Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 523 - Helga Winter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 523 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Sebastian Noltenius, Student der Medizin, ist geradezu besessen davon, einmal ein guter und erfolgreicher Arzt zu werden. In seinem Ehrgeiz vergisst er sogar seine Mutter, die ihm durch ihre Arbeit das Studium überhaupt erst ermöglicht. Als sie dann ganz überraschend viel zu früh verstirbt, macht Sebastian sich die bittersten Vorwürfe. Doch die Reue kommt zu spät, und um sein Studium fortzusetzen, fehlt ihm nun das Geld.
Da bietet ihm Regine Lauterberg, das Mädchen von nebenan, ihre Hilfe an. Sie, die Sebastian schon seit den gemeinsamen Kindertagen von Herzen liebt, will sein Studium finanzieren. Später könne er ihr ja alles zurückzahlen, meint die liebenswerte Regine ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Mädchen von nebenan

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Andrey Arkusha / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0512-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Das Mädchen von nebenan

Erfolgsroman um eine selbstlose Liebe

Sebastian Noltenius, Student der Medizin, ist geradezu besessen davon, einmal ein guter und erfolgreicher Arzt zu werden. In seinem Ehrgeiz vergisst er sogar seine Mutter, die ihm durch ihre Arbeit das Studium überhaupt erst ermöglicht. Als sie dann ganz überraschend viel zu früh verstirbt, macht Sebastian sich die bittersten Vorwürfe. Doch die Reue kommt zu spät, und um sein Studium fortzusetzen, fehlt ihm nun das Geld.

Da bietet ihm Regine Lauterberg, das Mädchen von nebenan, ihre Hilfe an. Sie, die Sebastian schon seit den gemeinsamen Kindertagen von Herzen liebt, will sein Studium finanzieren. Später könne er ihr ja alles zurückzahlen, meint die liebenswerte Regine …

„Komme ich zu früh?“, fragte Johanna Noltenius, während sie Regines Hand nahm und forschend in das blasse Gesicht des Mädchens schaute. Du müsstest mehr an die frische Luft und in die Sonne, dachte sie mitleidig.

„Nein, nein, ich habe alles fertig, Frau Noltenius“, erwiderte Regine Lauterberg freundlich.

„Zuverlässig wie immer. Sie haben mich noch nie im Stich gelassen, Regine.“

Das Mädchen lächelte scheu und öffnete der Kundin und Nachbarin die Tür.

„Entschuldigen Sie bitte die Unordnung, aber wenn ich bei der Arbeit bin, sieht es nun mal so aus.“

„Selbstverständlich.“

„Sie haben einen sehr schönen Stoff ausgewählt, Frau Noltenius. Es hat mir Spaß gemacht, ihn zu verarbeiten.“

„Dabei war er ausgesprochen günstig.“

Johanna Noltenius öffnete den Reißverschluss des Kleides und zog es über den Kopf. Als sie sich in dem neuen Kleid im Spiegel betrachtete, bekam sie glänzende Augen.

„Wie Sie das wieder hingekriegt haben, Regine. In dem Kleid sehe ich richtig schlank aus. Sie sind eine richtige Zauberin. Und dann haben Sie noch alles selbst entworfen.“

„Nach Ihren Angaben“, schränkte Regine das Lob bescheiden ein, aber die leichte Röte, die ihr in die Wangen gestiegen war, verriet, wie sehr sie sich freute. Sie hatte genug Kunden, denen sie nichts recht machen konnte. „Haben Sie ein bisschen Zeit mitgebracht?“, fragte Regine, während sie sich niederkniete, um den Saum des Kleides abzustecken.

„Ein wenig. Sebastian kommt heute erst um neunzehn Uhr. Er hat noch in der Klinik zu tun.“

„Er ist sehr fleißig, nicht wahr?“

„Zu fleißig, denke ich manchmal. Er will unbedingt in kürzester Zeit sein Examen machen. Ich finde, er sollte am Wochenende ruhig einmal ausgehen.“

„Es ist doch schön, wenn jemand so genau weiß, was er will“, sagte Regine leise, während sie eine Nadel in das Kleid steckte.

„Ich bin natürlich auch froh darüber. Er wollte schon immer Medizin studieren, schon als Kind.“

„Er wird bestimmt einmal ein sehr guter Arzt werden“, meinte Regine.

„Ganz bestimmt. Nur der Preis, den er dafür bezahlt … In seinem Alter haben die jungen Männer doch alle eine Freundin. Er interessiert sich nicht für Mädchen.“

„Finden Sie das so schlimm, Frau Noltenius?“

Sebastians Mutter schüttelte den Kopf.

„Nein, eigentlich nicht. Ich will mich nicht über meinen Jungen beklagen. Er hat mir immer nur Freude bereitet.“

Sie schaute auf Regine hinab, auf ihr blondes Haar, das schlicht ihren schmalen Kopf umgab. Die kleine Lauterberg war ein nettes Mädchen, fleißig, tüchtig und bescheiden.

„Sie haben auch keinen Freund. Wie kommt das, Regine? Ein so hübsches, nettes Mädchen wie Sie sollte doch längst verheiratet sein.“

„Ich habe wohl noch nicht den Richtigen getroffen.“

„Wo wollen Sie ihn treffen, wenn Sie abends immer nur zu Hause sitzen und arbeiten?“, fragte Johanna Noltenius. „Haben Sie denn keine Lust, einmal tanzen zu gehen?“

Regine hob kurz den Kopf und schaute vor sich hin. Und ob sie Lust hatte! Aber der, den sie sich als Partner wünschte, sah sie ja gar nicht. Er war nett und freundlich zu ihr, aber mehr auch nicht.

„Oder gibt es da doch schon einen?“, fragte die Nachbarin neugierig.

„Nein, nein. Ich mache mir nichts aus Männern. Schließlich kann ich für mich selbst sorgen, und …“ Regine brach ab. Sie hatte nicht die Wahrheit gesagt. Es gab durchaus einen Mann, für den sie sich interessierte.

Dieser Mann würde aber nicht im Traum daran denken, ein kleines Nähmädchen wie sie zu beachten oder gar zu heiraten. Wenn er einmal Doktor war, würde er sich eine Frau aus seinen Kreisen suchen, eine schöne, stolze Frau, um die andere Männer Sebastian Noltenius beneiden würden.

„Ist Ihnen die Saumlänge so recht?“, fragte sie, als sie aufgestanden war und ihre Kundin kritisch betrachtete.

„Ja, ganz wunderbar“, erwiderte Johanna Noltenius. „Erwarten Sie noch eine Kundin?“, fragte sie, als die Klingel in diesem Augenblick anschlug.

„Eigentlich nicht … Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.“ Regines Mutter war nicht in der Wohnung, deshalb musste sie selbst öffnen. Sie wurde blass und dann rot, als sie Sebastian sah, der sie freundlich anschaute – freundlich und gleichgütig.

„Entschuldigen Sie, Fräulein Lauterberg. Ist meine Mutter hier? Ich habe nämlich den Wohnungsschlüssel vergessen und komme nicht rein.“

„Ihre Mutter …?“ Regine nickte. „Ja … Frau Noltenius, Ihr Sohn … Kommen Sie doch herein.“ Sie war schrecklich nervös, und das nur, weil sie sich so plötzlich dem netten Herrn Noltenius gegenübersah.

„Donnerwetter!“, stieß Sebastian überrascht hervor. „Du siehst fantastisch aus, Mutti, wirklich. Mein Kompliment, Fräulein Lauterberg.“

„Danke“, entgegnete Regine. Sie spürte Frau Noltenius’ Blick auf ihrem Gesicht, einen verwunderten Blick, und sie hatte Angst, dass Sebastians Mutter erraten würde, wie ihr ums Herz war.

„Ich habe den Wohnungsschlüssel vergessen, Mutti.“

„Hier ist er. Du kommst früher, als ich dachte.“

„Ja, es hat sich so ergeben. Dann will ich nicht länger stören.“ Er nickte Regine zu und ging wieder hinaus. Das Mädchen schaute ihm nach, und Sebastians Mutter erschrak über den Ausdruck, der dabei auf ihrem Gesicht lag. Unendliche Sehnsucht und zugleich eine große Traurigkeit.

Sie hat sich in den Jungen verliebt, dachte Johanna Noltenius. Arme Regine. Denn auch für sie war es selbstverständlich, dass ihr Sohn einmal eine Frau heiraten würde, die etwas darstellte, und nicht so eine kleine Schneiderin. Auch wenn Regine sehr liebenswert war.

„Wollen Sie ein anderes Mal wiederkommen?“, fragte Regine. „Vielleicht morgen? Ich möchte den Ärmel noch einmal auftrennen und ändern, er spannt an einer Stelle.“

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Sebastian wird Hunger haben. Tut mir leid, Regine.“

„Das ist doch kein Problem, Frau Noltenius.“

Die Kundin zog rasch ihr anderes Kleid wieder an.

„Bis morgen dann, und gehen Sie doch mal ein bisschen an die frische Luft, Regine, das wird Ihnen guttun. Grüßen Sie Ihre Mutter von mir.“

„Danke.“ Das Mädchen begleitete die Nachbarin zur Tür und schloss sie dann hinter ihr.

Am liebsten hätte Regine geweint, aber natürlich tat sie es nicht, denn Tränen änderten doch nichts. Und genau genommen hatte sie auch keinen Grund zum Weinen. Ging es ihr nicht gut? Sie war gesund, hatte eine sichere Stellung und eine liebe Mutter. Was konnte ein Mensch mehr vom Leben verlangen?

Sebastian, hämmerte ihr Herz. Er allein war für sie wichtig und auf ewig unerreichbar.

♥♥♥

„Hast du schon gegessen?“, fragte Rosemarie Lauterberg ihre Tochter. „Ich bin voll bis obenhin. Dabei dürfte ich eigentlich gar nicht so viel Kuchen essen, aber wenn er auf dem Tisch steht und so lecker schmeckt … Da werde ich die nächsten Tage wieder hungern müssen, sonst gehe ich noch ganz aus dem Leim.“ Sie seufzte gekonnt, denn ganz so ernst meinte sie ihre Klagen nicht.

Sie war mollig, immer schon gewesen, und sie hatte keineswegs die Absicht, sich einer Schlankheitskur zu unterziehen.

„Ich hatte noch keine Zeit, mir etwas zu machen. Frau Noltenius war hier.“

„Und? Ist sie mit deinem Kleid zufrieden?“

„Ja.“

„Das wollte ich auch hoffen. Du bist viel zu schade für diese Arbeit, Regine. Änderungsschneiderin, was ist das schon?“

„Du weißt, dass ich nichts anderes gefunden habe, und ich beklage mich auch nicht. Ab und zu habe ich auch Gelegenheit, einmal ein wirklich hübsches Kleid selbst entwerfen und nähen zu können.“

„Und was verdienst du daran? Ein besseres Trinkgeld. Du bist viel zu bescheiden, Regine. Was meinst du, was die Frauen woanders für solch ein Kleid bezahlen müssten? Viele Hundert Mark. Und was bekommst du?“

„Ich bin froh, dass ich überhaupt noch etwas dazuverdienen kann, Mutti. Und werde ich teurer, dann lässt niemand mehr bei mir arbeiten.“

„Stimmt auch wieder“, musste Rosemarie Lauterberg einräumen. „Dass du immer noch von einem eigenen Geschäft träumst. Such dir lieber einen netten Mann und schaff dir ein paar Kinder an.“

„Das hat mir Frau Noltenius auch geraten.“

„Eine nette Frau. Ich müsste sie mal wieder zum Kaffee einladen. Die Arme muss sich ja ganz schön krummlegen, damit ihr Sohn studieren kann. Jeden Pfennig knapst sie sich ab für ihn, nur damit er einmal ein Doktor wird. Ein Jammer, dass Herr Noltenius so früh sterben musste. Ich glaube, Frau Noltenius ist auch nicht ganz gesund.“

„So?“, fragte Regine aufhorchend.

„Sie spricht ja nicht darüber. Ich habe sie mal direkt gefragt. Wo ihr Sohn doch schon ein halber Arzt ist … Aber mit dem redet sie auch nicht darüber. Sie hat wohl Angst vor einer großen Rechnung“, setzte sie schmunzelnd hinzu. „Wahrscheinlich versteht er noch nicht genug von der Medizin.“

„Was fehlt Frau Noltenius denn?“

„Ihr Herz ist wohl nicht ganz in Ordnung. Möchtest du zwei Schnitten oder heute mehr?“

„Zwei, bitte, aber ich kann sie mir selbst machen, Mutti. Ich möchte nur noch den Saum nähen.“

„Nein, nein, um das Essen kümmere ich mich schon. Wenn der Sebastian mal Doktor ist, dann schaut er uns nicht mehr an, wetten? Und seine Mutter auch nicht. Man weiß doch, wie das im Leben so zugeht. Feine Leute wollen von der armen Verwandtschaft nichts mehr wissen, auch wenn es die Mutter ist, die sich ein halbes Leben lang für ihn krummgelegt hat.“

„Sebastian ist bestimmt nicht so“, nahm Regine den geliebten Mann in Schutz.

„Alle sind so. Ich kenne mich im Leben aus, besser als du. Komm jetzt essen, deine Schnitten sind fertig.“

„Sofort.“ Erst fünf Minuten später ging Regine in die Küche, in der die Mutter auf sie wartete. Sie hatten sich durch die angelehnten Türen hindurch unterhalten.

„Müde siehst du aus“, stellte Rosemarie Lauterberg fest. „Wird Zeit, dass du Urlaub machst. Und diesmal musst du verreisen, darauf bestehe ich. Sonst sitzt du wie im letzten Jahr nur wieder den ganzen Tag hier und nähst.“

„Mir tut es leid um das Geld, das weißt du.“

„Und deine Gesundheit? Wenn du so weitermachst, kriegst du eher einen Sarg als ein eigenes Geschäft. Und ich weiß nicht, ein eigenes Geschäft, was da alles so dranhängt, die ganzen Unkosten, die Miete, die Gehälter für die Angestellten … Jetzt weißt du, was du jeden Monat hast, wenn es auch nicht viel ist, du kannst damit rechnen.“

„Lass mich nur machen, Mutti.“

„Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen. Ach, fast hätte ich es vergessen, die Köster hat heute Nachmittag angerufen. Sie möchte ein Kleid haben, ein Abendkleid. Ob du mal vorbeikommen und alles mit ihr besprechen könntest. Die ist wohl zu fein, zu uns zu kommen. Also wenn du mich fragst, ich mag sie nicht.“

„Ich finde sie recht sympathisch.“

„Lass dich von ihr nur nicht ausnutzen, Regine. Die verdienen beide, die haben Geld. Die ist bloß zu geizig, in einen Modesalon zu gehen. Verlange mehr von ihr.“

„Ja, ja“, knurrte Regine, um ihre Ruhe zu haben. Ihre Mutter meinte es gut, das wusste sie, aber sie hatte ja keine Ahnung von dem Ehrgeiz, der in Regine brannte. Sie wusste, was sie konnte, und sie wollte es der Welt eines Tages beweisen.

Der Welt, das hieß in diesem Fall Sebastian. Er sollte staunen, was die kleine Regine geschafft hatte, wenn ihr Modesalon erst einmal bekannt geworden war. Dann würde seine Frau vielleicht bei ihr einkaufen.

Nach dem Essen ging Regine wieder in ihr Zimmer und setzte sich an ihre Nähmaschine. Manchmal fühlte sie sich entsetzlich müde. Sicher, sie hatte ein Ziel, für das sie arbeitete, aber war ein eigener Modesalon es wirklich wert, so viel Kraft und Energie in ihn zu investieren?

Sie nahm sich zusammen und arbeitete weiter. Solche Gedanken führten zu nichts. Sie sparte jede Mark, gönnte sich selbst nichts, sah nur ihr Ziel – genau wie Sebastian, dachte sie. Das war wohl auch das Einzige, das sie gemeinsam hatten.

Regine hatte nur die Mittelschule besucht und danach ihre Schneiderlehre begonnen. Und jetzt arbeitete sie in einem großen Konfektionshaus als Änderungsschneiderin. An ihren Modellen war niemand interessiert. Man kaufte sie lieber fertig.

„Wie fleißig sie immer ist“, sagte ein Stockwerk höher Johanna Noltenius zu ihrem Sohn. „Hörst du die Maschine laufen?“

Sebastian hob den Kopf von seinem Lehrbuch und schaute seine Mutter fragend an.

„Du hast wieder mal nicht zugehört. Ich habe gesagt, wie fleißig Regine ist.“

„Regine? Ach so, die kleine Lauterberg. Ja, ja.“

„Ein nettes Mädchen. Hoffentlich findet sie auch einmal einen netten Mann. Wäre schade, würde sie an den Falschen geraten.“

„Ja, ja.“ Sebastian interessierte sich nicht für seine junge Mitbewohnerin. Er hätte nicht einmal beschreiben können, wie sie aussah. Er hatte Wichtigeres zu tun. In einem Jahr würde er sein Examen machen, und bis dahin musste er noch viel lernen.

„Von dir habe ich eigentlich überhaupt nichts“, stellte seine Mutter seufzend fest. „Entweder bist du an der Universität, und wenn du hier sitzt, dann bist du nicht ansprechbar.“

„Tut mir leid, aber ich muss noch …“

„Schon gut, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich halte jetzt auch den Mund und störe dich nicht länger. Ich möchte wetten, die anderen sind nicht so fleißig wie du.“

„Deren Eltern haben auch mehr Geld.“

„Also wenn es nur das ist … Von mir aus kannst du ruhig ein paar Semester länger studieren, finanziell schaffe ich das schon. Ich habe ja Vaters Rente, und was ich beim Putzen verdiene, ist auch nicht schlecht.“

„Es gefällt mir nicht, dass du putzen gehst“, erklärte Sebastian finster.

„Mir macht es Spaß. Es sind alles nette Frauen, mit denen ich zusammenkomme. Was die sich alles erzählen – unglaublich. Von ihren Männern und so. Ich würde mich schämen, solche Sachen zu erzählen, aber die finden nichts dabei.“ Sie stand auf. „Jetzt will ich dich aber nicht länger stören.“

„Tut mir leid, Mutti, aber …“

„Ich weiß, deine Zeit ist dir zu schade, um sie mit oberflächlichen Gesprächen zu vergeuden. Ist ja auch richtig, verstehe ich vollkommen.“

Ja, sie verstand es, wenn es ihr auch ganz und gar nicht recht war.

Andererseits, hatte sie es nicht so gewollt? Im Geiste sah sie ihren Sebastian im weißen Kittel, den Dr. Noltenius, zu dem alle Patienten Vertrauen hatten, den sie liebten und bewunderten.

Ja, für diesen Traum konnte man ruhig schon Opfer bringen, fand Johanna Noltenius. Einen Moment rang sie nach Luft, als sie im Wohnzimmer im Sessel saß. In letzter Zeit machte ihr das Herz zunehmend stärkere Beschwerden.

Eigentlich hätte sie zu einem Arzt gehen müssen, aber sie wollte warten, bis ihr Sebastian sie behandeln konnte. Er würde sie im Handumdrehen ganz gesund machen, davon war Johanna Noltenius überzeugt.

♥♥♥

„Vergiss dein Frühstück nicht wieder.“ Johanna Noltenius legte es vor Sebastian auf den Tisch.

Sie stand oben am Fenster und schaute Sebastian nach, als er das Haus verlassen hatte. Da überholte der Junge Regine, ohne sie zu grüßen. Das sieht ihm mal wieder ähnlich, dachte seine Mutter. Er läuft mit Scheuklappen durch die Welt, wenn es sich nicht gerade um seine Arbeit dreht.

Sebastian hatte keine Ahnung, wie weh er dem Mädchen getan hatte, an dem er vorübergehastet war. Er konnte die Universität zu Fuß erreichen. Ein Auto besaß er selbstverständlich nicht. Größere Strecken in der Stadt legte er mit seinem altersschwachen Fahrrad zurück. Ihm genügte es völlig.

„Hallo, Bastian.“

Sebastian drehte den Kopf. Sein Gesicht wirkte nicht sonderlich erfreut, als er die Kommilitonin Ira Fahrenholt erkannte.

„Hallo“, erwiderte er den Gruß und hob lässig die Hand.

„Gut, dass ich dich treffe. Ich wollte dich nämlich zu einer Party einladen. Du musst unbedingt kommen. Meine Eltern sind verreist, und da habe ich beschlossen, unser Haus einmal gründlich auf den Kopf zu stellen. Zu trinken und zu essen gibt es genug, und tanzen können wir auch.“

„Vielen Dank, aber …“

„Vielen Dank genügt, das ‚Aber’ kannst du dir schenken“, fiel ihm die hübsche Ira Fahrenholt ins Wort. „Du gefällst mir nämlich, Bastian. Und das soll schon etwas heißen. Mir gefallen nämlich nur ganz wenige Männer. Du brauchst dich übrigens nicht in Schale zu werfen, es geht bei mir ganz locker und zwanglos zu. Einzige Bedingung ist, dass du viel mit mir tanzt.“

„Tut mir leid, ich habe schon was vor.“