Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 565 - Regina Rauenstein - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 565 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

"Komtess, wollen Sie meine Frau werden?", fragt Graf Andreas völlig überraschend. "Ich kann mir keine bessere Mutter für meine Kinder vorstellen als Sie."
Elaine ist wie vom Donner gerührt, und ihre Brust zieht sich schmerzhaft zusammen. Eine Mutter für seine beiden kleinen Kinder sucht er, aber von Liebe spricht er kein Wort. Elaine liebt diesen Mann mehr als ihr Leben. Und auch wenn er nur eine Mutter für seine Kinder sucht, wäre es für sie die reinste Seligkeit, für immer in seiner Nähe zu sein. Doch durch die Schande, die sie einst auf sich lud, hat sie für immer das Recht verwirkt, jemals die Frau dieses stolzen, ehrenwerten Mannes zu werden, dem ihr ganzes Herz gehört ...


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Inhalt

Cover

Wo die alten Eichen rauschen

Vorschau

Impressum

Wo die alten Eichen rauschen

Bezaubernder Roman um ein überraschendes Geständnis

Komtess, wollen Sie meine Frau werden?«, fragt Graf Andreas völlig überraschend. »Ich kann mir keine bessere Mutter für meine Kinder vorstellen als Sie.«

Elaine ist wie vom Donner gerührt, und ihre Brust zieht sich schmerzhaft zusammen. Eine Mutter für seine beiden kleinen Kinder sucht er, aber von Liebe spricht er kein Wort. Elaine liebt diesen Mann mehr als ihr Leben. Und auch wenn er nur eine Mutter für seine Kinder sucht, wäre es für sie die reinste Seligkeit, für immer in seiner Nähe zu sein. Doch durch die Schande, die sie einst auf sich lud, hat sie für immer das Recht verwirkt, jemals die Frau dieses stolzen, ehrenwerten Mannes zu werden, dem ihr ganzes Herz gehört ...

Es war Nacht geworden. Still lag der mächtige Park, der das große Herrenhaus derer von Wendenberg weiträumig umschloss. In den dunklen Fenstern spiegelte sich das sanfte Mondlicht. Es war eine jener Frühlingsnächte, die alle Herzen mit Sehnsucht erfüllte und das Blut rascher durch die Adern trieb.

Plötzlich öffnete sich leise die Tür des rückwärtigen Ausgangs, und eine zarte, in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt huschte hinaus.

Kurz verharrte sie und lauschte, und dann lief sie im Schutz der Bäume schnell weiter.

Schließlich blieb sie vor einem dichten Buschwerk stehen. Sie stieß den leisen Ruf eines im Schlaf aufgeschreckten Vogels aus und verharrte atemlos.

Leise kam Antwort.

Ein seliges Leuchten glitt über das schöne junge Gesicht, das von kindlicher Reinheit war. Wie zwei Sterne strahlten die braunen Augen auf, als sich der Busch teilte und eine Felsenhöhle freigab, in der nun die Gestalt eines jungen Mannes sichtbar wurde.

Zwei Hände streckten sich dem jungen Mädchen entgegen und zogen es in die Höhle.

Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass sich hinter den Büschen eine Höhle verbarg, die nur zwei jungen Menschen bekannt war. Sie hatten sie einst als Kinder entdeckt und zu ihrem Zufluchtsort erwählt.

Mittlerweile verband die junge Komtess Elaine und ihren Jugendfreund Dirk, der nur ein einfacher Verwalter war, eine große Liebe.

Der kräftige blonde Mann hielt das zarte Mädchen mit leidenschaftlicher Innigkeit umfangen, und in seinem braunen Gesicht, das von dem Kerzenlicht nur schwach beleuchtet war, zuckte es vor unterdrückter Erregung.

Voller Sehnsucht schlang das Mädchen die Arme um seinen Hals und presste sich zitternd an ihn.

»Komm«, sagte der Mann mit rauer Stimme und zog das Mädchen neben sich auf eine kleine Holzbank, die er einst als Knabe gezimmert hatte.

Willig folgte sie ihm, ihr Blick glitt durch die dämmrige Höhle und blieb an einzelnen Gegenständen hängen, die sie einst als Kinder zusammengetragen hatten.

Dort in der Ecke, auf einem Puppenbett, saß ihre alte Puppe. Daneben stand eine Wiege, die Dirk selbst gebastelt hatte.

Wie wundervoll war doch die Zeit gewesen, die sie hier beide in der verborgenen Höhle verbracht hatten: Zwei Kinder, die sorglos gespielt, die sich unlösbar miteinander verbunden gefühlt und sich nicht von den Vorurteilen der Erwachsenen hatten trennen lassen.

Sie waren herangewachsen, und immer tiefer war die Kluft geworden, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, die Erwachsene zwischen ihnen errichtet hatten.

Um dem Verbot der Eltern zu entgehen, hatten sie sich weiterhin heimlich in ihrem Versteck getroffen. Aus der Kinderfreundschaft war langsam und stetig eine große innige Liebe erwachsen, und sie hatten sich geschworen, sich immer treu zu bleiben und für ihre Liebe zu kämpfen.

Doch nun war die Stunde des Abschieds gekommen. Dirk Auerhof hatte als Verwalter auf einem Nachbargut gearbeitet, aber ihm war völlig unerwartet die Stellung gekündigt worden.

Durch einen Bekannten hatte er schnell die Stelle eines Verwalters auf einem großen Gut in Frankreich gefunden. Vielleicht konnte er dieses Gut sogar einmal pachten, da die Gutsbesitzer bereits sehr alt waren und keinen männlichen Nachfolger besaßen.

Und so hatte Dirk mit beiden Händen zugegriffen, obwohl diese Stelle den Abschied von der Geliebten bedeutete.

»Warum musst du ausgerechnet nach Frankreich gehen, Dirk, warum so weit fort?«, klagte die Komtess, ihn mit tränenfeuchten Augen vorwurfsvoll ansehend.

Er drückte sie an sich und küsste ihr die Tränen von den langen dunklen Wimpern fort.

»Dort habe ich gute Aufstiegschancen, Ela. Schau, hier wäre ich immer nur ein kleiner Verwalter, der es niemals wagen dürfte, um deine Hand anzuhalten. Aber in Frankreich werde ich vielleicht eines Tages mein eigener Herr sein. Dann kann ich dich zu mir holen, mit oder gegen den Willen deines Vaters, denn dann kann ich dir das Leben bieten, wie du es gewohnt bist.«

Dirk strich ihr zärtlich übers Haar.

»Wir lieben uns, und nichts kann unsere Liebe zueinander erschüttern. Was bedeuten da schon ein oder zwei Jahre, Elaine? Eines Tages werden wir für immer zusammen sein. Es wird nie eine andere Frau für mich geben. Dich liebe ich, und nur du wirst einmal meine Frau.«

Die blutjunge Komtess schauerte wie fröstelnd zusammen. Keine Seligkeit war in diesem Augenblick in ihr, nur das Gefühl einer bangen Ahnung, ein Schmerz, der ihr fast den Atem nahm.

»Geh nicht fort, Dirk, lass mich nicht allein«, brach es wie ein Schrei aus ihr heraus.

Erschüttert presste er Elaine an sich. Wie ein heißer Funke sprang ihre Leidenschaft auf ihn über, entzündete sein Blut, ließ es zu einer lodernden Flamme werden, die seinen Körper wie in einen Gluthauch zu tauchen schien.

Fester wurde sein Griff, besitzergreifender seine Küsse, leidenschaftlicher das zärtliche Streicheln seiner Hände, unter denen ihr anfänglicher leichter Widerstand schwächer wurde.

Jetzt waren sie nur noch zwei junge Menschen, die sich liebten, die sich nacheinander sehnten und die in dieser Abschiedsstunde nur den einen Wunsch hatten, eins zu sein, sich einander ganz zu verschenken.

»Schwöre mir, dass du mir treu bleibst und nie einem anderen Mann angehören wirst«, drängte er sie.

Das Mädchen legte beide Arme um seinen Hals und presste ihr glühendes Gesicht fest gegen seine Wange.

»Ich liebe dich über alles. Nie wird es einen anderen Mann für mich geben, Dirk.«

Es war ein langes schmerzliches Abschiednehmen. Die Zeit verrann, und der Morgen begann bereits zu grauen. Aber noch immer konnten sie sich nicht voneinander trennen. Es war, als ahnten sie, dass es kein Wiedersehen mehr geben sollte.

Endlich besann der Mann sich. Er wischte dem Mädchen behutsam die Tränen von den Wimpern und gab sie dann frei. Sein Gesicht war sehr blass, und in seinen Augen brannte ein dunkler Schmerz.

»Es ist schon fast hell, Elaine. Du musst zurück, man darf dich nicht sehen«, ermahnte er sie.

Sie tauschten noch einen letzten innigen Kuss, und dann huschte Elaine aus der Höhle heraus.

Der Mann blieb allein zurück. Noch eine ganze Weile wartete er, erst dann verließ er die Höhle und eilte durch den Park davon.

♥♥♥

Komtess Elaine hatte ihr Zimmer erreicht. Sie warf sich aufs Bett, wühlte ihren dunklen Kopf in die Kissen und weinte, als wollte ihr das Herz brechen.

Hatte sie geglaubt, dass ihr nächtlicher Ausflug unbemerkt geblieben war, so hatte sie sich geirrt ...

Marie, die alte Kinderfrau, die seit dem Tod der Gräfin Mutterstelle an den Grafentöchtern vertrat, hatte ihr heimliches Fortschleichen bemerkt. Seitdem stand sie mit zitterndem Herzen und sorgenvollem Blick am Fenster und wartete darauf, dass ihr Kindchen, wie sie Komtess Elaine auch heute noch nannte, endlich zurückkam.

Tief atmete sie auf, als sie die in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt aus dem Park kommen und ins Haus schlüpfen sah. Mein Gott, nicht auszudenken, wenn der Graf es erfuhr. Er, der sonst ein sehr gütiger und verständnisvoller Vater war, würde in dieser Sache keine Gnade kennen.

Graf Christian war für seinen Stolz und sein Standesbewusstsein bekannt. Niemals würde er einer seiner Töchter eine unstandesgemäße Verbindung erlauben.

Zum Glück war ihm bis heute verborgen geblieben, dass ausgerechnet Elaine, sein ausgesprochener Liebling, ihr junges Herz an einen Bürgerlichen verloren hatte und gewillt war, für diese Liebe zu kämpfen.

Seufzend wandte Marie sich ab und ging mit müden Schritten durch das Zimmer. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken und fuhr sich mit zitternden Händen über die brennenden Augen.

Die lange, schlaflose Nacht machte sich bemerkbar. Schließlich war sie keine junge Frau mehr, aber die Kinder des Grafen brauchten sie noch.

Es war keine leichte Aufgabe gewesen, die Graf Christian ihr nach dem Tod seiner Frau, dem ein langes Siechtum vorausgegangen war, übertragen hatte. Seine drei Töchter waren voll überschäumendem Temperament und steckten voller Übermut.

Elaine war die Älteste, sie zählte achtzehn Jahre. Angela war gerade siebzehn Jahre alt geworden, und Susanne, das Nesthäkchen, wurde im kommenden Monat vierzehn.

Die seit vielen Jahren schwer kranke Gräfin hatte die meiste Zeit in einem Sanatorium verbracht, und die Kinder hatten sie nur selten zu Gesicht bekommen. Von klein auf waren sie mit all ihren Kümmernissen zu Marie gegangen. Trotzdem hatten sie die Mutter zärtlich geliebt und bitterlich geweint, als sie für immer von ihnen gegangen war.

Marie liebte die drei Kinder zärtlich, aber am meisten war ihr doch Elaine ans Herz gewachsen.

Lauschend hob Marie den Kopf. Ihr war es, als habe sie einen schluchzenden Laut vernommen. Er musste aus Elaines Zimmer gekommen sein, das direkt neben dem ihren lag und durch eine Verbindungstür davon getrennt war.

Sie stand auf und eilte zur Tür. Leise drückte sie die Klinke herunter, betrat den Raum und setzte sich an das Bett der Komtess. Tröstend legte sie ihre Hand auf den zerzausten Kopf, der bei der Berührung jäh hochzuckte.

»Kindchen, Kindchen«, murmelte Marie und nahm das weinende Mädchen in ihre Arme. »Ist es denn so schlimm? Tut es so weh?«

Das Weinen wurde stärker und schüttelte den jungen Körper hin und her.

Und dann allmählich beruhigte die Komtess sich ein wenig. Sie richtete sich auf und wischte sich energisch die Tränen aus den Augen.

»Ist dir nun leichter, Kindchen?«, fragte Marie gütig.

»Es tut mir leid, wenn ich dich aufgeweckt habe, Marie, das wollte ich nicht«, erwiderte Elaine verlegen.

»Du hast mich nicht aufgeweckt, Elaine, ich habe noch nicht geschlafen.«

»Es ist doch bereits vier Uhr durch. Warum hast du denn nicht geschlafen, Marie?«

»Ich habe auf dich gewartet, Kindchen. Wie soll ich denn schlafen können, wenn ich dich nicht zu Hause weiß?« Sie sagte es ohne jeden Vorwurf.

Glühende Röte schoss in das verweinte Mädchengesicht.

»Du weißt es, Marie?«, stieß Elaine beschämt hervor.

»Ja, Elaine, ich weiß, dass es nicht das erste Mal war, dass du des Nachts heimlich dein Zimmer verlassen hast, und ich ahne auch, mit wem du dich dann triffst. Eigentlich wäre es meine Pflicht gewesen, es deinem Vater mitzuteilen, aber ich habe es einfach nicht fertiggebracht.«

Eindringlich sah Marie das Mädchen an.

»Kind, wohin soll das führen? Bist du dir klar darüber, in welche Gefahr du dich begibst, dass du deinen guten Ruf leichtsinnig aufs Spiel setzt?«

Trotzig warf die Komtess den Kopf in den Nacken.

»Ich liebe ihn, Marie«, erklärte sie leidenschaftlich.

»So, du liebst ihn, und ich nehme an, dass er dich auch liebt.« Und als Elaine heftig nickte, fuhr Marie trocken fort: »Und warum dann die Tränen, als würde dir dein Herz brechen?«

»Weil er fortgeht für lange Zeit, Marie«, jammerte Elaine.

In jäh ausbrechendem Schmerz warf sie die Arme um den Leib der alten Getreuen und barg den Kopf an ihrer Brust.

»Ich werde ihn nun lange nicht mehr sehen, Marie. Wie soll ich das ertragen?«, setzte sie schluchzend hinzu.

Ihr Kummer erbarmte Marie, aber innerlich war sie wie von einer schweren Last befreit, als sie erfuhr, dass Dirk Auerhof nun für eine ganze Weile aus Elaines Leben verschwand. Vielleicht wurde jetzt noch alles gut, die beiden waren noch jung, und in der Jugend vergaß man leichter.

Geduldig hörte sie zu, als Elaine nun zu erzählen begann und ihr das Herz ausschüttete, das zum Bersten voll war.

Was Marie bisher nur geahnt hatte, wurde ihr in dieser Stunde zur Gewissheit, als der junge Mund so leidenschaftlich von ewiger Liebe und Treue sprach.

Schließlich legte Elaine sich erschöpft in die Kissen zurück, und nach einer Weile schlief sie ein.

Lange noch verharrte Marie an dem Bett der Komtess und strich ihr immer wieder zärtlich übers Haar.

»Schlaf, mein kleiner Liebling, und gebe Gott, dass es für dich kein schmerzliches Erwachen aus deinen süßen Träumen gibt«, flüsterte die alte Marie leise, und es klang wie ein inbrünstiges Gebet.

Leise wandte sie sich ab und suchte wieder ihr Zimmer auf, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu finden.

♥♥♥

Maries Gebet sollte sich nicht erfüllen. Für Komtess Elaine gab es ein schreckliches Erwachen aus einem süßen Mädchentraum. Von einer Minute zur anderen stand die junge Komtess vor den Trümmern ihres Glücks.

Dirk kam niemals wieder. Er konnte seinen Schwur nicht halten, denn das Schicksal selbst hatte den unbarmherzigen Schlussstrich unter ihre große Liebe gezogen.

Der Zug, der ihn nach Frankreich bringen sollte, verunglückte. Es war eines der schwersten Eisenbahnunglücke, und es forderte viele Tote und Verletzte. Bei den meisten der Toten war es unmöglich, ihre Identität festzustellen, und die Angehörigen wurden aufgefordert zu helfen, soweit es ihnen möglich war.

Graf Christian befand sich auf Reisen. Elaine hatte eine Einladung ihrer Freundin zu einer Party angenommen, und die beiden jüngeren Komtessen befanden sich im Internat.

Nur die alte Marie saß im Kaminzimmer vor dem Rundfunkgerät, als die Nachricht durchgegeben wurde. Der Gedanke, dass auch Dirk Auerhof sich in diesem Zug befunden hatte und dieses furchtbare Unglück für ihren Liebling ungeahnte Folgen haben sollte, kam der alten Frau nicht.

Erst viel später, als Tag um Tag verging, ohne dass von Dirk eine Nachricht kam, und Elaine ruhelos durch das Haus irrte, begann eine entsetzliche Ahnung in Marie aufzusteigen, die ihr immer mehr zur Gewissheit wurde.

»Warum schreibt er nicht, Marie, warum? Er hat es mir doch versprochen. Nun sind schon fast vierzehn Tage vergangen, und ich habe noch kein einziges Lebenszeichen von ihm erhalten«, fragte das Mädchen immer wieder.

»Du musst Geduld haben, Kind«, beschwichtigte Marie die Komtess. »Vergiss nicht, Dirk muss sich erst etwas einleben. Schließlich ist doch alles völlig neu und fremd für ihn. Du wirst sehen, in den nächsten Tagen kommt bestimmt eine Nachricht von ihm.«

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

»Es ist etwas geschehen, Marie, ich fühle es«, stieß sie schluchzend hervor. »Niemals würde Dirk mich so warten lassen, wenn es in seiner Macht läge, mir zu schreiben. Er hat bisher noch nie sein Wort gebrochen.«

Die alte Marie hatte nicht die Kraft, ihren furchtbaren Verdacht in Worte zu kleiden. In dem kleinen Dorf hatte kaum einer von dem Unglück Kenntnis, und die Zeitungen, die groß davon berichtet hatten, hatte Marie wie unter einem Zwang verschwinden lassen, sobald sie auf dem Frühstückstisch gelegen hatten.

Und so wurden die Tage zu Wochen, die Wochen zu Monaten, und noch immer war keine Nachricht von Dirk gekommen.

Elaine sah zum Erbarmen aus. Sie wurde immer stiller und blasser und fand nachts keinen Schlaf mehr. Unruhig hörte sie das Mädchen durch das Zimmer geistern.

Eines Nachts fasste Marie einen Entschluss, den sie am nächsten Tag sofort in die Tat umsetzte. Sie wusste, dass Dirk noch eine entfernte Verwandte hatte, bei der er aufgewachsen war, als er die Eltern kurz hintereinander verloren hatte.

Ohne Elaine etwas zu sagen, fuhr Marie ins nächste Dorf, wo Dirks Tante in einer kleinen Hütte außerhalb des Dorfes lebte. Sie musste Gewissheit haben.

Und hier erfuhr sie, dass Dirk tatsächlich nicht mehr lebte.

Als Marie wieder heimfuhr, lag vor ihr eine schwere Aufgabe. Sie musste Elaine sagen, dass Dirk niemals mehr zurückkam, dass er unter den Toten des Eisenbahnunglücks gewesen war und in fremder Erde begraben lag.

♥♥♥

Als Komtess Elaine von Marie die entsetzliche Wahrheit erfuhr, entfuhr ihr ein schriller Schrei, und dann brach sie zusammen.

Tagelang lang sie apathisch im Bett, und die ganze Welt ringsum war wie in einen Nebel gehüllt. Nur manchmal durchbrach das Licht die Dunkelheit, und dann sah sie das besorgte Gesicht der alten Marie über sich geneigt, hörte ihre beschwörende Stimme, die sie zurückhielt, wenn sie sich in das Dunkel zurücksinken lassen wollte.

Als Elaine endlich zum ersten Mal das Bett verließ, sah sie zum Erbarmen aus, und ihr fehlte jeglicher Lebensmut.

Marie überredete den Grafen Wendenberg, seine Tochter zu einer Kur zu schicken, und damit das Kindchen nicht so verlassen war, wollte sie es begleiten.

Graf Christian hätte jedem Vorschlag zugestimmt, wenn Elaine nur wieder gesund wurde.

»Komm mir nur wieder gesund heim, Kleines«, bat er mit bebender Stimme.

Mit einem heißen Aufschluchzen warf Elaine ihre Arme um seinen Hals und presste ihr Gesicht an das seine.

»Paps, lieber, guter Paps, verzeih mir, dass ich dir solchen Kummer mache.«

»Es ist doch nicht deine Schuld, dass du krank geworden bist, Kindchen. Sieh nur zu, dass du sehr bald wieder gesund wirst.«

Gesund werden? Am liebsten wäre Elaine gestorben, so elend war ihr zumute. Aber sie musste durchhalten, denn unter ihrem Herzen wuchs ein neues Leben heran.