auf die Ankunft der Überlebenden der TITANIC. Von den über 2.200 Menschen an Bord des Luxusliners hatten nur 712 das Unglück überlebt.

Einige Zeitungen ließen sogar spezielle Boote mit Reportern ausrüsten, die als sogenannte „American Pressboats“ der CARPATHIA entgegenfuhren und den TITANIC-Überlebenden finanzielle Angebote hinüberriefen, damit sie für Interviews zur Verfügung stünden.

An dieser Titelseite der New York Times von Mittwoch, den 17.April 1912, ist zu erkennen, dass eigentlich nur die prominenten Passagiere an Bord der TITANIC für die Leser von Belang waren. © gemeinfrei

Für eine Passagiergruppe jedoch interessierte sich kaum jemand: Die Passagiere der Dritten Klasse.

Es ist unbestritten und durch die nackten Zahlen belegbar, dass die Passagiere der Dritten Klasse der TITANIC aus dem sogenannten „Zwischendeck“, nach der Besatzung mit riesigem Abstand die meisten Todesopfer zu beklagen hatten.

Doch warum ist das so? Warum gab es so viele Opfer in der Dritten Klasse?

In der Populärkultur hat besonders der Film „TITANIC“ von James Cameron aus dem Jahr 1997 unser Bild von den Ereignissen geprägt. In einer eindringlichen Szene zeigt der Film, wie Passagiere der Dritten Klasse verzweifelt vor verschlossenen Gittertoren stehen. Sie wollen nach oben, dorthin, wo die Rettungsboote sind, werden aber von der Crew zurückgehalten und aufgefordert, ruhig zu bleiben. Dieses Bild hat sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und wird oft als Symbol für die Ungleichheit an Bord der TITANIC zitiert.

An dieser Grafik sieht man eindrucksvoll, wie hoch die Opferzahl in der dritten Klasse war. © Grafik Norbert Zimmermann

Doch historische Baupläne der TITANIC widersprechen dieser Darstellung. Es gab zwar Absperrgitter an Bord, doch diese befanden sich nicht an den Zugängen zu den Decks, die zu den Rettungsbooten führten. Die Pläne zeigen Gitter im vorderen Teil des Schiffes, wo sich die Posträume befanden, und im hinteren Bereich, wo Vorratsräume und Mannschaftsunterkünfte lagen. Diese Barrieren dienten weniger dazu, Passagiere die Wege zu blockieren, sondern eher zur Trennung von Arbeitsbereichen und Passagierbereichen.

Allerdings gab es nach Aussagen von Überlebenden aus der Dritten Klasse in der Tat einige Absperrungen, an denen die Passagiere aus dem Zwischendeck von der Besatzung zurückgehalten wurden.

Exemplarisch ist hier die Geschichte der jungen, 17jährigen Irin Kate Gilnagh (siehe auch Kapitel: „Die Longford Girls“) zu nennen.

Auf ihrem Weg zum Bootsdeck stand sie mit ihren drei Freundinnen vor einem verschlossenen Eisengitter und versuchte einen Seemann davon zu überzeugen es zu öffnen. Aber der Seemann weigerte sich beharrlich, bis es Kate Gilnaghs Landsmann Jim Farrell zu bunt wurde und er dem Seemann mit kraftvoller Stimme zurief:

„Um Himmels willen! Öffnen Sie das Gitter und lassen Sie diese Mädchen durch.“

Der entschiedene und barsche Ton brach den Widerstand des Seemannes, so dass er das Gitter endlich öffnete und die vier Mädchen durchließ.

Auch Daniel Buckley berichtete vor dem amerikanischen Untersuchungsausschuss davon, dass die Dritte Klasse Passagiere durch Gitter und durch Teile der Crew aufgehalten wurden:

Daniel Buckley:

„Ja, sie schafften es. Es war ein Zwischendeckpassagier dort, der die Stufen nach oben gehen wollte und gerade als er das tat, kam jemand aus einer Tür und stieß ihn nach unten, warf ihn aufs Zwischendeck. Der Kerl wurde richtig aufgeregt und rannte ihm hinterher, aber er konnte ihn nicht finden. Er sprang über das kleine Gitter, aber er fand ihn nicht.“

Senator Smith:

“Welches Tor meinen Sie?”

Daniel Buckley:

“Ein kleines Gitter oben an der Treppe, die in die Erste Klasse führte.“

Senator Smith:

„Dort war ein Gitter zwischen dem Zwischendeck und dem Erste Klasse Deck?”

Daniel Buckley:

“Ja. Das Erste Klasse Deck lag höher als das Zwischendeck, und es waren viele Stufen die dorthin führten, 9 oder 10 Schritte, und ein Gitter auf den obersten Stufen.“

Senator Smith:

„War das Gitter verschlossen?“

Daniel Buckley: