Die Weisheit des Herzens - Raphael M. Bonelli - E-Book

Die Weisheit des Herzens E-Book

Raphael M. Bonelli

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  • Herausgeber: edition a
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Es kann uns stark und erfolgreich machen, denn wenn wir es richtig nutzen, sagt es uns immer, was zu tun ist. Das Herz kann unser bester Wegweiser durchs Leben sein. Der Neurowissenschaftler und Psychiater Raphael Bonelli zeigt in diesem Buch, wie wir es aktivieren und warum wir aufhören sollten, uns immer nur über unsere Gefühle oder unseren Kopf zu definieren.

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Seitenzahl: 242

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DIE WEISHEIT DES HERZENS

Raphael M. Bonelli:

Die Weisheit des Herzens

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 edition a, Wien

www.edition-a.at

Cover: Thomas Breit

Satz: Anna-Mariya Rakhmankina

Gesetzt in der Premiera

Gedruckt in Deutschland

1 2 3 4 5 — 26 25 24 23

ISBN: 978-3-99001-677-0

eISBN: 978-3-99001-678-7

RAPHAEL M. BONELLI

DIE WEISHEIT DES HERZENS

Wie wir werden, was wir sein wollen

edition a

Gewidmet allen Menschen guten Willens,ganz besonders meinerweisen und herzensguten FrauVictoria

INHALT

Prolog

TEIL I.VON DER HERRSCHAFT DES BAUCHES BIS ZUR AKTIVIERUNG DES HERZENS

Der Bauch:Eine Nussschale im weiten Meer

Was ist der Bauch? – Der ambivalente Doppelkopf: Ja und Nein gleichzeitig – Das bunte Treiben der Nussschale – Nützlich, wenn er ein Gegenüber hat

Der Kopf:Von den Schwächen des Denkens

Wie der Kopf tickt – Der schwache Kopf als nützliche Antithese zum Bauch – Von echten und scheinbaren Kopfmenschen

Das Herz:Der König und seine Berater

Das Scheitern der Psychoanalyse – Das Herz ist die Synthese – Wenn der schwache König überrannt wird

Der Hydra den Kopf abschlagen

Die Hydra in uns – Was schon die frühen Analytiker sahen – Die Heuchelei – Narzissmus ist kein Schicksal – Der Selbstbetrug, der ins Böse kippt – Ist unser Narzissmus heilbar?

TEIL II.DIE FÜNF DIMENSIONEN DES HERZENS

Der Wille:Wie wir zur Freiheit gelangen

Die genetisch determinierte Unfreiheit – Die Arbeit am eigenen Charakter – Drei Haltungen des Herzens – Die Krise reißt den gehetzten Menschen aus dem Trott

Nenn mir Deine Werte und ich sag Dir, wer Du wirst

Vom Wert der Werte – Die 100 gängigsten Werte – Wie wir Werte erkennen – Jeder hat ein individuelles Werteprofil – Von Opportunismus und Pseudowerten – Pseudowerte im narzisstischen Herzen – Die Perversion der Werte

Das Gewissen:Bedienungsanleitung einer Alarmanlage

Die innere Alarmanlage, die uns schützt – Gesunde und ungesunde Schuldgefühle – Fünf Arten, wie man auf Schuldgefühle reagieren kann – Schuldverdrängung

Von der freien und unfreien Herzenshaltung

Die Pfade ins freie Glück und ins unfreie Unglück – Der Ausgangspunkt des Kampfes – Incontinentia: fruchtbares Scheitern – Continentia: der mühsame Zwischenstopp – Am Ziel: das Leben lebenswert machen – Innere Harmonie

Das innere Heiligtum:Die Weisheit des Herzens

Der Eintritt und was ihn verhindert – Die Sicht auf das Höhere – Die Kunst des Ankommens – Formen der Selbsttranszendenz – Die Weisheit des Herzens

Epilog

Abbildung 1:

Das Drei-Instanzen-Modell

Überblick über das organische Drei-Instanzen-Modell mit den Sinnbildern Kopf, Bauch und Herz

PROLOG

Wenn das Herz erwacht

Ein lauer Herbstabend in Krakau 1939. Oskar Schindler macht sich bereit, wählt seinen besten Anzug aus, legt Manschettenknöpfe an, bindet seine Seidenkrawatte. Er hat Großes vor heute Nacht. Er will Eindruck schinden bei der SS. Vor kurzem hatte die deutsche Wehrmacht Polen überfallen und in nur zwei Wochen überrannt. Die jüdische Bevölkerung musste sich registrieren lassen und wurde gezwungen, in größere Städte umzusiedeln. Täglich kommen 10.000 Juden in Krakau an. Der bislang erfolglose Schindler wittert in dieser Situation das Geschäft seines Lebens. Zu diesem Zweck lässt er seine Frau in Mähren zurück und versucht mit wenig Eigenkapital sein großes Glück in Krakau.

Schindler weiß, wie er sich den neuen Machthabern präsentieren muss. Durch Bestechung verschafft er sich Zutritt in ein nobles Tanzlokal und gewinnt schnell die Aufmerksamkeit der SS-Offiziere. Oskar Schindler ist eine imposante Erscheinung: gutaussehend, hochgewachsen, tiefe Stimme. Und besonders beeindruckend: Träger des Goldenen Parteiabzeichens. Das schafft Vertrauen. Er lässt teures Essen und die besten Weine auffahren. Kaum jemand kann dem Charme des charismatischen deutschen Hünen widerstehen. Schnell genießt er heldenhaftes Ansehen bei der SS. Dabei ist er eigentlich ein Niemand, ein Blender und Hochstapler, der nur von einer Sache getrieben ist: Geldgier und Sucht nach gesellschaftlicher Anerkennung.

In Polen verliert Schindler alle seine Werte aus den Augen und kippt in ein Doppelleben: zu Hause eine biedere Ehe mit seiner frommen Frau Emilie. Ohne sie in Krakau gibt er den Kirchgang auf und wird zu einem Hedonisten und Spieler. Sein Herz ist gegenüber dieser Versuchung ausgesprochen willensschwach.

Weil sich ihm plötzlich die Möglichkeit bietet, nimmt er, ohne viel zu überlegen, den Lebensstil eines Lebemanns an und genießt das rauschende Leben in vollen Zügen. Er feiert hemmungslose Partys und hat enormen Erfolg bei Frauen. Oskar Schindler wird zum Partylöwen und Frauenschwarm, bewundert und beklatscht von seinen Freunden bei der SS. Er kann jede Frau haben und nimmt sie sich auch. Viele. Frauen beurteilet er nach ihrem Äußeren. Er denkt nicht mehr nach, lebt wie im Rausch. Die spielerische Oberflächlichkeit wird sein Markenzeichen – und Grundlage für seinen Erfolg.

Steven Spielbergs Welterfolg Schindlers Liste beginnt mit einem berechnenden Opportunisten. Der Protagonist Oskar Schindler wird von nichts anderem angetrieben als von der Befriedigung seiner Bauchgefühle: Gier, Lust, Alkohol. Er hat keine höheren Werte mehr. Zumindest keine anderen als die von der Regierung Vorgeschriebenen. Der Sinn für das Wahre, Gute und Schöne ist ihm abhandengekommen. Sein Gewissen schweigt. Politisch ist er ein klassischer Mitläufer, getrieben sowohl von der Angst vor Nachteilen als auch von der Gier nach persönlicher Bereicherung. Zwei zentrale Bauchgefühle, die totalitäre Regime bei ihren gefügigen Untertanen gern triggern.

Um das Geld für den Kauf einer Emaillewarenfabrik zu beschaffen, lässt er die ehemals vermögenden Juden der Stadt kontaktieren, die mittlerweile unter unsäglichen Bedingungen zusammengepfercht im Krakauer Ghetto leben müssen. Sein Angebot: Sie sollen ihm ihr Geld geben, er kauft dafür die Firma, und als Gegenleistung erhalten sie Töpfe und Pfannen, die sie dann im Ghetto eintauschen können. Es ist eine demütigende Offerte, aber Schindler hat keine Hemmungen, die Notsituation der ehemaligen Unternehmer auszunutzen.

Er kennt keine Skrupel mehr. Und damit nicht genug. Ohne jedes Schuldgefühl bezieht er die Wohnung einer gerade enteigneten jüdischen Familie, legt sich in das bequeme Ehebett der vormaligen Besitzer und murmelt zufrieden vor sich hin: »Könnte nicht besser sein.« Wäre Oskar Schindler nicht so ein gewitzter und charmanter Wolf im Schafspelz, würden die Zuschauer diese Herzenskälte kaum aushalten. Aber Schindler kommt damit durch. Er kauft die Firma, gewinnt die Wehrmacht als Abnehmer seiner Produkte und wird insbesondere durch die aufopferungsvolle Arbeit seines jüdischen Prokuristen, Itzhak Stern, zum erfolgreichen Unternehmer. Als seine treue Frau ihn eines Tages überraschend in Krakau besucht, öffnet die Geliebte die Wohnungstür. Es kommt zur Ehekrise. Emilie bleibt ganz ruhig. Und alles, was Schindler ihr zu sagen hat, ist: »Sieh dir an, sie (die Geliebte) ist ganz verlegen.« Er blufft, überspielt die peinliche Situation. Keine Reue, keine Schamgefühle, keine Bitte um Entschuldigung, nichts. Er ist unwillig, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken: Er ist in den letzten Monaten moralisch verkommen, ein skrupelloser Ehebrecher. Er will keine Selbsterkenntnis. Selbst in dieser völlig eindeutigen Situation. Das nennt die Psychologie Verdrängung, Ausdruck eines verstockten Herzens. Er verweigert sich, er stellt sich taub. Seiner Frau erspart er nicht einmal die Demütigung, künftig für eine seiner Maitressen gehalten zu werden. »Wenn du mir versprichst, dass mich niemand mehr für jemand anderes hält als deine Ehefrau, bleibe ich«, beschwört sie ihn. Am nächsten Tag sitzt sie im Zug zurück nach Deutschland … Den Höhepunkt an Herzlosigkeit erreicht der Film, als er seinen Geschäftsführer, Itzhak Stern, in letzter Sekunde aus dem Zug befreit, der nach Auschwitz fährt. Stern hatte seinen Ausweis vergessen und wurde deshalb verhaftet und in den Zug geschafft. »Was wäre passiert, wenn ich fünf Minuten später gekommen wäre«, klagt ihn Schindler danach an, »dann wäre ICH jetzt der Dumme«.

Das ist mehr als Gedankenlosigkeit, das ist Selbstoffenbarung: Er ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er keine Sekunde Zeit hat, sich in den zu Tode erschrockenen Stern hineinzuversetzen. Sein Herz ist verschlossen, verhärtet, ja versteinert. Nach einer Stunde filmisch brillant eingefangener egozentrischer Oberflächlichkeit kippt der Film ganz langsam ins Gegenteil, und Schindler beginnt seine Metamorphose hin zum Guten. Ein Schlüsselerlebnis berührt sein verhärtetes Herz: Von einem Hügel herab beobachtet er bei einem gemütlichen Ausritt an der Seite einer seiner Konkubinen die brutale Räumung des Krakauer Ghettos und wird ungewollt erstmals Augenzeuge einer Massenexekution. Er erkennt spontan: Das ist absolut böse und unmenschlich! Diabolisches Unrecht! Die Konkubine will wegsehen, wie so viele. Schindler bleibt. Ein kleines Mädchen im roten Mantel, das während des Gemetzels ziellos durch die Straßen von Krakau irrt, treibt ihm das Entsetzen ins Gesicht. Er sieht sie nur, weil er mit großer Willensanstrengung den Blick nicht abwendet. Diese Szene hat zweifellos Filmgeschichte geschrieben; sie wird gleichermaßen auch optisch zum Wendepunkt für Schindler. Es ist eine intuitive Spontanerkenntnis: In dem Moment öffnet er sein Herz.

Das Gute ergreift dann in der Folge langsam von seinem Herzen wieder Besitz. Er erkennt die Werte wieder an, die er um seines Erfolges willen verdrängt hatte. Unumstößliche, allgemeingültige Werte, die die offizielle Regierungspropaganda, der damalige Zeitgeist, so ganz anders darstellt. Er hat sich mit gottlosen Verbrechern gemein gemacht! Schindler hatte vorher nie so richtig darüber nachgedacht, war in seiner Oberflächlichkeit, seiner Geschäftigkeit und seinem Erfolgsrausch einfach mitgeschwommen. Mit dem Lagerkommandanten, Amon Göth, handelt er aus, dass »seine« Arbeiter tagsüber das Ghetto verlassen dürften und weiter bei ihm beschäftigt würden. Er will, von seinem Herzen bewegt, ihre Lebensbedingungen verbessern. Schindlers Fabrik wird so zu einem Ort der Hoffnung. Hatte er früher Bestechungsgelder für seine egoistischen Ziele eingesetzt, verwendet er sie jetzt, um beherzt Gutes zu tun und Böses zu verhindern. Davon hat er nichts, auch wenn er es so begründet, weil die Nazis nichts anderes verstehen. Aber er weiß: Das ist richtig! Sein Herz wendet sich zum Guten, er stellt sich in den Dienst der guten Sache, gegen das mörderische Regime. Nach Außen muss er immer noch mit der SS kooperieren und mit den Wölfen heulen, aber jetzt mit einem ganz anderen Ziel. Unter der Hand hilft er, wo es möglich ist.

Das Finale ist bekannt: Als das Lager geschlossen werden soll, um alle verbliebenen Bewohner nach Auschwitz zu deportieren, stellt Schindler mit seinem Prokuristen die sagenumwobene Liste zusammen. Aus dem Kopf werden alle ehemaligen Mitarbeiter aufgeschrieben, und dann kauft er sie um enorme Summen seines eigenen Vermögens der SS ab. Er verliert dabei bis Kriegsende sein gesamtes Geld. Der ehemalige Mitläufer aktiviert seinen freien Willen, um tapfer gegen den Strom zu schwimmen. Er muss seine Bauchgefühle der Angst (um sich selbst) und der Gier (nach persönlichem Profit) überwinden, doch mithilfe seines Herzens schafft er das. Einmal wird er von der Gestapo sogar verhaftet und eingesperrt. Statt auf Nazi-Partys befindet er sich jetzt im Gestapo-Gefängnis. Jetzt ist ihm die Gefahr klar, in der er sich befindet. Er macht trotzdem beherzt und selbstlos weiter. Denn Oskar erkennt, was wahr und gut ist und dass das, was rund um ihn geschieht, abgrundtief böse und verlogen ist. Er hat einen Sinn gefunden, den Sinn seines Lebens. Noch viele Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, später wird er die Menschen mit dieser Herzenstat inspirieren.

Oskar Schindler ist ein anderer Mensch geworden. Er findet zu echten, unveränderlichen Werten und handelt danach. Sein Gewissen erwacht aus dem Tiefschlaf. Auch sein Glaube entzündet sich neu in seinem geläuterten Herzen: Er kehrt zur Religion seiner Kindheit zurück, und zu seiner Ehefrau. Werte, die die atheistischen Nazis zutiefst verachten. In einer Kirche bittet er Emilie von Herzen um Verzeihung und verspricht ihr neu die Treue. Beeindruckend die Szene, wo Schindler an der Seite seiner Frau die 1.200 Juden in der Fabrikhalle zur Schweigeminute auffordert und selbst das Kreuzzeichen macht. Religiöse Toleranz at it’s best! Jetzt ist sein Leben geordnet, jetzt ist es richtig, jetzt ist es gut!

Schindlers Widerstand gegen das atheistische Regime entwickelt sich nicht so sehr aus ideologischen Gründen. Den zuvor opportunistischen Fabrikanten widert die Behandlung der hilflosen jüdischen Bevölkerung an, weil dieses Unrecht sein Herz berührt. Mit einem Mal erkennt er das Wesen dieses Unrechtsstaates. Alles lebt von dieser Selbsthingabe, die mit der unerwarteten, aber stimmigen Herzensbewegung in der Mitte des Filmes beginnt. Itzhak Stern überreicht ihm am Ende des Films in einer herzbewegenden Szene einen Ring mit einer Inschrift aus dem Talmud: »Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.« Oskar Schindler wird bis heute in Israel verehrt. Als einer der wenigen durfte er einen »Baum der Gerechten« pflanzen. Die Schluss-Szene, in der Steven Spielberg die noch lebenden »Schindler-Juden« auf dem Grab von Schindler einen Stein ablegen lässt, berührt viele Menschen bis heute, insbesondere die kurze Sequenz, als eine Überlebende zärtlich die Grabplatte streichelt.

Was den Film zu so einem großen Erfolg machte, ist die Wandlung der Hauptfigur Oskar Schindler, die sogenannte Wende des Herzens: vom herzlosen Egoismus hin zum selbstlosen Dienst am Guten. Weg von einem narzisstischen Ich hin zum Dienst an einem höheren Wert. Der Psychiater Fritz Künkel beschreibt diesen Prozess als Entwicklung, von der Ichhaftigkeit hin zur Sachlichkeit, dem Dienst an einer größeren Sache. In diesem Fall: die Menschlichkeit, die Gerechtigkeit. Natürlich ist Oskar Schindler ein Extremfall. Die wenigsten von uns sind so tief in das Böse verstrickt und vollziehen dann so eine spektakuläre Kehrtwende. Es geht auch nicht darum, die Messlatte für ein gutes Herz so hochzulegen. Wie wir aus dem Alltag wissen, zeigt sich ein gutes Herz auch oft in viel kleineren Dimensionen. Anders formuliert: Man muss nicht 1.200 Menschen das Leben retten, um ein guter Mensch zu sein. Der Film zeigt aber auf eindrückliche Art den Mechanismus: Schindler erkennt nicht nur in seinem Herzen, was das Richtige ist, sondern er bringt auch den Willen auf, danach zu handeln. Sowohl die Erkenntnis als auch die Entscheidung sind zentral für unser Thema.

Es ist diese Wende, die uns frei macht und uns eine innere Freiheit schenkt. Die eigenen Werte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit unserem Glück und unserer Freiheit. Wie wir diese Freiheit erlangen können, dem wollen wir in den nächsten Kapiteln nachspüren. Das innere Glück zu finden, indem wir unser Herz befragen, unsere Werte finden und danach handeln, darum wird es in diesem Werk gehen.

Wie wir werden, was wir sein wollen

Dieses Buch beschäftigt sich mit einer der großen Fragen unserer Gegenwart: Wie kann mein Leben gelingen, mit und trotz meiner komplizierten und mächtigen Bauchgefühle? Denn auf der Ebene unserer Bauchgefühle sind wir unfrei. Wir suchen sie uns nicht aus. Sie überkommen uns. Und manchmal leiten sie uns auch fehl. Auch der Kopf, die Vernunft, ist ausgesprochen beschränkt und kann sich in den Analysen häufig nicht frei bewegen. Der ewige Kampf Bauch gegen Kopf wird von vielen Liedern besungen. Die psychologische Funktion des Herzens hingegen wird in unserer Gesellschaft zunehmend vergessen. Meist, indem sie mit den Bauchgefühlen gleichgesetzt wird. Aber neben den Emotionen und der Vernunft gibt es noch diese geheimnisvolle dritte Instanz, die jene innere Freiheit für uns bereithält, die heute so viele suchen und so wenige finden: das Herz.

Alle unsere Handlungen kommen letztlich aus dem Herzen. Es ist die Entscheidungsmitte des Menschen. Auch Menschen, die »aus dem Bauch heraus« agieren, handeln im Grunde aus dem Herzen, allerdings aus einem schwachen Herzen. Das schwache Herz winkt die Impulse des Bauchs einfach durch, ohne den Kopf vorher zu konsultieren. In diesem Fall gibt das Herz dem Trieb des Bauches einfach nach. Im Gegensatz zu Bauch und Kopf kann das Herz frei wählen zwischen Gut und Böse. Bauch und Kopf sind moralisch indifferent, weder gut noch schlecht. Deswegen lassen unsere Handlungen Schlüsse auf unser innerstes Wesen, unser Herz, zu: Ist unser Herz gut, sind unsere Handlungen gut. Ist unser Herz schlecht, sind unsere Handlungen schlecht. Wir sind, was wir beständig und von Herzen tun.

Unabhängig davon, wo wir jetzt stehen, können wir lernen. Wir können lernen, unser Herz neu auszurichten, die Weisheit zu finden, nach ihr zu leben und uns damit auf eine neue Ebene in unserem Leben zu heben, auf die Ebene, auf der wir schon immer bewusst oder unbewusst sein wollen. Das Herz ist Heimat unserer Identität und unserer Freiheit, wenn es hinorientiert ist auf die Transzendenz. Es ist, bewusst oder unbewusst, immer auf der Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen. Denn dafür ist es geschaffen. Hier liegt auch die Weisheit des Herzens verborgen.

Auf dieser Suche wird inneres Wachstum möglich, die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit, die Arbeit am Charakter. Die Weisheit des Herzens verhindert den persönlichen Stillstand. Nur durch das Herz können wir uns transzendieren, also Fühlung mit etwas aufnehmen, das über uns und unsere flachen Bedürfnisse hinausgeht. Es ist dieses Streben nach dem Absoluten, das uns aus unserer beschränkten Zweidimensionalität in die dritte Dimension führt, das uns letztendlich überhaupt erst zu selbstbestimmten Wesen macht. Eine (Rück-)Besinnung auf die eigenen Werte ist es, was bei Oskar Schindler eine Wende des Herzens herbeigeführt hat. Die Wende des Herzens meint: Es wendet sich vom Falschen ab und dem Guten zu. Diese konstante Haltung der Herzenswende, diese wiederholte Bekehrung, ist ein bestimmendes Moment des geglückten Lebens. Wie der Blick auf den Kompass, der nach einer gewissen Strecke immer wieder prüft, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.

Fall 1: Der neue Frühling des Herzens

Eine 62-jährige Dame aus besseren Kreisen, Frau W., kommt zum Psychiater. Sie leidet in ihrer Ehe. Sie seien nun seit 38 Jahren verheiratet und hätten zusammen zwei Söhne. Die Angriffe und Demütigungen ihres Mannes ihr gegenüber würden immer stärker werden. Er betrüge sie und leugne es, drehe ihr das Wort im Mund um und werde laut, wenn das Gespräch nicht nach seinem Willen laufe. Er glaube, wenn er lauter sei als andere, habe er damit schon recht. Der Mann habe ein Schloss geerbt und viel Grund; auch sie selbst komme aus einer vermögenden Familie. Deswegen wäre eine Scheidung eine mühsame, kostspielige Sache.

»Meine Nerven sind blank. Er lässt mich gar nicht gelten. Er hat einen der beiden Söhne und dessen Frau auf seine Seite gezogen, mit der Ankündigung der Erbschaft bestochen, und sie mobben und verspotten den anderen Sohn und mich.

Er hat vor nichts Respekt. Ein typisches ›Gebet‹ von ihm lautet: ›Lieber Gott, wir danken dir, dass die Neger hungern und nicht wir.‹ Das sagt er, um mich zu ärgern. Er sagt, ich bin krank, ich bilde mir das alles ein. Einmal habe ich ihn in unserer Sauna in flagranti beim Ehebruch ertappt, wenn ich ihn darauf anspreche, dann wird er fürchterlich wütend und laut. Er erwartet, dass ich seine alte Mutter betreue, was ich seit vielen Jahren auch tue. Er fährt mit anderen Leuten auf Urlaub und lässt mich zu Hause. Es gibt nichts, was er sich nicht traut. Er fühlt sich nur wohl, wenn er die Oberhand hat. Er ist fürchterlich habgierig, will immer mehr. Er erträgt die Stille nicht und ist sexsüchtig, aber braucht Viagra. Ich lasse es halt ein paarmal pro Woche über mich ergehen. Außerdem konsumiert er Pornographie im Internet, auch in meiner Anwesenheit. Ich fresse das alles in mich hinein. Er glaubt, ich brauche ihn trotzdem, und er kann mich nicht verlieren. Früher war er besonders nett, wenn er schuldbewusst war; heute ist er das nicht mehr. Er will Macht und Erfolg, hat einen irrsinnigen Geltungsdrang und macht mich gern öffentlich lächerlich. Er hat keinen Respekt und keine Achtung vor mir. Er umgibt sich mit Volltrotteln, die mich aus Unterwürfigkeit gegenüber meinem Mann auslachen, wenn er über mich scherzt.

Mein Mann will die Trennung, aber keine Scheidung: Das käme ihm zu teuer. Es gibt nichts, bei dem er in seinen Augen nicht recht hat. Er ist nicht dankbar, es ist alles, was ich für ihn tue, selbstverständlich. Er ist nie schuld. Er ist extrem dominant. Er hat in seinem Leben immer gemacht, was er wollte.

In der Öffentlichkeit spielen wir das heile Paar. Er braucht mich, wenn er in Gesellschaft weggeht, er erachtet es als meine Pflicht, zu repräsentieren. Wenn ich Freunde einlade, geht er, er meidet meinen Freundeskreis. Auf Augenhöhe können wir nur auf der Jagd kommunizieren, da respektiert er mich, auch weil ich seine Jagdhütte in Schuss halte.«

Der Psychiater fragt, ob eine Paartherapie in Betracht käme, da doch der Mann bei dieser Problematik mitbeteiligt sei. Sie sagt, sie werde ihn bis zur nächsten Therapiestunde fragen und wenn er will und Zeit hat gleich mitnehmen.

Nach einer Woche kommt Frau W. wieder.

Allein.

»Herr Professor, ich habe ihn gefragt, ob er zu Ihnen mitkommen will, und er hat den totalen Schock bekommen. Er will nicht mit, er sagt, dass er keine Zeit hat. Aber das stimmt nicht. Aber mir ist aufgefallen: Seit ich in Psychotherapie gehe, reißt er sich zusammen. Aber er bittet mich, nicht mehr lange zu Ihnen zu kommen. Er hat sich geändert, aber das ist nicht echt, das kommt nicht von Herzen. Er fragt ganz genau, was wir so reden. Er hat scheinbar Angst, dass ich ihn bei Ihnen verpetze … Das macht mir Spaß!«

Der Psychiater erklärt Frau W. die Prinzipien der systemischen Psychotherapie: dass wenn sich ein Teil eines Systems ändert, der zweite Teil sich in der Regel mitändert. Mann und Frau sind so ein System. Eheliche Streite zum Beispiel laufen sehr häufig nach demselben Strickmuster und dem Koordinatensystem der Bauchgefühle ab. Wenn jetzt einer der Beteiligten plötzlich ganz anders agiert – die Psychotherapie nennt das Musterunterbrechung – ist der andere verdattert und muss neu nachdenken. Wenn etwa beim Streit der Ping-Pong-Ball von der einen Seite nicht zurückgepfeffert wird, ist das Tischtennisspiel zu Ende.

Das könnte unter Umständen ein ruhiges »Na ja, vielleicht hast du recht« oder der Verzicht auf Selbstrechtfertigung sein.

Deswegen hat es auch einen Sinn, die Therapie weiterzumachen, sozusagen als Paartherapie allein. Die Unterstellung, seine Änderung ist zwar spürbar, aber nicht echt oder aus den falschen Motiven, ist für die Beziehung ein Schuss ins Knie: Wenn er sich endlich ändert, ist es für sie entweder nicht echt oder nicht weit genug. In der Therapie analysieren sie in den nächsten Stunden viele typische Streite, überlegen sich Deeskalationsmethoden und konzentrieren sich danach auf die positiven Eigenschaften des Herrn W. und seine Art, die Dinge zu sehen. Auch versuchen sie, nicht alles prinzipiell als pathologischen Narzissmus abzutun. Nach einigem Nachdenken und mit therapeutischer Hilfe fällt ihr letztendlich eine recht beachtliche Liste an positiven Eigenschaften ein.

Für Frau W. ist es erstaunlich, zu sehen, wie eingerostet ihre Werkzeuge zur Achtung und Wertschätzung ihres Ehemanns sind, wegen jahrelangen Nicht-Gebrauchs. Dann sucht sie schonungslos nach ihren eigenen Fehlern im Umgang mit ihrem Mann, nach Respektlosigkeiten ihrerseits und nach berechtigten Anliegen, die ihr Mann haben könnte, die sie aber bis jetzt zumeist ignoriert hat. Langsam wird in ihren Augen der Ehemann vom Monster wieder zum Menschen.

Unter anderem analysieren sie auch einen Brief, den er ihr vor Jahren geschrieben hat und in dem er sehr offen seine Verletzungen und Bedürfnisse zu Papier brachte, und sich sogar ansatzweise entschuldigt hat.

Dieses Schreiben hatte sie zwischenzeitlich völlig vergessen. Sie erinnert sich nur, dass sie den Brief damals in ihrer Verletzung nicht an sich herangelassen hat. Frau W. sieht durch diesen neuen Fokus mit der Zeit immer mehr eigenen Handlungsbedarf und ändert einiges im ehelichen Umgang. Damit ist sie vom passiven Opfer wieder in eine aktive Haltung übergegangen.

Nach zwei Monaten intensiver Arbeit kommt Frau W. und berichtet recht verwundert, fast irritiert: »Mein Mann ist wie ausgewechselt! Ich kann es kaum glauben, aber wir haben einen neuen Frühling. Vor drei Wochen kam er zu mir und hat mich für die Zeit um Verzeihung gebeten. Von Herzen, das habe ich gespürt. Das hat mich total im Herzen getroffen, und ich habe mich ebenfalls für meinen Anteil entschuldigt. Jetzt sind wir uns näher als jemals zuvor!«

Frau W. hat mit ihrem Herzen eine Verhaltensänderung in Gang gesetzt, auf die Herr W. großherzig reagiert hat. Zwei Herzen sind neu erwacht und einander begegnet, nachdem davor jahrelang die stereotypen Grabenkämpfe der Bauchgefühle an der Tagesordnung gewesen waren. Denn Streit und das engherzige Schauen auf die eigenen Bedürfnisse ist ein klassisches Merkmal der Bauchgefühle. Hingegen die Fähigkeit, über seinen Schatten zu springen, zu verzeihen und sein Verhalten grundlegend zu ändern, ist im menschlichen Herzen verortet. Dem Frühling des Bauches zu Beginn der Beziehung (Eros: die Verliebtheit) folgt nach langer Durststrecke der Frühling des Herzens, Ausdruck der reifen Liebe (Agape).

Der Weg zur Weisheit des Herzens

Im ersten Teil dieses Buches stehen, ganz am Anfang, wie im wahren Leben, die Bauchgefühle. Jene Leser, die mit dem Buch Bauchgefühle vertraut sind, werden im ersten Kapitel einige bekannte Informationen finden.

Die Konzepte von Bauch und Kopf zu verstehen ist wichtig, da das Herz auf ihnen aufbaut und nicht ohne sie existieren kann. Stärker noch als in Bauchgefühle wird der Bauch hier in Bezug zu Kopf und Herz gesetzt. Danach steht die Selbstreinigung des Herzens, die Voraussetzung für eine persönliche Weiterentwicklung in Richtung unserer Innerlichkeit.

Abbildung 2:

Die fünf Dimensionen des Herzens

Im zweiten Teil analysieren wir anschließend das Herz im Detail und schlüsseln seine fünf Dimensionen, die auch bei Herrn und Frau W. wirkmächtig geworden sind, näher auf: (1) den freien Willen, mit dem sich Frau W. zur Musterunterbrechung entschloss, (2) die Werte, an denen sie sich dabei orientierte, um ihre Bauchgefühle zu überwinden, dann (3) das Gewissen, das beiden half, sich selbst kritisch zu hinterfragen und (4) die Tugenden, die sie beide in der Folge antrainierten. Schließlich stehen wir (5) vor den Toren des inneren Heiligtums, mit dessen Hilfe Herr und Frau W. über sich hinauswachsen und über ihren Schatten springen konnten.

TEIL I

Von der Herrschaft des Bauches zur Aktivierung des Herzens

KAPITEL 1

Der Bauch: Eine Nussschale im weiten Meer

Manche Konzepte, wie jenes von Kopf, Herz und Bauch, sind so tief im menschlichen Dasein verwurzelt, dass sie uns über Jahrhunderte hinweg immer wieder begegnen. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie in großen Werken der Literatur auftauchen. Ein Werk, das wie kaum ein anderes die drei Instanzen Kopf, Herz und Bauch veranschaulicht, ist das komplexeste und für viele beste Buch von Fjodor Dostojewski: Die Brüder Karamasow. In diesem Roman aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert geht es um drei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie werden uns durch das Kopf-Herz-Bauch-Modell begleiten.

Die Geschichte beginnt damit, dass alle drei Brüder aus unterschiedlichen Motiven im Dorf ihres Vaters zusammenkommen. Der Vater, Fjodor Karamasow, ist ein reicher Herr ohne jegliche Werte. Er hat zahlreiche Affären, vertrinkt sein Geld, ist geizig und boshaft gegenüber seinen Mitmenschen und hat für den Glauben an Gott nur Spott übrig. Für seine drei Kinder interessiert er sich nicht besonders, schickt sie schon früh von zu Hause weg, sodass die drei Brüder aufwachsen, ohne einander oder den Vater wirklich zu kennen.

Der Älteste der drei, Dmitri, hasst den Vater am meisten, ist ihm aber trotzdem, oder gerade deshalb, am ähnlichsten. Als Soldat führt er ein ausschweifendes Leben, wofür ihm aber das Geld fehlt. Daher muss er immer wieder bei seinem Vater um finanzielle Unterstützung nachfragen, die ihm dieser nur äußerst widerwillig gewährt.

Dmitri ist seinem Bauch hilflos ausgeliefert, insbesondere dem lebenslustigen Teil. Angst und Vorsicht hingegen, die andere Seite der Bauchgefühle, kennt er nicht. Er gibt sein Geld für Frauen und trunkene Abende aus, bis er die Offizierstochter Katerina kennenlernt. Katerina beachtet ihn zunächst nicht, was seine Gier nach ihr nur noch verstärkt. Als er erfährt, dass sie in eine missliche Lage geraten ist, versucht er dies schamlos auszunutzen. Katerinas Vater hat Geld von der Armee veruntreut und ihm droht nun eine schwere Strafe. Dmitri, der gerade wieder Geld von seinem Vater erhalten hat, lässt Katerina wissen, dass er bereit wäre, die Schulden des Vaters zu tilgen. Falls sie selbst sich das Geld bei ihm abholen würde, spätabends. Die Implikationen des Angebots sind eindeutig.

Die verzweifelte Katerina kommt dennoch. Um ihrem geliebten Vater zu helfen, ist sie zu allem bereit. Und just in diesem Moment überlegt es sich Dmitri kurzfristig anders. Er gibt ihr das Geld, ohne jegliche Gegenleistung zu verlangen, wodurch er selbst in Geldnöte gerät.

Katerina erfährt nun von Dmitris Geldsorgen und fühlt sich verantwortlich für diesen Mann, der ihre Familie vor Schande und Schlimmerem bewahrt hat. So macht sie ihm einen Heiratsantrag. Dmitri, von Freude überwältigt, willigt ein. Die Freude hält allerdings nicht lange. Kaum reisen die beiden frisch Verlobten in das Dorf, in dem Dmitris Vater lebt, wendet sich Dmitris Bauchgefühl einem neuen Ziel zu: der jungen Gruschenka, die allerdings auch von seinem Vater gierig umworben wird.

Treue ist keine Qualität des Bauches, sie ist eine Fähigkeit des Herzens. Die Bauchgefühle hingegen sind erratisch, irrational und unreflektiert. Der Bauch kennt kein Abwägen, kein Haushalten, keine Selbstkontrolle, kein Kalkulieren, keine Vernunft: völlig kopflos. Argumente funktionieren daher bei ihm nicht, er kommt von sich allein nicht zur Raison. Ohne Korrektiv und Lenkung ist der Bauch verloren. Das muss auch Dmitri erfahren. Nicht nur in der Liebe fehlt dem Soldaten jegliche Orientierung. Auch in Geldangelegenheiten beweist er kein glückliches Händchen. Als ihm sein Vater nicht nur bei Gruschenka Konkurrenz macht, sondern auch noch das Erbe vorenthält, steigert sich Dmitris Hass ihm gegenüber. So kippen die Bauchgefühle der Lust (Wein, Weib, Gesang) schnell in die Bauchgefühle der Unlust (Antipathie, Abneigung, Hass). Und damit nimmt die große Tragödie Dostojewskis ihren Lauf …

Was ist der Bauch?

Der Bauch des Kopf-Bauch-Herz-Modells ist natürlich eine Illustration und hat nichts mit dem organischen Magen-Darm-Trakt zu tun. Vielmehr steht er für jenen psychologischen Teil unseres Selbst, in dem sich die Begierden, Fantasien, Intuitionen, Erfahrungen, Traumata, Wünsche, Triebe und Emotionen befinden. All jene großteils unbewussten Phänomene, mit denen wir instinktiv auf unsere unmittelbare Umwelt reagieren.