Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 535 - Ina Ritter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 535 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Julia Dreesen ist ein berühmter Filmstar, wenn sie auch den Gipfel ihres Erfolgs mittlerweile überschritten hat. Trotzdem glaubt sie, alle Menschen müssten ihr zu Füßen liegen. Die meisten tun dies auch: ihr Chauffeur, ihre Sekretärin und Edda, von der Julia behauptet, sie sei ihre Cousine.
Nur Professor Christian Ohlendiek, den die kapriziöse Frau regelmäßig wegen einiger Wehwehchen konsultiert, durchschaut das egoistische Gehabe. Das aber reizt Julia so sehr, dass sie beschließt, den attraktiven Professor zu heiraten. Doch Christian Ohlendiek hat sich schon für eine andere entschieden, die bisher stets im Schatten Julia Dreesens gestanden hat: Es ist Edda ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Seelchen

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Alexey Torbeev / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0719-0

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Das Seelchen

Warum Edda immer im Schatten stand

Julia Dreesen ist ein berühmter Filmstar, wenn sie auch den Gipfel ihres Erfolgs mittlerweile überschritten hat. Trotzdem glaubt sie, alle Menschen müssten ihr zu Füßen liegen. Die meisten tun dies auch: ihr Chauffeur, ihre Sekretärin und Edda, von der Julia behauptet, sie sei ihre Cousine.

Nur Professor Christian Ohlendiek, den die kapriziöse Frau regelmäßig wegen einiger Wehwehchen konsultiert, durchschaut das egoistische Gehabe. Das aber reizt Julia so sehr, dass sie beschließt, den attraktiven Professor zu heiraten. Doch Christian Ohlendiek hat sich schon für eine andere entschieden, die bisher stets im Schatten Julia Dreesens gestanden hat: Es ist Edda ...

»Das Frühstück hier ist gut, da kann man nichts sagen«, äußerte Anna, die für die Sauberkeit im Hause Ohlendiek zuständig war. »Aber der Professor hat es ja auch«, fuhr sie fort, während sie das dickbelegte Brötchen zum Mund führte.

»Bei uns wird nicht am falschen Ende gespart«, bestätigte Köchin Mina, was Anna ausdrücken wollte. »Und ich muss sagen, die Gräfin lässt mir in der Küche freie Hand. Sonst ...«

»Ist die Hausdame wirklich eine echte Gräfin?«, fragte Anna Mester ehrfürchtig.

»Selbstverständlich. Sie sorgt dafür, dass hier alles wie am Schnürchen läuft. Und ich bin froh, dass der Professor sich die Gräfin ins Haus geholt hat. Ihre Vorgängerinnen ...«

»Die waren alle hinter dem Professor her, nicht?« Anna kannte die Geschichten zwar schon, konnte sie aber nicht oft genug hören. »Wer war denn die Frau gestern, die so tief verschleiert ins Haus gekommen ist? Irgendwie kam sie mir ja bekannt vor.«

Die füllige Mina grinste. »So fragt man Leute aus, Anna. Ich habe keine Ahnung.«

»Bestimmt eine Sängerin oder eine vom Theater. Der Herr Professor hat ja wirklich tolle Kunden. Patienten, wollte ich sagen.«

»Ja, es hat sich in Künstlerkreisen herumgesprochen, wie tüchtig er ist.«

»Deshalb verdient er auch so viel. Die haben es ja alle, und ihre Gesundheit lassen die sich etwas kosten. Muss ein tolles Gefühl sein, wenn die Patienten alle so prominent sind.«

»Der Herr Professor sieht in ihnen nur die Kranken, denen er helfen muss.«

Anna Mester lachte. »Machen wir uns nichts vor, er hat es auch ganz gern, dass so tolle Leute zu ihm kommen. Mit unsereiner würde er sich doch nicht abgeben. Also dieses Haus hier ... dass einer sich heutzutage so ein Haus erlauben kann, und dann schon in verhältnismäßig jungen Jahren.«

»Professor Ohlendiek ist eben sehr tüchtig«, belehrte die Köchin sie.

»Alles schön und gut, aber Tüchtigkeit allein genügt nicht. Glück muss man auch haben. Wäre er nicht in diese Künstlerkreise hineingeraten ... Und jetzt behandelt er fast nur Künstler.«

»Sie kommen zu ihm, er drängt sich nicht auf.«

»Ich weiß. Ich will ja nichts gegen den Professor sagen. Er ist ja immer nett und freundlich, bloß ... Ich komme mir immer ganz klein vor, wenn ich ihm mal begegne. Wie ist das eigentlich mit dir?«

»Professor Ohlendiek ist ein Mensch wie alle anderen auch. Als Arzt und Forscher nur etwas tüchtiger.«

»Das meine ich nicht. Und er ist kein Mensch wie die anderen. Er ist ... wie soll ich es sagen? Von ihm geht so etwas aus ...«

Jetzt war es Mina, die Anna auslachte.

»Du spürst das vielleicht nicht mehr so, weil du dich an ihn gewöhnt hast, aber wenn man ihn nur mal gelegentlich trifft ... Kochst du schon wieder Kaffee? Also, ich habe noch genug.«

»Ist für den Professor. Er hat wieder fast die ganze Nacht im Labor gesessen und gearbeitet.«

»Dass er Lust dazu hat. Stimmt es eigentlich, dass er was mit der Riedemann hat?«, fuhr sie etwas sprunghaft fort.«

»Bestimmt nicht. Ich gehe jetzt erst einmal zu ihm.«

»Wenn es dir recht ist, esse ich noch ein Brötchen. Lass dich nicht aufhalten, Mina.«

Anna Mester arbeitete wirklich gern im Hause Ohlendiek. Hier war alles großzügig, auch wenn sie vor der Hausdame, dieser echten Gräfin, einen großen Respekt hatte. Aber die stand wenigstens nicht immer hinter ihr und beaufsichtigte sie.

♥♥♥

Mina klopfte an die Tür, die ins Labor führte. Es war überflüssig, der Professor würde sie doch nicht hören, aber obwohl die Köchin das wusste, klopfte sie jeden Tag erneut. Mit dem Ellenbogen drückte sie dann die Klinke nieder und stieß die Tür auf.

Wie das hier riecht, dachte sie, nach Chemie und so ... und der Professor hielt sich hier freiwillig auf, obwohl er doch wirklich Geld genug verdiente und berühmt war. In so jungen Jahren schon ein richtiger Professor ... Da haben andere kaum ihr Examen geschafft, dachte sie übertreibend.

Professor Ohlendiek saß am Schreibtisch und war so vertieft, dass er ihren Eintritt überhört hatte.

»Kaffee für Sie, Herr Professor. Und zwei Brötchen habe ich Ihnen auch zurechtgemacht. Die müssen Sie heute aber wirklich essen, hören Sie?«

Christian Ohlendiek warf einen Blick auf die Wanduhr, die hinter dem Schreibtisch hing.

»So spät schon«, murmelte er und schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, Mina.«

»Essen Sie am besten gleich, sonst vergessen Sie es wieder, Herr Professor. Sie arbeiten einfach zu viel und denken zu wenig Ihre Gesundheit. Wären Sie hier Patient, Sie würden sich so viel Arbeit verbieten.«

Christian Ohlendiek schmunzelte. »Aber ich bin ja zum Glück nicht mein Patient.« Mit einem Auge schielte er auf seine Aufzeichnungen.

»Bis heute Mittag dann, Herr Professor. Und wenn Sie noch mehr essen möchten, klingeln Sie bitte. Lassen Sie den Kaffee nicht wieder kalt werden.«

»Ja, ja«, murmelte Christian geistesabwesend.

Störungen bei der Arbeit waren ihm verhasst. Mina meinte es gut mit ihm, das war ihm klar, und jetzt spürte er auch seinen Magen knurren, aber trotzdem passte ihm diese Unterbrechung ganz und gar nicht.

♥♥♥

»Ach, fast hätte ich vergessen, es Ihnen zu sagen, Gräfin Westenau. Ich erwarte heute Abend Besuch. Bitte, lassen Sie ein Gedeck mehr auflegen.«

Professor Ohlendieks Hausdame nickte nur. Falls sie neugierig sein sollte, zeigte sie es nicht.

»Ein Studienfreund von mir. Wir haben uns nach dem Examen aus den Augen verloren. Lassen Sie vorsichtshalber auch ein Gästezimmer herrichten. Es könnte sein, dass Dr. Kuhnert über Nacht bleibt.«

»Ich werde alles Notwendige veranlassen, Professor Ohlendiek.«

»Ich weiß. Wie würde ich nur ohne Sie zurechtkommen ...«

Eine feine Röte färbte die Wangen der vornehmen alten Dame bei diesem versteckten Kompliment. Sie hatte im Laufe ihres Lebens den Glauben an das Gute im Menschen verloren, aber Professor Ohlendiek war in ihren Augen die große Ausnahme, ein wirklicher Gentleman, ein liebenswerter Mensch, der nicht an seinen eigenen Vorteil dachte, sondern wirklich versuchte, das Beste für andere zu tun.

Am Nachmittag hatte Professor Christian Ohlendiek in seiner Praxis genug zu tun. Zwar waren nur zwei Patienten angemeldet, aber die erwarteten von ihm, dass er sich sehr viel Zeit für sie nahm und sie gründlich untersuchte. Es war manchmal anstrengend, mit diesen Stars umzugehen, obwohl sie vor Professor Ohlendiek in der Regel viel Respekt hatten.

Heimlich atmete er auf, als er die berühmte Schauspielerin verabschiedet hatte. Er schaute ihrem Rolls Royce nach, diesem Statussymbol, auf das sie nicht glaubte, verzichten zu können.

Kaum war das große Auto um die Ecke gebogen, da fuhr ein alter VW auf das Grundstück. Christian runzelte prompt die Stirn. Dann allerdings glitt ein Lächeln über sein Gesicht, als er sah, wer ausstieg.

»Mensch, Michael!« Er gab seinem Freund einen kräftigen Schlag auf den Rücken, bevor er dessen Hand schüttelte. »Du hast dich kaum verändert.«

Das war eine freundliche Lüge, denn Christian hatte Mühe, sein Erschrecken über Michael Kuhnerts Aussehen zu verbergen. Sein Freund wirkte müde und verbraucht, dabei war er nicht älter als Christian.

»Schön, dich einmal wiederzusehen.« Michael schaute von Christian auf die Villa. »Du wohnst nicht schlecht, alter Junge.« Kein Neid schwang in seiner Stimme mit. »Hast es weit gebracht. Der berühmte Professor Ohlendiek ... Alle deine Patienten schwärmen von dir und erwähnen den Namen ihres Leibarztes gern in Interviews.«

Christian lachte. »Du weißt doch, wie diese Künstler sind, meistens ziemlich exaltiert. Aber ich komme ganz gut mit ihnen zurecht. Hast du gleich hierhergefunden?«

»Ja. Eine feine Gegend, die du dir da ausgesucht hast. Diese herrliche Ruhe hier ... Ich wohne an einer Hauptstraße. Habe damals nichts Besseres gefunden, und ... na ja, dann bin ich aus Trägheit dort hängen geblieben. Und so viel kann ich mir ja auch nicht leisten.«

»Verdienen Klinikärzte denn so schlecht?«, fragte Christian erstaunt.

»Keineswegs, ich muss nur die Hälfte meines Gehalts für meine Mutter aufwenden. Sie ist in einem Sanatorium ... schwer rheumakrank. Eine Heilung ist nicht mehr möglich, nur eine Linderung. Aber sie fühlt sich dort wohl, glaubt noch an eine Besserung ihrer Krankheit.«

Du hast dich nicht geändert, dachte Christian, bist eine Seele von Mensch. Zu gutmütig für diese Welt.

»Meine Mutter hat natürlich keine Ahnung, dass ich die Kosten trage. Braucht sie auch nicht zu wissen. Sie würde es nicht wollen. Sie glaubt, die Krankenkasse bezahlt alles, und deshalb fühlt sie sich dort auch sehr wohl. Sie wundert sich nur, dass ich noch immer mein altes Auto fahre.«

»Hattest du das nicht schon im letzten Semester vor dem Examen?«

»Ja. Mucki hat mir die ganzen Jahre treu gedient. Wirklich nicht totzukriegen. Gott sei Dank übrigens. Halte ich dich von einer wichtigen Arbeit ab? Dann sage es ehrlich, ich möchte wirklich nicht stören.«

»Ich habe im Augenblick keine wichtige Arbeit, und du störst mich sowieso nicht. Hoffentlich hast du ordentlich Hunger mitgebracht. Ich habe meine Hausdame gebeten, für ein besonders gutes Abendessen zu sorgen.«

»Demnach bist du nicht verheiratet.« Michael schaute auf den Blumenstrauß in seiner Hand. »Was mache ich jetzt nur mit dem Gemüse?«

»Schenk die Rosen der Gräfin Westenau, sie wird sich bestimmt darüber freuen.«

»Du beschäftigst eine Gräfin?«

»Ja. Sie war früher einmal im Osten begütert, hat dann nach der Flucht hierher nicht recht Fuß fassen können. Bei mir fühlt sie sich wieder wohl, glaube ich. Und ich mich unter ihrer Fuchtel.«

Michael schmunzelte. »Die erste echte Gräfin, die ich kennenlerne. Muss ich sie mit Handkuss begrüßen?«

»Sie würde es dir nicht übel nehmen«, erwiderte Christian gleichfalls schmunzelnd. »Auf Förmlichkeiten legen wir ansonsten keinen großen Wert. Wie geht es dir?«

Michael zuckte die Schultern. »Donnerwetter, was für eine Diele!«, stieß er hervor, als er ins Haus getreten war. »Was muss das alles gekostet haben!«

»Ich habe das Haus seinerzeit günstig kaufen können. Ein Patient hat es mir überlassen. Ich konnte ihm nicht mehr helfen, Angehörige hatte er nicht ...«

»Du bist wirklich ein Glückspilz. Und noch immer unbeweibt. Wie hast du das nur geschafft? Ein Mann, der so fantastisch aussieht ... und dann noch dein Ruf, dein Geld ... Die hübschesten Mädchen müssten doch bei dir Schlange stehen.«

»Ich habe einfach keine Lust zu heiraten. Wozu auch? Mir geht es gut, für mich wird hervorragend gesorgt, ich kann arbeiten, wann und wie lange ich Lust habe ...«

Michael krauste die Stirn und nickte.

»Hört sich alles richtig an, aber ... Mensch, um deinen Kamin beneide ich dich«, unterbrach er sich, als er jetzt an der Seite seines Freundes in das riesige Wohnzimmer getreten war. »Hast du ihn oft in Betrieb?«

»Ja, eigentlich immer, wenn ich im Wohnzimmer sitze. Leider ist das in letzter Zeit nicht so oft, wie ich es mir wünsche. Ich habe da eine Sache laufen ... weiß nicht, ob ich auf dem richtigen Weg bin.«

»Ein Glückspilz wie du wird auch bei seiner Forschungsarbeit einen Volltreffer landen.«

Michael hatte sich in den Sessel gesetzt, der dem seines Freundes gegenüberstand, erhob sich allerdings sofort wieder, als eine grauhaarige, zierliche Dame hereinkam.

Das ist die Gräfin, dachte er, noch bevor Christian ihn mit seiner Hausdame bekannt gemacht hatte.

Er führte ihre Hand an die Lippen, und dabei kam er sich nicht einmal lächerlich vor. Dieser alten Dame gegenüber war er angebracht.

Alt wirkte die Gräfin allerdings nur, wenn man sie flüchtig anschaute, beim näheren Hinsehen wirkte sie überraschend vital. Es mochte hauptsächlich an ihren Augen liegen, die Humor und Lebensfreude verrieten.

»Die Blumen sind für mich? Vielen Dank, Dr. Kuhnert.« Gräfin Westenau strahlte.

»Ich müsste Ihnen gelegentlich auch einmal Blumen mitbringen«, fiel Christian ein. »Ich werde in Zukunft daran denken, Gräfin Westenau.«

Seine Hausdame lächelte nur. Sie liebte ihren Chef, als wäre er ihr Sohn.

»In einer halben Stunde ist das Essen fertig, wollte ich nur sagen.«

»Vielen Dank.«

»So also sieht eine Gräfin aus«, murmelte Michael grinsend, als er mit seinem Freund wieder allein war. »Meinen Glückwunsch zu deiner Wahl, Christian. Störe ich wirklich nicht?«

»Willst du es schriftlich haben?«

»Nein, nein, ich dachte nur ...«

Christian fiel ihm ins Wort: »Wie gefällt dir die Arbeit an der Klinik?«

»Überhaupt nicht. Bei uns herrscht ein sehr schlechtes Betriebsklima. Und dann die Arbeit ... Ich bin Junggeselle, deshalb halsen sie mir so oft wie möglich Bereitschaftsdienste auf. Na ja, hat mich ja niemand gezwungen, Arzt zu werden. Weißt du noch, wie wir damals von einer eigenen Praxis träumten? Du hast es schnell geschafft.«

»Dank der Hilfe meines Vaters.«

»Ja, er hat dir den Start ermöglicht, aber was du dann daraus gemacht hast ...«

»Das war zum größten Teil Glück.«

»Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige. Mir gegenüber brauchst du dein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.«

»Wie lange kannst du bleiben?«, wollte Christian wissen.

Michael zögerte mit der Antwort. »Ich will dir nicht zur Last fallen ... Ich fahre morgen früh weiter. Ein Hotelzimmer habe ich mir noch nicht gesucht. Ich hatte gehofft, du hättest irgendwo ein Bett für mich stehen.«

»Dann bleib, solange du willst.«

»Sei unbesorgt, ich nehme dich nicht beim Wort. Nach drei Tagen stinken Fische und Besucher, sagt der Volksmund vollkommen richtig. Und ich will dir nicht stinken.«

»Du bist Internist, nicht wahr?«

»Ja, Stationsarzt. Einer, der viel zu wenig Zeit für seine Patienten hat. Aber was hilft es, sich zu beschweren? Ich muss halt versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.«

»Und wie sieht es mit der Liebe bei dir aus?«, fragte Christian.

»Eine Frau kann ich mir nicht erlauben. Was kann ich ihr denn schon bieten? Ja, hätte ich mein ganzes Gehalt für mich, aber so ... Ich bin ein paarmal reingefallen, glaubte an die große Liebe, und in Wirklichkeit kam es den Frauen nur auf eine gute Versorgung an. Ein Arzt verdient ja gut, das denken alle. Und wenn sie dann merken, dass bei mir in der Beziehung nicht viel zu holen ist ...«

»Dann bist du bisher an die falschen Frauen geraten«, behauptete Christian.

»Meistens jedenfalls. Es gibt da eine, Lydia heißt sie, aber ich weiß nicht ... Bis auf ihr Rheuma ist meine Mutter gesund, sie kann alt werden, und kann ich es einer Frau zumuten, sich an meiner Seite einzuschränken? Auf die Dauer geht das nicht gut, auch wenn sie es glaubt. Lydia will mitarbeiten. Aber gleichzeitig wünschen wir uns Kinder ...«

Es gibt da also eine Frau, begriff Christian. Plötzlich glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

»Hättest du Lust, bei mir zu arbeiten?« Das war ein spontaner Entschluss, aber als er ihn ausgesprochen hatte, wusste er, dass er ihn nicht bereuen würde.

»Wieso?«, fragte Michael. Er war blass geworden. »Brauchst du denn jemanden?«