TITANIC - Chronologie einer Katastrophe - Norbert Zimmermann - E-Book

TITANIC - Chronologie einer Katastrophe E-Book

Norbert Zimmermann

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Beschreibung

Dieses Buch erzählt die Geschichte der TITANIC beginnend mit ihrer Planung und Fertigstellung im irischen Belfast bis zum Auslaufen in Southampton. Der Verfasser des Buches zeigt auch die Ungereimtheiten auf, die sich um die Kollision der TITANIC mit dem Eisberg ranken und beschreibt, was nach Stand der TITANIC-Forschung in den letzten Stunden vor dem Untergang geschehen ist. Auch auf die vielen tragischen Schicksale der Tragödie wird ausführlich eingegangen sowie die späteren Sündenböcke der Katastrophe näher beleuchtet.

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Seitenzahl: 374

Veröffentlichungsjahr: 2019

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„Wir bauten das Schiff so, dass es schwimmen konnte. Wir bauten es nicht, damit es gegen einen Eisberg oder eine Klippe fahren konnte. Unglücklicherweise geschah gerade das.“

(Alexander Carlisle, Direktor der Werft Harland & Wolff)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ein Mythos wird geboren

Die Planung einer Legende

Der Bau der TITANIC in Belfast

Deutsche Wertarbeit auf der TITANIC

Die letzte Reise der TITANIC

Die Jungfernfahrt der TITANIC beginnt

Glückliche Fügungen des Schicksals

Die Eiswarnungen

Die Kollision mit dem Eisberg

Die Evakuierung des Schiffes

Das geschah beim Untergang der TITANIC

TITANIC-Schicksale

Das Drama der Familie Allison

Das legendäre Ehepaar Straus

Der stilvolle Untergang des Benjamin Guggenheim

Der Ehering von Gerda Lindell

Die tragische Geschichte der Familie Goodwin

Thomas Millar und die Geschichte der zwei Pennies

Der traurige Tod des Frederick Fleet

Die zerstörte Ehre des Masabumi Hosono

Skandinavische Schicksale

Margaret Rice und ihre fünf Kinder

Das Schicksal der TITANIC-Offiziere

Die ältesten Überlebenden der TITANIC

Die Sündenböcke der Katastrophe

Stanley Lord und die Californian

Der ruinierte Ruf von Bruce Ismay

Der "unfähige" Kapitän Smith

Interessante Verschwörungstheorien und böse Omen

Passagier- und Mannschaftsliste der TITANIC

Quellenangaben

Einleitung

Seit dem Untergang der RMS TITANIC sind nun bereits über 105 Jahre vergangen, aber die Faszination des großartigen Schiffes, dass auf seiner Jungfernfahrt unterging, ist bis heute ungebrochen. Als im April 1912 das ganze Ausmaß der Katastrophe offenbar wurde, fiel die Welt in eine Art Schockstarre. Dieses „unsinkbare“ Schiff war gesunken? Unmöglich! Aber leider wahr…

Schon als die 712 Überlebenden der TITANIC noch auf dem Rettungsschiff Carpathia auf dem Weg nach New York waren, überschlug sich die Presse mit Meldungen über den Untergang des Luxusliners. Da aber noch keine Augenzeugen zu befragen waren, die ganze Welt aber wissen wollte was passiert war, erfanden viele Zeitungen kurzerhand Geschichten über den tragischen Untergang. Als die Überlebenden schließlich in New York eintrafen, hatten sich viele Märchen und Lügen bereits verselbstständigt und waren nun als „Tatsachen“ in der Presse zu lesen.

Die Katastrophe markierte in vielerlei Hinsicht das Ende einer Ära. Nur zwei Jahre später erschütterte der Erste Weltkrieg die gesamte bisher geltende Ordnung und der Untergang der TITANIC rückte verständlicherweise in den Hintergrund. Erst als in den 1950er Jahren die ersten Hollywoodfilme über den Untergang der TITANIC erschienen rückte das tragische Schiff wieder in das Bewusstsein der Menschen zurück.

Einen großen Anteil daran, dass die Geschichte der TITANIC wieder in den Fokus der Menschen rückte, hat ohne jeden Zweifel Edward Kamuda (10.11.1939 – 13.04.2014) der am Sonntag, den 7.Juli 1963 gemeinsam mit fünf Freunden die Titanic Historical Society gründete, die erste Organisation, die sich mit dem Untergang und der Historie der TITANIC beschäftigte.

Nun hatten auch die sogenannten Titanic-Enthusiasten eine Anlaufstelle gefunden und bis heute existieren weltweit zahlreiche Titanic-Vereine oder Clubs. Durch den mit 11 Oscars prämierten Blockbuster „TITANIC“ von James Cameron erlebte das Thema Titanic ab 1997 einen regelrechten Boom, auch in Deutschland. Endlich waren auch deutschsprachige Titanic-Bücher erhältlich und auch die Fernsehsender sendeten eine Titanic-Sendung nach der anderen.

Der Titanic-Boom ist inzwischen längst Geschichte und von den zahlreichen damaligen „Fans“ sind die meisten schon längst nicht mehr aktiv. Sie waren eher Fans des Kinofilms als dass sie sich wirklich für die Geschichte der TITANIC interessierten. Dabei ist die Historie des legendären Schiffes bis heute faszinierend und traurig zugleich.

Nachdem am Sonntag, den 1.September 1985 das Wrack der TITANIC offiziell gefunden wurde, hat sich auch in der TITANIC-Forschung vieles geändert. Allein beim Studium alter TITANIC-Bücher fällt sofort auf, dass durch neuere Forschungen am Wrack und durch teilweise sehr überraschende Archivfunde vieles von dem hinfällig ist, was in diesen Büchern geschrieben steht.

Dieses Buch erzählt die Geschichte der TITANIC beginnend mit ihrer Planung und Fertigstellung im irischen Belfast bis zum Auslaufen in Southampton. Der Verfasser des Buches zeigt auch die Ungereimtheiten auf, die sich um die Kollision der TITANIC mit dem Eisberg ranken und beschreibt, was nach Stand der TITANIC-Forschung in den letzten Stunden vor dem Untergang geschehen ist.

Es wird in diesem Buch auch auf die späteren Sündenböcke der Katastrophe eingegangen und wieviel diese Personen tatsächlich eine Mitschuld am Untergang des Schiffes trugen.

Zur Geschichte der TITANIC gehören die teilweise sehr tragischen Schicksale der Menschen an Bord des Luxusliners. Einige dieser sehr bewegenden und traurigen Schicksale werden in diesem Buch erzählt. Es hätte ein ganzes Buch gefüllt um alle Geschichten zu erzählen, daher sind hier nur einige aufgeführt.

In diesem Buch wird auch auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Auseinanderbrechen des Schiffes berichtet, die James Cameron in seinem Buch „Mission Titanic“ publik gemacht hat.

Der Verfasser hofft, dass dieses Buch nun auf dem neuesten Stand der TITANIC-Forschung ist.

Norbert Zimmermann im März 2019

Ein Mythos wird geboren

Die Planung einer Legende

Die Epoche in der die TITANIC geplant und gebaut wurde fiel in eine Zeit des gesellschaftlichen und politischen Wandels. Seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 hatte es in Europa keinen Krieg mehr gegeben und die sogenannte zweite Welle der industriellen Revolution hatte für einen gewissen Wohlstand gesorgt der allerdings fast ausnahmslos den Reichen zugutekam. Es herrschte das Zeitalter der „Belle Époque“ und in gehobenen Kreisen war man sehr optimistisch in Bezug auf die kulturellen und politischen Aussichten (Wie sehr die reichen Zeitgenossen allerdings mit ihrer optimistischen Einschätzung danebenlagen zeigte sich im August 1914 als der Erste Weltkrieg ausbrach und dabei die gesamte europäische Landkarte für immer veränderte. Viele Historiker bezeichnen bereits den Untergang der TITANIC als eigentliches Ende der Belle Époque…).

Für die einfachen Leute in Europa war die „Belle Époque“ weniger schön, denn an ihnen ging der Reichtum selbstverständlich komplett vorbei. Er wurde eher auf ihrem Rücken erwirtschaftet. Die einfachen Arbeiter in den Fabriken begannen nun sich in Gewerkschaften zu organisieren um wenigstens etwas menschenwürdiger von ihren Arbeitgebern bezahlt und behandelt zu werden. Natürlich stieß auch das auf erbitterten Widerstand.

Die Frauen in den USA und Großbritannien gingen für ein eigenes Wahlrecht auf die Straße, welches Neuseeland altes erstes Land im Jahre 1893 eingeführt hatte. Sie schreckten dabei auch nicht vor Gewalt zurück um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Die sogenannten „Suffragetten“ hielten etwa ab dem Jahre 1903 die Staatsmacht, die sich natürlich fest in männlicher Hand befand, in Atem. Diese reagierte teilweise mit roher Gewalt gegen die Frauen und sehr viele der Suffragetten landeten im Gefängnis.

Wer es von den armen Leuten irgendwie bewerkstelligen konnte, versuchte durch Auswanderung in die sogenannte „Neue Welt“ der Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen. Einen großen Anteil der Auswanderer in die USA stellte das bettelarme und von großen Unruhen zwischen Katholiken und Protestanten gebeutelte Irland, aber auch die skandinavischen Staaten waren sehr stark vertreten.

In jener Zeit war das Schiff das einzige Transportmittel in die „Neue Welt“ und so fand zwischen den einzelnen Schifffahrtslinien ein regelrechtes Wettrüsten um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren um die lukrativen Passagen über den Atlantik statt. Die Schiffe wurden auf den Transport von möglichst vielen Auswanderern ausgelegt, da mit ihnen der größte Ertrag zu erzielen war.

Zwar lockten die Schiffe mit sehr viel Luxus in der Ersten Klasse die reichen Passagiere an, aber der eigentliche Gewinn wurde in der dritten Klasse, dem sogenannten „Zwischendeck“ erzielt.

Um diesen hart umkämpften Markt stritten sich am Anfang des letzten Jahrhunderts das aufstrebende kaiserliche Deutschland mit der Hamburg Amerika Linie (später HAPAG) und dem Norddeutschen Lloyd sowie die britischen Linien Cunard Line und White Star Line, die sich von der deutschen Konkurrenz zunehmend bedroht fühlten.

Angeheizt wurde das Ganze zusätzlich vom amerikanischen Finanzier J.P.Morgan (17.April 1837 – 31.März 1913) zu dessen Konzern IMM (International Mercantile Marine) die traditionsreiche White Star Line inzwischen gehörte. Ihren Firmensitz behielt die White Star Line allerdings weiterhin im englischen Liverpool. Doch wie kam es dazu, dass sich J. P. Morgan eine solche Stellung in der Schifffahrt sichern konnte? Als knallhart kalkulierender Geschäftsmann sah Morgan die enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten die sich ihm in dieser Branche boten. Im Jahre 1900 stellte er gemeinsam mit einer Gruppe von 20 Gesellschaftern die Summe von 20 Millionen US-Dollar bereit mit der die beiden bedeutenden amerikanischen Reedereien Atlantic Transport Line (ATL) und die International Navigation Company aufgekauft wurden.

Durch diesen Coup verfügte Morgan auf einen Schlag über eine Flotte von 40 Schiffen, von denen die meisten Frachter waren. Das war Morgan allerdings noch lange nicht genug, denn danach nahm er Großbritannien ins Visier. Im April 1901 bezahlte er 12 Millionen Dollar in bar für die Reederei Leyland Line, die seinerzeit die größte transatlantische Frachter Linie mit 40 Schiffen war. Knapp 10 Monate später wagte er sich an einen ganz großen Fisch: Die renommierte White Star Line!

Nach zähen Verhandlungen kaufte Morgan das traditionsreiche Unternehmen mit ihren acht großen Passagierschiffen für damals gigantische 40 Millionen Dollar in bar und in Aktien und schockte damit das Königreich. Fast schon nebenbei erwarb sich Morgan zusätzlich die Dominion Line für das Taschengeld von 4,5 Millionen Dollar. Die Dominion Line brachte 6 Passagier und Frachtschiffe mit in diese Verbindung.

Damit hatten sich Morgan und seine Partner innerhalb nur eines Jahres eine Flotte von etwa 100 Schiffen zugelegt, die etwa ein Drittel der Tonnage darstellten, die damals zwischen Europa und Nordamerika verkehrten. Am Donnerstag, den 20.Februar 1902 schlossen die beiden deutschen Reedereien Hamburg-Amerika Linie sowie der Norddeutsche Lloyd mit Morgan einen 10-Jahres Vertrag. Beide Reedereien hatten nicht die Absicht an Morgan zu verkaufen, wollten aber eine gemeinsame Politik mit Morgan verfolgen um einen übermäßigen Wettbewerb zu vermeiden.

Am Mittwoch, den 1.Oktober 1902 verkündete J. P. Morgan die Bildung der International Mercantile Marine Company (IMM) die er mit einer Kapitalausstattung von 170 Millionen US-Dollar versah.

Der Finanzier J.P.Morgan bewahrte die USA in den Jahren 1895 und 1907 als Anführer einiger mächtiger Investorengruppen vor dem Staatsbankrott.

Die IMM hatte zu Zeiten der TITANIC folgende Schifffahrtslinien unter seiner Herrschaft:

American Line

Red Star Line aus Belgien

Dominion Line

Leyland Line

White Star Line

Atlantic Transport Line

International Navigation Company

Der große und langjährige Konkurrent der White Star Line, die Cunard Line, weigerte sich an die IMM und Morgan zu verkaufen und ihr Präsident übte so lange Druck auf das britische Parlament aus, bis es ein Darlehen in Höhe von 2,5 Millionen britischer Pfund (das entspricht etwa 243 Millionen Pfund im Jahre 2015) für den Bau neuer Schiffe sowie jährliche Subventionen in Höhe von 150 000 Pfund bewilligte.

Als Antwort darauf begann im Jahre 1903 die White Star Line unter strenger Geheimhaltung aller Beteiligten die Planung für den Bau der Schiffe der Olympic-Klasse. Kurz darauf wurden dann die Verträge mit Harland & Wolff für den Bau eines riesigen Docks in Belfast unterzeichnet dessen Bau im Jahre 1904 begann.

Die Firmengeschichte der Belfaster Werft Harland & Wolff begann im Jahre 1851 als die Werft Thompson & Kirwan zum Bau hölzerner Schiffe als erster Vorläufer der Werft gegründet wurde. Zwei Jahre später eröffnete Robert Hickson ein Unternehmen zum Bau eiserner Schiffe. Ein Jahr darauf übernahm Edward James Harland aus dem englischen Newcastle die Leitung der Hickson- Werft und wurde 1858 auch ihr Eigner.

Finanzielle Unterstützung erhielt Harland von Gustav Christian Schwabe, dem damaligen Juniorpartner der Firma John Bibby, Sons & Co. Ltd in Liverpool. Von dort erhielt Harland den Auftrag zum Bau dreier Schiffe (Venetian 1859, Sicilian 1860 sowie Syrian 1860).

Aus dem Bau dieser Schiffe ergaben sich fünfzehn Folgeaufträge an weiteren Segeldampfern (Grecian, Italian, Egyptian, Dalmatian usw.) für die Werft. Um die lukrativen Aufträge auch bewältigen zu können, trat am Mittwoch, den 1.Januar 1862 der deutschstämmige Ingenieur Gustav Wolff (der Neffe von Gustav Christian Schwabe) offiziell als Partner in die Firma ein und so entstand die Schiffswerft Harland & Wolff Ltd.

Durch Gustav Schwabe entwickelte sich eine besonders lukrative Partnerschaft, denn er brachte den Gründer der White Star Line, Thomas Henry Ismay dazu, die Schiffe seiner Reederei bei Harland & Wolff zu bestellen. So begann auch der großartige Aufstieg der Werft.

Durch ein Agreement zwischen Harland & Wolff und der White Star Line baute Harland für keinen direkten White Star – Konkurrenten und die Reederei ihrerseits ließ ihre neuen Schiffe ausschließlich von Harland & Wolff bauen. Die goldene Ära von Harland & Wolff hat dort ihren Ursprung. Über viele Jahrzehnte war die Werft eine der besten der Welt, zeitweise sogar die beste.

Aber diese Ära ging endgültig durch die schwere Werftenkrise in den 1960er und 1970er Jahren in England zu Ende und so wurde Harland & Wollf im Jahre 1977 in die British Shipbuilders Corporation eingegliedert und sechs Jahre später wieder privatisiert.

In heutiger Zeit ist ihr Hauptgeschäft allerdings nicht mehr der Schiffsbau, sondern die Reparatur und Überholung von Schiffen.

Das frühere Harland & Wolff Hauptquartier im Jahre 2017 in Belfast. Rechts im Bild sind noch die berühmten Harland & Wolff Kräne zu sehen.

Auch in der Belfast City Hall wird an Harland & Wolff und die TITANIC erinnert.

Im Jahre 1907 stellte Cunard die beiden Turbinendampfer Lusitania und Mauretania in Dienst. Als die beiden Schiffe ihren Dienst begannen, waren sie mit über 30 000 Bruttoregistertonnen die größten Schiffe der Welt.

Die Mauretania errang mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 26 Knoten das sogenannte Blaue Band, das für die schnellste Überquerung des Atlantiks vergeben wurde und hielt diesen Rekord 22 Jahre lang.

Ihr Schwesterschiff Lusitania, welches zuvor für einige Zeit das Blaue Band gehalten hatte, erreichte durch ihre Versenkung durch das deutsche U-Boot U 20 im 1.Weltkrieg am Freitag, den 7.Mai 1915 traurige Berühmtheit. Vor allen Dingen die Umstände ihrer Versenkung sind bis heute höchst umstritten.

Die legendäre Lusitania wurde im 1.Weltkrieg vom deutschen U-Boot U-20 versenkt.

Eher weniger bekannt ist, dass es bereits eine „erste“ White Star Line gab, die von John Pilkington und Henry Threlfall Wilson in Liverpool (England) gegründet wurde. Die Reederei charterte zunächst Segelschiffe (Tayleur, Blue Jacket, Red Jacket, Ellen und Iowa) für den Handel zwischen Großbritannien und Australien. Das Reedereisymbol war ein weißer Stern auf rotem Grund. Ein furchtbarer Schlag für die „erste“ White Star Line war der Untergang der Tayleur auf ihrer Jungfernfahrt in einem Sturm an der irischen Küste im Jahre 1854 bei dem über 300 Menschen ums Leben kamen (Irgendwie schienen Jungfernfahrten, egal von welcher White Star Line, unter keinem besonders guten Stern zu stehen…)

Im Jahre 1863 kaufte die White Star Line mir der Royal Standard ihr erstes Dampfschiff. Um neue Routen zu erschließen versuchte die Führung von White Star mit anderen Schifffahrtslinien zu fusionieren, aber sämtliche Bestrebungen scheiterten schließlich, sodass man sich auf die Verbindung zwischen Liverpool und New York konzentrierte. Im Jahre 1867 kam dann das jähe Aus für die „erste“ White Star Line: Ihre Hausbank Royal Bank of Liverpool musste Konkurs anmelden und das führte wiederum zum Konkurs der White Star Line die kurz zuvor recht groß in neue Schiffe investiert hatte.

Zwei Jahre später gründete Thomas Henry Ismay, ehemaliger Direktor der National Line, die Oceanic Steam Navigation Company um einen regelmäßigen Liniendienst von Liverpool nach New York zu gewährleisten. Zuvor hatte Ismay für 1000 Pfund Sterling das alte Reedereisymbol sowie den Handelsnamen der bankrotten White Star Line erstanden.

Auf das prestigeträchtige „Blaue Band“ hatten es J.Bruce Ismay, der Präsident der White Star Line und sein Finanzier J.P. Morgan schon lange nicht mehr abgesehen, denn sie waren übereingekommen, bei White Star auf Komfort und Luxus statt wie Cunard auf Schnelligkeit ihrer Schiffe zu setzen. Schon länger hatte Ismay den Traum, eine Dreierflotte von Luxuslinern zu bauen und mit Morgans Geld rückte diese Vision in greifbare Nähe.

Einer weit verbreiteten Legende nach soll der Entschluss zum Bau der Schiffe bei einem Abendessen von Bruce Ismay und Lord William James Pirrie im Downshire House in London im Juli 1907 gefallen sein. Allerdings scheint das in der Tat nur eine Legende zu sein die sich aber sehr lange gehalten hat. Die Namen der drei Schiffe sollte niemand jemals wieder vergessen: OLYMPIC, TITANIC und BRITANNIC.

Um das dritte Schiff BRITANNIC rankt sich seit vielen Jahrzehnten das Gerücht, dass es ursprünglich GIGANTIC heißen sollte, aber nach dem tragischen Untergang der TITANIC in BRITANNIC umbenannte wurde. Allerdings existieren dem Vernehmen nach alte Werftunterlagen von Harland & Wolff von Oktober 1911, also ein halbes Jahr vor dem TITANIC-Desaster in denen bereits vom Namen BRITANNIC die Rede ist. Das würde das weit verbreitete Gerücht widerlegen, dass der Name BRITANNIC erst nach dem Untergang zugeteilt wurde.

Ähnlich wie seiner berühmten Schwester war auch der BRITANNIC kein langes Leben vergönnt. Ohne jemals seiner eigentlichen Bestimmung als Passagierschiff nachgekommen zu sein, lief sie am Sonntag, den 19.November 1916, zum Lazarettschiff umgebaut, während des ersten Weltkrieges zwischen den Inseln Kea und Makronisios auf eine deutsche Mine und sank. Im Gegensatz zu ihrer berühmten Schwester TITANIC konnten die meisten Passagiere, größtenteils Soldaten, gerettet werden und es waren „nur“ 30 Todesopfer zu beklagen. Der Untergang der BRITANNIC bedeutete das Ende der OLYMPIC-Klasse auf die damals die White Star Line so viele Hoffnungen gesetzt hatte. Von den beiden berühmten Schiffsuntergängen ihrer Schiffe erholte sich die White Star Line nicht mehr und 1934 fusionierte sie schließlich ausgerechnet mit ihrem größten Konkurrenten Cunard Line zur Cunard White Star Ltd. Ein Jahr später begann dann die Verschrottung der OLYMPIC, die sich über viele Jahre den tadellosen Ruf als „Old Reliable“ („Alte Zuverlässige“) erworben hatte. Nach dem zweiten Weltkrieg kaufte Cunard sämtliche White Star Aktien und seit 1950 war der Name White Star verschwunden. Bis heute existiert die Cunard Line noch immer und zu ihrer Flotte zählt unter anderem die Queen Mary 2.

Das Lazarettschiff BRITANNIC während des 1.Weltkrieges.

Der Bau der TITANIC in Belfast

Nachdem die Cunard Line mit der Mauretania und der Lusitania vorgelegt hatte, erhielt Harland & Wolff am Dienstag, den 30.April 1907 von der White Star Line den offiziellen Auftrag zum Bau der OLYMPIC, welche die Werftnummer 400 erhielt, und der TITANIC die die Nummer 401 bekam.

Dieser neue Auftrag stellte Harland&Wolff vor ein organisatorisches Problem: Die Ausmaße der beiden Schiffe sprengten die Kapazitäten der Werft! Es wurden umfangreiche Umbauarbeiten in der Werft nötig deren Docks seit 1904 bereits vergrößert wurden.

Um das ehrgeizige Projekt der neuen Riesenliner realisieren zu können, mussten drei Helligen (Unter einer Helling (auch (der)Helgen) versteht man ursprünglich den Platz in der Werft, auf dem ein Schiff gebaut wird, genau genommen die schräg abfallende Fläche, auf der es anschließend beim Stapellauf zu Wasser gelassen wird) in Belfast abgerissen werden und durch zwei neue, riesige Helligen ersetzt werden.

Das Thompson Graving Dock in Belfast im Jahre 2017.

Auch die Gerüstkonstruktion beim Bau der beiden riesigen Schiffe wurde von Harland&Wolff selbst entwickelt. Sie war 80 Meter hoch, 290 Meter lang und war mit 16 Laufkränen ausgestattet. Sie ließ sich über vier Aufzüge und schräg abfallende Gänge erreichen. Nach zwei Jahren Bauzeit und 100 000 Pfund (heute etwa 10 Millionen Euro) Gesamtkosten war die Konstruktion bereit für ihre Nutzung.

Die beiden Schiffe hatten einen identischen Grundaufbau mit jeweils drei Schiffsschrauben, zwei Garnituren von Vier-Zylinder-Kolbendampfmaschinen von denen jede eine Schiffsschraube bewegen sollte und einer 420 Tonnen Tiefdruckturbine, die dann die mittlere Schraube mit Dampf aus den Hauptaggregaten antreiben sollte.

Ein besonderer Clou waren die vier Schornsteine, von denen der hintere nur als eine Art Dunstabzug genutzt wurde. Eine Attrappe, wie in so vielen Büchern geschrieben wird, war er also nicht. Heutzutage erscheinen vier Schornsteine etwas arg überdimensioniert, aber damals herrschte die Meinung, dass vier Schornsteine ein Schiff noch größer und majestätischer aussehen lassen würden, aber notwendig waren sie nicht wirklich.

Der Dampf kam aus den 29 Hauptkesseln, die aus 24 sogenannten Doppelendern und 5 Einenderkesseln bestanden.

Die Konstruktion und Anordnung der Schotten bei der TITANIC wurden nach der Katastrophe kontrovers diskutiert. Die TITANIC verfügte über 16, durch 15 wasserdichte Schotten entlang des Schiffsrumpfes gebildete, wasserdichte Abteilungen. Sechs davon reichten bis zum D-Deck, acht zum E-Deck und eines bis zum F-Deck. Jedes Schott hatte eine automatische, wasserdichte Tür, die durch eine Reibungskupplung offen gehalten wurde und die durch einen Magneten von der Brücke aus bedient werden konnte. So konnte der Kapitän durch ein einfaches Umlegen des Schalters alle Schotttüren von der Brücke aus sofort schließen.

Eine großartige Erfindung, die auch das angesehene Magazin „The Shipbuilder“ im Jahre 1911 thematisierte: „Die wasserdichte Unterteilung der OLYMPIC und TITANIC ist sehr umfassend und so gestaltet, dass jeweils zwei Hauptabteilungen geflutet werden können, ohne die Sicherheit des Schiffes zu gefährden.“

Am Mittwoch, den 16.Dezember 1908 wurde die erste Kielplatte der OLYMPIC gelegt, was bei ihrer Schwester TITANIC am Montag, den 22.März 1909 geschah.

In den meisten Publikationen zur TITANIC ist Mittwoch, der 31.März 1909 als Tag der Kiellegung genannt worden, aber im Notizbuch der Werft Harland & Wolff, das im nordirischen Staatsarchiv in Belfast liegt, ist Montag, der 22.März 1909 als Termin vermerkt!

Ein seltenes Bild: Die Schwesterschiffe OLYMPIC und TITANIC Seite an Seite.

Jede einzelne Bauphase der Schiffe sollte dokumentiert werden und daher engagierte Harland&Wolff den Fotografen Robert Welsh, dem wir die großartigen Bildaufnahmen der beiden Schwesterschiffe zu verdanken haben, die zum Glück noch heute existieren.

Eine personelle Umbesetzung gab es im März 1910 um die es noch heute kontroverse Diskussionen gibt: Nach beinahe 40 Jahren Dienstzeit verließ Chefkonstrukteur Alexander Carlisle aus gesundheitlichen Gründen die Werft Harland&Wolff!

In den letzten Jahren tauchte vermehrt die Mutmaßung auf, dass sein Ausscheiden mit einem Streit zusammenhing den Carlisle mit seinem Schwager Lord William James Pirrie gehabt haben soll. Dabei soll es um die Anzahl der Rettungsboote an Bord der TITANIC gegangen sein (Carlisle forderte 64 Rettungsboote, die der Anzahl der Passagiere an Bord entsprochen hätten, aber Bruce Ismay intervenierte und setzte im Verbund mit Pirrie 16 Rettungsboote plus 4 Faltboote durch). In der sehr gelungenen Dokumentation „TITANIC-Geburt einer Legende“ aus dem Jahre 2005 wurde diese These nochmals aufgegriffen und auch so dargestellt, dass Alexander Carlisle aufgrund dieses Streits Harland&Wolff verließ. Das scheint aber mutmaßlich nicht den Tatsachen zu entsprechen.

Der Nachfolger Alexander Carlisles als Konstrukteur der TITANIC wurde daraufhin Lord Pirries Neffe Thomas Andrews, der allerdings schon vorher an den Plänen mitgearbeitet hatte und nun die alleinige Federführung übernahm.

Der 37jährige Andrews hatte schon im Alter von 11 Jahren die Royal Belfast Academical Institution besucht und als er 16 Jahre alt war seine Tätigkeit bei Harland & Wolff begonnen. Zunächst arbeitete er vier Monate in der Schreinerei, gefolgt von zwei Monaten auf den Schiffen der Werft. Die letzten achtzehn Monate seiner fünfjährigen Ausbildung verbrachte er dann im Zeichenbüro. Bereits im Jahre 1901 wurde er Leiter der Konstruktionsabteilung und 1907 wurde er einer der technischen Direktoren der Werft. Im Privatleben war er seit dem 24.Juni 1908 mit Helen Reilly Barbour, der Tochter eines Direktors bei Harland & Wolff verheiratet und am 27.November 1910 erblickte Tochter Elizabeth Law Barbour Andrews, genannt Elba, das Licht der Welt. Bei den Mitarbeitern der Werft war Andrews durch die Tatsache, dass er trotz seiner familiären Verbindung keine Bevorzugung bei der Ausbildung genoss, sehr beliebt und hoch angesehen.

Eine Gruppe von rund 550 Hellingarbeitern hatte die Aufgabe die Spanten der TITANIC, quasi das Gerippe des Luxusliners, auf beiden Seiten zu setzen. (Die Spanten reichten vom Schiffsboden bis zum obersten Deck) Diese Aufgabe war Ende April 1910 erledigt. Kurz zuvor waren bei der OLYMPIC die Innenarbeiten an den Decksbalken, den Decks und der Außenhautbeplattung abgeschlossen worden, nachdem die Spanten dort im November 1909 gesetzt wurden.

Am Mittwoch, den 19.Oktober 1910 war die Beplattung der TITANIC durch eine speziell entwickelte hydraulische Nietung fertig gestellt. Die Stahlplatten wurden dann schindelartig übereinander in Dreierreihen vernietet. Das Prozedere des Nietens lief dabei folgendermaßen ab: Es wurde zum Teil mit pressluftbetriebenen Niethämmern als auch von Hand vernietet, wobei die Niete im Inneren des Schiffes von einem sogenannten „Heater Boy“ über einem Kohlefeuer bis zur Weißglut erhitzt wurde. Dieser warf sie dem „Catch Boy“ zu, der sie in einer Holzschüssel auffing und mit einer Zange durch die Bohrung zweier sich überlappender Stahlplatten schob.

Der „Holder up“ hielt den Kopf des Niets dann mit einem schweren Hammer an Ort und Stelle, während der vierte Mann, der „Basher“, von der anderen Seite der Stahlplatte den Niet flach schlug. Nach dem Abkühlen der Niete waren die Platten fest miteinander verbunden.

Werftarbeiter von Harland&Wolff vor den riesigen Schiffsschrauben der TITANIC.

Ende November 1910 fällt die Entscheidung, zugunsten der Fertigstellung der OLYMPIC die Arbeiten an der TITANIC zu verlangsamen. Die TITANIC soll nicht mehr 1911, sondern erst 1912 auf ihre Jungfernfahrt gehen. Am Ende beträgt die Bauverzögerung an der TITANIC übrigens volle 30 Wochen!

Die Testfahrten der OLYMPIC offenbarten einige Probleme, von denen eines die starke Vibration des Schiffes war. Ferner bemerkte man auch, dass der Rumpf des Schiffes „keuchte“, was bedeutet, dass er sich statt gerade zu sein nach innen und außen bog was bei ruhiger See nicht passieren dürfte.

Nachdem diese Probleme lokalisiert waren, wurde beim Bau der beiden Schiffe fortan mehr Stahl verwendet, da man annahm, dass man dadurch die Schiffe stabilisieren könne.

In der TV-Dokumentation“ Die Schwachstelle der TITANIC“ äußerte sich der TITANIC-Historiker Tom McCluskie folgendermaßen dazu:

„Selbst dann entstanden noch gefährliche Risse. An den Belastungsstellen fügte man eine doppelte Plattierung hinzu. Außen sowie innen. Sie nahmen einige Modifikationen am Schiff vor. Ähnliche Veränderungen wurden auch an der im Bau befindlichen TITANIC gemacht. Eine der auffälligsten: Das Promenadendeck! Auf der OLYMPIC offen, auf der TITANIC geschlossen. Man berichtet nichts über die Risse oder Vibrationen, nur dass White Star ein französisches Cafe nachbaut, das Cafe Parisien. Sie behaupteten, dass sie es wegen der Luxuskabinen und dem Cafe Parisien machten.

Andrews Aufzeichnungen zeigen, dass es diesen Teil des Schiffes stabilisierte.“

Für Mittwoch, den 31.Mai 1911 hatte sich die White Star Line zusammen mit Harland&Wolff etwas ganz Besonderes ausgedacht: Es fanden am selben Tag sowohl der Stapellauf der TITANIC als auch die Übergabe der OLYMPIC, deren Stapellauf am Donnerstag, den 20.Oktober 1910 stattgefunden hatte, an die White Star Line statt!

Der Belfast News-Letter schrieb über den Stapellauf:“ Über dem Bug des Schiffes flatterte die Fahne der White Star Company und ein Codesignal wurde ausgestoßen, welches das Wort „Erfolg“ buchstabierte“.

Auch J.P. Morgan war bei den Feierlichkeiten zugegen und hoffte auf diesen Erfolg. Lord James Pirrie und J. Bruce Ismay machten in letzter Minute eine Inspektion des Druckmessers für die hydraulischen Stapellaufauslöser. Der Rumpf der TITANIC glitt dann, begleitet von Raketen und Jubelrufen der mehr als 100 000 Zuschauer, wie geplant über 22 000 Tonnen Talg, Schmieröl und Seife in den Fluss Lagan.

Der gesamte Vorgang des Stapellaufes dauerte (wie bei der OLYMPIC) nur 62 Sekunden und danach wurde das Schiff von Schleppern zum Ausrüstungskai gezogen, wo die Innenausstattung vorgenommen wurde.

Wie bei der White Star Line üblich, fand auch bei der TITANIC keine Schiffstaufe statt. Zeitgenossen beschrieben es folgendermaßen: „Sie bauen sie fertig und schubsen sie ins Wasser!“ Auch „The Shipbuilder“ feierte die Konstrukteure der beiden Schwesterschiffe:“ Die Konstrukteure der OLMPIC und TITANIC, das gefeierte Unternehmen Harland&Wolff Limited, hatte einen nie dagewesenen Erfahrungsschatz im Bau großer Passagierschiffe und die neuen Linienschiffe der White Star fügen dieser Erfolgsgeschichte noch einen weiteren Triumph hinzu.“

Unmittelbar vor dem Stapellauf ereignete sich allerdings noch ein tragischer Zwischenfall: Nachdem sich die Arbeiter vom Rumpf des Schiffes entfernt hatten, fiel beim obligatorischen Durchzählen der Männer auf, dass der Arbeiter James Dobbin fehlte. Wie sich herausstellte, war ein Holzpfahl der Konstruktion für den Stapellauf zusammengebrochen und hatte dabei das Bein von Dobbin eingeklemmt. Zwar fanden ihn seine Kollegen recht schnell und zogen ihn heraus, aber einen Tag später erlag Dobbin seinen schweren Verletzungen.

Beim Bau der TITANIC gab es laut einer Liste von Harland & Wolff vom Mittwoch, den 10.April 1912, dem Auslauftag der TITANIC, 8 Tote, 28 Schwerverletzte und 218 kleinere Unfälle zu verzeichnen.

Die OLYMPIC fuhr unterdessen nach einem kurzen Zwischenstopp im Heimathafen Liverpool weiter nach Southampton, wo sie für ihre Jungfernfahrt nach New York hergerichtet wurde, zu der sie schließlich am Mittwoch, den 14.Juni 1911 unter dem Kommando von Edward John Smith auslief.

Auch J.Bruce Ismay war an Bord der OLYMPIC um sich persönlich einen Eindruck über das neue Schiff zu verschaffen. Dieser Eindruck fiel mehr als positiv aus und ließ für die TITANIC noch mehr erhoffen.

Auf ihrer Jungfernfahrt erreichte die OLYMPIC eine sehr beachtliche Durchschnittsgeschwindigkeit von 21,17 Knoten die sie auf dem Rückweg noch auf 22,32 Knoten steigern konnte. Sowohl die White Star Line als auch Harland& Wolff waren damit zufriedengestellt.

Noch während der Jungfernfahrt der OLYMPIC telegrafierte ein begeisterter Bruce Ismay am Dienstag, den 20.Juni 1911 die Bestellung eines dritten Schwesternschiffes zu Harland & Wolff.

Die OLYMPIC wurde schon sehr schnell zum Publikumsmagneten und so traf es die White Star Line bis ins Mark, dass ihr neues Flaggschiff während ihrer fünften Überfahrt am Mittwoch, den 20.September 1911 beim Verlassen des Hafens von Southampton mit dem bewaffneten und veralteten Kreuzer HMS Hawke kollidierte. Dabei trugen beide Schiffe nicht unerhebliche Schäden davon, denn der Bug der HMS Hawke war sehr stark beschädigt worden, während die OLYMPIC einen zwölf Meter langen Riss am Heck als Schaden davontrug. Durch diesen Zwischenfall waren eine sofortige Inspektion und gleichzeitige Reparatur der OLYMPIC in Southampton nötig.

Zu diesem folgenschweren Vorfall wurde eine offizielle Untersuchung eingeleitet, die zu dem Ergebnis kam, dass die Schuld an der Kollision bei Kapitän Smith und der OLYMPIC lag, da der Lotse George Bowyer die Sogwirkung der OLYMPIC unterschätzten.

Allerdings ist dieses Urteil bis heute heftig umstritten, denn dass das Steuerrad der HMS Hawke wohl einen technischen Defekt hatte und daher im entscheidenden Moment blockierte, fiel in der Untersuchung unter den Tisch. Auch hat es nach Meinung von einigen Experten den Anschein, dass es an dieser Stelle des Hafens in Southampton einfach zu eng für ein Schiff der Größe der OLYMPIC und der HMS Hawke gewesen sei, so dass eine Kollision unausweichlich war.

Zumindest wäre es auch zu peinlich für die britische Marine geworden, wenn sie einen technischen Defekt eines ihrer Kreuzer hätte zugeben müssen. So war es dann wohl einfacher der White Star Line, die dazu noch mit amerikanischem Geld ausgestattet war, den schwarzen Peter zuzuschieben. Zumindest sind einige Historiker dieser Ansicht.

Am Freitag, den 6.Oktober 1911 musste die beschädigte OLYMPIC ins Belfaster Trockendock und es wurden zahlreiche Arbeiter der TITANIC für die sechswöchige, doch sehr umfangreiche Ausbesserungsarbeit abgezogen. Die ersehnte Jungfernfahrt der TITANIC, die ursprünglich für Mittwoch, den 20.März 1912 vorgesehen war, wurde daraufhin auf Mittwoch, den 10.April 1912 festgesetzt.

Bilder aus dem Popular Mechanics Magazine Ausgabe Dezember 1911

Unterdessen ging der Bau der TITANIC in die Endphase und im Januar 1912 kamen dann die 16 Rettungsboote aus Holz und die vier sogenannten Englehardt-Faltboote an Bord der TITANIC – Niemand konnte damals ahnen, welch große und entscheidende Rolle sie später noch spielen sollten…

Einen Monat später, am Donnerstag, den 8.Februar 1912 entgingen der spätere Premierminister Winston Churchill und Lord Pirrie auf einer Versammlung der Ulster Liberal Association in Belfast nur mit äußerst knapper Not schweren Ausschreitungen, die sich gegen sie beide richteten.

Lord William James Pirrie, der für einige Zeit das Amt des Oberbürgermeisters von Belfast innehatte, war ein Verfechter der irischen Unabhängigkeit (Home Rule Bill) was die Belfaster Bevölkerung gegen ihn aufbrachte. An jenem Abend eskalierte die Situation und Pirrie wurde auf offener Straße ausgepfiffen und von seinen eigenen Werftarbeitern verhöhnt und angegriffen.

Das war ein schwerer Schlag für Pirrie, der sich auch aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückzog und die TITANIC nie wieder zu Gesicht bekam.

Während seiner Zeit als Oberbürgermeister von Belfast wurde Pirrie vom damaligen König Edward VII in den Adelsstand erhoben und war fortan Baron Pirrie of the City of Belfast. Seit 1908 war Pirrie zusätzlich noch ein Ritter des Order of Saint Patrick.

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges war Pirrie unter anderem als Hauptrechnungsprüfer des Handelsschiffsbaus tätig. Im Alter von 74 Jahren wurde er im Jahre 1921 von König George V zum Viscount Pirrie of the City of Belfast erhoben.

Am Samstag, den 7.Juni 1924 starb William James Pirrie im Alter von 77 Jahren während einer Schiffsreise. Er hat bis heute tiefe Spuren in Belfast hinterlassen und sein Andenken wird in großen Ehren gehalten.

Gemälde von Lord William James Pirrie in der Belfast City Hall.

Am Samstag, den 24.Februar 1912 verlor die OLYMPIC bei ihrer Atlantiküberquerung auf der Steuerbordseite einen Schraubenflügel und musste umgehend zur Reparatur nach Belfast zurückkehren. Die TITANIC, deren Bau sich zu diesem Zeitpunkt bereits dem Ende näherte, musste ihr Trockendock verlassen, da alle anderen Liegeplätze viel zu klein waren um die Arbeiten an der OLYMPIC durchführen zu können.

Am Mittwoch, den 6.März 1912 wurde der Schraubenflügel der OLYMPIC schließlich ersetzt, während am Sonntag, den 31.März 1912 die Ausrüstung der TITANIC abgeschlossen werden konnte. Zum Thema Schraubenflügel der OLYMPIC ist erwähnenswert, dass sie einen Schraubenflügel der TITANIC erhielt, was bei einer seit Jahren kursierenden

Theorie eines gezielten Versicherungsbetruges als einer der Aufhänger dient (siehe Kapitel Interessante Verschwörungstheorien und böse Omen).

Am Freitag, den 29.März 1912 tagte in London die Vereinigung von Schiffsarchitekten und diskutierte über die mangelnde Zahl der Rettungsboote auf Schiffen sowie die veralteten Vorschriften aus dem Jahre 1894. Zur Sprache kamen dabei auch die OLYMPIC und die TITANIC. Es wurde hervorgehoben, dass die Schiffe bereit seien mit weiteren Booten nachgerüstet zu werden, falls sich die Vorschriften ändern sollten. Wenn man bedenkt, was sich knapp zwei Wochen später ereignen sollte, mutet das fast wie ein makabrer Witz an…

Am Sonntag, den 31.März wurde die TITANIC offiziell unter der Nummer 131428 registriert.

Am Dienstag, den 2.April 1912 absolvierte die TITANIC ihre am Vortag wegen zu starken Windes abgesagte Probefahrt, wobei die erforderliche Manövrierfähigkeit des Schiffes bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten, sowie die Leistung des Steuerruders getestet wurden. Außerdem wurde noch ein Notstop durchgeführt. Bei dieser Probefahrt benötigte die TITANIC bei einer Geschwindigkeit von 20 Knoten etwas weniger als eine halbe Meile um zum Stillstand zu kommen, was für das spätere Unglück eine sehr interessante Zahl darstellt. Danach kehrte das Schiff von seiner Probefahrt in den Belfast Lough zurück.

Nach dieser ganzen Prozedur gingen die Beobachter von Harland&Wolff von Bord und die TITANIC erhielt ihr Passagierzertifikat. Es war ein langer Weg bis dorthin, denn der Beauftragte des britischen Handelsministeriums Francis Caruthers hatte die TITANIC über 2000-mal inspiziert, bevor er dem Luxusliner die Seetauglichkeit bescheinigte.

Der erkrankte Lord William James Pirrie wurde durch seinen Neffen Thomas Andrews vertreten, der in Belfast als Repräsentant der Werft Harland&Wolff an Bord des Schiffes ging, um bei eventuellen Schwierigkeiten direkt vor Ort verfügbar zu sein.

Deutsche Wertarbeit auf der TITANIC

Der deutsche Geschichtsanteil an der Historie der TITANIC war über viele Jahre recht unbekannt und ist eigentlich erst in den letzten Jahren thematisiert worden.

Nachfolgend nun eine Auswahl der deutschen Wertarbeit auf der TITANIC (und auch OLYMPIC und BRITANNIC):

Schwimmkran der Benrather Maschinenfabrik AG

Beim Bau der Schiffe wurde bei der Werft ein Schwimmkran eingesetzt der von der Benrather Maschinenbaufabrik AG aus Düsseldorf-Benrath stammte. Dieser Kran hatte eine Reichweite von 52 Metern und konnte ein Gewicht von 250 Tonnen heben. In den noch erhaltenen Geschäftsbüchern ist die Zahlung in Höhe von 106 672,47 Kaiserlicher Reichsmark im Jahre 1908 enthalten. Der Bauauftrag hatte die Nummer 29208.

Beim komplizierten Aufbau des Krans gab es in Belfast allerdings einige Probleme, denn die Werftarbeiter weigerten sich die äußerste Spitze des Auslegers zu installieren, da ihnen der Aufstieg als zu hoch und damit zu riskant erschien. Das stellte die Werft vor ein großes Problem, das allerdings von Chefzeichner Roderick Chisum gelöst wurde. Er regte bei der Werftleitung an, Hilfskräfte aus Benrath anzufordern die den Kran aufbauen sollten. Kurz darauf waren die Männer aus Deutschland vor Ort und begannen mit den Arbeiten. Als besonderer Anreiz war vereinbart worden, dass die Installateure die kaiserliche Flagge über dem fertigen Kran hissen dürfen, wenn sie die Arbeiten noch in der dafür festgelegten Zeit beenden können. Das schien gewirkt zu haben, denn einige Zeit später wehte die kaiserliche Flagge über Belfast! Wenn man bedenkt, dass sich beide Länder wenige Jahre später als erbitterte Kriegsgegner gegenüberstehen sollten, ist das eine interessante Randnotiz.

Nach einer Fusion mit Bechem&Kettmann nannte sich die vormalige Benrather Maschinenfabrik AG mittlerweile Duisburger Maschinenfabrik. Im Jahre 1910 kamen noch die Firmen Ludwig Stuckenholz aus Wetter und die Märkische Maschinenbauanstalt hinzu woraufhin sich der Firmenname nochmals in Deutsche Maschinenfabrik AG, besser bekannt als DEMAG, änderte.

Klavier-Flügel von Steinweg & Söhne

Die Hamburger Firma Steinweg&Söhne lieferte außer fünf sogenannten B-Flügeln, die jeweils 2,11 m lang waren, auch drei Klaviere des Modells „K“, was Konzertklavier bedeutet. Vermutlich wurden sie für die Speisesäle der ersten und zweiten Klasse, sowie für das vordere Treppenhaus der ersten Klasse auf Ebene des Bootsdecks verwendet. Die Firma ist heute unter ihrem übersetzten Namen „Steinway&Sons“bekannt.

Sportgeräte von Rossel, Schwarz & Co AG

Die aus Wiesbaden stammende Firma Rossel, Schwarz&Co AG war für eine der viel gepriesenen Neuheiten der TITANIC zuständig. Sie baute den Gymnastikraum, auch „Gymnasium“ genannt, der auf der Steuerbordseite des Bootsdecks neben dem zweiten Schornstein lag. Er war 13 Meter lang, 5,50 Meter breit und etwa 3 Meter hoch.

Die Innenansicht des Gymnastikraums der TITANIC die vom offiziellen Harland&Wolff Fotografen Robert John Welch (1859-1936) gemacht wurden.

Auf dem Prospekt von damals steht zu lesen: „Medizinische Gerätschaften zur Körperertüchtigung“, schlichtweg gesagt, man produzierte „Sportgeräte“.

Der Raum besaß acht große Fenster und war mit beleuchteten farbigen Abbildungen der Titanic und einer Weltkarte mit dem Dampfschiffnetz der White Star Line geschmückt.

Auf speziellen Geräten konnten dort unter Aufsicht des Trainers T. W. McCawley die Passagiere Reiten, Rudern und Radfahren.

Eine besondere Attraktion war das berühmte „elektrische Kamel“, von dem glücklicherweise noch Fotos erhalten sind, wie überhaupt vom Gymnastikraum kurz vor ihrer Abfahrt noch zahlreiche Aufnahmen gemacht wurden.

Fliesen von Villeroy & Boch

Auch die doch recht bekannte deutsche Firma Villeroy&Boch hat ihren Anteil an der TITANIC. So waren die Bodenbeläge und auch die Wandtäfelungen der Badezimmer und Toiletten an Bord des Luxusliners eine Kreation von Villeroy&Boch. Je nach Klasse waren die Fliesen von unterschiedlicher Qualität und hatten auch verschiedene Muster. Die Fliesen für die Kombüsen waren mit tiefen Rillen versehen, um bei nassem Boden die Ausrutschgefahr für das Küchenpersonal so gering wie nur irgend möglich zu halten.

Auch die Fliesen in den Badezimmern, die in allen drei Klassen des Schiffes verlegt wurden, sind nicht mit einer glänzend-matten, sondern mit einer rauen Struktur versehen worden. Bei Harland&Wolff entschied man sich dann für das optisch doch ansehnliche Mosaikmuster auf den Fliesen. Jahrelang stritten sich die Historiker darüber, ob die Fliesen an Bord wirklich von Villeroy&Boch gewesen sind, aber bei Tauchgängen zum Wrack der TITANIC wurden letzte Zweifel beseitigt, denn am Meeresboden fanden die Tauchteams große Mengen von Bodenfliesen mit dem unverkennbaren Mosaikmuster von Villeroy&Boch. Danach bestand kein Zweifel mehr daran, dass die deutsche Firma die Fliesen geliefert hatte.

Die „TITANIC-Orgel“ aus Bruchsal

In der Fachwelt äußerst umstritten ist ein Bauteil welches auf der TITANIC gar nicht eingebaut war: Die TITANIC-Orgel aus Bruchsal!

Die Firma M.Welte&Söhne aus Freiburg im Breisgau soll das selbstspielende Saloninstrument im Auftrag der White Star Line für die TITANIC gebaut haben. Durch verschiedene Umstände war die Orgel nicht rechtzeitig (es heißt, ein Bauteil sei nicht rechtzeitig fertiggestellt worden) in England und konnte deshalb nicht aufgestellt werden. Der Inhaber Karl-Bockisch-Welte befand sich bereits in Southampton und wurde zur Jungfernfahrt der TITANIC eingeladen. Kurz vor dem Auslaufen erhielt Bockisch-Welte ein Telegramm, dass ihn nach Hause rief, da ein nahes Familienmitglied lebensgefährlich erkrankt war.

So ging Bockisch-Welte nicht an Bord der TITANIC und entging der Katastrophe. Heute steht die „TITANIC-Orgel“ im Museum Mechanischer Musikinstrumente im Schloß Bruchsal bei Karlsruhe. Im September 2011 versuchte Brigitte Heck vom badischen Landesmuseum in Karlsruhe die Geschichte endgültig aufzuklären und dabei die Stationen der kleinen Orgel zurückzuverfolgen.

Doch als die Wissenschaftlerin Archive im In- und Ausland nach Hinweisen durchsuchte und sich mit Experten und Privatsammlern aus Europa, Asien und den USA in Verbindung setzte, stieß sie auf unlösbare Probleme: Infolge des Zweiten Weltkrieges sind bei der Orgelbauanstalt Welte in Freiburg, sowie bei der Werft Harland & Wolff in Belfast wichtige Aktenbestände und damit Gewissheiten unwiederbringlich verloren gegangen. Ein Auftrag der Werft an den Orgelbauer in Freiburg kann so weder bewiesen noch ausgeschlossen werden.

Die letzte Reise der TITANIC

Die Jungfernfahrt der TITANIC beginnt

Am Dienstagabend, den 2.April 1912 verließ die TIANIC unter Führung von Kapitän Edward John Smith den Hafen von Belfast mit dem Ziel Southampton wo man am Liegeplatz 44 vor Anker ging. Dort wurde das Schiff einer weiteren Inspektion durch die Regierung unterzogen – wie es der Merchant Shipping Act (Gesetz für Handelsschiffe) von 1894 vorsah.

Die Vorschriften waren seit 18 Jahren gesetzlich bindend, was sich bei einigen Aspekten fatal auswirken sollte. Die TITANIC besaß eine vier Mal so große Tonnage wie die Lucania, die zur Zeit des Erlasses der Regularien das größte Schiff der Welt war. Und die Vorschriften waren nicht angepasst worden. Die Anzahl der Rettungsboote beispielsweise richtete sich nicht nach der Anzahl der Passagiere, sondern nach der Tonnage eines Schiffes (und das noch unter Berücksichtigung von 18 Jahre alten Zahlen). Der Vorsitzende des Unterhausausschusses für Seeverkehr, Lord Charles Beresford, hatte im Jahre 1887 behauptet, dass es kontraproduktiv sei so viele Rettungsboote auf einem Schiff mitzuführen, in denen alle Passagiere Platz fänden. Bei schlechtem Wetter sei die Crew ohnehin nicht in der Lage, alle Boote zu Wasser zu lassen, bevor das Schiff sinken würde. (Meine Güte hatte dieser Mann ein begrenztes Vertrauen in die Mannschaften von Schiffen…) Er sah es als sinnvoller an, das Schiff mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln schwimmfähig zu halten, indem man zum Beispiel den Rumpf in mehrere wasserdichte Abteilungen unterteile. Heutzutage absolut unverständlich aber damals geltendes Recht war der Artikel 112 des Merchant Shipping Act der es sogar erlaubte, die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl an Rettungsbooten zu unterschreiten, wenn der Rumpf über wasserdichte Schotten verfügte die den Gesetzgebern anscheinend sicherer vorkamen als die Rettungsboote. In den Rettungs-und Faltbooten der TITANIC hätten 1178 Passagiere Platz gefunden, was schon fast ein Viertel mehr an Plätzen war wie es das Gesetz vorschrieb. Als größte Schiffsklasse galt in diesem nun wirklich total veralteten und wirklichkeitsfremden Gesetz ein Ozeandampfer von über 10 000 Tonnen. Nur das die OLYMPIC und die TITANIC mit über 45 000 Tonnen weit darüber hinausgingen, wurde natürlich nicht berücksichtigt. Sie hätte unter Berücksichtigung ihrer 15 wasserdichten Abteilungen sogar nur Platz für 960 Passagiere in den Rettungsbooten vorweisen müssen. Nach heutigem Maßstab ein Unding- aber 1912 noch immer Gesetz.

Nach ihrer Ankunft in Southampton wurde die TITANIC von Donnerstag, dem 4.April bis Dienstag, den 9.April 1912 mit Fracht und Vorräten beladen. Dabei wurden unter anderem 40 000 frische Eier, 75 000 Pfund frisches Fleisch, 20 000 Flaschen Bier, 1500 Flaschen Wein und vieles mehr an Bord des Luxusliners gebracht.

Es hätte nicht viel gefehlt, und die Jungfernfahrt der TITANIC hätte abgesagt werden müssen, denn am Donnerstag, den 29.Februar 1912 hatte in Großbritannien der erste Kohlestreik in der Geschichte des Landes begonnen. Über eine Million Bergarbeiter, die dem Land und den Schiffen Brennstoff lieferten, vereinten sich in ihrem Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn. Sie legten quasi das ganze Land lahm: Die Züge blieben im Bahnhof und die Schiffe im Hafen. Erst am Samstag, den 6.April 1912, vier Tage vor der Jungfernfahrt der TIANIC, gab die Regierung nach zähen Verhandlungen den Forderungen der Bergarbeiter endlich nach.

Als die TITANIC auf ihre Jungfernfahrt ging lagen daher noch viele Schiffe im Hafen von Southampton fest, da sie nicht genug Kohle für eine Weiterfahrt gebunkert hatten.

Auch die TITANIC hätte Probleme mit der Kohlemenge bekommen, wenn nicht kurzerhand die White Star Line die Kohle aus den festliegenden Schiffen auf den Luxusliner geschafft hätte.

Die TITANIC verlässt am 2.April 1912 Belfast.

Ein anderes Problem war, dass sich einige potentielle Passagiere von dem Streik hatten abschrecken lassen und so keine Passage auf der TITANIC buchten. Für die White Star Line wäre eine fast leere TITANIC auf ihrer Jungfernfahrt eine Publicitykatastrophe gewesen, und so fasste die Firmenleitung den Entschluss kurzerhand Passagieren von den festliegenden Schiffen eine Fahrkarte für die Jungfernfahrt der TITANIC anzubieten und sie so auf das neue Schiff umzubuchen.

Eines dieser Schiffe war die Philadelphia von denen einige Passagiere auf die TITANIC wechselten. Zu den ursprünglichen Passagieren der Philadelphia zählte auch die Familie Hart. Als ihnen ein Platz auf der TITANIC angeboten wurde, war Benjamin Hart geradezu entzückt. Er fand es wunderbar, denn die ganze Welt sprach von diesem Schiff. Seine Frau Esther hingegen hatte eine seltsame Vorahnung die für sie völlig ungewöhnlich war. Sie sagte: „Nein, wir können das nicht machen. Es wäre völlig falsch. Irgendetwas Schreckliches wird passieren!“

Wie richtig Esther Hart mit ihrer Vorahnung lag konnte sie zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht ahnen. Doch vier Tage später sollten ihre Vorahnungen schreckliche Realität werden! Ihr Mann Benjamin kam beim Untergang der TITANIC ums Leben während sie und ihre Tochter das Unglück überlebten. Die damals 7jährige Eva Hart wurde später zu einer der bekanntesten und populärsten TITANIC-Überlebenden.

Fast wie ein böses Omen mutet es da an, dass es bei der Abfahrt der TITANIC aus dem Hafen von Southampton um ein Haar zu einer Katastrophe gekommen wäre.

Als das riesige Schiff von den Schleppern Hercules, Neptune, Ajax, Albert Edward und Vulcan