Lore-Roman 130 - Regina Rauenstein - E-Book

Lore-Roman 130 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

Die Gräfin von Bornheim findet eines Tages unten am Fluss ein kleines Mädchen. Die Mutter liegt tot daneben. Sie nimmt das fremde Kind, das Pamela heißt, mit aufs Schloss, wo es mit den beiden Grafensöhnen Al und Chris aufwächst. Vor allem mit Chris verbindet Pamela eine starke Verbindung. In ihnen beiden fließt wildes, ungebändigtes Blut, brennt eine Leidenschaft, die oft etwas Erschreckendes hat.
So vergehen die Jahre. Die Kinder wachsen zu jungen Menschen heran. Während der ruhigere und besonnenere Al studiert, zeigt Chris für nichts Ausdauer und Interesse. Sein unruhiges Temperament treibt ihn immer wieder hinaus auf Abenteuersuche. Pam scheint das einzige Band zu sein, das ihn ab und an von seinen langen Reisen zurückführt. Dann verlebt das junge Paar stürmische, leidenschaftliche Zeiten miteinander - Zeiten, die für seinen Bruder Al jedes Mal die Hölle sind ...


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Inhalt

Cover

Der wilde Graf von Bornheim

Vorschau

Impressum

Der wilde Graf von Bornheim

Ein packendes Schicksal aus dem Adelsmilieu

Von Regina Rauenstein

Die Gräfin von Bornheim findet eines Tages unten am Fluss ein kleines Mädchen. Die Mutter liegt tot daneben. Sie nimmt das fremde Kind, das Pamela heißt, mit aufs Schloss, wo es mit den beiden Grafensöhnen Al und Chris aufwächst. Vor allem mit Chris verbindet Pamela eine starke Verbindung. In ihnen beiden fließt wildes, ungebändigtes Blut, brennt eine Leidenschaft, die oft etwas Erschreckendes hat.

So vergehen die Jahre. Die Kinder wachsen zu jungen Menschen heran. Während der ruhigere und besonnenere Al studiert, zeigt Chris für nichts Ausdauer und Interesse. Sein unruhiges Temperament treibt ihn immer wieder hinaus auf Abenteuersuche. Pam scheint das einzige Band zu sein, das ihn ab und an von seinen langen Reisen zurückführt. Dann verlebt das junge Paar stürmische, leidenschaftliche Zeiten miteinander – Zeiten, die für seinen Bruder Al jedes Mal die Hölle sind ...

Eine einsame, breite Straße führte hinauf zu dem Bergschloss, das seit vielen Jahrhunderten von den Grafen Bornheim bewohnt wurde.

Ein stolzes, trutziges Geschlecht, dessen Männer wegen ihrer furchtlosen Tapferkeit bekannt und gefürchtet waren, und deren Frauen wegen ihres Liebreizes und ihrer Schönheit gerühmt wurden.

Charles Graf Bornheim, der jetzige Besitzer, war ein stolzer, etwas verschlossener Mann. Er herrschte wie ein König in seinem kleinen Reich, und man merkte es ihm an, dass er gewohnt war, zu befehlen.

Seine Frau, eine sehr schöne aparte Erscheinung, voller Herzensgüte und Wärme, verstand es ausgezeichnet, ihren Mann zu nehmen und ihn unmerklich nach ihrem Sinn zu leiten. So merzte sie manche Härte aus, die seinem Wesen entsprang, der er sich aber selbst gar nicht bewusst wurde.

Sie führten eine harmonische Ehe, ohne Höhen und Tiefen. Ihr ganzer Stolz waren die zwei Söhne, die Gräfin Bornheim ihrem Gatten schenkte. Zu ihrem Kummer musste es bei diesen beiden Söhnen bleiben. Sie durfte keine Kinder mehr bekommen, so sehr sie sich auch noch nach einer Tochter sehnte.

Graf Bornheim nahm es gelassen hin. Er hatte zwei prachtvolle Söhne – was konnte er sich noch mehr vom Schicksal erhoffen?

Sein ältester, Albrecht, der von allen nur Al gerufen wurde, war ein echter Bornheim. Schon heute zeigte der Siebenjährige eine beherrschte Überlegenheit, die manchmal verblüffte.

Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Christian war voll ungezügeltem Temperament, und seine ungestümen Ausbrüche, seine unzähmbare Wildheit erschreckten nicht nur seine sanfte Mutter, sie ließen sogar oft seinen Vater erschrocken aufsehen, der sich veranlasst fühlte, seinen kleinen Rebell zu zähmen.

Aber was der Vater mit seiner Strenge nicht erreichte, gelang der Mutter mit einem guten und bittenden Wort. In ihren Händen wurde der Trotzkopf weich wie Wachs, und er barg seinen Wuschelkopf an ihrer Brust. Und was die Strenge des Vaters nicht vermocht hatte, das Kind zum Weinen zu bringen, bei der Mutter weinte er sich aus, und nur sie durfte seine Tränen wegwischen.

»Er ist ein echter Bornheim«, lachte der Vater dann stolz.

Aber die Mutter seufzte dann sorgenvoll, und sie dachte bei sich, dass sie gewünscht hätte, ihr Jüngster hätte etwas weniger von dem unbeherrschten Charakter der wilden Bornheims mitbekommen.

In ihrem Mutterherzen zog eine große Angst, und oft presste sie das Kind leidenschaftlich an sich, als wollte sie es vor einer großen Gefahr beschützen.

***

Der Abendhimmel färbte sich schon violett, die Gipfel der Berge glühten, als wären sie in einen flammendroten Mantel gehüllt. Das feurige Licht brach sich in den spiegelblanken Fenstern des Schlosses, dass es aussah, als stände das ganze Haus in Flammen.

Die zwei kleinen Buben, die übermütig herumtollten, achteten nicht auf die ersten Anzeichen des hereinbrechenden Abends. Sie hatten über ihrem Spiel alles andere vergessen.

Der Weg senkte sich gegen Süden. Einige weiße Birken säumten den Weg, der direkt zum Fluss führte. Eine Gruppe Bäume stand um eine Quelle, die lustig zwischen den Steinen hervorhüpfte und sich im übermütigen Spiel mit dem träge dahinfließenden Fluss vereinigte.

Im Schatten dichtstehender Bäume, deren Äste bis ins Wasser hingen, stand ein hölzerner Pfahl, auf dem mit Rot und Blau von ungeschickter Hand ein Madonnenbild gemalt war.

Hier spielten die Kinder am liebsten, im Schutz der Madonna, die trutzigen Mauern des Schlosses im Rücken, das ihnen die Gewissheit gab, sorglos ihrem Spiel nachgehen zu können.

Aber heute waren die Kinder nicht allein. Verwundert blieben sie stehen und starrten zu dem kleinen Mädchen hin, das neben einer reglos auf dem Boden liegenden Frau hockte und bitterlich weinte.

Eine Weile standen die beiden Kinder da und wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sie waren gewohnt, hier niemanden anzutreffen – und jetzt waren auf einmal zwei Fremde hier, ein kleines Mädchen und diese stille Frau, die zu schlafen schien.

Unsicher schritt Al jetzt auf das Mädchen zu und tippte es behutsam an der Schulter.

»He, du, warum weinst du?«, wollte er wissen, von einem jähen Mitleid überwältigt.

Das Kind hob das verweinte Gesicht. Aus den großen dunklen Augen rannen die Tränen wie Sturzbäche. Das braune Gesicht war verschmiert und zeigte deutlich die Spuren, die die Tränen zeichneten.

Es gab keine Antwort, sondern weinte nur noch stärker, während es sich enger an die reglose Frau schmiegte, als suche es ihren Schutz.

Al sah auf die Frau nieder, und seine Augen weiteten sich entsetzt, als er das Blut sah, das durch die Bluse drang und sie rot färbte.

Jäh wich er zurück, wandte sich dann von einer wilden Panik erfasst zur Flucht und stob davon, als säße ihm der Leibhaftige im Nacken.

Der kleine Chris sah verdutzt hinter seinem Bruder her, aber gewohnt, ihm überallhin zu folgen, so lief er auch jetzt hinter ihm her, so schnell ihn seine kleinen Beine trugen.

»Al! Al! Warte doch! So warte doch!«, schrie er. Aber es klang keineswegs ängstlich, eher wütend.

Aber Al hörte und sah nichts mehr. Er hatte nur noch den einen Wunsch, sich in die Arme seiner Mutter zu werfen und bei ihr Schutz zu suchen vor dem Entsetzlichen, das er zwar noch nicht in seinem ganzen Umfang begriff, aber doch dunkel zu ahnen schien.

Frau von Bornheim, die schon ein paarmal ungeduldig auf ihre Uhr gesehen hatte, stand auf der Terrasse, als sie die Kinder anstürmen sah. Aber ehe sie etwas sagen konnte, stand Al schon keuchend vor ihr, starrte sie aus übergroßen Augen an, in denen die Furcht brannte.

Sofort fühlte die Mutter, dass irgendetwas geschehen sein musste.

Da sprudelte es auch schon aus dem Jungen heraus, der sich angstvoll an die Mutter klammerte.

»Am Fluss – die Frau – sie blutet, Mami. Alles ist voller Blut – hier!« Er zeigte auf seine kleine Brust. »Und das kleine Mädchen, es weint so furchtbar – du musst helfen, Mami! Bitte, bitte, du musst helfen!«

Die Gräfin brauchte erst eine Weile, um aus dem Gestammel klug zu werden. Sie nahm den aufgeregten Jungen fest in ihre Arme und sprach beruhigend auf ihn ein. Und Al wurde langsam ruhiger und konnte ihr zusammenhängend erklären, was er unten am Fluss vorgefunden hatte.

Frau von Bornheim zögerte keinen Augenblick. Sie rief einen Knecht und eine Magd, ließ Verbandszeug einpacken und den Wagen anspannen.

Vielleicht brauchte die Frau sofort ärztliche Hilfe, dann war es schon besser, den Wagen gleich dabei zu haben.

Al wurde schlagartig ruhig, als er sah, dass die Mutter etwas unternahm. Nun würde das kleine Mädchen nicht mehr so furchtbar weinen, nun, wo die Mama sich seiner annahm.

Chris hatte völlig vergessen, dass er Al bei der Mami verpetzen wollte, weil er ohne ihn weggelaufen war. Die allgemeine Aufregung um sich herum ließ das Kind verstummen und mit großen Augen alles um sich herum verfolgen.

Es verging fast eine Stunde, dann kam Frau von Bornheim zurück. Ihr Gesicht war totenbleich, und ihre Augen brannten, als ob sie geweint hätte.

Neben ihr aber schritt das kleine fremde Mädchen mit dem wirren schwarzen Haar, das strähnig und ungepflegt bis weit über die Schultern fiel. Die kleine Kinderhand hatte die zarten gepflegten Finger der Frau umklammert wie einen rettenden Strohhalm.

Neugierig kamen ihre beiden Söhne näher und betrachteten das fremde Mädchen mit großen Augen.

Die Mutter sagte etwas zu der jungen Magd und schob ihr das Kind zu.

Die Kleine schrie entsetzt auf, warf ihre mageren Ärmchen um den Leib der Frau und stammelte unverständliche Worte in einer Sprache, die niemand verstand.

Leise pirschte Al sich heran, während es in den Augen von Chris eifersüchtig aufblitzte.

Was wollte dieses fremde Mädchen denn von seiner Mami?

Der kleine Junge stieß einen zornigen Laut aus. Und ehe die Mutter wusste, was er vorhatte, packte er das kleine Mädchen und zerrte es wütend zurück.

»Das ist meine Mami!«, schrie er dabei außer sich und hob seine kleinen Fäuste, als wollte er das fremde Mädchen schlagen.

Frau von Bornheim griff beschwichtigend ein.

»Aber, Chris, wer wird denn so garstig sein? Schau, das kleine Mädchen hat keine Mami mehr. Sie ist oben beim lieben Gott im Himmel. Es ist ganz allein. Willst du nicht ein wenig lieb zu ihm sein, damit es nicht mehr so weinen muss?«

Der kleine Al, dessen weiches Herz vor Mitleid überfloss, trat jetzt neben den Bruder und schob ihn energisch zurück. Dann legte er wie schützend seinen Arm um das fremde Kind.

»Du brauchst keine Angst zu haben, ich beschütze dich schon«, versprach er feierlich und sah seinen jüngeren Bruder warnend an. »Du brauchst auch nicht mehr zu weinen, weil deine Mami tot ist. Meine Mami ist so lieb, und sie wird Chris schon sagen, dass er dir nichts tut.«

Das Mädchen sah ihn mit den großen dunklen Augen unverwandt an. Es schien kein einziges Wort verstanden zu haben. Aber trotzdem begann es plötzlich ganz zaghaft zu lächeln, während noch immer die Tränen über das Gesichtchen liefen.

Die Mutter machte dem allem ein Ende. Sie selbst brachte das Mädchen ins Badezimmer, während ihr Mann alles Weitere in die Hand nahm.

Er sorgte dafür, dass die fremde Frau in die Leichenhalle gebracht wurde, nachdem der herbeigerufene Arzt den Tod einwandfrei festgestellt hatte.

Die Frau war an einem Messerstich, der genau ihr Herz getroffen hatte, verblutet.

Was sich eigentlich da draußen am Fluss zugetragen hatte, bedurfte wahrscheinlich langwieriger Untersuchungen der Behörden. Das Kind hatte von der ganzen Tragödie nur eines begriffen, dass seine Mami blutete und ganz fest schlief und nicht mehr wach werden wollte.

Und dann war die fremde schöne Frau gekommen, die so lieb zu ihr war und sie mit ins Schloss genommen hatte.

Nun war das Mädchen im Badezimmer und hatte zuerst Furcht vor der blitzenden großen Wanne. Schreiend wehrte es sich, als die junge Magd es ausziehen wollte, und es gab erst widerwillig nach, als Frau von Bornheim es selbst übernahm und auskleidete und dann ins Wasser setzte.

Sie hatte das Kind völlig in Ruhe gelassen. Es sollte Zeit gewinnen, sich an all das Neue zu gewöhnen.

Eine ganze Weile saß die Kleine und plantschte im Wasser herum. Es schien ihr sichtlich Freude zu bereiten.

Kathi, die junge Magd, wurde langsam ungeduldig. Sie begriff nicht, warum die Herrin so viele Umstände mit dem Zigeunerkind machte. Resolut ergriff sie den Schwamm.

»Ich werde sie jetzt tüchtig abseifen, gnädige Frau.«

Aber das war leichter gesagt als getan. Das Kind schoss wie eine Rakete aus dem Wasser hoch, versuchte aus der Wanne zu kommen und schrie wie am Spieß, als die kräftigen jungen Fäuste es hielten.

Entschlossen trat Frau von Bornheim dazwischen. Ihr Herz war voll Mitleid mit dem fremden Kind erfüllt, das vielleicht schon seit Stunden neben seiner toten Mutter gehockt hatte, ohne zu wissen, dass es sie für immer verloren hatte.

»Lass nur, Kathi, ich mache es schon.«

»Aber das ist doch keine Arbeit für Sie, gnädige Frau. Sie können doch nicht dieses Zigeunerkind1 waschen, als wäre es Ihr eigenes«, wehrte Kathi erschrocken ab.

Ruhig lächelnd schob die Gräfin das Mädchen zur Seite.

»Warum nicht, Kathi? Es ist ein Kind wie jedes andere. Es ist ein Kind, das unsere Hilfe braucht, das seine Mutter verloren hat und alleinsteht.« Sie sagte es sehr ernst, und Kathi senkte beschämt den Kopf.

Später in der Küche sagte sie zu der Köchin, und es lag große Verwunderung dabei in ihren Augen: »Sie hat dieses Zigeunermädchen mit einer Zärtlichkeit umsorgt, als wäre es eines ihrer Kinder. Und das Kind ließ sich von ihr waschen und schrubben, als müsse es so sein, ohne auch nur den geringsten Laut von sich zu geben. Sogar das Haar hat es sich waschen lassen, ohne jedes Geschrei.«

Die Köchin nickte versonnen vor sich hin.

»Ein Kind hat eben ein feines Gespür, und diese Naturkinder ganz besonders, Kathi. Die Kleine hat sofort gefühlt, dass die Frau es gut mit ihm meint. Armes kleines Ding. Was soll nun aus ihm werden? Die Mutter ist tot, die Sippe einfach weitergezogen, ohne sich um das Kleine zu kümmern.«

Seufzend machte sie sich wieder an ihre Arbeit, und damit war für sie das Thema abgetan.

Nicht so aber für Frau von Bornheim. Sie brachte das Kind nach dem Bad persönlich ins Bett, und erst als die Kleine schlief, suchte sie ihren Gatten auf.

Es war eine sehr lange und ernste Unterhaltung, die sie mit ihm führte.

Entsetzt wehrte Graf von Bornheim ab, als seine Frau ihn bat, das Kind behalten zu dürfen.

»Schau, wir haben uns doch immer so sehr ein Töchterchen gewünscht, Charles«, sagte sie mit flehender Stimme und sah ihn mit ihren schönen blauen Augen bittend an. »Nehmen wir es als Fingerzeig Gottes, dass er uns das arme verlassene Kind ins Haus schickte. Lass es zusammen mit unseren Söhnen aufwachsen.«

»Aber das kann doch nicht dein Ernst sein, Gerda, dieses Zigeunerkind für immer im Schloss zu halten. Nein, nein, wenn du unbedingt noch ein Kind haben willst, eine Tochter, dann gehen wir ins Waisenhaus und suchen uns da ein Kind aus, das auch unseren Vorstellungen entspricht – aber nicht dieses Kind, Gerda.«

Aber die Gräfin war so leicht nicht von ihrem Vorhaben abzubringen.

»Ich will kein anderes Kind, Charles. Ich will dieses Kind. Ich habe seiner toten Mutter versprochen, für das Kind zu sorgen, und ich werde mein Versprechen halten. Charles, sei großherzig, lass mir dieses kleine Mädchen. Ich fühle es, es wird zum Segen für unser Haus werden. Das Kind hängt an mir, es liebt mich, und ich könnte ihm sein Leid um die Mutter vergessen machen.«

Unruhig lief Graf Bornheim mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, blieb dann mit einem Ruck vor seiner Frau stehen.

»Gut, das Kind mag im Haus bleiben. Die Dienerschaft soll sich darum kümmern. Oder aber ich werde es dem Gärtner in Pflege geben, dort wird es die Kleine bestimmt gut haben.«

»Wenn ich deinem Vorschlag zustimme, Charles, dann mache ich mir mein Versprechen sehr leicht«, gab die Gräfin ernst zurück. »Warum willst du mich nicht verstehen, Charles, warum willst du nicht begreifen, dass ich mich für das Kind verantwortlich fühle? Gib mir eine Chance, lass es mich wenigstens versuchen. Sollte die Kleine sich wider Erwarten nicht einfügen, dann können wir sie noch immer in andere Hände geben. Aber ich weiß, es wird nicht nötig sein. Eines Tages wirst du mir recht geben und das Kind genauso in dein Herz geschlossen haben, wie ich es jetzt schon lieben muss.«

Zwar wehrte Graf Bornheim sich noch eine Weile verbissen, aber sein Widerstand hatte schon sehr viel an Nachdruck verloren.

Wie immer, war er auch jetzt den flehenden blauen Augen seiner Frau gegenüber machtlos, und als er endlich, wenn auch zögernd, nachgab und sie ihm jubelnd um den Hals fiel, da war es ihm Lohn genug.

***

So kam Pamela, das kleine Zigeunerkind, ins Schloss und wurde wie ein eigenes Kind gehalten.

Sehr schnell hatte die Kleine sich eingewöhnt. Besonders zu Al hatte sie ein großes Vertrauen, seitdem der kleine Junge sie heimlich nachts in ihrem Zimmer besuchte, als sie leise in sich hineinweinte und nach der Mami rief.

Da war ganz leise die Tür aufgegangen, und Al war ins Zimmer gekommen, hatte sich zu ihr aufs Bett gesetzt und ganz weich ihr Haar gestreichelt.

Er hatte ihr vom lieben Gott erzählt, von ihrer Mami, die jetzt oben im Himmel war – und es war eigenartig, auf einmal verstand Pamela den Jungen ganz gut, obwohl ihr die deutsche Sprache noch sehr ungeläufig war.

Al war erst gegangen, als sie fest eingeschlafen war.

Von dieser Nacht an hatte sich zwischen den beiden Kindern ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das ein ganzes Leben anhalten sollte.

Mit allem, was Pamela bedrückte, womit sie nicht fertigwurde, ging sie zu Al, und er war ungeheuer stolz darauf, seine kleine Schwester, wie er sie nannte, vor jeder Unbill zu schützen.

Anders war das Verhältnis zu Chris. Der leidenschaftliche Junge stand dem fremden Eindringling erst sehr feindlich gegenüber, und es entsprach seiner ungestümen Art, die oft etwas Grausames hatte, dass er das Mädchen heimlich zwickte und zwackte und an den langen schwarzen Zöpfen riss, die bis tief auf den Rücken herunterfielen.

Aber hatte Chris erwartet, dass Pamela weinen oder sich beschweren würde, so sah er sich getäuscht. Sie ertrug ohne jeden Schmerzenslaut seine oft sehr schmerzhaften Misshandlungen. Nur die großen dunklen Augen glühten leidenschaftlich auf und sprühten ihn oft so zornig an, dass Chris ganz betroffen davon war.

Wie ein Schatten folgte die Kleine ihm, war zur Stelle, wenn er Hilfe brauchte – und ganz langsam gewöhnte Chris sich daran, sie um sich zu haben.

So wuchsen die Kinder heran. Die kleine Pamela hatte längst vergessen, dass sie eigentlich nicht zu den Menschen gehörte, die sie liebte. Sie liebte die Pflegeeltern mit einer hingebungsvollen Anhänglichkeit, hing leidenschaftlich an ihren Pflegebrüdern, und doch konnte es nicht verheimlicht bleiben, dass Chris nach wie vor ihre ganz große Liebe war.

Chris ergänzte sich auf eine wundervolle Weise mit dem Zigeunerkind. In ihnen beiden floss wildes, ungebändigtes Blut, brannte eine Leidenschaft, die oft etwas Erschreckendes hatte.

Der ruhende, ausgleichende Pol zwischen ihnen war Al, der auch ein rechter draufgängerischer Junge war, ohne aber so leichtsinnig zu sein wie sein jüngerer Bruder.

Oft gerieten die beiden Buben aneinander, fuhren sich in die Haare und rauften sich verbissen. Es ging dann jedes Mal um Pamela, weil Al es nicht ertragen konnte, dass Chris oft die unmöglichsten Dinge von Pamela verlangte und genau wusste, dass das Kind sie unbedenklich ausführen würde, nur um ihm zu Gefallen zu sein.

Dann stand Pam mit blassem erregtem Gesicht beiseite, und seltsamerweise ergriff sie keinerlei Partei, obwohl sie bei jedem Schlag, den der viel stärkere Al dem Bruder versetzte, zusammenzuckte und schmerzhaft das Gesicht verzog.

Aber diese ausbrechende Feindschaft war genauso schnell wieder verflogen, wie sie ausbrach. Sonst waren die beiden Brüder meist ein Herz und eine Seele.

Wie sehr Pam dem jüngeren Chris verfallen war, zeigte sich an der Begebenheit, die wohl an Deutlichkeit nichts übrig ließ.

Pam war sehr stolz auf ihr langes blauschwarzes Haar, das wie ein langer seidiger Mantel ihr feines Gesicht umgab. Unter der sorgsamen Pflege der Pflegemutter glänzte es wie feines Seidengespinst, und wenn sie dann auch noch eine von den wunderschönen leuchtenden Schleifen ins Haar bekam, dann war das Kind ungeheuer stolz und trug das kleine Köpfchen hoch wie eine kleine Prinzessin.

Heute nun streiften die Kinder schon seit Stunden draußen herum. Chris hatte ganz oben zwischen Dorngestrüpp eine Höhle entdeckt, die er Pam und seinem Bruder unbedingt zeigen wollte.

Es war ein sehr anstrengender, beschwerlicher Weg. Die beiden Buben keuchten, und der Schweiß rann ihnen über die Gesichter.